Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2013 - IV ZR 411/12

bei uns veröffentlicht am03.04.2013
vorgehend
Amtsgericht Karlsruhe, 2 C 404/05, 26.05.2006
Landgericht Karlsruhe, 6 S 47/06, 20.07.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 411/12 Verkündet am:
3. April 2013
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen
Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in dem Schriftsätze bis zum
20. Februar 2013 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Streitwert: 2.961,84 € Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003, im Folgenden: VBLS) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (VersorgungsTV ) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
2
Die neue Satzung der Beklagten enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen.
3
Die Klägerin meint, die Übergangsregelung greife unzulässig in den rechtlich geschützten Besitzstand ihres verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Erblasser) ein. Dieser war am 13. Februar 1941 geboren und nahm erst 1994 im Alter von 53 Jahren eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst auf, für die ihm eine Zusatzversorgung der Beklagten zusteht. Bis zum 31. Dezember 2001 wurden 93 Monate zurückgelegt, für die die Beklagte Umlagen vom Arbeitgeber erhielt. Die Vordienstzeiten des Erblassers in der gesetzlichen Rentenversicherung belaufen sich auf 470 Monate. Danach kam die Beklagte bei der Errechnung ihrer Startgutschrift für den Erblasser als rentennahem Jahrgang (§ 79 Abs. 2, 4 ff. VBLS) zu dem Ergebnis, dass ihm mit Rücksicht auf die Höhe der zu erwartenden gesetzlichen Rente bei der Beklagten nur eine Anwartschaft auf eine Mindestversorgungsrente nach § 40 Abs. 4 VBLS a.F. in Höhe von 58,28 € zustehe. Aufgrund der nach dem 31. Dezember 2001 noch erworbenen weiteren Versorgungspunkte zahlte die Beklagte dem Erblasser seit dem 1. Januar 2005 eine Betriebsrente in Höhe von 82,28 € brutto. Daneben erhielt der Erblasser eine gesetzliche Rente in Höhe von brutto 1.122,89 €.
4
Mit ihren Anträgen wendet sich die Klägerin gegen die Errechnung der Startgutschrift auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Satzung der Beklagten, soweit danach fiktive Abzüge für Kranken - und Pflegeversicherung berücksichtigt, ein Nettoversorgungssatz von 1,957% (statt 2,294%) zugrunde gelegt und Vordienstzeiten nur zur Hälfte auf die gesamtversorgungsfähige Zeit angerechnet worden sind. Darüber hinaus greift sie die Umstellung vom bisherigen Gesamtversorgungssystem der Beklagten auf das neue Betriebsrentensystem an und macht insbesondere geltend, die Berechnung einer fiktiven Gesamtversorgung zum 63. (statt zum 65.) Lebensjahr gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS habe den Erblasser unangemessen benachteiligt; auch müsse die Dynamisierung nach § 56 VBLS a.F. erhalten bleiben.
5
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die in zweiter Instanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

