Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2021 - II ZR 84/20

published on 28/11/2023 15:00
Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2021 - II ZR 84/20
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

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Der Bundesgerichtshof hat am 13. Juli 2021 entschieden, dass sogenanntes Sammelklage-Inkasso, bei dem Forderungen gesammelt und gerichtlich geltend gemacht werden, zulässig ist. In diesem Fall hatte eine GmbH als Rechtsdienstleisterin Ansprüche von Kunden gegen die insolvente Air Berlin eingeklagt. Die Klägerin, die registriert war, Schuldeneinzugsdienste anzubieten, warb auf ihrer Webseite für die Sammelklage. Das Gericht entschied, dass diese Tätigkeit von der Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen gedeckt ist. Der Bundesgerichtshof hob ein vorheriges Urteil auf und verwies die Sache zurück, um weitere Feststellungen zu den geltend gemachten Ansprüchen vorzunehmen.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil vom 13.07.2021 

Az.: II ZR 84/20
 

1. Der Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG umfasst Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sogenannten "Sammelklage-Inkasso".

2. Eine weiche Patronatserklärung kommt als Mittel zur Vermeidung der rechnerischen Überschuldung nicht in Betracht. Wenn sich in der Ertrags- und Finanzplanung bereits Liquiditätslücken abzeichnen, lässt sich eine positive Fortführungsprognose bei einer bereits in der Krise befindlichen Gesellschaft damit nur ausnahmsweise begründen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts vom 3. April 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 24.217 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Beklagte war ab Februar 2017 Executive Director der A.      PLC, einer Gesellschaft nach englischem Recht, die Komplementärin der A.      PLC & Co.            KG (im Folgenden: Schuldnerin) war. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1. November 2017 auf Antrag des Beklagten vom 15. August 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die über eine Registrierung gemäß § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche mit der Behauptung geltend, der Beklagte habe den Insolvenzantrag für die Schuldnerin nicht rechtzeitig gestellt. Den Forderungen in Höhe von 24.217 € liegen Flugbuchungen von sieben Kunden zugrunde, die im Zeitraum vom 5. Mai 2017 bis zum 6. Juli 2017 bei der Schuldnerin Flüge gebucht und bezahlt hatten. Die Flüge wurden infolge der Insolvenz der Schuldnerin nicht mehr durchgeführt.

Die im Verhältnis zu den Kunden einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sahen unter anderem vor, dass die Klägerin im Erfolgsfall 35 % der Nettoerlöse aus dem Forderungseinzug erhalten sollte, andernfalls den Kunden keine Kosten (z.B. aus der Einschaltung von Anwälten, Gerichten, Sachverständigen etc.) entstehen sollten. Die Klägerin sollte "in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht Ermittlungen anstellen und prüfen, ob und welche Ansprüche" dem Kunden und weiteren Fluggästen gegen Dritte zustünden, und diese bei ausreichenden Erfolgsaussichten außergerichtlich oder gerichtlich geltend machen. Gegen wen, in welchem Umfang und in welcher Weise die Klägerin Schritte zur Geltendmachung der Ansprüche ergreifen würde, lag in ihrem freien Ermessen, wobei sie neben der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung auch zum Abschluss von Vergleichen, zum Verzicht gegenüber einzelnen Anspruchsgegnern und zur Weiterabtretung an Anspruchsgegner Zug um Zug gegen Entschädigung berechtigt, aber nicht verpflichtet war.

Auf der von der Klägerin betriebenen Webseite hieß es unter der Rubrik "Häufige Fragen" unter anderem:

"Habe ich einen Anspruch gegen A.      auf Rückzahlung des gezahlten Flugpreises?

Den Anspruch haben sie. Leider ist er nichts wert, denn bei A.    ist aller Voraussicht nach nichts zu holen. (...)

Warum kann ich das nicht selber tun?

Das können Sie selbstverständlich. Doch das Verhältnis zwischen Aufwand/Risiko und Ertrag ist sehr ungünstig. Ein Beispiel: Beauftragen Sie einen Anwalt, 1.000 € einzuklagen, riskieren Sie bei zwei Instanzen über 1.500 €, also mehr als 150 % der eingeklagten Forderung. Würde Al.      [Klägerin] gesammelte Ansprüche von 10 Mio. € einklagen, läge das Prozessrisiko selbst bei drei Instanzen nur noch bei rund 12 % der eingeklagten Summe. Außerdem kann Al.     das Risiko durch Musterverfahren weiter reduzieren. ...

Wie hoch ist die Chance, dass überhaupt etwas bei der Sache herauskommt?

(...) Ein Musterverfahren führen (wir) auf jeden Fall. (...) Es kann auch sein, dass die Gerichte am Ende urteilen, alle hätten rechtmäßig gehandelt."

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da die Abtretungen der Kundenforderungen nach § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG nichtig seien. Die von der Klägerin erbrachten Rechtsdienstleistungen seien keine Inkassodienstleistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, da sie nicht auf eine außergerichtliche Tätigkeit gerichtet seien. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und ihrem Webauftritt ergebe sich, dass es der Klägerin in der Sache um eine Art Sammelklageorganisation für komplexe Forderungen insbesondere insolvenzrechtlicher Art gehe, mit der die vermeintlichen Forderungen geschädigter Flugkunden der Schuldnerin gegen einen bestimmten Kreis von Dritten durchgesetzt werden sollten.

