Oberlandesgericht Stuttgart Entscheidung, 16. Jan. 2014 - 7 U 204/13

bei uns veröffentlicht am16.01.2014

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4.9.2013 (18 O 260/13)

abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über das am 1.1.2010 vorhandene Deckungskapital ohne Verrechnung von Abschlusskosten zum Vertrag mit der Versicherungsnummer  zu erteilen.

2. Die Berufung betreffend die Berufungsanträge Ziffer I., II. IV. b) und c) sowie V. bezüglich des Begehrens, die erteilten Auskünfte durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen, wird

zurückgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 1.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen, soweit sie die Zurückweisung der klägerischen Berufungsanträge Ziffer I. und II. betrifft.

Gründe

 
I.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung und des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss die Rückzahlung vermeintlich rechtsgrundlos gezahlter Versicherungsprämien im Gesamtbetrag von 8.525,44 EUR zu einer Rentenversicherung zuzüglich Verzinsung für die Zeit vom 1.3.1999 bis 31.5.2012 i. H. v. 4.488,80 EUR. Einen von der Beklagten als „Rückkaufswert“ ausgekehrten Betrag in Höhe von 7.821,70 EUR lässt sich der Kläger anrechnen. Hierdurch errechnet sich per Saldo in der Hauptsache ein klageweise geltend gemachter Forderungsbetrag von 5.192,54 EUR. Hieraus verlangt der Kläger weiter laufende Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Daneben verlangt er Erstattung vorgerichtlich aufgewandter Rechtsanwaltskosten in Höhe von 667,35 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe.
Der Kläger hatte die Rentenversicherung aufgrund seines Antrags vom 26.1.1999 mit Wirkung zum 1.3.1999 bei der Beklagten abgeschlossen. Mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2009 ließ der Kläger dem Vertragsabschluss unter Bezugnahme auf § 5 a VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: „VVG a. F.“) widersprechen, hilfsweise den Versicherungsvertrag kündigen.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, ließ die Kündigung jedoch gelten. Sie bezifferte den Rückkaufswert mit Schreiben vom 30.12.2009 auf 8.264,97 EUR, von dem sie Kapitalertragssteuer in Höhe von 443,27 EUR abzog und den Rest in Höhe von 7.821,70 EUR an den Kläger ausbezahlte.
Der Kläger macht geltend, die erforderliche Widerspruchsbelehrung sei in drucktechnischer Hinsicht nicht hinreichend hervorgehoben gewesen; außerdem benenne sie die „fristauslösenden Unterlagen“ nicht zutreffend. Sie liste nämlich mehr Unterlagen auf, als für die Ingangsetzung der Widerspruchsfrist erforderlich. Der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher könne sich daher kein zutreffendes Bild davon machen, ob mit der Übersendung der Unterlagen die Frist bereits zu laufen begonnen habe oder nicht. Wegen dieser formalen und inhaltlichen Mängel der Widerspruchsbelehrung sei die Widerspruchsfrist gem. § 5 a VVG a. F. nicht in Gang gesetzt worden. Der Vertragsabschluss sei auch nicht gemäß der Regelung in § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. nach Ablauf eines Jahres nach Zahlung der Erstprämie wirksam geworden. Diese Vorschrift widerspreche europäischem Gemeinschaftsrecht, wie im Übrigen das gesamte § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. zu Grunde liegende Vertragsschlussmodell („Policenmodell“). Ihm habe deshalb noch im Dezember 2009 ein Widerspruchsrecht zugestanden, das er wirksam ausgeübt habe. Folge des ausgeübten Widerspruchsrechts sei der Wegfall des Rechtsgrundes für das Behaltendürfen der gezahlten Versicherungsprämien und der daraus gezogenen Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes.
Hilfsweise, nämlich für den Fall, dass der Versicherungsvertrag wider Erwarten doch wirksam zu Stande gekommen sein sollte, begehrt der Kläger im Wege der Stufenklage, einen bislang noch nicht ausgezahlten Teil des Rückkaufswertes an ihn auszukehren. Der Umstand, dass die Beklagte bei einem Gesamtbetrag gezahlter Prämien von 8.525,44 EUR lediglich 7.821,70 EUR als Rückkaufswert an den Kläger ausbezahlt habe, lasse vermuten, dass die Beklagte unzulässig Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren zuzüglich sog. Stornokosten abgezogen habe. Hierüber müsse die Beklagte vorab Auskunft erteilen, um die Bezifferung des restlichen Rückkaufswertes zu ermöglichen.
Die Beklagte trat dem Klagebegehren entgegen.
Wegen des Parteivorbringens im ersten Rechtszug im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht wies die Klage ab, maßgeblich mit der Begründung, der Versicherungsvertrag sei wirksam zu Stande gekommen. Der Kläger habe das ihm zustehende Widerspruchsrecht nicht fristgemäß ausgeübt.
Eine Ergänzung des bisher ausgezahlten Rückkaufswertes komme nicht in Betracht, da der Kläger in jedem Fall mehr als den ihm nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zustehenden Betrag - die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals - erhalten habe.
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Wegen der getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts und seiner rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
11 
Unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen und dessen vertiefender Wiederholung verfolgt der Kläger mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.
12 
Der Kläger beantragt
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unter Abänderung des am 04.09.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az: 18 0 260/13:
14 
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 5.192,54 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15 
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von EUR 667,35 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16 
hilfsweise für den Fall, dass sich das Gericht den Ausführungen zu § 5 a VVG a.F. nicht anschließt:
17 
III.
Die Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof - IV ZR 76/11 - mit Beschluss vom 28.03.2012 vorgelegten und hier ebenfalls gegenständlichen Rechtsfragen.
18 
Weiterhin wird höchst hilfsweise, für den Fall daß sich das Gericht die Hauptanträge zu Ziffer I. und II. abweisen sollte, beantragt:
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IV. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft
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a)
über das zum Zeitpunkt der Kündigung am 01.10.2010 vorhandene Deckungskapital ohne Verrechnung von Abschlusskosten,
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b)
zugleich über die Höhe der abgezogenen Stornokosten
22 
sowie
23 
c)
über die ungezillmerten Abschlußkosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären, zum Vertrag mit der Versicherungsnummer ... zu erteilen.
24 
V.
Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr erteilten Auskünfte durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen und gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides statt zu versichern.
25 
Vl.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weitergehenden Rückkaufswert in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
26 
Die Beklagte beantragt,
27 
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
28 
Unter Bezugnahme auf ihr gesamtes Vorbringen im ersten Rechtszug verteidigt die Beklagte das landgerichtliche Urteil und wiederholt ihre Verjährungseinrede.