7
I. 1. Durch die 19. Satzungsänderung vom 10. November 1983 wurde die Gesamtversorgung zum Abbau der zuvor eingetretenen, sozialpolitisch unerwünschten Überversorgung auf einen Prozentsatz eines aus dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt errechneten fiktiven Nettoarbeitsentgelts begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 16. März 1988 - IVa ZR 154/87, BGHZ 103, 370, 373 ff., 382 ff.; vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 217/02, VersR 2004, 319 unter II 2 b bb). Dieser Prozentsatz beträgt nach § 41 Abs. 2 a, b VBLS a.F. 91,75% des fiktiven Nettoarbeitsentgelts. Zu dessen Berechnung sind vom gesamtversorgungsfähigen Entgelt nach § 41 Abs. 2c VBLS a.F. neben Steuern unter anderem auch fiktive Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abzuziehen.
8
2. Nach diesen Vorgaben hat die Beklagte die Startgutschrift des Erblassers berechnet. Das hat das Landgericht im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung des Senats gebilligt. Die Revision macht demgegenüber geltend, der Erblasser habe einen Anspruch auf Rückanpassung in Richtung auf den vor der 19. Satzungsänderung bestehenden Rechtszustand. Der Anlass für die seinerzeit eingeführten Beschränkungen sei entfallen. Die grundlegenden Daten hätten sich völlig geändert. Inzwischen überschreite die Belastung der Rentner mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen die Belastung der aktiven Arbeitnehmer. Maßgeblich sei nicht die Situation im Jahre 2001, wie sie der Senat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2003 (aaO) vor Augen gehabt habe, sondern der Zeitpunkt des wesentlich späteren Renteneintritts. Dass der bisherige Rechtszustand gleichwohl beibehalten werde, sei rechtsmissbräuchlich und gleichheitswidrig. Darüber hinaus müsse der Rentner nicht nur wie der aktive Arbeitnehmer ständig steigende Sozialversiche- rungsbeiträge tragen; durch den Abzug dieser Beiträge bei Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts werde er vielmehr doppelt belastet.
9
3. Die Rügen der Revision sind unbegründet.
10
a) Zwar ist die Netto-Gesamtversorgung eingeführt worden, um eine seinerzeit eingetretene Überversorgung der Rentner abzuschmelzen. Darauf war der Zweck dieser Regelung indessen nicht beschränkt. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz des Beamtenrechts, wonach Versorgungsleistungen des Dienstherrn in einem angemessenen Abstand hinter dem aktiven Arbeitseinkommen zurückbleiben sollen, wurde die Gesamtversorgung vielmehr generell auf ein bestimmtes Maß zurückgenommen. Nach der seither geltenden Regelung schlagen Änderungen der Steuer- und Soziallastquoten der Arbeitnehmer ohne weiteres auf die Rentenbemessung durch. Auf diese Weise wurde der von den Tarifvertragsparteien als richtig angesehene Abstand der Gesamtversorgung zum letzten Nettogehalt des Versicherten und zum durchschnittlichen Arbeitseinkommen der aktiven Beschäftigten festgelegt (Senatsurteil vom 16. März 1988 - IVa ZR 154/87, BGHZ 103, 370, 373 f., 383 ff.; vom 10. Dezember 2003 aaO; BAG ZTR 2008, 34, 38; 377, 378).
11
b) Mithin ist der Abzug von fiktiven Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zur Ermittlung des fiktiven Nettoeinkommens nicht etwa deshalb unverhältnismäßig, weil die spätere Versorgungsrente mit dem vollen Beitragssatz für Kranken- und Pflegeversicherung belastet wird. Darin liegt, wie der Senat bereits im Urteil vom 10. Dezember 2003 (aaO) für Pflegeversicherungsbeiträge ausgesprochen hat, keineswegs eine doppelte Belastung des Versicherten. Denn der Abzug von Krankenund Pflegeversicherungsbeiträgen im Rahmen der Ermittlung des fiktiven Nettoeinkommens stellt nur einen Rechenposten dar, der dazu beiträgt, den angemessenen Abstand des Renteneinkommens zum Nettoarbeitseinkommen zu wahren. Erst die so errechnete Rente kann dann erstmals real mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belastet werden.
12
c) Der Zweck des § 41 Abs. 2c VBLS a.F., den angemessenen Abstand des Renteneinkommens vom Einkommen der aktiven Arbeitnehmer festzulegen, wird grundsätzlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich - wie die Revision ohne Substantiierung geltend macht - Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Laufe der Jahre erhöhen. Ob die Zusatzversorgung auf dem bisherigen Niveau belassen werden kann oder nicht, unterliegt der gemäß Art. 9 Abs. 3 GG autonomen Entscheidung der Tarifvertragsparteien und der diesen für die maßgebenden tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zukommenden Einschätzungsprärogative (Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 34 ff.). Die Beklagte weist mit Recht darauf hin, dass aus dem Gleichheitssatz kein Anspruch auf eine Rückkehr zum früheren Bruttoversorgungssystem abgeleitet werden kann.
13
d) Im Übrigen hat die Beklagte das Gesamtversorgungssystem abgeschafft. Auf die frühere Rechtslage kommt es nur für die Startgutschriften an, mit der die am 31. Dezember 2001 erworbenen Anwartschaften ermittelt werden (§ 79 Abs. 2 und 4 VBLS). Nur für Versicherte, die zu diesem Stichtag bereits eine Rente von der Beklagten bezogen (Bestandsrentner ), gilt das alte Satzungsrecht nach Maßgabe des § 75 Abs. 2 VBLS über den Stichtag hinaus noch weiter. Selbst für eine solche Besitzstandsrente hat der Senat die Bestimmungen des § 41 Abs. 2c Satz 1 c-e, Sätze 2 und 3 VBLS a.F. für wirksam und die sich daraus für den Versicherten ergebenden Nachteile nicht für unangemessen ge- halten (Senatsurteil vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 217/02, VersR 2004, 319 unter II 2 b bb). Veränderungen der Verhältnisse bezüglich der Sozialabgaben in der Zeit nach dem Stichtag des 31. Dezember 2001 sind dagegen - anders als die Revision meint - für die hier streitige Startgutschrift unerheblich. Der Anpassung der späteren Rente an veränderte Verhältnisse dient deren Dynamisierung nach § 39 VBLS.
14
II. Bei ihrer Berechnung der Startgutschrift des Erblassers ist die Beklagte ferner gemäß § 41 Abs. 2 Satz 5, Abs. 2b Satz 5 VBLS a.F. von einem Nettoversorgungssatz von nur 1,957% ausgegangen, weil der Kläger bei Eintritt des Versicherungsfalles das 50. Lebensjahr vollendet hatte und die nach § 42 Abs. 1 VBLS a.F. gesamtversorgungsfähige Zeit, d.h. die Zeit der Umlagemonate, kürzer war als die Zeit von der Vollendung des 50. Lebensjahres bis zum Eintritt des Versicherungsfalles. Das Landgericht hat diese Ungleichbehandlung älterer Arbeitnehmer mit verhältnismäßig kurzer Tätigkeit im öffentlichen Dienst für sachlich gerechtfertigt erachtet, weil sonst auf den Dienstherrn eine im Verhältnis zur Dienstzeit unangemessen hohe Versorgungslast entfiele. Deshalb komme auch eine Verletzung europäischen Rechts oder des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht in Betracht.
15
Das entspricht der Rechtsprechung des Senats, der mit Urteil vom 4. November 2009 entschieden hat, dass § 41 Abs. 2b Satz 5 VBLS a.F. einen über 50 Jahre alten Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt und mit höherrangigem Recht vereinbar ist (IV ZR 57/07, VersR 2010, 102 Rn. 13, 15 f.).