Im Übrigen bestünden in der Sache durchgreifende Bedenken gegen die geltend gemachten Ansprüche. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, dass die Schuldnerin ab dem 1. Februar 2017 überschuldet gewesen sei, habe der Beklagte subjektiv im fraglichen Zeitraum von einer positiven Fortführungsprognose ausgehen dürfen.

Es habe mit der sogenannten "n.        "-Planung ein Konzept für die Zukunft des Unternehmens vorgelegen, das eine entsprechende Finanzplanung mit der Aussicht auf ein positives operatives Ergebnis für 2018 beinhaltet habe. Der Beklagte habe jedenfalls nicht sogleich ab Beginn seiner Direktorentätigkeit im Februar 2017 mit einem Scheitern der operativ-strukturellen Seite der Unternehmensfortführung rechnen müssen. Obwohl sich aus dem Geschäftsbericht für 2016, der Ende April bzw. Anfang Mai 2017 vorgelegen habe, erhebliche Zweifel an der Fortführungsfähigkeit der Schuldnerin ergeben hätten, habe der Beklagte auf die Weiterführung des Unternehmens und dessen Zahlungsfähigkeit vertrauen dürfen. Wesentliche Grundlage dafür sei ein Schreiben der Gesellschafterin der A.      PLC, der E.                (im Folgenden: E.    ), vom 28. April 2017 gewesen, worin diese die Absicht bestätigt habe, auf der Grundlage der mitgeteilten Vorausberechnungen bis Ende 2018 der Schuldnerin die notwendige Unterstützung für die vorhersehbare Zukunft, jedenfalls aber für 18 Monate ab dem 28. April 2017 zu geben, damit die fälligen finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden könnten. Daraufhin sei auch der Abschlussprüfer bei seinem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ausgegangen. Es seien zudem eine Reihe von finanzwirksamen Maßnahmen sofort umgesetzt worden. Für eine gesicherte fortlaufende Finanzierung der Schuldnerin sei darüber hinaus eine Finanzierungsvereinbarung mit E.    im Umfang von 350 Mio. € bis zum 26. Juli 2017 wesentlich gewesen. Diese habe zwar eine Kündigungsmöglichkeit für E.    vorgesehen, die u.a. an den Wegfall der Fortführungsfähigkeit nach § 19 Abs. 2 InsO aF angeknüpft habe, weshalb der Beklagte fortlaufend Anlass zur Überprüfung der Notwendigkeit eines Insolvenzantrags für den Fall gehabt habe, dass sich die Umstände, die der Vereinbarung mit E.   zugrunde lagen, erheblich veränderten. Eine solche Veränderung sei jedoch bis Ende Juli 2017 nicht feststellbar, zumal noch am 20. Juli 2017 eine Änderungsvereinbarung geschlossen worden sei, wonach die letzten Raten im August 2017 an die Schuldnerin ausgezahlt werden sollten. Auch wenn sich einem Schreiben der E.   vom 11. August 2017 an die L.      AG entnehmen lasse, dass die letztlich insolvenzauslösende Nichtauszahlung der Rate vom 9. August 2017 darauf beruht habe, dass bei E.    kurz zuvor neue Geschäftsplanungen der Schuldnerin eingegangen seien, die von denjenigen aus April 2017 abgewichen seien, habe der Beklagte vor Ende Juli 2017 nicht mit einer Aufkündigung des Engagements E.    rechnen müssen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Abtretungen der durch die Klägerin geltend gemachten Kundenforderungen nicht gemäß § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG nichtig. Eine Inkassodienstleistung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG liegt auch dann vor, wenn die abgetretenen Forderungen ausschließlich oder vorrangig in Form eines sogenannten "Sammelklage-Inkasso" gerichtlich eingezogen werden sollen.

a) In Rechtsprechung und Literatur herrscht Uneinigkeit darüber, ob das sogenannte "Sammelklage-Inkasso", bei dem sich das Inkassodienstleistungsunternehmen eine Reihe von Forderungen, die sich gegen denselben Schuldner richten und die im Wesentlichen gleichgelagerten Lebenssachverhalten entspringen, abtreten lässt, um sie gebündelt geltend zu machen, dann keine Inkassodienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 RDG mehr darstellt, wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass der Schuldner zu einer außergerichtlichen Regulierung nicht bereit sein wird und das Geschäftsmodell demnach, jedenfalls vorrangig, auf eine gerichtliche Geltendmachung der abgetreten Forderung gerichtet ist.

Nach einer Auffassung überschreitet ein nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registriertes Unternehmen seine Inkassodienstleistungserlaubnis, wenn sich die gegenüber dem Kunden übernommenen Pflichten ausschließlich bzw. bei realistischer Betrachtung vorrangig auf eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche richten (vgl. LG München I, AnwBl Online 2020, 284, 295 ff.; LG Hannover, Urteil vom 4. Mai 2020 - 18 O 50/16, juris Rn. 151; Urteil vom 1. Februar 2021 - 18 O 34/17, juris Rn. 274 ff.; LG Augsburg, Urteil vom 27. Oktober 2020 - 11 O 3715/18, BeckRS 2020, 30625 Rn. 23 ff.; LG Ravensburg, Urteil vom 22. Dezember 2020 - 1 O 112/20, BeckRS 2020, 37580 Rn. 42; LG Ansbach, Urteil vom 29. März 2021 - 3 O 16/21, BeckRS 2021, 6742 Rn. 40; LG Trier, Urteil vom 14. April 2021 - 5 O 549/20, BeckRS 2021, 9041 Rn. 42; LG Rottweil, Urteil vom 10. Mai 2021 - 2 O 525/20, BeckRS 2021, 12055 Rn. 69 ff.; Greger, MDR 2018, 897, 899; Henssler, NJW 2019, 545, 546 ff.; AnwBl Online 2021, 180, 182 ff.; Mann/Schnuch, NJW 2019, 3477, 3480; Prütting, ZIP 2020, 49, 52; Dötsch in Deckenbrock/ Henssler, RDG, 5. Aufl., Anh. § 1 Rn. 6a).