29 
Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründungsschrift sowie die Berufungserwiderung Bezug genommen.
30 
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt.
II.
31 
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist hinsichtlich des im Berufungsrechtszug weiter verfolgten Hauptbegehrens unbegründet, hinsichtlich des Hilfsbegehrens hingegen in der Auskunftsstufe zum Teil begründet, zum Teil unbegründet. Hierüber ist vorab durch Teilurteil zu entscheiden. Hinsichtlich der anderen Stufen des Hilfsbegehrens ist die Sache noch nicht entscheidungsreif, weshalb die Entscheidung hierüber ggf. einer weiteren Teil-(Schluss-)-Entscheidung vorbehalten werden muss.
32 
2. Hinsichtlich der vorliegend zu treffenden Teilentscheidung sind die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts für den Senat bindend und daher gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der vorliegenden Entscheidung zu Grunde zu legen.
33 
3. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht das Recht hinsichtlich des klägerischen Hauptbegehrens richtig angewandt. Der Kläger kann nämlich aus seiner am 10.12.2009 abgegebenen Widerspruchs- und hilfsweisen Kündigungserklärung keine Ansprüche herleiten, auf die sich sein Berufungsantrag Ziffer 1 stützen könnte.
34 
3.1 Bei dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag handelt es sich um einen Altvertrag gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG, auf den das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG in der am 29.07.1994 in Kraft getretenen Gesetzesfassung (im Folgenden: „VVG a. F.“) galt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG a. F. nicht überlassen hatte, der Vertrag nach dem sogenannten Policenmodell auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprach (die 30-Tage-Frist gem. § 5 a Abs. 2 S. 2 VVG in der zuletzt geltenden Fassung galt für den vorliegenden Fall noch nicht, weil diese besondere Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge erst durch Art. 6 des Gesetzes vom 2.12.2004 normiert wurde; im Folgenden ist deshalb stets die Gesetzesfassung vor dem 2.12.2004 in Bezug genommen).
35 
3.2 Die Widerspruchsfrist ist gem. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. in Gang gesetzt worden.
36 
3.2.1 Richtig ist zwar der Ansatz des Klägers, dass die unstreitig bereits im Versicherungsantrag enthaltene Widerspruchsbelehrung die Widerspruchsfrist aus formalen Gründen nicht in Gang setzen konnte, weil § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. diese Rechtsfolge daran anknüpfte, dass die Widerspruchsbelehrung „bei Aushändigung des Versicherungsscheins“ erteilt wurde.
37 
Vertretbar erscheint auch die Auffassung des Klägers, dass die in § 3 der Versicherungsbedingungen enthaltene Widerspruchsbelehrung drucktechnisch nicht ausreichend hervorgehoben war und deshalb die Widerspruchsfrist nicht in Gang setzen konnte.
38 
3.2.2 Sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht ausreichend war jedoch die Widerspruchsbelehrung, die die Beklagte dem Kläger in ihrem Begleitschreiben vom 10.2.1999 erteilt hat, mit dem sie dem Kläger den Versicherungsschein und die weiteren erforderlichen Unterlagen übersandt hat (vgl. Anlage B 1, Bl. 54 f d. A.).
39 
3.2.2.1 Diese Widerspruchsbelehrung leidet nicht an formellen Unzulänglichkeiten. Gesetzlich gefordert ist gem. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. lediglich eine „drucktechnisch deutliche Form“ der Widerspruchsbelehrung. Die von der Beklagten gewählte Form eines eigenständigen, durch Fettdruck hervorgehobenen Absatzes am Ende des zweiseitigen Anschreibens (entsprechend dem als Anlage B 2 = Bl. 73 d. A. vorgelegten Muster), mit dem die Beklagte den Versicherungsschein und die erforderlichen Unterlagen dem Kläger übermittelt hat, genügt diesen gesetzlichen Anforderungen. Der Fettdruck reicht aus, um den Blick des Lesers gezielt auf diese Textpassage zu lenken. Auch ist durch die Aufnahme der Belehrung in das Anschreiben sichergestellt, dass sie nicht im Konvolut von Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und sonstigen Unterlagen „untergeht“.
40 
Diese Umstände unterscheiden den vorliegenden Fall von dem, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.1.2004 im Verfahren IV ZR 58/03 zu Grunde lag. Dort war die Widerspruchsbelehrung nämlich inmitten eines 8-seitigen Konvoluts eingegliedert, wo sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer leicht und nachvollziehbar übersehen konnte.
41 
Im Übrigen kann entgegen der Auffassung des Klägers auch einem Verbraucher ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit in eigenen Angelegenheiten abverlangt werden. Ein gerade einmal zwei Seiten umfassendes, in aufgelockertem Schriftbild abgefasstes Anschreiben zu lesen, überspannt diese Anforderungen keinesfalls.
42 
3.2.2.2 Die Widerspruchsbelehrung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie beschreibt sowohl die Rechtswirkungen eines unterlassenen Widerspruchs als auch die Anforderungen an die Wirksamkeit eines Widerspruchs zutreffend.
43 
Der Angriff, der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher könne sich kein zutreffendes Bild davon machen, ob mit der Übersendung der Unterlagen die Frist bereits zu laufen begonnen habe oder nicht, weil in dem Begleitschreiben zusätzliche Unterlagen aufgelistet seien, die für die Ingangsetzung der Widerspruchsfrist nicht notwendig seien, geht fehl. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. macht das Anlaufen der Widerspruchsfrist allein davon abhängig, dass dem Versicherungsnehmer die erforderlichen Unterlagen - Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation i. S. v. § 10 a VAG - tatsächlich ausgehändigt wurden. Dies war vorliegend nach den Feststellungen des Landgerichts unstreitig der Fall. Auf die subjektive Kenntnis des Versicherungsnehmers, alle erforderlichen Unterlagen erhalten zu haben, stellt § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a. F. hingegen nicht ab.
44 
3.3 Aus alledem ergibt sich, dass der Versicherungsvertrag als Folge der fruchtlos abgelaufenen Widerspruchsfrist Ende Februar 1999 nach Maßgabe des § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. wirksam zu Stande gekommen ist; der Vertragsschluss vollzog sich hingegen nicht nach der Regelung des § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F.
45 
3.4 Der nach längst abgelaufener Widerspruchsfrist am 10.12.2009 erklärte Widerspruch des Klägers konnte demnach keine Rechtswirkungen entfalten. Den Prämienzahlungen des Klägers mangelt es somit nicht am erforderlichen Rechtsgrund.
46 
3.5 Der Senat hält das in § 5 a Abs. 1 VVG a. F. normierte Policenmodell für europarechtskonform.
47 
3.5.1 § 5 a VVG a. F. setzt Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 nicht fehlerhaft um. Art. 36 Abs. 1 der ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 kann vorliegend nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen werden, weil die Richtlinie 2002/83/EG im Zeitpunkt des vorliegenden Vertragsabschlusses noch nicht in Kraft war. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass § 5 a VVG a. F. auch diese Richtlinien-Vorschrift nicht fehlerhaft umsetzt. Die genannten Richtlinien-Bestimmungen haben folgenden Wortlaut: "Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen" bzw. "Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang III Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen". Hiergegen verstößt § 5 a Abs. 1 VVG a. F. nicht.