16
III. Weiter hat die Beklagte zur Errechnung der Startgutschrift die Vordienstzeiten des Erblassers gemäß § 42 Abs. 2 VBLS a.F. nur zur Hälfte auf die gesamtversorgungsfähige Zeit angerechnet. Das Landgericht hat dies gebilligt, weil die vom Bundesverfassungsgericht (VersR 2000, 835) beanstandete Regelung für die Zukunft abgeschafft ist und den Versicherten lediglich im Rahmen der zeitlich begrenzten Übergangsregelung zum neuen Betriebsrentensystem die Vorteile belassen werden, die ihnen nach dem alten Gesamtversorgungssystem zustanden. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats, für die auf Senatsurteil vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07, BGHZ 178, 101 Rn. 54 ff. verwiesen wird.
17
IV. Die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte sind auch im Übrigen wirksam. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 25 ff.) entschieden, dass die Satzung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten und im Wege einer umfassenden Systemumstellung geändert werden konnte. Dies hat der Senat mit Urteil vom 24. September 2008 bestätigt und die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den rentennahen Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften sowie deren Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem gebilligt (BGH, Urteil vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 23 ff.). Auf die Ausführungen in diesen Urteilen wird verwiesen. Insbesondere kommt ein Eingriff in eine von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Rechtsposition nicht in Betracht. Für den Systemwechsel bestand ausreichender Anlass; die Einschätzung der voraussichtlichen Entwicklung war Sache der Tarifvertragsparteien; deren Beurteilung ist von ihrer Ein- schätzungsprärogative gedeckt. Deshalb kommt es nicht auf den Vortrag der Revision darüber an, wie hoch die stillen Reserven der Beklagten tatsächlich sind, ob sie hätten eingesetzt werden können und müssen sowie ob die Tarifvertragsparteien bei der Prognose der weiteren finanziellen Entwicklung von unrichtigen oder unvollständigen Zahlen ausgegangen sind. Unerheblich ist erst recht, dass ein Angehöriger der Gewerkschaft , auf den sich die Klägerin als Zeugen beziehen will, der Neuregelung zugrunde liegende Tatsachen in wesentlichen Bereichen für unzutreffend hält und meint, dadurch seien die Entscheidungsorgane der Tarifparteien und der Beklagten bewusst in die Irre geführt worden.
18
Insbesondere hat der Senat bereits im Urteil vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07, BGHZ 178, 101 Rn. 39 ff. die von der Revision erhobenen Bedenken dagegen zurückgewiesen, dass bei der Ermittlung der Startgutschrift nach § 79 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2, 4 ff. VBLS als Ausgangswert die fiktive Versorgungsrente zugrunde zu legen ist, die sich zum Zeitpunkt der Vollendung des 63. (und nicht des 65.) Lebensjahres ergeben würde. Die Umstellung der Rentendynamik von der nach altem Satzungsrecht vorgesehenen Anpassung an die Entwicklung der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge (§ 56 VBLS a.F.) auf eine jährliche Anpassung um 1% nach § 39 VBLS ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden , wie der Senat durch Urteil vom 17. September 2008 (IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 11 ff.) entschieden hat.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.05.2006- 2 C 404/05 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 20.07.2007- 6 S 47/06 -

