Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR60/14 Verkündet am:
22. Juli 2015
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen
Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 24. Juni 2015 eingereicht
werden konnten,

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2014 wird auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 5.192,54 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
2
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. März 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und ein Policenbegleitschreiben, das eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt.
3
D. VN zahlte von März 1999 bis einschließlich Dezember 2009 Prämien in Höhe von insgesamt 8.525,44 €. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. und hilfsweise die Kündigung des Vertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.
4
Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 5.192,54 €.
5
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision hat keinen Erfolg.
8
I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. D. VN sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden und habe nicht innerhalb der damit in Gang gesetzten Widerspruchsfrist den Widerspruch erklärt. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
9
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
10
D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.
11
1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.
12
2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, VersR 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit , den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Februar 1999 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte von März 1999 bis einschließlich Dezember 2009, somit zehn Jahre und zehn Monate die Versicherungsprämien , bevor er im Dezember 2009 den Widerspruch erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im Februar 1999 über die Möglichkeit , den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 04.09.2013 - 18 O 260/13 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 16.01.2014- 7 U 204/13 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - IV ZR 60/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - IV ZR 60/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - IV ZR 60/14 zitiert 3 §§.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - IV ZR 60/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - IV ZR 60/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13

bei uns veröffentlicht am 16.07.2014

Tenor Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Oberlandesgericht Stuttgart Entscheidung, 16. Jan. 2014 - 7 U 204/13

bei uns veröffentlicht am 16.01.2014

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4.9.2013 (18 O 260/13) abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über das am 1.1.2010 vorhandene Deckungskapital ohne

Referenzen

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz in Anspruch.

2

Er beantragte am 14. August 1998 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger im August 1998 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630).

3

Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut:

"(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. …"

4

Aufgrund eines Änderungsantrages des Klägers wurde im Januar 2004 ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Kläger nach den - von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt.

5

Der Kläger zahlte von September 1998 bis März 2004 Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus.

6

Mit Schreiben vom 8. März 2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".

7

Mit der Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen gezahlten Prämien und ausgekehrtem Rückkaufswert sowie Nutzungsersatz in Höhe einer 7%-igen Verzinsung der Prämien. Er meint, der Lebensversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil das in § 5a VVG a.F. geregelte Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

10

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stünden keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämien nebst Zinsen zu. Er habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells gemäß § 5a VVG a.F. verstoße nicht gegen die Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Das Widerspruchsrecht des Klägers sei 14 Tage nach dem Zugang der Police nebst ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erloschen. Dasselbe gelte hinsichtlich der 2004 durchgeführten Vertragsänderung, so dass offen bleiben könne, ob dem Kläger insoweit ein Recht zum Widerspruch zugestanden habe.

11

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

12

Der Kläger kann nicht gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet (dazu unter 1.). Im Übrigen ist ihm nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt (dazu unter 2.).

13

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.

14

a) Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Es betraf Fälle, in denen der Versicherer - wie hier die Beklagte - dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 15; vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10 m.w.N.). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (Senatsurteil vom 24. November 2010 aaO m.w.N.).

15

Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Vertrages nach dem Policenmodell sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein im August 1998 die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte der Kläger den Widerspruch nicht.

16

b) Der so geschlossene Versicherungsvertrag unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln. Dabei ist der erkennende Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 14 ff.) der Fall war - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Zum einen (dazu sogleich unter c) steht die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das Policenmodell außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß § 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entfällt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415, 3430 und ständig; BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27 f.; WM 2014, 647 Rn. 26 ff.). Zum anderen scheidet eine Vorlage aus, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist (dazu unter 2.; vgl. BVerfG aaO).

17

c) Das Policenmodell steht nach Auffassung des Senats eindeutig in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Abl. L 345 S. 1).

18

aa) Zwar hat ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des Policenmodells geäußert (BK/Schwintowski, § 5a VVG Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, PK-VersR/Ebers, § 8 Rn. 9 f.; Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Döhmer, zfs 1997, 281, 283; Dörner in Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform 2009 S. 137, 145 f.; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven 2005 S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I 2002, S. 139, 164 f.; Meyer in Basedow/Meyer/Schwintowski, Lebensversicherung, Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb 1996 S. 157, 201 f.; Micklitz/Ebers in Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen, Altersvorsorgeverträge, VVG-Reform 2003 S. 43, 82 f.; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996 S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem 2003 S. 109 ff.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).

19

Diese Zweifel werden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt (so etwa von weiteren aktuellen, zur revisionsrechtlichen Überprüfung stehenden Berufungsurteilen: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14, S. 7 ff. nicht veröffentlicht; OLG München, Urteil vom 8. Mai 2014 - 14 U 5100/13 S. 4 ff., nicht veröffentlicht; aus der neueren veröffentlichten Rechtsprechung u.a.: OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/12, juris Rn. 36 f.; VersR 2013, 1025, 1026; VersR 2012, 1545 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 14. Februar 2013 - 4 U 63/12, juris Rn. 41 f.; vom 17. Januar 2013 - 4 U 35/12, juris Rn. 37 ff.; OLG Köln VersR 2013, 443, 445; Urteile vom 2. März 2012 - 20 U 178/11, juris Rn. 25; vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11, juris Rn. 47 ff.; vom 25. November 2011 - 20 U 126/11, juris Rn. 21 ff.; VersR 2011, 248; vom 9. Juli 2010 - 20 U 51/10, juris Rn. 4 ff.; vom 5. Februar 2010 - 20 U 150/09, juris Rn. 5 ff.; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2013, 440, 441 f.; OLG Stuttgart VersR 2012, 1373, 1374 f.; OLG Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11, juris Rn. 44 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 10 ff.; VersR 2012, 745, 746; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; LG Dessau-Roßlau NJW-RR 2014, 606, 608 f.; LG Köln, Urteil vom 4. März 2013 - 26 O 301/12, juris Rn. 40; r+s 2011, 243, 244; Urteil vom 7. Juli 2010 - 26 O 609/09, juris Rn. 24; LG Münster, Urteil vom 30. August 2011 - 115 O 53/11, juris Rn. 52 ff.; LG Bielefeld, Urteil vom 31. März 2011 - 7 O 329/10, juris Rn. 18; LG Aachen, Urteil vom 5. März 2010 - 9 O 560/09, juris Rn. 36 ff.; LG Kassel r+s 2010, 339; Bruck/Möller/Herrmann, VVG 9. Aufl. § 7 Rn. 65; Prölss/Martin/Prölss, VVG 27. Aufl. § 5a VVG Rn. 8; Römer/Langheid/Römer, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 3; Hofmann, Schutzbriefversicherung (Assistance) 1996 Einf. Rn. 11; Lorenz, VersR 1997, 773, 780 f.; ders. VersR 1995, 616, 625 f.; Reiff, VersR 1997, 267, 271 f.; Römer, Festschrift 50 Jahre BGH S. 375, 389 f.; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1056; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht 1995 S. 32 f., anders nur bezüglich § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.).

20

bb) Der Senat sieht ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Richtlinien dem in § 5a VVG a.F. geregelten Policenmodell entgegenstehen könnten.

21

(1) Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 18 f., 22). Wie der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG erwähnte und für die rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers maßgebliche "Abschluss" des Versicherungsvertrages auszugestalten ist, ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem in Bezug genommenen Anhang. In den Materialien zu Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung wird zu dem Passus "vor Abschluss des Vertrages" ausgeführt, die Mitgliedstaaten könnten selbst darüber bestimmen, "wann genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt und wann genau die … vorgeschriebenen Angaben dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen" (Ratsprotokoll Nr. 2 zu Art. 31, Dok. 7307/92, abgedruckt bei Büchner, Der Referentenentwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG auf dem Prüfstand, Münsteraner Reihe Bd. 18 S. 13). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Rahmen des gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens 2005/5046 ausdrücklich festgehalten, die Frage, wann ein Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelten solle, sei "in der Tat eine Sache des nationalen Rechts".