48 
Gem. § 5 a Abs. 1 S. 1 VVG ist der Vertrag bis zum Ablauf einer 14-tägigen Widerspruchsfrist nach vollständiger Überlassung des Versicherungsscheins und der näher bezeichneten Unterlagen sowie der Belehrung über das Widerspruchsrecht schwebend unwirksam. Damit ist gewährleistet, dass die vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers erst eintritt, nachdem ihm die erforderliche Verbraucherinformation vorgelegen hat. Die Zielsetzung der genannten Richtlinien-Bestimmungen ist damit erreicht.
49 
3.5.2 Im Übrigen machen die genannten Richtlinien keine Vorgaben für das Versicherungsvertragsrecht, sondern bezwecken ausdrücklich die Harmonisierung der Versicherungsaufsicht.
50 
3.5.2.1 So lauten die Erwägungsgründe Nrn. 5 und 19 zu Artikel 31 und Anhang II. A. der Richtlinie 92/96/EWG:
51 
„(5) Der gewählte Ansatz besteht in einer wesentlichen, notwendigen und ausreichenden Harmonisierung, um zu einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme zu gelangen, die die Erteilung einer einheitlichen, innerhalb der ganzen Gemeinschaft gültigen Zulassung sowie die Anwendung des Grundsatzes der Aufsicht durch den Herkunftsmitgliedstaat erlaubt.
52 
(19) Die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts ist keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor. Die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stellt deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar.“
53 
Die Erwägungsgründe Nrn. 2 und 44 zu Artikel 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG bestimmen:
54 
„(2) Zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung sind gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen, wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss. Zu diesem Zweck sind insbesondere die Vorschriften über die an Lebensversicherungsunternehmen gestellten finanziellen Anforderungen zu koordinieren.
55 
(44) Die in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften des Vertragsrechts für die in dieser Richtlinie genannten Tätigkeiten sind unterschiedlich. Die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts ist keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor. Die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stellt deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar. Die Freiheit der Wahl eines anderen Vertragsrechts als das des Staates der Verpflichtung kann in bestimmten Fällen nach Regeln gewährt werden, in denen die spezifischen Umstände berücksichtigt werden.“
56 
3.5.2.2 Eine andere Zielrichtung ist auch nicht dem Erwägungsgrund Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG zu entnehmen, den die Kommission der Europäischen Gemeinschaften betreffend eines Beschwerdeverfahrens in dem Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland vom 04.04.2006, AZ. 2005/5046K(2006)1309, als Grund für einen möglichen Verstoß des Policenmodells gegen Artikel 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG heranzog (vgl. auch die schriftliche Stellungnahme der Kommission vom 12.10.2006, AZ.: 2005/5046K(2006)4688):
57 
„(52) Im Rahmen eines Versicherungsbinnenmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte und über die Stellen erhält, an die etwaige Beschwerden der Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten des Vertrages zu richten sind.“
58 
Diese Erklärung ist vielmehr im Zusammenhang mit dem Inhalt des Erwägungsgrundes Nr. 2 zu deuten, so dass sich die Mindestvorschriften ausschließlich auf das unterschiedliche Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten beziehen.
59 
3.5.2.3 Den Vorgaben für die Regelung der Versicherungsaufsicht hat der Gesetzgeber durch die Umsetzung in § 10 a VAG a. F. Genüge getan.
60 
3.5.2.4 Damit trifft § 5 a VVG von vornherein keine Regelungen für die Geltungsbereiche, auf die die genannten Richtlinien abzielen und es besteht kein Bedürfnis, das Normverständnis des § 5 a VVG an dasjenige der in Rede stehenden Richtlinien-Bestimmungen anzupassen.
61 
3.5.3 Auch ein Verstoß gegen Artt. 31 Abs. 1, 43 Abs. 2 der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18.06.1992 (Dritte Schadenversicherungsrichtlinie) liegt nicht vor.
62 
3.5.3.1 Die genannten Regelungen haben folgenden Wortlaut:
63 
„Artikel 31
64 
(1) Vor Abschluss eines Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:
65 
- auf den Vertrag anwendbares Recht für den Fall, dass die Parteien keine Wahlfreiheit haben, oder, wenn die Parteien das anwendbare Recht frei wählen können, das von dem Versicherungsunternehmen vorgeschlagene Recht;
66 
- Bestimmungen zur Bearbeitung von den Vertrag betreffenden Beschwerden der Versicherungsnehmer, gegebenenfalls einschließlich des Hinweises auf eine Beschwerdestelle; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit für den Versicherungsnehmer, den Rechtsweg zu beschreiten.
67 
Artikel 43
68 
……..
69 
(2) Wird eine Versicherung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit angeboten, so ist dem Versicherungsnehmer, bevor irgendeine Verpflichtung eingegangen wird, der Mitgliedstaat des Sitzes und gegebenenfalls der Zweigniederlassung, mit dem bzw. der der Vertrag geschlossen wird, mitzuteilen.“
70 
3.5.3.2 Diese Richtlinie betrifft nach Artikel 2 Abs. 1 Richtlinie 92/49/EWG i. V. m. Artikel 1 der Richtlinie 73/239 EWB die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeit der Direktversicherung durch Versicherungsunternehmen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder sich dort niederzulassen wünschen, aber ausdrücklich nicht die Lebensversicherung. Im Übrigen ist auch § 10 a VAG a. F. dieser Vorgabe nachgekommen.
71 
3.5.4 Die Richtlinie 93/13/EWG vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sieht unter anderem vor, dass der Verbraucher die Möglichkeit haben muss, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Durch die Möglichkeit des Widerspruchs bewirkt das Policenmodell entsprechend der Zielsetzung der Richtlinie einen wirksamen und ausreichenden Schutz vor Überrumpelung des Verbrauchers mit unangemessenen Klauseln.
72 
3.5.5 Die europarechtliche Unbedenklichkeit des Policenmodells kann auch nicht durch die Stellungnahme der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren 2005/5046 in Zweifel gezogen werden. Ersichtlich hat die Kommission den Vertragsschlussmechanismus nach den Regelungen des § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. verkannt. Erst aufgrund der Stellungnahme des deutschen Ministeriums der Justiz vom 4.4.2006 [K ( 2006), 1309, S. 4 f] hat die Kommission die Rechtslage des nationalen deutschen Rechts richtig erfasst. Sie hat die zunächst erhobenen Bedenken anschließend fallen gelassen und stattdessen bemängelt, dass das nationale deutsche Recht dem Verbraucher eine „Widerspruchslast“ aufbürde. Dass diese Erwägung keine Substanz hat, liegt auf der Hand. Zahlreiche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften sehen die Verwirklichung des Verbraucherschutzes durch Gewährung von Widerrufsrechten vor, so dass der Verbraucher die „Widerrufslast“ tragen muss. Obwohl das Widerspruchsrecht gem. § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. dogmatisch anders einzuordnen ist als ein Widerrufsrecht, ergibt sich hieraus kein Unterschied in der Belastung des Verbrauchers, ein ihm eingeräumtes Erklärungs-/Gestaltungsrecht ausüben zu müssen, um in den Genuss des rechtspolitisch verfolgten Schutzes zu gelangen.