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(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

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in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
VBLS § 41 Abs. 2 c; AGBG § 9 Bk, Cl
Die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts unter Berücksichtigung fiktiver
Abzüge für Pflegeversicherung, Solidaritätszuschlag, Umlage und Steueranteil aus
Zukunftssicherung führt zu keiner unangemessenen Benachteiligung der Versicherten
im Sinne der §§ 9 AGBG, 307 BGB.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 217/02 - LG Karlsruhe
AG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und die Richterin
Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember
2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 7. Juni 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger bezieht seit dem 1. Juni 1990 eine Versorgungsrente von der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.
Im März 2001 paßte die Beklagte die Versorgungsrente des Klägers mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 an. Dabei nahm sie zur Errechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts u.a. fiktive Abzüge des Solidaritätszuschlags , des Arbeitnehmeranteils am Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung , des Beitrags des Pflichtversicherten an der Umlage und des Steueranteils aus Zukunftssicherung gemäß § 41 Abs. 2c ihrer am 1. Januar 1967 in Kraft getretenen Satzung vom 27. Juli 1966 (im folgenden : VBLS) vor. Die Vorschrift ist mit der 19. Satzungsänderung vom 10. November 1983 (BAnz. Nr. 53 vom 15. März 1984) mit Wirkung ab

dem 1. Januar 1985 eingefügt worden und lautet in ihrer letzten Fassung der 37. Satzungsänderung vom 21. Juli 2000 (BAnz. Nr. 212 vom 11. November 2000) auszugsweise wie folgt:
"Das fiktive Nettoarbeitsentgelt ist dadurch zu errechnen, daß von dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt
a) bei einem am Tag des Beginns der Versorgungsrente (§ 62) nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsrentenberechtigten... der Betrag, der an diesem Tag als Lohnsteuer nach Steuerklasse III/0 zu zahlen wäre,
b) bei allen übrigen Versorgungsrentenberechtigten der Betrag, der am Tag des Beginns der Versorgungsrente als Lohnsteuer nach Steuerklasse I/0 zu zahlen wäre, sowie
c) die Beträge, die als Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung , zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch nach Maßgabe der am Tag des Beginns der Versorgungsrente geltende Beitragssätze und Beitragsbemessungsgrenzen zu zahlen wären,
d) der Betrag, der sich auf der Grundlage des gesamtversorgungsfähigen Entgelts nach § 8 Abs. 1 Satz 2 VersorgungsTV als Beitrag des Pflichtversicherten an der Umlage bei unterstellter Pflichtversicherung im Tarifgebiet West ergeben würde, und
e) 20 v.H. des um 89,48 Euro verminderten Betrages, der sich auf der Grundlage des gesamtversorgungsfähigen Entgeltes als vom Arbeitgeber getragene Umlage nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Versorgungs-TV ergeben würde, abgezogen werden.