Nach der Gegenauffassung steht das Rechtsdienstleistungsgesetz der Zulässigkeit von sogenannten Sammelklagen bzw. einem "Masseninkasso" nicht entgegen. Es sei anerkannt, dass Inkassounternehmen Forderungen auch gerichtlich geltend machen dürften, sofern sie sich eines Rechtsanwalts bedienten (LG Braunschweig, WM 2020, 1743 Rn. 73 ff.; Fries, AcP 221 [2021], 108, 118; Krüger/Seegers, BB 2021, 1031, 1035; Petrasincu/Unseld, NZKart 2021, 280, 283; Römermann, AnwBl Online 2020, 273, 274 f.; Stadler, JZ 2020, 321, 328; Tolksdorf, ZIP 2019, 1401, 1405; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 24c; Rillig in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46j). Ob sie dies im Einzelfall oder im Wege einer sogenannten "Sammelklage" täten, sei kein entscheidender Gesichtspunkt (Krüger/Seegers, BB 2021, 1031, 1033; Stadler, JZ 2020, 321, 328 f.).

b) Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Der Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG umfasst Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sogenannten "Sammelklage-Inkasso".

aa) Weder dem Wortlaut noch der Systematik der § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 RDG lässt sich ein Ausschluss solcher Geschäftsmodelle entnehmen.

Die Legaldefinition der Inkassodienstleistung in § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG spricht weder von außergerichtlicher noch von gerichtlicher Forderungseinziehung. Das Gesetz verwendet den Ausdruck der außergerichtlichen Rechtsdienstleistung vielmehr in § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 RDG. Dort dient er allerdings nicht dazu, den Begriff der Rechts- bzw. Inkassodienstleistung einzuschränken. Vielmehr grenzt § 1 Abs. 1 Satz 1 RDG formal den Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes von dem der einzelnen Verfahrensordnungen ab, die ihrerseits jeweils Vorschriften zur Postulationsfähigkeit enthalten. Für den Zivilprozess finden sich diese in §§ 78 f. ZPO. Aus dieser formalen Abgrenzung der Anwendungsbereiche lassen sich für den materiellen Inhalt des Inkassobegriffs unmittelbar keine zwingenden Rückschlüsse ziehen (vgl. Krüger/Seegers, BB 2021, 1031, 1035; Morell, ZWeR 2020, 328, 331 ff.; Petrasincu/Unseld, NZKart 2021, 280, 283; Römermann, AnwBl Online 2020, 273, 275; Stadler, JZ 2020, 321, 328 f.).

Der Begriff der "außergerichtlichen Rechtsdienstleistung" in § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 RDG ist adressatenbezogen in dem Sinn zu verstehen, dass lediglich an das Gericht adressierte Handlungen nicht darunterfallen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2013 - IV ZR 39/10, WM 2013, 1462 Rn. 42). Alle übrigen Rechtsdienstleistungen sind auch dann als außergerichtlich einzuordnen, wenn sie inhaltlich allein auf eine gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs ausgerichtet sind und nur in diesem Zusammenhang sinnvoll erscheinen, wie etwa der Entwurf einer Klageschrift (RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts [im Folgenden: RegE RDG], BT-Drucks. 16/3655, S. 45; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 18). Es wird auch nicht in Frage gestellt, dass registrierte Inkassodienstleister abgetretene Forderungen im eigenen Namen auf fremde Rechnung und damit als Partei im gerichtlichen Verfahren geltend machen dürfen, sofern sie dabei anwaltlich vertreten sind (BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 227 mwN; Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 54). Davon geht die Regelung über die gerichtliche Vertretung der registrierten Inkassodienstleister im Parteiprozess in § 79 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO ohne Weiteres aus (Morell, ZWeR 2020, 328, 333; Tolksdorf, ZIP 2019, 1401, 1405). Für den Anwaltsprozess gemäß § 78 ZPO gilt nichts anderes (Rillig in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46k). Wenn dem registrierten Inkassodienstleister die gerichtliche Geltendmachung einer Forderung erlaubt ist, sofern er einen Rechtsanwalt beauftragt, darf er sich im Inkassodienstleistungsvertrag hierzu auch verpflichten (Morell, ZWeR 2020, 328, 334; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 24a ff.; Rillig in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46j; aA Henssler, NJW 2019, 545, 546 f.; AnwBl Online 2020, 168, 169 f.).

bb) Der Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG umfasst Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sogenannten "Sammelklage-Inkasso".