73 
Es hat daher eine gewisse Konsequenz, dass die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland nicht fortgeführt hat, obwohl in den nachfolgenden 1 1/2 Jahren bis zum Inkrafttreten des neuen VVG noch zahllose weitere Versicherungsverträge nach dem angeblich beanstandungswürdigen Policenmodell abgeschlossen wurden.
74 
3.5.6 Auch die Erwägungen der Generalanwältin vom 11.7.2013 im Vorabentscheidungsverfahren RS-209/12 des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlage des Bundesgerichtshofs im Verfahren IV ZR 76/11 begründen keine Zweifel an der europarechtlichen Konformität des Policenmodells.
75 
Die Generalanwältin hat im Kern beanstandet, dass die nationale deutsche Regelung in § 5 a VVG den Verbraucherschutz zeitlich vor dem Vertragsabschluss zu gewährleisten versuche, während das Gemeinschaftsrecht einen wirksamen Verbraucherschutz durch die Einräumung eines dem Vertragsabschluss zeitlich nachfolgenden Widerrufsrecht verlange. Bei näherer Betrachtung stellt sich dies als eine rein formalistische, jedoch inhaltsleere Argumentation dar. Sie bleibt nämlich jede Antwort auf die Frage schuldig, weshalb ein dem Vertragsabschluss nachgelagerter Schutzmechanismus den Verbraucher besser schützen soll als ein zeitlich vorverlagerter Mechanismus, der bereits das wirksame Zustandekommen eines Vertrages zu unterbinden vermag. Wie oben dargestellt, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber durch das Gemeinschaftsrecht nicht gehindert ist, den Vertragsschlussmechanismus national eigenständig zu regeln, und zwar auch im Sinne des Policenmodells. Dass das Gemeinschaftsrecht es erfordern sollte, neben dem Verbraucherschutz, wie er wirkungsgleich durch die Einräumung eines Widerspruchsrechts bewirkt wird, einen weiteren Schutzmechanismus durch Einräumung eines dem Vertragsschluss nachgelagerten Widerrufsrechts bereitzustellen, lässt sich mit den inhaltlichen Vorgaben des gemeinschaftsrechtlichen Anliegens eines wirksamen Verbraucherschutzes nicht rechtfertigen.
76 
Die Vorabentscheidung des EuGH in der Sache C-209/12 vom 19.12.2013 gibt keinen Hinweis darauf, dass das Policenmodell als solches europarechtswidrig sein könnte. Der Gerichtshof hat vielmehr ausdrücklich betont, dass Gegenstand der Entscheidung alleine und ausschließlich die Regelung des vorliegend nicht einschlägigen § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. ist, nicht hingegen das Policenmodell als solches.
77 
3.5.7 Der Senat hält daher an seiner bisherigen, in zahllosen Parallelfällen dargelegten und veröffentlichten Auffassung fest, dass es an der Vereinbarkeit des Policenmodells mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht keinen Zweifel geben kann. Er sieht sich hierin in der bisher in Erscheinung getretenen Haltung des Bundesgerichtshofs bestätigt. Dessen Vorlageentscheidung vom 28.3.2012 im Verfahren IV ZR 76/11 an den Europäischen Gerichtshof bezieht sich ausdrücklich nur auf die Frage, ob § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei oder nicht. Die Vereinbarkeit der Regelungen in § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a. F. mit EU-Recht hingegen scheint der Bundesgerichtshof nicht in Zweifel zu ziehen. Der Senat nimmt jedoch zur Kenntnis, dass ein solcher Zweifel nunmehr von der Generalanwältin ernstlich geltend gemacht wird. Im Hinblick auf Art. 267 AEUV ist die Zulassung der Revision bei einem ansonsten nicht dem Revisionsverfahren zugänglichen Verfahrensstreitwert die Konsequenz.
78 
3.6 Dass der EuGH in der oben angeführten Entscheidung die zeitliche Befristung des Widerrufsrechts nach § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. für unvereinbar mit dem Unionsrecht hält, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles bedeutungslos, da nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts kein Sachverhalt vorliegt, der der Regelung des § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. unterfällt.
79 
3.7 Im Ergebnis hat die Klage somit hinsichtlich des vorrangig verfolgten Begehrens keinen Erfolg. Dies gilt auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die die Tätigkeit der klägerischen Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit dem vorrangigen Hauptbegehren betrafen. Die Berufung des Klägers ist insoweit zurückzuweisen.
80 
4. Erfolg hat hingegen die Berufung des Klägers insoweit, als das Landgericht die hilfsweise erhobene Stufenklage insgesamt, also auch bezüglich des derzeit noch unbezifferten Leistungsantrags abgewiesen hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich der Misserfolg des Leistungsbegehrens derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen.
81 
4.1 Im Ansatz ist der Auffassung des Klägers beizutreten, dass die vereinbarte Verrechnung von Abschlusskosten mit den gezahlten Beiträgen, wie sie in § 13 der Versicherungsbedingungen vorgesehen ist, der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht Stand hält. Es mangelt der Verrechnungsregelung schon an der erforderlichen Transparenz, weil die Versicherungsbedingungen in den Abschnitten über die Beitragsfreistellung und die Kündigung (§ 6 der Versicherungsbedingungen) den Versicherungsnehmer nicht bereits an dieser Stelle über die wirtschaftlichen Folgen unterrichten (vgl. BGH, Urteil vom 26.6.2013 - IV ZR 39/10 - = VersR 2013, 1381 - 1387 Rn. 50). Rechtsfolge der Intransparenz ist die Unwirksamkeit der Regelungen über die Verrechnung der Abschlusskosten (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
82 
4.2 Gleiches gilt für die Regelung des Stornoabzugs. Dieser ist in § 6 (1) Abs. 3, (5) Abs. 1 S. 2 der Versicherungsbedingungen angesprochen. Allerdings kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis abzustellen ist, der Regelung nicht entnehmen, mit welchem Abzugsbetrag er im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrags rechnen muss. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann sich nämlich keine Vorstellung davon machen, wie hoch die als Berechnungsgrundlage bezeichnete „Differenz zwischen der erforderlichen Deckungsrückstellung zum Rentenbeginn und der vorhandenen Deckungsrückstellung“ wenigstens der Größenordnung nach ist oder sein kann.
83 
4.3 Folge der unwirksamen Regelungen ist, dass ein Stornoabzug nicht vorgenommen werden kann, weil es an der gem. § 176 Abs. 4 VVG a. F. erforderlichen wirksamen vertraglichen Grundlage mangelt.
84 
4.4 Auch die Abschlusskosten können nicht mit den anfänglichen Prämienbeiträgen verrechnet werden. Die dadurch entstehende Vertragslücke kann jedoch - anders als im Falle der unwirksamen Stornoabzugsregelung - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.
85 