Lohnsteuer im Sinne dieser Satzung ist die Lohnsteuer für Monatsbezüge (zuzüglich des Solidaritätszuschlags) ... Arbeitnehmeranteile im Sinne des Satzes 1 Buchst. c sind die Beträge , die als Arbeitnehmeranteile zu zahlen wären, wenn der Versorgungsrentenberechtigte in der Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch versicherungspflichtig und mit dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt beitragspflichtig wäre. ..." Der Kläger hat unter anderem beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm eine Versorgungsrente zu gewähren, bei der bei Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts keine fiktiven Abzüge für Pflegeversicherung, Solidaritätszuschlag, Umlage und Steueranteil aus Zukunftssicherung vorgenommen werden. Insoweit verfolgt der in den Vorinstanzen erfolglose Kläger sein Klagebegehren mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts darf die Beklagte bei der Errechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts die durch die 27. Satzungsänderung vom 29. März 1995 (BAnz. Nr. 109 vom 13. Juni 1995 und Nr. 119 vom 29. Juni 1995) mit Wirkung ab dem 1. April 1995 eingeführten fiktiven Abzüge des Solidaritätszuschlags und des Arbeitnehmeranteils am Beitrag zur Pflegeversicherung sowie die durch die 37. Satzungsänderung mit Wirkung vom 1. Juli 2000 eingeführten Fiktivabzüge des Pflichtversichertenbeitrags an der Umlage und des Steuer-

anteils aus Zukunftssicherung vornehmen. Diese Satzungsänderungen seien gemäß § 14 VBLS zulässig und verstießen nicht gegen § 9 AGBG oder § 242 BGB. § 41 Abs. 2c VBLS diene dem anerkennenswerten Zweck, die Versorgungsbezüge in ein angemessenes Verhältnis zum letzten Arbeitseinkommen des Rentenberechtigten und zu dem der aktiv Beschäftigten zu setzen. Dabei werde das fiktive Nettoarbeitsentgelt an den durchschnittlichen Nettolohn der Arbeitnehmer angeglichen durch Berücksichtigung der Abzüge, die jeder Lohnempfänger hinzunehmen habe.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die vom Kläger beanstandete Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts gilt für seine Versorgungsrente auch nach Inkrafttreten der neuen Satzung der Beklagten, die von ihrem Verwaltungsrat am 19. September 2002 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 beschlossen worden ist (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) und das Gesamtversorgungssystem durch ein Betriebsrentensystem abgelöst hat. Nach der Übergangsregelung des § 75 Abs. 1 VBLS n.F. werden die Versorgungsrenten für Versicherte , die - wie der Kläger - am 31. Dezember 2001 bereits versorgungsrentenberechtigt waren, zu diesem Zeitpunkt nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzungsrecht festgestellt. Die so festgestellte Versorgungsrente des Klägers wird gemäß § 75 Abs. 2 S. 1 VBLS n.F. als Besitzstandsrente weitergezahlt und weiterhin nach § 41 Abs. 2c VBLS berechnet.

2. Die Bestimmungen des § 41 Abs. 2c Satz 1 lit. c-e, Satz 2 und 3 VBLS sind für das Versicherungsverhältnis des Klägers wirksam.

a) Die VBLS enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen, die als Allgemeine Versicherungsbedingungen anzusehen sind, weil sie Versicherungen regeln. Sie finden Anwendung auf die Gruppenversicherungsverträge , die die Beklagte als Versicherer mit den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten , der Arbeitnehmer, abschließt (st. Rspr., BGHZ 142, 103, 105 ff.; BVerfG, NJW 2000, 3341 f. unter II 2 a, c).
Die grundsätzliche Befugnis des Verwaltungsrats der Beklagten zu Änderungen ihrer Satzung ergibt sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 VBLS. Nach § 14 Abs. 3 lit. b VBLS haben Satzungsänderungen u.a. des § 41 VBLS auch Wirksamkeit für bestehende Versicherungen. Dieser Änderungsvorbehalt ist wirksam. Die Zustimmung des Versicherten zu einer vorbehaltenen Satzungsänderung ist nicht erforderlich; ebensowenig kommt es darauf an, ob solche Änderungen für ihn erkennbar und vorhersehbar sind (BGHZ 103, 370, 381 f.).