22

Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG verfolgen zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung sollten insbesondere Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der Mitgliedstaaten beseitigt werden. Die insoweit angestrebte Harmonisierung sollte nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 92/96/EWG zu "einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme" führen. Diese Zielsetzung nahm die spätere Richtlinie 2002/83/EG auf; sie wurde in Erwägungsgrund 2 dergestalt umschrieben, dass "zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung … gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen" sind, "wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss". Daraus ergibt sich, dass neben dem Verbraucherschutz auch die Tätigkeit der Lebensversicherer in den Mitgliedstaaten erleichtert werden sollte. Hingegen sollte die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts "keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor" sein. Dies betont Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EG und führt weiter aus, die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stelle deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar (ebenso Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 2002/83/EG). Demnach haben die Richtlinien die Regelung des Vertragsschlusses dem nationalen Gesetzgeber überlassen (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 22 m.w.N.).

23

Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der genannten Richtlinien neben der aufsichtsrechtlichen Vorschrift des § 10a VAG a.F. die versicherungsvertragsrechtliche Bestimmung des § 5a VVG a.F. eingeführt (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 24 f. unter Bezugnahme auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7595 S. 102 m.w.N.). Mit § 5a VVG a.F. bezweckte er nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 25). Allerdings ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Richtlinie 92/96/EWG aufsichtsrechtlich keine praktische Wirksamkeit verschafft wurde (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Die Aufsichtsbehörde brauchte bei Vertragsabschlüssen nach dem Policenmodell nicht einzuschreiten, wenn die Versicherer - wie im Streitfall geschehen - ihrer Informationspflicht nach § 10a VAG a.F. nachkamen und den Versicherungsnehmern mit den Policen die erforderlichen Informationen zukommen ließen. Die Überwachungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 VAG wurde aber nicht obsolet. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung der Verbraucherinformation waren auch in Bezug auf das Policenmodell zu ahnden.

24

(2) Ausgehend von dem sich nach nationalem Recht bestimmenden Zustandekommen des Vertrages entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Sinn und Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG normierten Informationspflicht sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG rechtfertigen nach der - vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten - Ansicht des Senats die Auslegung, dass ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 23; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 24 f.). Das Interesse des Versicherungsnehmers wurde im Erwägungsgrund 20 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dergestalt umschrieben, "daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seinen Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen zu können". Daran anknüpfend wurde der Zweck der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Erwägungsgrund 23 so formuliert: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Im Hinblick auf diesen Informationszweck sah Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung in Verbindung mit deren Anhang II A Nr. a.13 vor, dass dem Versicherungsnehmer "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitgeteilt werden mussten, und zwar "vor Abschluss des Vertrages". Sowohl aus der Struktur als auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ging demnach eindeutig hervor, dass mit ihr sichergestellt werden sollte, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).

25

Diesen Anforderungen genügte § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., indem er anordnete, dass der Vertrag erst als geschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der maßgeblichen Unterlagen - Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung - widersprach. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrages gewährleistete, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sein musste, bevor der Vertrag wirksam werden konnte. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten (vgl. OLG Köln VersR 2013, 443, 445). Auf diese Weise war eine Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.

26

(3) Die für das Policenmodell charakteristische schwebende Unwirksamkeit des Vertrages wurde in dem genannten Vertragsverletzungsverfahren zunächst nicht hinreichend beachtet. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sah in ihrem an das deutsche Bundesministerium der Justiz gerichteten Aufforderungsschreiben vom 4. April 2006 (S. 4 f.) "die praktische Folge der deutschen Regelung in § 5a VVG bezüglich des Vertragsschlusses (sog. Policenmodell)" darin, "dass ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gilt, obwohl dem Versicherungsnehmer im Moment seiner Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts keine vollständigen Verbraucherinformationen vorlagen". Daraus zog die Kommission den Schluss, der Versicherungsnehmer werde "an seine Antragstellung auch in den Fällen gebunden, in denen ihm vor Abschluss des Vertrages nicht die von den Richtlinien vorgesehenen Informationen vorlagen". Daran hielt sie nicht mehr fest, nachdem die Bundesregierung mit Schreiben vom 8. Juni 2006 darauf hingewiesen hatte, dass nach dem Policenmodell ein bindender Abschluss erst dann erfolge, wenn der Versicherungsnehmer die vorgeschriebene Verbraucherinformation erhalten habe, über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei und den Widerspruch innerhalb der gesetzlich gewährten Frist von 14 Tagen unterlassen habe. In ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 stellte die Kommission dann ihre - ebenfalls bereits in dem Aufforderungsschreiben enthaltene - Argumentation, dass "zu dieser Zeit die Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts längst getroffen" sei, in den Mittelpunkt. Daher könne nach dem deutschen Recht ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gelten, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer selbst aktiv werde, um der endgültigen Wirksamkeit des Vertrages zu entgehen. Dem Versicherungsnehmer werde damit eine Widerrufslast aufgebürdet. Darüber hinaus müsse der Versicherungsnehmer eine Auswahlentscheidung treffen, ohne zuvor entsprechend unterrichtet worden zu sein. Der eigentliche Zweck der Richtlinienbestimmungen, nach denen der Versicherungsnehmer vor einem Vertragsabschluss über alle notwendigen Informationen verfügen soll, werde vereitelt.

27

Das rechtfertigt ersichtlich keine abweichende Beurteilung. Da die Richtlinien - wie dargelegt - dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags machten und § 5a VVG a.F. sicherstellte, dass dem Versicherungsnehmer die von den Richtlinien geforderten Informationen vorlagen, bevor der Vertrag nach nationalem Recht zustande kam, war die den Richtlinien zu entnehmende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor dem ihn bindenden Vertragsschluss umfassend über den künftigen Vertragsinhalt und die ihn begleitenden Umstände zu unterrichten (EuGH VersR 2014, 225 Rn. 24 f.), durch den Regelungsgehalt des § 5a VVG a.F. ohne weiteres gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; Prölss/Martin/Prölss aaO § 5a Rn. 8; Lorenz, VersR 1995, 616, 625; Römer aaO; Reiff, VersR 1997, 267, 269; Wandt aaO S. 32). Die dem Versicherer in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Möglichkeit, dem Versicherungsnehmer erst nach dessen Antrag die Vertragsbestimmungen und die maßgebliche Verbraucherinformation zukommen zu lassen, führte auch nicht etwa zu einer Aushöhlung oder gar Vereitelung der sich aus den Richtlinien ergebenden Informationspflichten (a.A. Meyer aaO S. 202; Schwintowski, VuR 1996, 223, 239). § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. stellte sicher, dass die Widerspruchsfrist erst und nur dann zu laufen begann, wenn der Versicherungsnehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben informiert worden war. Er konnte in Kenntnis der Vertragsbedingungen, der erforderlichen Information und des ihm zustehenden Widerspruchsrechts frei entscheiden, ob er den Vertrag wirksam werden ließ und von einem Widerspruch Abstand nahm. Damit wurde den erwähnten Erwägungsgründen 20 und 23 der Richtlinie 92/96/EWG Genüge getan, nach denen sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können soll (Wandt aaO S. 32).