4.4.1 Nach der Entscheidung des BGH vom 26.6.2013 (aaO Rn. 53) schuldet der Versicherer in einem solchen Fall die versprochene Leistung (vorliegend den Garantiewert von 10.328 DM = 5.280,62 EUR, den der von der Beklagten ausgezahlte Betrag deutlich überstiegen hat), mindestens jedoch die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals. Darunter ist das bis zur Kündigung gebildete Deckungskapital ohne jeglichen Abzug von Abschlusskosten zu verstehen (BGH aaO Rn. 55). Wie hoch dieses Deckungskapital im vorliegenden Fall war, hat die Beklagte bislang nicht offenbart. Der mit Schreiben vom 30.12.2009 mitgeteilte Rückkaufswert von 8.264,97 EUR beziffert die Höhe des ungezillmerten Deckungskapitals nicht. Dem Schreiben lässt sich auch nicht entnehmen, ob ein Stornoabzug vorgenommen wurde. Die Beklagte hat zwar mit der Berufungserwiderung ausdrücklich klargestellt, dass ein solcher nicht vorgenommen worden sei (der Klageerwiderung vom 2.8.2013, dort S. 9 u. lässt sich dies in solcher Klarheit nicht entnehmen) und hat zugleich betont, dass der ermittelte Rückkaufswert die Vorgaben des BGH-Urteils vom 12.10.2005 berücksichtigt habe. Eine bezifferte Darstellung des ungezillmerten Deckungskapitals fehlt jedoch. Der Kläger kann deshalb nicht rechnerisch nachvollziehen, ob ihm die Beklagte den ihm zustehenden Mindestwert - vermindert um die im Wege des Quellenabzugs abzuführende Kapitalertragsteuer - ausbezahlt hat. Mehr als den Mindestwert kann der Kläger im vorliegenden Fall hingegen nicht verlangen, weil der vertraglich versprochene Garantiewert jedenfalls hinter dem bereits ausgezahlten Rückkaufswert zurückbleibt (s. o.).
86 
4.4.2 Der Kläger kann nicht anhand des Vergleichs von Prämienzahlung und Rückkaufswert beurteilen, ob die bereits vorgenommene Auszahlung seinen Anspruch in vollem Umfang erfüllt. Das Deckungskapital ist zu definieren als die Summe der verzinslich angesammelten Sparanteile eines konkreten Vertrags (vgl. Prölss/Martin/Reiff, VVG, 28. A., VVG § 169 Rn. 31 unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 S. 1 VAG). Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist regelmäßig nicht bekannt, wie hoch die aus seinen Prämienzahlungen für die Zwecke der Deckungsrückstellung abgeführten Sparanteile sind, erst recht jedoch nicht die daraus erwirtschafteten Zinsen. Bei einer Laufzeit von Vertragsbeginn bis zur Vertragskündigung von mehr als 9 1/2 Jahren können diese Zinsen eine beachtliche Größenordnung erreicht haben, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass deutsche Lebensversicherungen zu großen Teilen in risikoarme, z. T. langlaufende Wertpapiere investieren, die in den Jahren 1999 bis ca. 2004 noch gute und langfristige Renditen erwirtschafteten. Aus der von der Beklagten vorgenommenen Gegenüberstellung von Prämienzahlungen und beziffertem Rückkaufswert lässt sich daher nur mit einiger Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch mit der erforderlichen Sicherheit erschließen, dass der im Schreiben der Beklagten vom 30.12.2009 dargestellte Rückkaufswert tatsächlich den Mindestwert erreicht, der dem Kläger zusteht.
87 
4.4.3 Der Kläger hat deshalb gem. § 242 BGB Anspruch auf Auskunftserteilung über die im Zeitpunkt der Kündigung erreichten Höhe des ungezillmerten Deckungskapitals (BGH, Urteil vom 26.6.2013 - IV ZR 39/10 - Rn. 52 ff), wie dies der Kläger mit seinem Klageantrag IV a) begehrt.
88 
4.4.4 Der Auskunftsanspruch kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass der mit ihm vorzubereitende Anspruch auf Auszahlung eines Restes des Rückkaufswertes im Zeitpunkt seiner gerichtlichen Geltendmachung bereits verjährt gewesen sei.
89 
4.4.4.1 Zwar würde die Verjährung der Hauptforderung, deren Durchsetzung der Auskunftsanspruch dienen soll, letzterem die rechtliche Grundlage entziehen. Der aus § 242 BGB herzuleitende Auskunftsanspruch hat nämlich lediglich dienende und unterstützende Funktion, um die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu ermöglichen. Gibt es hingegen keinen durchsetzbaren Hauptanspruch, so besteht auch kein anerkennenswertes Bedürfnis, ihn vorzubereiten und zu unterstützen.
90 
4.4.4.2 Vorliegend kann jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Hauptanspruch tatsächlich verjährt ist. Zwar entsteht der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes bereits mit der Kündigung des Versicherungsvertrags; fällig wird die Leistung jedoch erst mit dem Zugang der Abrechnung seitens des Versicherers (BGH NJW 2011, 73 ff Rn. 18 f). Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt die dreijährige Jahresendverjährung gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB zu laufen. Auf die 5-jährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 S. 1, 2. Altern., S. 2 VVG a. F. kommt es nicht an. Gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG kann auf den vorliegenden Fall das VVG a. F. nicht angewandt werden, weil die vorliegend zu beurteilende Kündigung nach dem 1.1.2009 erfolgte. Die Beklagte erteilte die Abrechnung mit ihrem als Anlage K 3 = Bl. 34 d. A. vorgelegten Schreiben vom 30.12.2009. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Verjährung nur dann eingetreten wäre, wenn das Schreiben dem Kläger noch im Jahr 2009 zugegangen wäre. Ob dies der Fall war, lässt sich nicht feststellen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte behauptet solches schon nicht; erst recht bietet sie keinen Beweis hierfür an. Dies geht zu ihren Lasten, so dass die Verjährungseinrede im Ergebnis ins Leere geht.
91 
4.5 Keinen Erfolg haben hingegen die Auskunftsbegehren zu Ziffer IV b) und c). Hinsichtlich der Stornokosten hat die Beklagte in der Berufungserwiderung ausdrücklich vortragen lassen, solche seien nicht abgezogen worden (Berufungserwiderung S. 3, 3. Absatz). Die geforderte Auskunft ist insoweit erteilt.
92 
Auskunft über die ungezillmerten Abschlusskosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären, ist nicht zu erteilen, da eine solche Auskunft keinerlei Relevanz für den verfolgten, bislang unbezifferten Leistungsanspruch haben könnte. Wie sich aus der Begründung der Klageschrift, dort S. 20, letzter Absatz (Bl. 25 d. A.) ergibt, beruht dieser Antrag auf der Annahme, dass zur Ermittlung des ungezillmerten Deckungskapitals die Abschlusskosten auf die gesamte planmäßige Vertragslaufzeit umzulegen seien. Diese Annahme ist falsch; die Abschlusskosten bleiben vielmehr gänzlich außer Ansatz (BGH, Urteil vom 26.6.2013 - IV ZR 39/10 - Rn. 55). Die Höhe der Abschlusskosten ist somit für die Ermittlung des ungezillmerten Deckungskapitals unerheblich. Der Kläger benötigt zur Bezifferung der Leistungsstufe die mit dem Klageantrag IV. c) begehrte Auskunft nicht.
93 
4.6. Der in der Auskunftsstufe verfolgte Anspruch auf Vorlage von Belegen zum Nachweis der Richtigkeit der erteilten Auskünfte besteht nicht. Es fehlt schon an der Bestimmtheit, welche Belege die Beklagte vorlegen soll. Im Übrigen könnte ein Beleg nur durch Vorlage aller internen Rechnungswerke über die Sparanteile der vereinnahmten Prämien, die hiermit erwirtschafteten Erträge, deren Verteilung auf die einzelnen Versicherungsverträge usw. erfolgen. Zu einer solch weitreichenden Offenlegung von Betriebsinterna und - geheimnissen ist die Beklagte mangels Zumutbarkeit nicht verpflichtet. Demzufolge ist die Berufung des Klägers auch in diesem Punkt zurückzuweisen.
94 
5. Nicht entscheidungsreif ist die Sache hinsichtlich der weiteren möglichen Stufen der Stufenklage.
III.
95 
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
96 
Die Zulassung der Revision bezüglich der Zurückweisung der Berufung betreffend das Hauptbegehren des Klägers erfolgt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, die im Hinblick auf den Schlussantrag der Generalanwältin im Verfahren des EuGH zu C-209/12 nicht mehr verneint werden kann.