(1) Die Gegenauffassung verweist darauf, es müsse die Kernfunktion der Inkassodienstleistung, Unternehmen eine einfache und kostengünstige Möglichkeit zu verschaffen, ausstehende Forderungen durch hierauf spezialisierte Dienstleister einzutreiben, ins Zentrum der Betrachtung gerückt werden. Gehe es hingegen um Forderungen, gegen welche der Schuldner substanzielle Einwendungen erhebe, so dass sicher oder jedenfalls mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen sei, biete sich die Beauftragung eines Inkassodienstleisters nicht an (vgl. Greger, MDR 897, 899; Hartmann, NZM 2019, 353, 357 f.; Henssler, NJW 2019, 545, 546; Knauff, GewArch 2019, 414, 415 f.; Nuys/Gleitsmann, BB 2020, 2441, 2445).

(2) Orientiert man sich an den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigten Wertungsgesichtspunkten (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 110; BVerfGE 97, 12, 28 ff.; BVerfG, NJW 2002, 1190, 1191 f.; NJW-RR 2004, 1570 ff.), ist die von der Gegenauffassung vorgenommene Einschränkung des Inkassobegriffs nicht zu rechtfertigen. Der in § 1 Abs. 1 Satz 2 RDG genannte Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes gebietet es, insbesondere unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters (Art. 12 Abs. 1 GG), den Begriff der Inkassodienstleistung so auszulegen, dass Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf die gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen, umfasst sind. Dies gilt regelmäßig auch dann, wenn das Geschäftsmodell eine Bündelung einer Vielzahl von Einzelforderungen vorsieht.

(a) Jede Einschränkung des Begriffs der Inkassodienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG und damit der Inkassodienstleistungserlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG beinhaltet einen Eingriff in den Schutzbereich der nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährten Berufsausübungsfreiheit (vgl. RegE RDG, BT-Drucks. 16/3655, S. 26 f.; BVerfG, NJW 2002, 1190 f. zu Art. 1 § 1 RBerG; Burgi, DVBl 2020, 471, 474; Knauff, GewArch 2019, 414 f.). Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 101, 331, 347; 117, 163, 181 ff.).

Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das gewählte Mittel muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein, und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sein (vgl. BVerfGE 30, 292, 316 f.; 101, 331, 347 ff.; 117, 163, 181 ff.; BGH, Urteil vom 9. Juni 2008 - AnwSt (R) 5/05, NJW 2009, 534 Rn. 24). Das Rechtsdienstleistungsgesetz benennt in § 1 Abs. 1 Satz 2 RDG selbst seinen Normzweck, nämlich die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Dabei handelt es sich grundsätzlich um beachtliche Gründe des Gemeinwohls (BVerfGE 41, 378, 390; 97,12, 26 f.; BVerfG, NJW 2004, 2662; NJW-RR 2004, 1570 f. jeweils zum RBerG; RegE RDG, BT-Drucks. 16/3655, S. 45; Overkamp/Overkamp in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., Einl. RDG Rn. 10).

(b) Ob das Ausscheiden von Geschäftsmodellen wie dem der Klägerin aus dem Begriff der Inkassodienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG zur Erreichung der genannten Schutzzwecke überhaupt geeignet ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist es nicht erforderlich und steht zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit außer Verhältnis. Wenn und soweit der Anbieter über die zur Registrierung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG erforderliche Sachkunde verfügt und für das gerichtliche Verfahren einen Rechtsanwalt beauftragt, erhöht sich dadurch, dass die abgetretenen Ansprüche statt außergerichtlich in erster Linie gerichtlich durchgesetzt werden sollen, die Gefahr einer unqualifizierten Rechtsdienstleistung nicht in einem solchen Maße, dass dies den mit einem Verbot verbundenen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen könnte.

(aa) Für den Schutz der rechtsuchenden Bürger, die vor Rechtsnach-teilen und dem Verlust von Rechtspositionen, die durch fehlerhafte Rechtsdienstleistungen entstehen können, bewahrt werden sollen (Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 6; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 1 RDG Rn. 5; Overkamp/Overkamp in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 1 RDG Rn. 12), kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob das fragliche Geschäftsmodell auf eine außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung des zur Einziehung abgetretenen Anspruchs abzielt; dies gilt jedenfalls dann, wenn für das gerichtliche Verfahren, wie es § 78 Abs. 1 bzw. § 79 Abs. 1 Satz 2 ZPO zwingend vorschreiben, ein Rechtsanwalt einzuschalten ist.