28

(4) Das in den Richtlinien vorgesehene Informationsmodell lief durch § 5a VVG a.F. nicht etwa deshalb leer, weil innerhalb der auf 14 Tage beschränkten Widerspruchsfrist hinreichende Informationsmöglichkeiten für den Versicherungsnehmer nicht bestanden (so aber Berg, VuR 1999, 335, 339 ff.; Lenzing aaO S. 165; Meyer aaO S. 202). Während des Fristenlaufs konnte der Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen und sonstigen Informationen ohne weiteres eingehend durchsehen und dabei insbesondere erkennen, dass ihm die Möglichkeit zu einem Widerspruch zustand. Die Fristdauer von 14 Tagen - und von 30 Tagen für Lebensversicherungsverträge ab dem 8. Dezember 2004 - war angemessen; sie bewegte sich in dem von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG für den Rücktritt vorgegebenen Rahmen von 14 bis 30 Tagen.

29

Die hinsichtlich der Widerspruchsfrist von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 zu dem Vorlagebeschluss des Senats vom 28. März 2012 erhobenen Bedenken gegen die Europarechtskonformität des Policenmodells führen zu keiner anderen Beurteilung. Unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 23 sieht sie den Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung verankerten Mitteilungspflicht darin, den künftigen Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und ihm "klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte …" zur Verfügung zu stellen (Schlussanträge Nr. 59). Der in Art. 15 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung vorgesehene Rücktritt sei von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen sei, weil kein Angebot und keine Annahme vorlägen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führten, nicht möglich (Schlussanträge Nr. 60). Daraus folgert die Generalanwältin, dem (künftigen) Versicherungsnehmer müssten bestimmte Angaben vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt werden und nach Mitteilung des Vertragsschlusses müsse ihm eine Rücktrittsfrist von 14 bis 30 Tagen zur Verfügung stehen (Schlussanträge Nr. 61). Der Zweck der Belehrungspflicht wäre nach Auffassung der Generalanwältin verfehlt worden, wenn die Informationen erst nach Abgabe des Angebots durch den Versicherungsnehmer und somit nach seiner Wahl eines Versicherers und eines Vertrages vorgelegt worden wären (Schlussanträge Nr. 62).

30

Auch daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der in jener Sache ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (aaO) aber kein Anhaltspunkt für eine Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells. Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, die Mitgliedstaaten hätten zwar in der Tat dafür zu sorgen gehabt, dass die praktische Wirksamkeit der einschlägigen Lebensversicherungsrichtlinien unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet war (aaO Rn. 23). Er hat aber weiter betont, dass Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Hinblick auf den dort angeführten Informationszweck eine Mitteilung der Informationen "vor" Abschluss des Vertrages vorsehe (aaO Rn. 25). Dem Zweck der Informationspflicht ist danach genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Informationen erhält, bevor er - wie nach nationalem Recht in § 5a VVG a.F. geregelt - vertraglich gebunden ist (so auch OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14 S. 10, nicht veröffentlicht). Dies ist zugleich mit Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in Einklang zu bringen. Danach beginnt die Rücktrittsfrist, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, "dass der Vertrag geschlossen ist". Diese Kenntnis konnte dem Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell durch die mit dem Versicherungsschein zu erteilende Widerspruchsbelehrung vermittelt werden. Daraus konnte er entnehmen, dass ein - zunächst noch nicht wirksamer - Vertrag geschlossen würde und er sich davon bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ohne Weiteres lösen, ein Zustandekommen des Vertrages also verhindern konnte.

31

(5) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlegte und ihn damit zu einem Handeln verpflichtete, wollte er nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformation das Zustandekommen des Vertrages in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. verhindern (so aber Micklitz/Ebers aaO S. 83; Rehberg aaO S. 98, 112 ff.; vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Eine Ausgestaltung in Form einer Hinderung des Wirksamwerdens des Vertrages durch Widerspruch oder Widerruf genügt auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben bzw. beruht sogar auf solchen (vergleiche nur § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Insoweit überzeugt auch der Einwand nicht, dass der künftige Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell gegenüber mehreren Versicherern Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen stellen musste, um mit den Versicherungspolicen die Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten (so Meyer S. 201 f.; vgl. BVerfG aaO). Dass ein Interessent gleichzeitig Anträge bei mehreren Versicherern stellt, um dann die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend zu vergleichen, erscheint in der Tat lebensfremd (vgl. Meyer aaO S. 202 f.; BVerfG aaO m.w.N.). Ihm wurde aber nicht angesonnen, mehrere auf Abschluss verschiedener Versicherungsverträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine fristgerecht zu widerrufen. Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander vergleichen wollte, war er nicht gezwungen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr konnte er mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden. Im Übrigen stand dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem so genannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung. Wenn er zunächst verschiedene Angebote bei mehreren Versicherern eingeholt hatte, musste er, nachdem er eines angenommen hatte, dann aber noch ein besseres erhielt, durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung tätig werden.

32

2. Die von der der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet im Übrigen auch bereits deshalb aus (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27; WM 2014, 647 Rn. 24), weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG unvereinbar ist, hier ohnedies nicht entscheidungserheblich ankommt. Offenbleiben kann daher auch, ob in diesem Fall - wie die Revision meint - alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hängt nicht von der genannten unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.

33

a) Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 40; BGH, Urteil vom 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; jeweils m.w.N.; vgl. Brand, VersR 2014, 269, 276).

34

b) So liegt der Fall hier. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.

35

aa) Das Verhalten des Klägers war objektiv widersprüchlich. Die - ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte - Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und sogar im Zuge der Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen. Bis zur Kündigung des Vertrages im März 2004 zahlte er vielmehr regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Nach der Kündigung ließ er rund sieben weitere Jahre vergehen, bis er sich entschied, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Mit seinem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn er nun geltend macht, ein Vertrag habe nie bestanden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 130/88, NJW-RR 1990, 417, 418; vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, 335 f.).

36

bb) Der Kläger war (anders als etwa der Kläger im Verfahren IV ZR 76/11) von der Beklagten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Daher war ihm bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können seine jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck seines Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte er bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 Rn. 8 m.w.N.).

37

cc) Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 2008 aaO Rn. 41; vom 20. März 1968 - VIII ZR 127/67, WM 1968, 876 unter 3 c; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. § 242 Rn. 288 m.w.N.; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB [2009] § 242 Rn. 293 m.w.N.). Durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (MünchKomm-BGB/Roth/Schubert aaO Rn. 288; Staudinger/Looschelders/Olzen aaO Rn. 292 m.w.N.).

38

Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1998 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Klägers haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Dieses Vertrauen wurde durch den Änderungsantrag des Klägers, der das Festhalten an dem Versicherungsverhältnis nochmals verdeutlichte, sogar noch verstärkt. Das Verhalten des Klägers sprach aus Sicht der Beklagten dafür, dass er selbst den Vertrag durchführen, ihn als wirksam behandeln und erfüllen wolle, und begründete das Vertrauen der Beklagten, der Kläger halte am Bestehen des Vertrages - auch für die Vergangenheit - fest.

39

Die Beklagte hatte durch die Wahl des Policenmodells zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt. Ihr Vertrauen ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde. Das Policenmodell entsprach dem damals geltenden nationalen Recht; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit stand nicht fest und konnte der Beklagten nicht positiv bekannt sein. Von einer überlegenen Rechtskenntnis auf ihrer Seite kann insoweit jedenfalls keine Rede sein.

40

Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute, nachdem er trotz Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, jahrelang die Prämien gezahlt hat, ohne die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen.