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(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich. (2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche V

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


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Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.

Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG 2016 | § 11 Versagung und Beschränkung der Erlaubnis


(1) Die Aufsichtsbehörde versagt die Erlaubnis, wenn1.nach dem Geschäftsplan und den nach § 9 Absatz 2 bis 4 vorgelegten Unterlagen die Verpflichtungen aus den Versicherungen nicht genügend als dauernd erfüllbar dargetan sind,2.Tatsachen vorliegen, d

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(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR76/11 Verkündet am:
7. Mai 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
VVG § 5a F.: 21. Juli 1994;
Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs
sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG Artikel 15 Abs. 1 Satz 1;
Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung
) Artikel 31 Abs. 1
1. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (C-209/12) richtlinienkonform einschränkend
auszulegen.
2. Danach enthält § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. eine planwidrige Regelungslücke, die
richtlinienkonform dergestalt zu schließen ist, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens
- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung
nicht anwendbar ist, aber auf die übrigen Versicherungsarten uneingeschränkt
Anwendung findet.
3. Im Falle der Unanwendbarkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. besteht das Widerspruchsrecht
des Versicherungsnehmers, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht
belehrt worden ist und/oder die Versicherungsbedingungen oder eine
Verbraucherinformation nicht erhalten hat, grundsätzlich fort.
4. Ist der Versicherungsvertrag infolge eines rechtzeitigen Widerspruchs nicht wirksam
zustande gekommen, ist bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der erlangte
Versicherungsschutz zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2014

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. März 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs richtet.
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.

2
Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
3
Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
4
Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
5
Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
6
Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
7
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
10
Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
11
B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
12
C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
13
I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.

14
1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
15
a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
16
Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
17
b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
18
aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
19
(1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
20
(2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
21
(3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
22
(a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
23
(aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
24
(bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
25
Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
26
Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
27
(b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
28
(aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
29
(bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
30
Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
31
(cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.

32
Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
33
Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
34
Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
35
bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
36
(1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
37
(2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
38
cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
39
(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
40
(2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
41
2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
42
a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
43
Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
44
b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.

45
II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
46
Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -

(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR76/11 Verkündet am:
7. Mai 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
VVG § 5a F.: 21. Juli 1994;
Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs
sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG Artikel 15 Abs. 1 Satz 1;
Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung)
sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung
) Artikel 31 Abs. 1
1. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (C-209/12) richtlinienkonform einschränkend
auszulegen.
2. Danach enthält § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. eine planwidrige Regelungslücke, die
richtlinienkonform dergestalt zu schließen ist, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens
- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung
nicht anwendbar ist, aber auf die übrigen Versicherungsarten uneingeschränkt
Anwendung findet.
3. Im Falle der Unanwendbarkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. besteht das Widerspruchsrecht
des Versicherungsnehmers, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht
belehrt worden ist und/oder die Versicherungsbedingungen oder eine
Verbraucherinformation nicht erhalten hat, grundsätzlich fort.
4. Ist der Versicherungsvertrag infolge eines rechtzeitigen Widerspruchs nicht wirksam
zustande gekommen, ist bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der erlangte
Versicherungsschutz zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2014

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. März 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs richtet.
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.