b) Allerdings müssen sich auch wirksam vorbehaltene Satzungsänderungen in dem durch das AGBG bzw. die §§ 305 ff. BGB vorgegebenen Rahmen halten. Dem ist der Satzungsgeber bei der Einführung der fiktiven Abzüge des Solidaritätszuschlags, des Arbeitnehmeranteils am Beitrag zur Pflegeversicherung, des Pflichtversichertenbeitrags an der Umlage und des Steueranteils aus Zukunftssicherung bei der Berechnung des fiktiven Nettoentgelts gerecht geworden.

aa) Diese Änderungen des § 41 Abs. 2c VBLS gehören nicht zu dem nach §§ 8 AGBG, 307 Abs. 3 S. 1 BGB kontrollfreien Bereich der Leistungsbeschreibungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann, sondern zu den kontrollfähigen Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren (BGHZ 123, 83, 84; 142, 103, 109 f.). Es handelt sich auch - anders als die mit der Einführung der Netto-Gesamtversorgung angestrebte Abschmelzung der Überversorgung als solche - nicht um maßgebende Grundentscheidungen der beteiligten Sozialpartner, deren Konsens es vorbehalten bleibt, in welchem Maß die Versorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes und deren Hinterbliebenen an die Versorgung der Beamten angeglichen werden soll (vgl. BGHZ 103, 370, 384 f.).
Auf den Schutz der demnach anwendbaren §§ 9 AGBG, 307 Abs. 1 und 2 BGB darf sich der Kläger berufen, weil er Begünstigter des zwischen seinem früheren Arbeitgeber und der Beklagten abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages und aus der Satzung unmittelbar berechtigt ist (vgl. BGHZ 142, 103, 107 f.).
bb) Die Bestimmungen des § 41 Abs. 2c Satz 1 lit. c-e, Satz 2 und 3 VBLS halten der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB stand.
Sie benachteiligen die Versicherten, auf deren Interessen vorrangig abzustellen ist (BGHZ 103, 370, 383), nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Die mit der 19. Satzungsänderung eingeführte Begrenzung der nach wie vor bruttobezogenen Gesamtversorgung auf einen nettobezogenen Betrag diente dem - vom Versicherten hinzunehmenden - Abbau sozialpolitisch unerwünschter Überversorgungen (BGHZ 103, 370, 371 ff., 383 ff.). Während bei Einführung des Gesamtversorgungssystems im Jahre 1967 die erreichbare Gesamtversorgung in aller Regel deutlich hinter dem Nettoarbeitseinkommen zurückblieb, verschob sich dieses Verhältnis in der Folgezeit zugunsten der Alterseinkommen. Die steigende Belastung der Bruttoarbeitseinkommen mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen führte dazu, daß das Renteneinkommen Anfang der achtziger Jahre im Falle der Höchstversorgung generell die vorher verfügbaren Bezüge teilweise erheblich überschritt (BGHZ 103, 370, 372 f.). Diese Entwicklung widersprach dem - an die Beamtenversorgung angelehnten und von der Revision anerkannten - Grundsatz, daß die im Ruhestand erreichbare Gesamtversorgung angemessen hinter dem letzten verfügbaren Arbeitseinkommen zurückbleiben soll (BGHZ 103, 370, 373 f.). Daher wurde in den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes 1983 die Beschränkung der Gesamtversorgung im Verhältnis zum Nettoarbeitseinkommen beschlossen. Durch den 15. Änderungstarifvertrag vom 21. Februar 1984 wurde in § 4 Abs. 1 lit. b Unterabs. 1 S. 2 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungs-TV) die Gesamtversorgung nach Maßgabe der gesamtversorgungsfähigen Zeit auf 45 v.H. bis 89,95 v.H. eines aus dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt errechneten fiktiven Nettoarbeitsentgelts begrenzt. Dieser Bestimmung entspricht § 41 Abs. 2a, b VBLS, der seit der 24. Satzungsänderung vom 24. April 1991 (BAnz. Nr. 141 vom