41

c) Der - von Amts wegen zu berücksichtigende, im Revisionsverfahren von der Beklagten auch geltend gemachte - Einwand von Treu und Glauben greift auch im Falle einer - zugunsten des Klägers unterstellten - Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH GRUR 2014, 368 Rn. 42, 49; Slg. 2010, I-635 Rn. 31, 33; jeweils m.w.N.) unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Diese vom Gerichtshof anerkannten Verfahrensgrundsätze gebieten, dass die verfahrensrechtlichen Vorgaben des nationalen Rechts nicht ungünstiger sind als bei vergleichbaren Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Grundsätze finden auch bei materiellen Ausschlussgründen nach nationalem Recht - wie dem Grundsatz von Treu und Glauben - Anwendung (König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 2011 S. 114 m.w.N.) und sind hier gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben versagt ist, wird nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wird dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greift, sondern nur in Fällen jahrelanger Durchführung des Vertrages.

42

Auch zum Einwand von Treu und Glauben ist entgegen der Ansicht der Revision eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht (EuGH Slg. 2000, I-1705 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (EuGH ZfZ 2014, 100 Rn. 29 m.w.N.; Slg. 2000 aaO Rn. 33; Slg. 1998, I-2843 Rn. 20 m.w.N.; Slg. 1996, I-2357 Rn. 24 m.w.N.). Dies hat der Gerichtshof - ähnlich wie die Anwendung nationaler Fristenregelungen (vgl. EuGH Slg. 1996, I-5223 Rn. 9, 35) - nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt war. Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34; Slg. 1996 aaO Rn. 25). Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - darf somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34 m.w.N.; Slg. 1998 aaO Rn. 22; Slg. 1996, I-1347 Rn. 68). Es obliegt dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar ist (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 35). Hier beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (aaO Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird.

Mayen                              Felsch                                 Harsdorf-Gebhardt

             Dr. Karczewski                    Dr. Brockmöller

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4.9.2013 (18 O 260/13)

abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über das am 1.1.2010 vorhandene Deckungskapital ohne Verrechnung von Abschlusskosten zum Vertrag mit der Versicherungsnummer  zu erteilen.

2. Die Berufung betreffend die Berufungsanträge Ziffer I., II. IV. b) und c) sowie V. bezüglich des Begehrens, die erteilten Auskünfte durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen, wird

zurückgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 1.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen, soweit sie die Zurückweisung der klägerischen Berufungsanträge Ziffer I. und II. betrifft.