Dass der Inkassodienstleister über die Sachkunde verfügt, die für die von ihm selbst zu erbringenden, außergerichtlichen und damit nicht an das Gericht gerichteten Rechtsdienstleistungen erforderlich ist, gewährleisten nach der Gesetzessystematik des Rechtsdienstleistungsgesetzes die Registrierungsvoraussetzungen in § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 RDG (vgl. Freitag/Lang, ZIP 2020, 1201, 1203). Der Inkassodienstleister muss unter anderem einen entsprechenden Nachweis der Sachkunde in den in § 11 Abs. 1 RDG bezeichneten Rechtsgebieten erbringen, die regelmäßig durch einen in § 4 der Verordnung zum Rechtsdienstleistungsgesetz (Rechtsdienstleistungsverordnung - RDV) vom 19. Juni 2008 (BGBl. I S. 1069 ff.) näher geregelten Sachkundelehrgang vermittelt wird (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 214 ff.). Setzt das Inkassounternehmen die von ihm verlangte, überprüfte und für genügend befundene Sachkunde bei der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen ein, ist nicht ersichtlich, dass damit eine Gefahr für den Rechtsuchenden oder den Rechtsverkehr verbunden sein könnte (BVerfG, NJW 2002, 1190 f.; BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 121; Urteil vom 8. April 2020 - VIII ZR 130/19, ZIP 2020, 1129 Rn. 36; Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 45). Soweit die Tätigkeit des Inkassounternehmens in größerem Umfang auf eine klageweise Durchsetzung ausgerichtet ist und deswegen umfangreichere zivilprozessuale Kenntnisse erforderlich sein mögen, ist eine hieraus folgende wesentliche Erhöhung der Gefahr fehlerhafter Rechtsdienstleistungen nicht erkennbar. Denn auch bei geringen Streitwerten ist zwingend ein Rechtsanwalt zu beauftragen, bei dem entsprechende Kenntnisse ohne Weiteres zu erwarten sind (§ 79 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Dem steht, anders als die Gegenansicht meint (LG München I, AnwBl Online 2020, 284, 298; Henssler, NJW 2019, 545, 547; BRAK-Mitt. 2020, 6, 10; AnwBl Online 2021, 180, 183; Valdini, BB 2017, 1609, 1612), nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts aus einer unzulässigen keine zulässige Rechtsdienstleistung werden kann (BGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - III ZR 260/07, WM 2008, 1609 Rn. 19 ff. [zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG]; Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 166/06, WM 2009, 1953 Rn. 23 mwN - Finanz-Sanierung; Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 34 [zu Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG]; Beschluss vom 12. November 2015 - I ZR 211/14, NJW-RR 2016, 693 Rn. 10 ff.; Urteil vom 7. Dezember 2017 - IX ZR 45/16, ZIP 2018, 692 Rn. 14). Den Entscheidungen lagen jeweils Sachverhalte zugrunde, bei denen es um nicht nach § 10 Abs. 1 RDG registrierte Rechtsdienstleistungsunternehmen ging. Das Registrierungserfordernis nach § 10 Abs. 1 RDG und das daran anknüpfende Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 3 RDG dürfen nicht durch die Einschaltung eines Rechtanwalts umgangen werden, da sie anderenfalls praktisch leerliefen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - III ZR 260/07, WM 2008, 1609 Rn. 19 ff.; Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 166/06, WM 2009, 1953 Rn. 24). Eine vergleichbare Umgehungsgefahr ist in den vorliegenden Fallgestaltungen jedoch nicht ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 226; Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 54).

Zuzugeben ist zwar, dass bei der klageweisen Anspruchsdurchsetzung ein Rechtsverlust, der bei vorheriger Abtretung den rechtsuchenden Bürger mittelbar ebenfalls betreffen würde, aus einem nicht sachgerechten Prozessverhalten folgen und dieses bereits in der Sachverhaltsaufbereitung und Schriftsatzerstellung angelegt sein kann. Jedoch wird der durch den Inkassodienstleister mandatierte Rechtsanwalt für eine sachgerechte prozessuale Anspruchsdurchsetzung zu sorgen haben. In der Konstellation des sogenannten "Sammelklage-Inkasso" wird oftmals erst die Bündelung vieler gleichgelagerter Einzelansprüche eine intensive Befassung auf Seiten des Rechtsberaters wirtschaftlich erscheinen lassen, was eher zu einer Steigerung der Qualität der Beratung zum Vorteil aller Zedenten führen kann (Fries, AcP 221 [2021], 108, 119; Kleine-Cosack, AnwBl Online 2019, 6, 10 f.; Krüger/Seegers, BB 2021, 1031, 1033). Der Einwand, durch die Bündelung könne der Blick für die Besonderheiten des Einzelfalls verloren gehen (Mann/Schnuch, NJW 2019, 3477, 3480), verfängt jedenfalls dann nicht, wenn der Rechtsuchende ohne die Zuhilfenahme der hier streitigen Geschäftsmodelle aus rationalem Desinteresse von einer Rechtsverfolgung Abstand nehme würde (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1190 f.).

Entsprechendes gilt, soweit darauf abgestellt wird, die Zedenten würden in unvertretbarer Weise von jeglichem Kontakt mit dem vom Inkassounternehmen ausgewählten Rechtsanwalt ausgeschlossen und durch die Zwischenschaltung des Inkassounternehmens des Schutzes beraubt, den der Gesetzgeber für die gerichtliche Forderungsdurchsetzung für erforderlich halte und über die Bundesrechtsanwaltsordnung umgesetzt habe (Henssler, AnwBl Online 2021, 180, 183; Henssler in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., Einl. RDG Rn. 47k). Abgesehen davon, dass es dem Rechtsuchenden freisteht, statt eines Inkassodienstleisters unmittelbar einen Rechtsanwalt mit der Anspruchsdurchsetzung zu beauftragen, ist nicht ersichtlich, wieso sich der Schutz des Rechtsuchenden verbessern sollte, wenn das Inkassounternehmen zwingend zunächst eine außergerichtliche Einziehung anstreben müsste und erst bei deren Scheitern zur klageweisen Durchsetzung unter Einschaltung eines Rechtsanwalts übergehen dürfte. Dass der Begriff der Inkassodienstleistung sich nicht auf die Einziehung unbestrittener Forderungen im Sinne einer kaufmännischen Hilfstätigkeit beschränkt, ist geklärt (BVerfG, NJW 2002, 1190 f.; BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 115 f.; Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 54).