1. August 1991) einen Höchstsatz von 91,75 v.H. vorsieht. Zur Berech- nung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts hat der Satzungsgeber in § 41 Abs. 2c VBLS auf Abzüge abgestellt, die sich nach den Steuer- und Sozialabgabesätzen für die maßgebenden Bruttoarbeitseinkommen richten. Das hat den Vorteil, daß künftige (generelle) Änderungen in den Steuerund Soziallastquoten der Arbeitnehmer ohne weiteres auf die Rentenbemessung durchschlagen und erneute Fehlentwicklungen vermieden werden (BGHZ 103, 370, 386). Im Rahmen dieser generellen Berechnungsweise hat die Beklagte das fiktive Nettoarbeitsentgelt an den durchschnittlichen Nettolohn durch Berücksichtigung der von jedem Arbeitnehmer hinzunehmenden Abzüge angeglichen.
Zu diesen Abzügen gehört der Solidaritätszuschlag, der nach § 1 Abs. 1 Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 eine Ergänzungsabgabe zur Lohnsteuer ist und dieser in § 41 Abs. 2c Satz 2 VBLS zugerechnet wird. Der Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags bei der Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts steht - ebenso wie dem Ansatz der fiktiven Lohnsteuer - nicht entgegen, daß die Versorgungsrentenberechtigten nach § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a EStG aus dem Ertragsanteil ihrer Versorgungsrente selbst Einkommensteuer zahlen und dabei auch den Solidaritätszuschlag entrichten müssen. Dadurch wird das Nettorenteneinkommen nicht unverhältnismäßig gekürzt; insbesondere kommt es nicht zu einer Doppelbesteuerung. Der fiktive Solidaritätszuschlag bestimmt wie auch die anderen Abzugsposten des § 41 Abs. 2c VBLS die reine Rechengröße des fiktiven Nettoarbeitsentgelts (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes August 2002 Teil B S. B 151a Anm. 12 zu § 41 VBLS; Langenbrinck in Berger/ Kiefer/Kiefer/Langenbrinck, Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer

des öffentlichen Dienstes Band I Juni 2002 S. B 88.65 Rdn. 1b zu § 41 VBLS). Diese führt zusammen mit der weiteren Rechengröße des in § 41 Abs. 2b VBLS festgelegten Vomhundertsatzes zu dem von den Tarifparteien als richtig angesehenen Abstand der Gesamtversorgung zum letzten Nettoentgelt des Versicherten und zum durchschnittlichen Arbeitseinkommen der aktiven Beschäftigten (Langenbrinck, aaO). Mit diesem Berechnungsmodell verspricht die Beklagte keine Nettoversorgungsrente in bestimmter Höhe, sondern eine Bruttoversorgungsrente, die an die Nettolohnentwicklung angeglichen wird.
Mit Blick darauf werden die Versorgungsrentner auch nicht dadurch unangemessen belastet, daß zum einen der Arbeitnehmeranteil am Beitrag zur Pflegeversicherung vom gesamtversorgungsfähigen Entgelt abgezogen wird und zum anderen die Versorgungsrente mit dem vollen Beitragssatz für die Pflegeversicherung belastet wird. Das bedeutet aus den genannten Gründen nicht, daß der fiktive Abzug des halben Beitragssatzes bei der Ermittlung der Nettogesamtversorgung unverhältnismäßig ist. Der Versorgungsrentner wird nicht doppelt mit Pflegeversicherungsbeiträgen belastet. Auch der fiktive Arbeitnehmeranteil am Pflegeversicherungsbeitrag ist nur ein Posten im Rahmen der Rechengröße des fiktiven Nettoarbeitsentgelts und trägt dazu bei, den angemessenen Abstand des Renteneinkommens zum Nettoarbeitseinkommen zu wahren.
Diesem Ziel dient schließlich auch die Berücksichtigung des Beitragsanteils des Pflichtversicherten an der Umlage bei der Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts. Da dieser - die Versorgungsrenten ohnehin nicht belastende - Abzugsposten das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer

mitbestimmt, ist es konsequent, ihn auch in die Ermittlung des gesamt- versorgungsfähigen Entgelts einzubeziehen. Das gilt auch für den fiktiven Abzug des Steueranteils aus Zukunftssicherung, der auf die vom Arbeitgeber für die Arbeitnehmer an die Beklagte gezahlten Umlagen entfällt.
Die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts hält sich mithin nach wie vor im Rahmen des schon mit der 19. Satzungsänderung verfolgten - und vom Senat ausdrücklich gebilligten (BGHZ 103, 370, 383 ff.) - Ziels, die Gesamtversorgung auf einen bestimmten Prozentsatz des Nettoarbeitsentgelts eines erwerbstätigen Arbeitnehmers zu begrenzen. Daß die damit einhergehende - an neue und zusätzliche Belastungen der aktiven Arbeitnehmer geknüpfte - Schmälerung der Versorgungsrente zu Benachteiligungen der Versorgungsrentner führt, die im