Gründe

 
I.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung und des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss die Rückzahlung vermeintlich rechtsgrundlos gezahlter Versicherungsprämien im Gesamtbetrag von 8.525,44 EUR zu einer Rentenversicherung zuzüglich Verzinsung für die Zeit vom 1.3.1999 bis 31.5.2012 i. H. v. 4.488,80 EUR. Einen von der Beklagten als „Rückkaufswert“ ausgekehrten Betrag in Höhe von 7.821,70 EUR lässt sich der Kläger anrechnen. Hierdurch errechnet sich per Saldo in der Hauptsache ein klageweise geltend gemachter Forderungsbetrag von 5.192,54 EUR. Hieraus verlangt der Kläger weiter laufende Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Daneben verlangt er Erstattung vorgerichtlich aufgewandter Rechtsanwaltskosten in Höhe von 667,35 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe.
Der Kläger hatte die Rentenversicherung aufgrund seines Antrags vom 26.1.1999 mit Wirkung zum 1.3.1999 bei der Beklagten abgeschlossen. Mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2009 ließ der Kläger dem Vertragsabschluss unter Bezugnahme auf § 5 a VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: „VVG a. F.“) widersprechen, hilfsweise den Versicherungsvertrag kündigen.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, ließ die Kündigung jedoch gelten. Sie bezifferte den Rückkaufswert mit Schreiben vom 30.12.2009 auf 8.264,97 EUR, von dem sie Kapitalertragssteuer in Höhe von 443,27 EUR abzog und den Rest in Höhe von 7.821,70 EUR an den Kläger ausbezahlte.
Der Kläger macht geltend, die erforderliche Widerspruchsbelehrung sei in drucktechnischer Hinsicht nicht hinreichend hervorgehoben gewesen; außerdem benenne sie die „fristauslösenden Unterlagen“ nicht zutreffend. Sie liste nämlich mehr Unterlagen auf, als für die Ingangsetzung der Widerspruchsfrist erforderlich. Der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher könne sich daher kein zutreffendes Bild davon machen, ob mit der Übersendung der Unterlagen die Frist bereits zu laufen begonnen habe oder nicht. Wegen dieser formalen und inhaltlichen Mängel der Widerspruchsbelehrung sei die Widerspruchsfrist gem. § 5 a VVG a. F. nicht in Gang gesetzt worden. Der Vertragsabschluss sei auch nicht gemäß der Regelung in § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. nach Ablauf eines Jahres nach Zahlung der Erstprämie wirksam geworden. Diese Vorschrift widerspreche europäischem Gemeinschaftsrecht, wie im Übrigen das gesamte § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. zu Grunde liegende Vertragsschlussmodell („Policenmodell“). Ihm habe deshalb noch im Dezember 2009 ein Widerspruchsrecht zugestanden, das er wirksam ausgeübt habe. Folge des ausgeübten Widerspruchsrechts sei der Wegfall des Rechtsgrundes für das Behaltendürfen der gezahlten Versicherungsprämien und der daraus gezogenen Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes.
Hilfsweise, nämlich für den Fall, dass der Versicherungsvertrag wider Erwarten doch wirksam zu Stande gekommen sein sollte, begehrt der Kläger im Wege der Stufenklage, einen bislang noch nicht ausgezahlten Teil des Rückkaufswertes an ihn auszukehren. Der Umstand, dass die Beklagte bei einem Gesamtbetrag gezahlter Prämien von 8.525,44 EUR lediglich 7.821,70 EUR als Rückkaufswert an den Kläger ausbezahlt habe, lasse vermuten, dass die Beklagte unzulässig Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren zuzüglich sog. Stornokosten abgezogen habe. Hierüber müsse die Beklagte vorab Auskunft erteilen, um die Bezifferung des restlichen Rückkaufswertes zu ermöglichen.
Die Beklagte trat dem Klagebegehren entgegen.
Wegen des Parteivorbringens im ersten Rechtszug im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht wies die Klage ab, maßgeblich mit der Begründung, der Versicherungsvertrag sei wirksam zu Stande gekommen. Der Kläger habe das ihm zustehende Widerspruchsrecht nicht fristgemäß ausgeübt.
Eine Ergänzung des bisher ausgezahlten Rückkaufswertes komme nicht in Betracht, da der Kläger in jedem Fall mehr als den ihm nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zustehenden Betrag - die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals - erhalten habe.
10 
Wegen der getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts und seiner rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
11 
Unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen und dessen vertiefender Wiederholung verfolgt der Kläger mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.
12 
Der Kläger beantragt
13 
unter Abänderung des am 04.09.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az: 18 0 260/13:
14 
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 5.192,54 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15 
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von EUR 667,35 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16 
hilfsweise für den Fall, dass sich das Gericht den Ausführungen zu § 5 a VVG a.F. nicht anschließt:
17 
III.
Die Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof - IV ZR 76/11 - mit Beschluss vom 28.03.2012 vorgelegten und hier ebenfalls gegenständlichen Rechtsfragen.
18 
Weiterhin wird höchst hilfsweise, für den Fall daß sich das Gericht die Hauptanträge zu Ziffer I. und II. abweisen sollte, beantragt:
19 
IV. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft
20 
a)
über das zum Zeitpunkt der Kündigung am 01.10.2010 vorhandene Deckungskapital ohne Verrechnung von Abschlusskosten,
21 
b)
zugleich über die Höhe der abgezogenen Stornokosten
22 
sowie
23 
c)
über die ungezillmerten Abschlußkosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären, zum Vertrag mit der Versicherungsnummer ... zu erteilen.
24 
V.
Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr erteilten Auskünfte durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen und gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides statt zu versichern.
25 
Vl.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weitergehenden Rückkaufswert in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
26 
Die Beklagte beantragt,
27 
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
28 
Unter Bezugnahme auf ihr gesamtes Vorbringen im ersten Rechtszug verteidigt die Beklagte das landgerichtliche Urteil und wiederholt ihre Verjährungseinrede.
29 
Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründungsschrift sowie die Berufungserwiderung Bezug genommen.
30 
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt.
II.
31 
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist hinsichtlich des im Berufungsrechtszug weiter verfolgten Hauptbegehrens unbegründet, hinsichtlich des Hilfsbegehrens hingegen in der Auskunftsstufe zum Teil begründet, zum Teil unbegründet. Hierüber ist vorab durch Teilurteil zu entscheiden. Hinsichtlich der anderen Stufen des Hilfsbegehrens ist die Sache noch nicht entscheidungsreif, weshalb die Entscheidung hierüber ggf. einer weiteren Teil-(Schluss-)-Entscheidung vorbehalten werden muss.
32 
2. Hinsichtlich der vorliegend zu treffenden Teilentscheidung sind die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts für den Senat bindend und daher gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der vorliegenden Entscheidung zu Grunde zu legen.
33 
3. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht das Recht hinsichtlich des klägerischen Hauptbegehrens richtig angewandt. Der Kläger kann nämlich aus seiner am 10.12.2009 abgegebenen Widerspruchs- und hilfsweisen Kündigungserklärung keine Ansprüche herleiten, auf die sich sein Berufungsantrag Ziffer 1 stützen könnte.
34 
3.1 Bei dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag handelt es sich um einen Altvertrag gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG, auf den das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG in der am 29.07.1994 in Kraft getretenen Gesetzesfassung (im Folgenden: „VVG a. F.“) galt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG a. F. nicht überlassen hatte, der Vertrag nach dem sogenannten Policenmodell auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprach (die 30-Tage-Frist gem. § 5 a Abs. 2 S. 2 VVG in der zuletzt geltenden Fassung galt für den vorliegenden Fall noch nicht, weil diese besondere Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge erst durch Art. 6 des Gesetzes vom 2.12.2004 normiert wurde; im Folgenden ist deshalb stets die Gesetzesfassung vor dem 2.12.2004 in Bezug genommen).
35 
3.2 Die Widerspruchsfrist ist gem. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. in Gang gesetzt worden.
36 
3.2.1 Richtig ist zwar der Ansatz des Klägers, dass die unstreitig bereits im Versicherungsantrag enthaltene Widerspruchsbelehrung die Widerspruchsfrist aus formalen Gründen nicht in Gang setzen konnte, weil § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. diese Rechtsfolge daran anknüpfte, dass die Widerspruchsbelehrung „bei Aushändigung des Versicherungsscheins“ erteilt wurde.