(bb) Auch der Schutz des Rechtsverkehrs, der immer dann betroffen ist, wenn mit der Tätigkeit des Rechtsdienstleisters Dritte, etwa der Anspruchsgegner des Rechtsuchenden, sonstige Beteiligte wie Drittschuldner oder Behörden, aber auch Gerichte, auf deren Tätigkeit außergerichtliche Rechtsdienstleistungen ausstrahlen (RegE RDG, BT-Drucks. 16/3655, S. 45; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 9), betroffen sind, erfordert nicht, Geschäftsmodelle aus dem Begriff der Inkassodienstleistung auszunehmen, die ausschließlich oder vorrangig auf eine klageweise Anspruchsdurchsetzung im sogenannten "Sammel-Inkasso" abzielen.

Der Schutz der Gerichte vor unsachgemäßer Prozessführung, insbesondere durch offensichtlich unzulässige oder unbegründete Klagen (vgl. Freitag/Lang, ZIP 2020, 1201, 1203; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 1 RDG Rn. 9; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 10) wird wiederum durch die zwingende Beteiligung eines Rechtsanwalts, und zwar auch bei niedrigen Streitwerten (§ 79 Abs. 1 Satz 2 ZPO), sichergestellt (Freitag/Lang, ZIP 2020, 1201, 1203).

Wenn Geschäftsmodelle wie das der Klägerin zu insgesamt höheren Verfahrenszahlen bei den Zivilgerichten führen, wird dies in aller Regel auf der Überwindung des rationalen Desinteresses der Rechtsuchenden beruhen. Der hierin zum Vorschein kommende erleichterte "Zugang zum Recht" rechtfertigt keinen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 117, 163, 185; Morell, JZ 2019, 809, 812 [zu Art. 14 GG]). Hinzu kommt, dass gerade Geschäftsmodelle wie das der Klägerin, bei denen einzelne Rechts- bzw. Tatsachenfragen, die im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalten entspringen, in einem oder wenigen Musterprozessen geklärt werden sollen, die Justiz nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insgesamt eher entlasten können (vgl. Kerstges, GVRZ 2020, 15 Rn. 12; Krüger/Seegers, BB 2021, 1031, 1033). Sofern der Umfang bzw. die Komplexität der durch die registrierten Inkassodienstleister geführten Verfahren (Mann/Schnuch, NJW 2019, 3477, 3481; vgl. LG München I, AnwBl Online 2020, 284, 299) und die hieraus möglicherweise entstehenden Herausforderungen der Verfahrensführung ins Feld geführt werden, beruhen diese Gesichtspunkte auf der Bündelung einer Vielzahl von Einzelansprüchen. Sie betreffen § 260 ZPO und sind mit den zur Verfügung stehenden zivilprozessualen Mitteln, etwa § 145 ZPO, zu bewältigen.

Die Anspruchsgegner der Rechtsuchenden sind im Wesentlichen vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen. Das Rechtsdienstleistungsgesetz bezweckt, wie schon das Rechtsberatungsgesetz, nicht den Schutz der Schuldner vor den Folgen zutreffend erteilten Rechtsrats und wirkungsvoller Rechtsbesorgung (BVerfG, NJW 2002, 1190, 1192). Anhaltspunkte dafür, dass durch die hier in Rede stehenden Inkassodienstleister in erheblichem Umfang von vornherein unberechtigte Klageverfahren eingeleitet werden, sind nicht dargelegt und im Hinblick auf die zwingende Beteiligung von Rechtsanwälten auch nicht naheliegend. Dies gilt vor allem dann, wenn, wie vorliegend, die Vergütung ausschließlich erfolgsabhängig ausgestaltet und eine Kostenfreihaltung für die Zedenten vereinbart wird. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Rechtsverkehrs bedenklich wären möglicherweise Geschäftsmodelle, die darauf angelegt sind, streitige aber tatsächlich unbegründete Ansprüche zu bündeln, um mittels einer hierdurch erzielten Verhandlungsmacht den Anspruchsgegner zum Abschluss eines Vergleichs zu zwingen, der bei objektiver Betrachtung nicht mehr gerechtfertigt erscheint (vgl. Prütting, ZIP 2020, 1434, 1440). Ein solches Vorgehen hinge aber nicht davon ab, ob eine Klage erst nach dem Versuch einer außergerichtlichen Regulierung erhoben werden soll. Im Übrigen könnte gerade im gerichtlichen Verfahren einem etwaigen Missbrauch am ehesten Einhalt geboten werden. Nicht zuletzt besteht für die Verfahrensbeteiligten stets die Möglichkeit einer Mitteilung an die Aufsichtsbehörde zur Einleitung eines Widerrufsverfahrens nach § 14 RDG.

(cc) Der Schutz der Rechtsordnung erfordert eine Einschränkung des Inkassobegriffs in der von der Gegenauffassung befürworteten Weise ebenfalls nicht.

Dieser Schutzzweck zielt darauf ab, dass das Recht als höchstrangiges Gemeinschaftsgut nicht in die Hände unqualifizierter Personen gelangen soll, da es als "gelebtes Recht" maßgeblich durch die Personen beeinflusst und fortentwickelt wird, die Recht beruflich anwenden. Eine Freigabe der beruflichen Anforderungen hätte negative Auswirkungen auf die Rechtskultur und könnte die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege insgesamt gefährden (RegE RDG, BT-Drucks. 16/3655, S. 45).