2
Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
3
Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
4
Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
5
Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
6
Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
7
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
10
Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
11
B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
12
C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
13
I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.

14
1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
15
a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
16
Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
17
b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
18
aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
19
(1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
20
(2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
21
(3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
22
(a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
23
(aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
24
(bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
25
Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
26
Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
27
(b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
28
(aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
29
(bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
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Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
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(cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.

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Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
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Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
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Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
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bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
36
(1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
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(2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
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cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
39
(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
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(2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
41
2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
42
a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
43
Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
44
b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.

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II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -
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Ob auch bei einer derartigen Teilzillmerung wegen Vereitelung des Vertragszwecks von einer materiellen Unwirksamkeit der Klausel ausgegangen werden kann, wie sie den Erwägungen des Senats in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012 zugrunde liegt (IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 15-33), kann offen bleiben. Jedenfalls liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor (zu den Anforderungen an das Transparenzgebot allgemein Senatsurteil aaO Rn. 45). Insbesondere muss der Versicherungsnehmer über die wirtschaftlichen Folgen einer Verrechnung der Prämien mit den Beiträgen in den Grundzügen bereits an der Stelle unterrichtet werden, an der die Regelung der Kündigung und Beitragsfreistellung oder Kostenverrechnung in den AVB angesprochen wird (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - IV ZR 121/00, BGHZ 147, 354, 364). Hier findet sich in § 7 AVB-F-KLV überhaupt kein Hinweis auf die Verrechnung mit den Vertragskosten. Auch ein Verweis auf § 20 AVB-F-KLV fehlt. In § 20 Abs. 2 AVB-F-KLV selbst wird ebenfalls nicht unmissverständlich geregelt, welcher Teil der Beiträge für die Fondsanlage zur Verfügung steht und welcher mit Kosten zu verrechnen ist. Der pauschale Hinweis auf einen im Versicherungsschein genannten Prozentsatz genügt hierfür nicht, zumal sich im Versicherungsschein selbst die maßgebliche Regelung ebenfalls nicht befindet. Lediglich in einer der in Bezug genommenen Vertragsgrundlagen, nämlich im Abschnitt "Tarifliche Grundlagen" ist unter der Rubrik "Anlage der Beiträge" ein Hinweis auf die Verrechnung der Kosten enthalten. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird nicht damit rechnen, dass sich die für ihn wirtschaftlich nachteilige Regelung der Verrechnung der Kosten mit den Prämien im Wege der Teilzillmerung nur versteckt in einer Anlage zum Versiche- rungsschein unter den Überschriften "Tarifliche Grundlagen" sowie "Anlage der Beiträge" befindet.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.

(1) Wird eine Versicherung, die Versicherungsschutz für ein Risiko bietet, bei dem der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss ist, durch Kündigung des Versicherungsnehmers oder durch Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers aufgehoben, hat der Versicherer den Rückkaufswert zu zahlen.

(2) Der Rückkaufswert ist nur insoweit zu zahlen, als dieser die Leistung bei einem Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht übersteigt. Der danach nicht gezahlte Teil des Rückkaufswertes ist für eine prämienfreie Versicherung zu verwenden. Im Fall des Rücktrittes oder der Anfechtung ist der volle Rückkaufswert zu zahlen.

(3) Der Rückkaufswert ist das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt; die aufsichtsrechtlichen Regelungen über Höchstzillmersätze bleiben unberührt. Der Rückkaufswert und das Ausmaß, in dem er garantiert ist, sind dem Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung mitzuteilen; das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2. Hat der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, kann er für die Berechnung des Rückkaufswertes an Stelle des Deckungskapitals den in diesem Staat vergleichbaren anderen Bezugswert zu Grunde legen.

(4) Bei fondsgebundenen Versicherungen und anderen Versicherungen, die Leistungen der in § 124 Absatz 2 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen, ist der Rückkaufswert nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung zu berechnen, soweit nicht der Versicherer eine bestimmte Leistung garantiert; im Übrigen gilt Absatz 3. Die Grundsätze der Berechnung sind im Vertrag anzugeben.

(5) Der Versicherer ist zu einem Abzug von dem nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag nur berechtigt, wenn er vereinbart, beziffert und angemessen ist. Die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten ist unwirksam.

(6) Der Versicherer kann den nach Absatz 3 berechneten Betrag angemessen herabsetzen, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer, insbesondere durch eine Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Verpflichtungen, auszuschließen. Die Herabsetzung ist jeweils auf ein Jahr befristet.

(7) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem nach den Absätzen 3 bis 6 berechneten Betrag die diesem bereits zugeteilten Überschussanteile, soweit sie nicht bereits in dem Betrag nach den Absätzen 3 bis 6 enthalten sind, sowie den nach den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen Schlussüberschussanteil zu zahlen; § 153 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Aufsichtsbehörde versagt die Erlaubnis, wenn

1.
nach dem Geschäftsplan und den nach § 9 Absatz 2 bis 4 vorgelegten Unterlagen die Verpflichtungen aus den Versicherungen nicht genügend als dauernd erfüllbar dargetan sind,
2.
Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Geschäftsleiter oder die Mitglieder des Aufsichtsrats die Voraussetzungen des § 24 nicht erfüllen, oder
3.
Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung an dem Versicherungsunternehmen oder, wenn der Inhaber eine juristische Person ist, auch ein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vertreter oder, wenn der Inhaber eine Personenhandelsgesellschaft ist, auch ein Gesellschafter des Inhabers, nicht zuverlässig ist oder aus anderen Gründen nicht den im Interesse einer soliden und umsichtigen Leitung des Unternehmens zu stellenden Ansprüchen genügt; dies gilt im Zweifel auch dann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er die von ihm aufgebrachten Mittel für den Erwerb der bedeutenden Beteiligung durch eine Handlung erbracht hat, die objektiv einen Straftatbestand erfüllt,
4.
bei Erstversicherungsunternehmen über einen der in den Nummern 1 bis 3 genannten Fälle hinaus auch, wenn
a)
nach dem Geschäftsplan und den nach § 9 Absatz 2 bis 4 vorgelegten Unterlagen die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt sind,
b)
im Fall der Erteilung der Erlaubnis das Versicherungsunternehmen Tochterunternehmen einer Versicherungs-Holdinggesellschaft oder einer gemischten Finanzholding-Gesellschaft wird und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person, die die Versicherungs-Holdinggesellschaft oder die gemischte Finanzholding-Gesellschaft tatsächlich leitet, nicht zuverlässig ist oder nicht die zur Führung der Geschäfte der Versicherungs-Holdinggesellschaft oder der gemischten Finanzholding-Gesellschaft erforderliche fachliche Eignung besitzt oder
c)
im Fall des Betriebs der Krankenversicherung Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass das Unternehmen Tarife einführen wird, die im Sinne des § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes einen gleichartigen Versicherungsschutz gewähren wie die Tarife eines anderen mit ihm konzernmäßig verbundenen Versicherungsunternehmens, sofern durch die Einführung solcher Tarife die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt werden.