37 
Vertretbar erscheint auch die Auffassung des Klägers, dass die in § 3 der Versicherungsbedingungen enthaltene Widerspruchsbelehrung drucktechnisch nicht ausreichend hervorgehoben war und deshalb die Widerspruchsfrist nicht in Gang setzen konnte.
38 
3.2.2 Sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht ausreichend war jedoch die Widerspruchsbelehrung, die die Beklagte dem Kläger in ihrem Begleitschreiben vom 10.2.1999 erteilt hat, mit dem sie dem Kläger den Versicherungsschein und die weiteren erforderlichen Unterlagen übersandt hat (vgl. Anlage B 1, Bl. 54 f d. A.).
39 
3.2.2.1 Diese Widerspruchsbelehrung leidet nicht an formellen Unzulänglichkeiten. Gesetzlich gefordert ist gem. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. lediglich eine „drucktechnisch deutliche Form“ der Widerspruchsbelehrung. Die von der Beklagten gewählte Form eines eigenständigen, durch Fettdruck hervorgehobenen Absatzes am Ende des zweiseitigen Anschreibens (entsprechend dem als Anlage B 2 = Bl. 73 d. A. vorgelegten Muster), mit dem die Beklagte den Versicherungsschein und die erforderlichen Unterlagen dem Kläger übermittelt hat, genügt diesen gesetzlichen Anforderungen. Der Fettdruck reicht aus, um den Blick des Lesers gezielt auf diese Textpassage zu lenken. Auch ist durch die Aufnahme der Belehrung in das Anschreiben sichergestellt, dass sie nicht im Konvolut von Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und sonstigen Unterlagen „untergeht“.
40 
Diese Umstände unterscheiden den vorliegenden Fall von dem, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.1.2004 im Verfahren IV ZR 58/03 zu Grunde lag. Dort war die Widerspruchsbelehrung nämlich inmitten eines 8-seitigen Konvoluts eingegliedert, wo sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer leicht und nachvollziehbar übersehen konnte.
41 
Im Übrigen kann entgegen der Auffassung des Klägers auch einem Verbraucher ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit in eigenen Angelegenheiten abverlangt werden. Ein gerade einmal zwei Seiten umfassendes, in aufgelockertem Schriftbild abgefasstes Anschreiben zu lesen, überspannt diese Anforderungen keinesfalls.
42 
3.2.2.2 Die Widerspruchsbelehrung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie beschreibt sowohl die Rechtswirkungen eines unterlassenen Widerspruchs als auch die Anforderungen an die Wirksamkeit eines Widerspruchs zutreffend.
43 
Der Angriff, der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher könne sich kein zutreffendes Bild davon machen, ob mit der Übersendung der Unterlagen die Frist bereits zu laufen begonnen habe oder nicht, weil in dem Begleitschreiben zusätzliche Unterlagen aufgelistet seien, die für die Ingangsetzung der Widerspruchsfrist nicht notwendig seien, geht fehl. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. macht das Anlaufen der Widerspruchsfrist allein davon abhängig, dass dem Versicherungsnehmer die erforderlichen Unterlagen - Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation i. S. v. § 10 a VAG - tatsächlich ausgehändigt wurden. Dies war vorliegend nach den Feststellungen des Landgerichts unstreitig der Fall. Auf die subjektive Kenntnis des Versicherungsnehmers, alle erforderlichen Unterlagen erhalten zu haben, stellt § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. hingegen nicht ab.
44 
3.3 Aus alledem ergibt sich, dass der Versicherungsvertrag als Folge der fruchtlos abgelaufenen Widerspruchsfrist Ende Februar 1999 nach Maßgabe des § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. wirksam zu Stande gekommen ist; der Vertragsschluss vollzog sich hingegen nicht nach der Regelung des § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F.
45 
3.4 Der nach längst abgelaufener Widerspruchsfrist am 10.12.2009 erklärte Widerspruch des Klägers konnte demnach keine Rechtswirkungen entfalten. Den Prämienzahlungen des Klägers mangelt es somit nicht am erforderlichen Rechtsgrund.
46 
3.5 Der Senat hält das in § 5 a Abs. 1 VVG a. F. normierte Policenmodell für europarechtskonform.
47 
3.5.1 § 5 a VVG a. F. setzt Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 nicht fehlerhaft um. Art. 36 Abs. 1 der ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 kann vorliegend nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen werden, weil die Richtlinie 2002/83/EG im Zeitpunkt des vorliegenden Vertragsabschlusses noch nicht in Kraft war. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass § 5 a VVG a. F. auch diese Richtlinien-Vorschrift nicht fehlerhaft umsetzt. Die genannten Richtlinien-Bestimmungen haben folgenden Wortlaut: "Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen" bzw. "Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang III Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen". Hiergegen verstößt § 5 a Abs. 1 VVG a. F. nicht.
48 
Gem. § 5 a Abs. 1 S. 1 VVG ist der Vertrag bis zum Ablauf einer 14-tägigen Widerspruchsfrist nach vollständiger Überlassung des Versicherungsscheins und der näher bezeichneten Unterlagen sowie der Belehrung über das Widerspruchsrecht schwebend unwirksam. Damit ist gewährleistet, dass die vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers erst eintritt, nachdem ihm die erforderliche Verbraucherinformation vorgelegen hat. Die Zielsetzung der genannten Richtlinien-Bestimmungen ist damit erreicht.
49 
3.5.2 Im Übrigen machen die genannten Richtlinien keine Vorgaben für das Versicherungsvertragsrecht, sondern bezwecken ausdrücklich die Harmonisierung der Versicherungsaufsicht.
50 
3.5.2.1 So lauten die Erwägungsgründe Nrn. 5 und 19 zu Artikel 31 und Anhang II. A. der Richtlinie 92/96/EWG:
51 
„(5) Der gewählte Ansatz besteht in einer wesentlichen, notwendigen und ausreichenden Harmonisierung, um zu einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme zu gelangen, die die Erteilung einer einheitlichen, innerhalb der ganzen Gemeinschaft gültigen Zulassung sowie die Anwendung des Grundsatzes der Aufsicht durch den Herkunftsmitgliedstaat erlaubt.
52 
(19) Die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts ist keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor. Die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stellt deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar.“
53 
Die Erwägungsgründe Nrn. 2 und 44 zu Artikel 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG bestimmen:
54 
„(2) Zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung sind gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen, wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss. Zu diesem Zweck sind insbesondere die Vorschriften über die an Lebensversicherungsunternehmen gestellten finanziellen Anforderungen zu koordinieren.
55 
(44) Die in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften des Vertragsrechts für die in dieser Richtlinie genannten Tätigkeiten sind unterschiedlich. Die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts ist keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor. Die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stellt deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar. Die Freiheit der Wahl eines anderen Vertragsrechts als das des Staates der Verpflichtung kann in bestimmten Fällen nach Regeln gewährt werden, in denen die spezifischen Umstände berücksichtigt werden.“
56 
3.5.2.2 Eine andere Zielrichtung ist auch nicht dem Erwägungsgrund Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG zu entnehmen, den die Kommission der Europäischen Gemeinschaften betreffend eines Beschwerdeverfahrens in dem Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland vom 04.04.2006, AZ. 2005/5046K(2006)1309, als Grund für einen möglichen Verstoß des Policenmodells gegen Artikel 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG heranzog (vgl. auch die schriftliche Stellungnahme der Kommission vom 12.10.2006, AZ.: 2005/5046K(2006)4688):
57 
„(52) Im Rahmen eines Versicherungsbinnenmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte und über die Stellen erhält, an die etwaige Beschwerden der Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten des Vertrages zu richten sind.“
58 
Diese Erklärung ist vielmehr im Zusammenhang mit dem Inhalt des Erwägungsgrundes Nr. 2 zu deuten, so dass sich die Mindestvorschriften ausschließlich auf das unterschiedliche Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten beziehen.
59 
3.5.2.3 Den Vorgaben für die Regelung der Versicherungsaufsicht hat der Gesetzgeber durch die Umsetzung in § 10 a VAG a. F. Genüge getan.
60 
3.5.2.4 Damit trifft § 5 a VVG von vornherein keine Regelungen für die Geltungsbereiche, auf die die genannten Richtlinien abzielen und es besteht kein Bedürfnis, das Normverständnis des § 5 a VVG an dasjenige der in Rede stehenden Richtlinien-Bestimmungen anzupassen.
61 