Sinne der §§ 9 AGBG, 307 BGB unangemessen sind, ist nicht zu erkennen. Gleiches gilt für die von der Revision gerügten Verfassungsverstöße.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

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2. § 41 Abs. 2b Satz 5 VBLS a.F. benachteiligt den über 50 Jahre alten Versicherungsnehmer nicht unangemessen und ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
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c) Darüber hinaus ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden , dass für die Startgutschriften der rentennahen Versicherten nach §§ 33 Abs. 2 Satz 1 ATV, 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS so genannte Vordienstzeiten weiterhin zur Hälfte (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS a.F.) auf die gesamtversorgungsfähige Zeit angerechnet werden (vgl. dazu BVerfG ZTR 2008, 374, 376).
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I. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, die Satzung der Beklagten habe auch ohne Zustimmung der Versicherten geändert und vom bisherigen Gesamtversorgungssystem auf das neue Punktemodell (Betriebsrentensystem) umgestellt werden können (zur Zulässigkeit der Systemumstellung vgl. auch BAG, Urteil vom 27. März 2007 - 3 AZR 299/06 - veröffentlicht in juris, Tz. 44 ff.). Denn zum einen schließt die Beklagte seit 1967 (vgl. zum Inkrafttreten ihrer Satzung vom 2. Dezember 1966 mit Wirkung zum 1. Januar 1967: Beilage zum BAnz. Nr. 239 vom 22. Dezember 1966) Gruppenversicherungsverträge ab, bei denen nicht die einzelnen Arbeitnehmer - diese werden lediglich als Versicherte und Bezugsberechtigte in die Gruppenversicherung einbezogen -, sondern die an der Beklagten beteiligten Arbeitgeber Versicherungsnehmer sind (BGHZ 103, 370, 379 f., 382; 142, 103, 106 und ständig ). Zum andern enthielt die Satzung der Beklagten seither in § 14 einen Änderungsvorbehalt, der auch für bestehende Versicherungen galt und ein Zustimmungserfordernis der Versicherten bei Satzungsänderungen nicht voraussetzt. Gegen die Wirksamkeit dieses Änderungsvorbehalts bestehen keine Bedenken. Satzungsänderungen sind daher ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers als Versichertem möglich (BGHZ 103, 370, 382; Senatsurteil vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 217/02 - VersR 2004, 319 unter II 2 a; vgl. auch BGHZ 155, 132, 136 zur Satzung der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost - VAP; Senatsurteil vom 10. Mai 1995 - IV ZR 337/94 - NVwZ-RR 1996, 94 unter 3, ebenfalls zur VAP-Satzung).
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c) Darüber hinaus ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden , dass für die Startgutschriften der rentennahen Versicherten nach §§ 33 Abs. 2 Satz 1 ATV, 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS so genannte Vordienstzeiten weiterhin zur Hälfte (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS a.F.) auf die gesamtversorgungsfähige Zeit angerechnet werden (vgl. dazu BVerfG ZTR 2008, 374, 376).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

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c) Darüber hinaus ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden , dass für die Startgutschriften der rentennahen Versicherten nach §§ 33 Abs. 2 Satz 1 ATV, 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS so genannte Vordienstzeiten weiterhin zur Hälfte (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS a.F.) auf die gesamtversorgungsfähige Zeit angerechnet werden (vgl. dazu BVerfG ZTR 2008, 374, 376).
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2. Es befindet sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hat sich in seiner Entscheidung vom 27. März 2007 (ZTR 2008, 34 Tz. 64 ff.; bestätigt durch Urteil vom 29. Januar 2008 ZTR 2008, 377) mit den Bestimmungen der §§ 37, 69 des Statuts der Emder Zusatzversorgungskasse für Sparkassen (EZVKS) befasst. Diese Regelungen sind inhaltsgleich mit den hier entscheidungserheblichen §§ 39, 75 Abs. 2 Satz 1 VBLS n.F.