Eine Beeinträchtigung dieser Belange ist nicht zu befürchten. Bei den gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierten Inkassodienstleistern handelt es sich im Hinblick auf die von ihnen als Voraussetzung der Registrierung nachzuweisende Sachkunde in den in § 11 Abs. 1 RDG bezeichneten Rechtsgebieten gerade nicht um unqualifizierte Personen. Zudem sind im gerichtlichen Verfahren mit dem zwingend zu mandatierenden Rechtsanwalt und dem Gericht weitere hinreichend qualifizierte Personen mit der Anwendung der Rechtsvorschriften auf die konkreten Sachverhalte befasst.

(c) Die Kritik der Gegenansicht an der Ausdehnung des Inkassobegriffs und der damit verbundenen Öffnung des Rechtsdienstleistungsmarkts für Anbieter eines sogenannten Legal-Tech-Inkassos wird vielfach damit begründet, hierdurch entstehe ein struktureller Wettbewerbsnachteil der Rechtsanwaltschaft (vgl. Freitag/Lang, ZIP 2020, 1201, 1203 ff.; Greger, MDR 2018, 897, 899; Henssler, NJW 2019, 545, 547; AnwBl Online 2020, 168, 172; Prütting, ZIP 2020, 1434, 1441 f.; Remmertz, AnwBl Online 2020, 186, 188; Römermann, VuR 2020, 43, 51). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt keine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Inkassodienstleister.

Es trifft zwar zu, dass die berufsrechtliche Regulierung der Inkassounternehmen im Vergleich zu der der Rechtsanwaltschaft weniger streng ausgestaltet ist. Insbesondere ist es Rechtsanwälten berufsrechtlich, von engen Ausnahmen abgesehen, bisher weder gestattet, mit ihren Mandanten ein Erfolgshonorar zu vereinbaren (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 4a RVG), noch den Mandanten im Fall einer Erfolglosigkeit der Inkassotätigkeit eine Freihaltung von den entstandenen Kosten zuzusagen (§ 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO; BGH, Urteil vom 20. Juni 2016 - AnwZ (Brfg) 26/14, WM 2017, 684 Rn. 17; Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 282/18, BGHZ 224, 89 Rn. 171). Aus den nicht gänzlich von der Hand zu weisenden Widersprüchen, die sich aus der eher strengen Regulierung im anwaltlichen Berufsrecht im Vergleich zu der der Inkassounternehmen im Einzelfall ergeben mögen (vgl. Hellwig, AnwBl Online 2020, 260 f.; Kilian, NJW 2019, 1401, 1406), lässt sich, auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG; dazu Freitag/Lang, ZIP 2020, 1201, 1204; Knauff, GewArch 2019, 413, 420), im Ergebnis keine Überschreitung der Inkassobefugnis herleiten (BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 170, 185 f.; BGH, Urteil vom 8. April 2020 - VIII ZR 130/19, ZIP 2020, 1129 Rn. 69 ff.; Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 55).

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass dem Rechtsdienstleistungsgesetz der Schutz der Anwaltschaft vor Konkurrenz kein selbständiges Regelungsanliegen ist (Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 13; BeckOK RDG/Römermann, Stand: 1. Juli 2019, § 1 Rn. 32 f.; Overkamp/Overkamp in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 1 RDG Rn. 11; Kleine-Cosack, RDG, 3. Aufl., § 1 Rn. 41 f.; Krenzler/Remmertz, RDG, 2. Aufl., § 1 Rn. 66). Bedeutung erlangt der Gedanke mittelbar allerdings insoweit, als er dem primären Gesetzeszweck "Schutz einer funktionsfähigen Rechtspflege" dient (Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 13; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 1 Rn. 16, 16a).

Im vorliegenden Zusammenhang gebietet es der Gesichtspunkt des Schutzes der Anwaltschaft als Ganzes nicht, Geschäftsmodelle wie das der Klägerin als nicht mehr von ihrer Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG gedeckt anzusehen, weil sie ausschließlich bzw. vorrangig auf eine gerichtliche Geltendmachung im Wege des sogenannten "Sammel-Inkasso" gerichtet sind. Für etwaige "Musterprozesse", sofern solche angestrebt werden, bedarf es der anwaltlichen Vertretung (Kerstges, GVRZ 2020, 15 Rn. 34). Demgemäß ist nicht ersichtlich, dass der Rechtsanwaltschaft als Ganzes, soweit es die klageweise Geltendmachung der Forderungen betrifft, Anteile am Rechtsdienstleistungsmarkt in erheblichem Umfang verloren gingen.