3.5.3 Auch ein Verstoß gegen Artt. 31 Abs. 1, 43 Abs. 2 der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18.06.1992 (Dritte Schadenversicherungsrichtlinie) liegt nicht vor.
62 
3.5.3.1 Die genannten Regelungen haben folgenden Wortlaut:
63 
„Artikel 31
64 
(1) Vor Abschluss eines Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
65 
- auf den Vertrag anwendbares Recht für den Fall, dass die Parteien keine Wahlfreiheit haben, oder, wenn die Parteien das anwendbare Recht frei wählen können, das von dem Versicherungsunternehmen vorgeschlagene Recht;
66 
- Bestimmungen zur Bearbeitung von den Vertrag betreffenden Beschwerden der Versicherungsnehmer, gegebenenfalls einschließlich des Hinweises auf eine Beschwerdestelle; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit für den Versicherungsnehmer, den Rechtsweg zu beschreiten.
67 
Artikel 43
68 
……..
69 
(2) Wird eine Versicherung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit angeboten, so ist dem Versicherungsnehmer, bevor irgendeine Verpflichtung eingegangen wird, der Mitgliedstaat des Sitzes und gegebenenfalls der Zweigniederlassung, mit dem bzw. der der Vertrag geschlossen wird, mitzuteilen.“
70 
3.5.3.2 Diese Richtlinie betrifft nach Artikel 2 Abs. 1 Richtlinie 92/49/EWG i. V. m. Artikel 1 der Richtlinie 73/239 EWB die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeit der Direktversicherung durch Versicherungsunternehmen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder sich dort niederzulassen wünschen, aber ausdrücklich nicht die Lebensversicherung. Im Übrigen ist auch § 10 a VAG a. F. dieser Vorgabe nachgekommen.
71 
3.5.4 Die Richtlinie 93/13/EWG vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sieht unter anderem vor, dass der Verbraucher die Möglichkeit haben muss, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Durch die Möglichkeit des Widerspruchs bewirkt das Policenmodell entsprechend der Zielsetzung der Richtlinie einen wirksamen und ausreichenden Schutz vor Überrumpelung des Verbrauchers mit unangemessenen Klauseln.
72 
3.5.5 Die europarechtliche Unbedenklichkeit des Policenmodells kann auch nicht durch die Stellungnahme der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren 2005/5046 in Zweifel gezogen werden. Ersichtlich hat die Kommission den Vertragsschlussmechanismus nach den Regelungen des § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. verkannt. Erst aufgrund der Stellungnahme des deutschen Ministeriums der Justiz vom 4.4.2006 [K ( 2006), 1309, S. 4 f] hat die Kommission die Rechtslage des nationalen deutschen Rechts richtig erfasst. Sie hat die zunächst erhobenen Bedenken anschließend fallen gelassen und stattdessen bemängelt, dass das nationale deutsche Recht dem Verbraucher eine „Widerspruchslast“ aufbürde. Dass diese Erwägung keine Substanz hat, liegt auf der Hand. Zahlreiche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften sehen die Verwirklichung des Verbraucherschutzes durch Gewährung von Widerrufsrechten vor, so dass der Verbraucher die „Widerrufslast“ tragen muss. Obwohl das Widerspruchsrecht gem. § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. dogmatisch anders einzuordnen ist als ein Widerrufsrecht, ergibt sich hieraus kein Unterschied in der Belastung des Verbrauchers, ein ihm eingeräumtes Erklärungs-/Gestaltungsrecht ausüben zu müssen, um in den Genuss des rechtspolitisch verfolgten Schutzes zu gelangen.
73 
Es hat daher eine gewisse Konsequenz, dass die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland nicht fortgeführt hat, obwohl in den nachfolgenden 1 1/2 Jahren bis zum Inkrafttreten des neuen VVG noch zahllose weitere Versicherungsverträge nach dem angeblich beanstandungswürdigen Policenmodell abgeschlossen wurden.
74 
3.5.6 Auch die Erwägungen der Generalanwältin vom 11.7.2013 im Vorabentscheidungsverfahren RS-209/12 des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlage des Bundesgerichtshofs im Verfahren IV ZR 76/11 begründen keine Zweifel an der europarechtlichen Konformität des Policenmodells.
75 
Die Generalanwältin hat im Kern beanstandet, dass die nationale deutsche Regelung in § 5 a VVG den Verbraucherschutz zeitlich vor dem Vertragsabschluss zu gewährleisten versuche, während das Gemeinschaftsrecht einen wirksamen Verbraucherschutz durch die Einräumung eines dem Vertragsabschluss zeitlich nachfolgenden Widerrufsrecht verlange. Bei näherer Betrachtung stellt sich dies als eine rein formalistische, jedoch inhaltsleere Argumentation dar. Sie bleibt nämlich jede Antwort auf die Frage schuldig, weshalb ein dem Vertragsabschluss nachgelagerter Schutzmechanismus den Verbraucher besser schützen soll als ein zeitlich vorverlagerter Mechanismus, der bereits das wirksame Zustandekommen eines Vertrages zu unterbinden vermag. Wie oben dargestellt, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber durch das Gemeinschaftsrecht nicht gehindert ist, den Vertragsschlussmechanismus national eigenständig zu regeln, und zwar auch im Sinne des Policenmodells. Dass das Gemeinschaftsrecht es erfordern sollte, neben dem Verbraucherschutz, wie er wirkungsgleich durch die Einräumung eines Widerspruchsrechts bewirkt wird, einen weiteren Schutzmechanismus durch Einräumung eines dem Vertragsschluss nachgelagerten Widerrufsrechts bereitzustellen, lässt sich mit den inhaltlichen Vorgaben des gemeinschaftsrechtlichen Anliegens eines wirksamen Verbraucherschutzes nicht rechtfertigen.
76 
Die Vorabentscheidung des EuGH in der Sache C-209/12 vom 19.12.2013 gibt keinen Hinweis darauf, dass das Policenmodell als solches europarechtswidrig sein könnte. Der Gerichtshof hat vielmehr ausdrücklich betont, dass Gegenstand der Entscheidung alleine und ausschließlich die Regelung des vorliegend nicht einschlägigen § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. ist, nicht hingegen das Policenmodell als solches.
77 
3.5.7 Der Senat hält daher an seiner bisherigen, in zahllosen Parallelfällen dargelegten und veröffentlichten Auffassung fest, dass es an der Vereinbarkeit des Policenmodells mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht keinen Zweifel geben kann. Er sieht sich hierin in der bisher in Erscheinung getretenen Haltung des Bundesgerichtshofs bestätigt. Dessen Vorlageentscheidung vom 28.3.2012 im Verfahren IV ZR 76/11 an den Europäischen Gerichtshof bezieht sich ausdrücklich nur auf die Frage, ob § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei oder nicht. Die Vereinbarkeit der Regelungen in § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. mit EU-Recht hingegen scheint der Bundesgerichtshof nicht in Zweifel zu ziehen. Der Senat nimmt jedoch zur Kenntnis, dass ein solcher Zweifel nunmehr von der Generalanwältin ernstlich geltend gemacht wird. Im Hinblick auf Art. 267 AEUV ist die Zulassung der Revision bei einem ansonsten nicht dem Revisionsverfahren zugänglichen Verfahrensstreitwert die Konsequenz.
78 
3.6 Dass der EuGH in der oben angeführten Entscheidung die zeitliche Befristung des Widerrufsrechts nach § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. für unvereinbar mit dem Unionsrecht hält, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles bedeutungslos, da nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts kein Sachverhalt vorliegt, der der Regelung des § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. unterfällt.
79 
3.7 Im Ergebnis hat die Klage somit hinsichtlich des vorrangig verfolgten Begehrens keinen Erfolg. Dies gilt auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die die Tätigkeit der klägerischen Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit dem vorrangigen Hauptbegehren betrafen. Die Berufung des Klägers ist insoweit zurückzuweisen.
80 
4. Erfolg hat hingegen die Berufung des Klägers insoweit, als das Landgericht die hilfsweise erhobene Stufenklage insgesamt, also auch bezüglich des derzeit noch unbezifferten Leistungsantrags abgewiesen hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich der Misserfolg des Leistungsbegehrens derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen.
81 
4.1 Im Ansatz ist der Auffassung des Klägers beizutreten, dass die vereinbarte Verrechnung von Abschlusskosten mit den gezahlten Beiträgen, wie sie in § 13 der Versicherungsbedingungen vorgesehen ist, der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht Stand hält. Es mangelt der Verrechnungsregelung schon an der erforderlichen Transparenz, weil die Versicherungsbedingungen in den Abschnitten über die Beitragsfreistellung und die Kündigung (§ 6 der Versicherungsbedingungen) den Versicherungsnehmer nicht bereits an dieser Stelle über die wirtschaftlichen Folgen unterrichten (vgl. BGH, Urteil vom 26.6.2013 - IV ZR 39/10 - = VersR 2013, 1381 - 1387 Rn. 50). Rechtsfolge der Intransparenz ist die Unwirksamkeit der Regelungen über die Verrechnung der Abschlusskosten (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
82 