(2) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine wirksame Aufsicht über das Versicherungsunternehmen beeinträchtigt wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn

1.
das Versicherungsunternehmen mit anderen Personen oder Unternehmen in einen Unternehmensverbund eingebunden ist oder in einer engen Verbindung zu einem solchen steht und dieser durch die Struktur des Beteiligungsgeflechts oder durch mangelhafte wirtschaftliche Transparenz eine wirksame Aufsicht über das Versicherungsunternehmen beeinträchtigt,
2.
eine wirksame Aufsicht über das Versicherungsunternehmen auf Grund der für Personen oder Unternehmen nach Nummer 1 geltenden Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Drittstaats beeinträchtigt wird oder
3.
eine wirksame Aufsicht über das Versicherungsunternehmen dadurch beeinträchtigt wird, dass Personen oder Unternehmen nach Nummer 1 im Staat ihres Sitzes oder ihrer Hauptverwaltung nicht wirksam beaufsichtigt werden oder die für die Aufsicht über diese Personen oder Unternehmen zuständige Behörde nicht zu einer befriedigenden Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde bereit ist.
Die Erlaubnis kann ferner versagt werden, wenn entgegen § 9 Absatz 4 der Antrag keine ausreichenden Angaben oder Unterlagen enthält.

(3) Aus anderen als den in den Absätzen 1 und 2 genannten Gründen darf die Erlaubnis nicht versagt werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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Ob auch bei einer derartigen Teilzillmerung wegen Vereitelung des Vertragszwecks von einer materiellen Unwirksamkeit der Klausel ausgegangen werden kann, wie sie den Erwägungen des Senats in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012 zugrunde liegt (IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 15-33), kann offen bleiben. Jedenfalls liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor (zu den Anforderungen an das Transparenzgebot allgemein Senatsurteil aaO Rn. 45). Insbesondere muss der Versicherungsnehmer über die wirtschaftlichen Folgen einer Verrechnung der Prämien mit den Beiträgen in den Grundzügen bereits an der Stelle unterrichtet werden, an der die Regelung der Kündigung und Beitragsfreistellung oder Kostenverrechnung in den AVB angesprochen wird (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - IV ZR 121/00, BGHZ 147, 354, 364). Hier findet sich in § 7 AVB-F-KLV überhaupt kein Hinweis auf die Verrechnung mit den Vertragskosten. Auch ein Verweis auf § 20 AVB-F-KLV fehlt. In § 20 Abs. 2 AVB-F-KLV selbst wird ebenfalls nicht unmissverständlich geregelt, welcher Teil der Beiträge für die Fondsanlage zur Verfügung steht und welcher mit Kosten zu verrechnen ist. Der pauschale Hinweis auf einen im Versicherungsschein genannten Prozentsatz genügt hierfür nicht, zumal sich im Versicherungsschein selbst die maßgebliche Regelung ebenfalls nicht befindet. Lediglich in einer der in Bezug genommenen Vertragsgrundlagen, nämlich im Abschnitt "Tarifliche Grundlagen" ist unter der Rubrik "Anlage der Beiträge" ein Hinweis auf die Verrechnung der Kosten enthalten. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird nicht damit rechnen, dass sich die für ihn wirtschaftlich nachteilige Regelung der Verrechnung der Kosten mit den Prämien im Wege der Teilzillmerung nur versteckt in einer Anlage zum Versiche- rungsschein unter den Überschriften "Tarifliche Grundlagen" sowie "Anlage der Beiträge" befindet.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

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Ob auch bei einer derartigen Teilzillmerung wegen Vereitelung des Vertragszwecks von einer materiellen Unwirksamkeit der Klausel ausgegangen werden kann, wie sie den Erwägungen des Senats in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012 zugrunde liegt (IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 15-33), kann offen bleiben. Jedenfalls liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor (zu den Anforderungen an das Transparenzgebot allgemein Senatsurteil aaO Rn. 45). Insbesondere muss der Versicherungsnehmer über die wirtschaftlichen Folgen einer Verrechnung der Prämien mit den Beiträgen in den Grundzügen bereits an der Stelle unterrichtet werden, an der die Regelung der Kündigung und Beitragsfreistellung oder Kostenverrechnung in den AVB angesprochen wird (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - IV ZR 121/00, BGHZ 147, 354, 364). Hier findet sich in § 7 AVB-F-KLV überhaupt kein Hinweis auf die Verrechnung mit den Vertragskosten. Auch ein Verweis auf § 20 AVB-F-KLV fehlt. In § 20 Abs. 2 AVB-F-KLV selbst wird ebenfalls nicht unmissverständlich geregelt, welcher Teil der Beiträge für die Fondsanlage zur Verfügung steht und welcher mit Kosten zu verrechnen ist. Der pauschale Hinweis auf einen im Versicherungsschein genannten Prozentsatz genügt hierfür nicht, zumal sich im Versicherungsschein selbst die maßgebliche Regelung ebenfalls nicht befindet. Lediglich in einer der in Bezug genommenen Vertragsgrundlagen, nämlich im Abschnitt "Tarifliche Grundlagen" ist unter der Rubrik "Anlage der Beiträge" ein Hinweis auf die Verrechnung der Kosten enthalten. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird nicht damit rechnen, dass sich die für ihn wirtschaftlich nachteilige Regelung der Verrechnung der Kosten mit den Prämien im Wege der Teilzillmerung nur versteckt in einer Anlage zum Versiche- rungsschein unter den Überschriften "Tarifliche Grundlagen" sowie "Anlage der Beiträge" befindet.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.