4.2 Gleiches gilt für die Regelung des Stornoabzugs. Dieser ist in § 6 (1) Abs. 3, (5) Abs. 1 S. 2 der Versicherungsbedingungen angesprochen. Allerdings kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis abzustellen ist, der Regelung nicht entnehmen, mit welchem Abzugsbetrag er im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrags rechnen muss. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann sich nämlich keine Vorstellung davon machen, wie hoch die als Berechnungsgrundlage bezeichnete „Differenz zwischen der erforderlichen Deckungsrückstellung zum Rentenbeginn und der vorhandenen Deckungsrückstellung“ wenigstens der Größenordnung nach ist oder sein kann.
83 
4.3 Folge der unwirksamen Regelungen ist, dass ein Stornoabzug nicht vorgenommen werden kann, weil es an der gem. § 176 Abs. 4 VVG a. F. erforderlichen wirksamen vertraglichen Grundlage mangelt.
84 
4.4 Auch die Abschlusskosten können nicht mit den anfänglichen Prämienbeiträgen verrechnet werden. Die dadurch entstehende Vertragslücke kann jedoch - anders als im Falle der unwirksamen Stornoabzugsregelung - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.
85 
4.4.1 Nach der Entscheidung des BGH vom 26.6.2013 (aaO Rn. 53) schuldet der Versicherer in einem solchen Fall die versprochene Leistung (vorliegend den Garantiewert von 10.328 DM = 5.280,62 EUR, den der von der Beklagten ausgezahlte Betrag deutlich überstiegen hat), mindestens jedoch die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals. Darunter ist das bis zur Kündigung gebildete Deckungskapital ohne jeglichen Abzug von Abschlusskosten zu verstehen (BGH aaO Rn. 55). Wie hoch dieses Deckungskapital im vorliegenden Fall war, hat die Beklagte bislang nicht offenbart. Der mit Schreiben vom 30.12.2009 mitgeteilte Rückkaufswert von 8.264,97 EUR beziffert die Höhe des ungezillmerten Deckungskapitals nicht. Dem Schreiben lässt sich auch nicht entnehmen, ob ein Stornoabzug vorgenommen wurde. Die Beklagte hat zwar mit der Berufungserwiderung ausdrücklich klargestellt, dass ein solcher nicht vorgenommen worden sei (der Klageerwiderung vom 2.8.2013, dort S. 9 u. lässt sich dies in solcher Klarheit nicht entnehmen) und hat zugleich betont, dass der ermittelte Rückkaufswert die Vorgaben des BGH-Urteils vom 12.10.2005 berücksichtigt habe. Eine bezifferte Darstellung des ungezillmerten Deckungskapitals fehlt jedoch. Der Kläger kann deshalb nicht rechnerisch nachvollziehen, ob ihm die Beklagte den ihm zustehenden Mindestwert - vermindert um die im Wege des Quellenabzugs abzuführende Kapitalertragsteuer - ausbezahlt hat. Mehr als den Mindestwert kann der Kläger im vorliegenden Fall hingegen nicht verlangen, weil der vertraglich versprochene Garantiewert jedenfalls hinter dem bereits ausgezahlten Rückkaufswert zurückbleibt (s. o.).
86 
4.4.2 Der Kläger kann nicht anhand des Vergleichs von Prämienzahlung und Rückkaufswert beurteilen, ob die bereits vorgenommene Auszahlung seinen Anspruch in vollem Umfang erfüllt. Das Deckungskapital ist zu definieren als die Summe der verzinslich angesammelten Sparanteile eines konkreten Vertrags (vgl. Prölss/Martin/Reiff, VVG, 28. A., VVG § 169 Rn. 31 unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 S. 1 VAG). Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist regelmäßig nicht bekannt, wie hoch die aus seinen Prämienzahlungen für die Zwecke der Deckungsrückstellung abgeführten Sparanteile sind, erst recht jedoch nicht die daraus erwirtschafteten Zinsen. Bei einer Laufzeit von Vertragsbeginn bis zur Vertragskündigung von mehr als 9 1/2 Jahren können diese Zinsen eine beachtliche Größenordnung erreicht haben, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass deutsche Lebensversicherungen zu großen Teilen in risikoarme, z. T. langlaufende Wertpapiere investieren, die in den Jahren 1999 bis ca. 2004 noch gute und langfristige Renditen erwirtschafteten. Aus der von der Beklagten vorgenommenen Gegenüberstellung von Prämienzahlungen und beziffertem Rückkaufswert lässt sich daher nur mit einiger Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch mit der erforderlichen Sicherheit erschließen, dass der im Schreiben der Beklagten vom 30.12.2009 dargestellte Rückkaufswert tatsächlich den Mindestwert erreicht, der dem Kläger zusteht.
87 
4.4.3 Der Kläger hat deshalb gem. § 242 BGB Anspruch auf Auskunftserteilung über die im Zeitpunkt der Kündigung erreichten Höhe des ungezillmerten Deckungskapitals (BGH, Urteil vom 26.6.2013 - IV ZR 39/10 - Rn. 52 ff), wie dies der Kläger mit seinem Klageantrag IV a) begehrt.
88 
4.4.4 Der Auskunftsanspruch kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass der mit ihm vorzubereitende Anspruch auf Auszahlung eines Restes des Rückkaufswertes im Zeitpunkt seiner gerichtlichen Geltendmachung bereits verjährt gewesen sei.
89 
4.4.4.1 Zwar würde die Verjährung der Hauptforderung, deren Durchsetzung der Auskunftsanspruch dienen soll, letzterem die rechtliche Grundlage entziehen. Der aus § 242 BGB herzuleitende Auskunftsanspruch hat nämlich lediglich dienende und unterstützende Funktion, um die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu ermöglichen. Gibt es hingegen keinen durchsetzbaren Hauptanspruch, so besteht auch kein anerkennenswertes Bedürfnis, ihn vorzubereiten und zu unterstützen.
90 
4.4.4.2 Vorliegend kann jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Hauptanspruch tatsächlich verjährt ist. Zwar entsteht der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes bereits mit der Kündigung des Versicherungsvertrags; fällig wird die Leistung jedoch erst mit dem Zugang der Abrechnung seitens des Versicherers (BGH NJW 2011, 73 ff Rn. 18 f). Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt die dreijährige Jahresendverjährung gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB zu laufen. Auf die 5-jährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 S. 1, 2. Altern., S. 2 VVG a. F. kommt es nicht an. Gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG kann auf den vorliegenden Fall das VVG a. F. nicht angewandt werden, weil die vorliegend zu beurteilende Kündigung nach dem 1.1.2009 erfolgte. Die Beklagte erteilte die Abrechnung mit ihrem als Anlage K 3 = Bl. 34 d. A. vorgelegten Schreiben vom 30.12.2009. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Verjährung nur dann eingetreten wäre, wenn das Schreiben dem Kläger noch im Jahr 2009 zugegangen wäre. Ob dies der Fall war, lässt sich nicht feststellen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte behauptet solches schon nicht; erst recht bietet sie keinen Beweis hierfür an. Dies geht zu ihren Lasten, so dass die Verjährungseinrede im Ergebnis ins Leere geht.
91 
4.5 Keinen Erfolg haben hingegen die Auskunftsbegehren zu Ziffer IV b) und c). Hinsichtlich der Stornokosten hat die Beklagte in der Berufungserwiderung ausdrücklich vortragen lassen, solche seien nicht abgezogen worden (Berufungserwiderung S. 3, 3. Absatz). Die geforderte Auskunft ist insoweit erteilt.
92 
Auskunft über die ungezillmerten Abschlusskosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären, ist nicht zu erteilen, da eine solche Auskunft keinerlei Relevanz für den verfolgten, bislang unbezifferten Leistungsanspruch haben könnte. Wie sich aus der Begründung der Klageschrift, dort S. 20, letzter Absatz (Bl. 25 d. A.) ergibt, beruht dieser Antrag auf der Annahme, dass zur Ermittlung des ungezillmerten Deckungskapitals die Abschlusskosten auf die gesamte planmäßige Vertragslaufzeit umzulegen seien. Diese Annahme ist falsch; die Abschlusskosten bleiben vielmehr gänzlich außer Ansatz (BGH, Urteil vom 26.6.2013 - IV ZR 39/10 - Rn. 55). Die Höhe der Abschlusskosten ist somit für die Ermittlung des ungezillmerten Deckungskapitals unerheblich. Der Kläger benötigt zur Bezifferung der Leistungsstufe die mit dem Klageantrag IV. c) begehrte Auskunft nicht.
93 
4.6. Der in der Auskunftsstufe verfolgte Anspruch auf Vorlage von Belegen zum Nachweis der Richtigkeit der erteilten Auskünfte besteht nicht. Es fehlt schon an der Bestimmtheit, welche Belege die Beklagte vorlegen soll. Im Übrigen könnte ein Beleg nur durch Vorlage aller internen Rechnungswerke über die Sparanteile der vereinnahmten Prämien, die hiermit erwirtschafteten Erträge, deren Verteilung auf die einzelnen Versicherungsverträge usw. erfolgen. Zu einer solch weitreichenden Offenlegung von Betriebsinterna und - geheimnissen ist die Beklagte mangels Zumutbarkeit nicht verpflichtet. Demzufolge ist die Berufung des Klägers auch in diesem Punkt zurückzuweisen.
94 
5. Nicht entscheidungsreif ist die Sache hinsichtlich der weiteren möglichen Stufen der Stufenklage.
III.
95 
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
96 
Die Zulassung der Revision bezüglich der Zurückweisung der Berufung betreffend das Hauptbegehren des Klägers erfolgt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, die im Hinblick auf den Schlussantrag der Generalanwältin im Verfahren des EuGH zu C-209/12 nicht mehr verneint werden kann.