Zwar mag sich die Mandatierung auf wenige Kanzleien konzentrieren, sofern die Inkassodienstleistungsunternehmen für die gerichtliche Durchsetzung der bei ihnen gebündelten Ansprüche stets dieselben Kanzleien beauftragen. Um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Inkassodienstleistungsunternehmen rechtfertigen zu können, müssten allerdings wiederum zumindest Anhaltspunkte für eine Monopolbildung im Rechtsdienstleistungsmarkt erkennbar sein, die die Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft insgesamt (vgl. Kleine-Cosack, RDG, 3. Aufl., § 1 Rn. 42; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 13) fühlbar beeinträchtigt (vgl. zum RBerG BVerfGE 97, 12, 30 f.). Solche Anhaltspunkte sind nicht dargelegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Geschäftsmodelle des sogenannten "Sammelklage-Inkasso" eher zu einer insgesamt höheren Zahl von Mandaten und damit zu einem Wachstum des Rechtsdienstleistungsmarkts insgesamt führen dürften. Soweit ersichtlich, sind die Ansprüche, die an die in Rede stehenden Inkassounternehmen abgetreten werden, häufig solche, die anderenfalls aufgrund des rationalen Desinteresses der Anspruchsinhaber überhaupt nicht geltend gemacht würden (Rott, VuR 2018, 443, 446).

cc) Entgegen einzelner Stimmen im Schrifttum (Henssler, AnwBl Online 2020, 168, 169, 171; vgl. Grothaus/Haas, ZIP 2020, 1797, 1802 f.; Heese, JZ 2019, 429, 438) führen Geschäftsmodelle des sogenannten "Sammelklage-Inkasso" auch nicht zu einer Umgehung der Voraussetzungen der Musterfeststellungsklage gemäß §§ 606 ff. ZPO (Rillig in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46i).

Richtig ist, dass nach § 606 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ZPO Musterfeststellungsklagen nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erhoben werden dürfen. Hieraus den klaren Willen des Gesetzgebers abzuleiten, keine Modelle zur kollektiven Rechtsdurchsetzung zuzulassen, wenn sie zum Zwecke der Gewinnerzielung eingesetzt werden (Henssler, AnwBl Online 2020, 168 f.), findet in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Bei Schaffung der §§ 606 ff. ZPO durch das Gesetz vom 12. Juli 2018 zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage (BGBl. I S. 1151 ff.) waren die hier in Rede stehenden Geschäftsmodelle bekannt. Die Gesetzesbegründung enthält keinen klarstellenden Hinweis, dass solche Geschäftsmodelle eingeschränkt werden sollten (RegE, BT-Drucks. 19/2439, S. 22 ff.). Zudem handelt es sich um unterschiedliche Formen der kollektiven Rechtsdurchsetzung. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Gegenstand der Musterfeststellungsklage nur Rechtsverhältnisse mit Verbrauchern sein können, weshalb sie etwa für Kartellschadensersatzklagen für ungeeignet gehalten wird (Kremer/Nowak, NZKart 2020, 311, 313; Krüger/Seegers, BB 2021, 1031, 1033).

2. Die Abtretung der von der Klägerin geltend gemachten Forderungen ist auch nicht deshalb gemäß § 134 BGB nichtig, weil die Klägerin mit ihrer Tätigkeit gegen § 4 RDG verstößt, so dass dahinstehen kann, ob es sich um ein Verbotsgesetz handelt. Anders als das Landgericht noch angenommen hat, lässt sich eine Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht im Sinne dieser Vorschrift nicht feststellen. Ein Interessenkonflikt, der eine entsprechende Anwendung des § 4 RDG auf den vorliegenden Fall rechtfertigen könnte, liegt nicht vor.

a) Mit § 4 RDG hat der Gesetzgeber eine ältere Entscheidung des Senats zur Rechtsschutzversicherung unter Geltung des Rechtsberatungsgesetzes (BGH, Urteil vom 20. Februar 1961 - II ZR 139/59, NJW 1961, 1113) mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 30. November 2006 aufgegriffen und zum allgemeinen Grundsatz erhoben, dass Rechtsdienstleistungen nicht erbracht werden dürfen, wenn sie mit einer anderen Leistungspflicht unvereinbar sind (RegE RDG, BT-Drucks. 16/3655, S. 39, 51; Johnigk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 4 RDG Rn. 1). Der Sinn und Zweck des § 4 RDG besteht darin, Interessenkollisionen zu vermeiden (BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 107/14, ZIP 2016, 2169 Rn. 31; Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 189 mwN). Eine Unvereinbarkeit, die der rechtsdienstleistenden Tätigkeit entgegensteht, liegt allerdings nicht bei jeder Form einer möglicherweise bestehenden Interessenkollision vor, sondern nur dann, wenn die Rechtsdienstleistung unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der bereits begründeten Hauptleistungspflicht des Leistenden haben kann. Zudem muss gerade hierdurch die ordnungsgemäße, d.h. objektive, frei von eigenen Interessen erfolgende Erfüllung der Rechtsdienstleistungspflicht gefährdet sein (RegE RDG, BT-Drucks. 16/3655, S. 51; BGH, Urteil vom 5. März 2013 - VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 Rn. 12).

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Revisionserwiderung kann ein solcher Verstoß der Klägerin gegen § 4 RDG nicht festgestellt werden. Dieser lässt sich weder damit begründen, dass die Klägerin nach 3.1 und 3.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGB Klägerin) ein Erfolgshonorar und zugleich die Freihaltung ihrer Kunden von etwaigen Kosten der Rechtsdurchsetzung vereinbart hat, noch damit, dass das Geschäftsmodell der Klägerin, wie in 1.6 ihrer AGB vorgesehen, auf die Bündelung und gesammelte Geltendmachung von Ansprüchen (angeblich) geschädigter Kunden der Schuldnerin ausgerichtet ist. Hieran ändert auch nichts, dass die Klägerin nach 1.9 ihrer AGB für die Zedenten gegebenenfalls auch unwiderrufliche Vergleiche abschließen durfte.

aa) Was die gleichzeitige Vereinbarung von Erfolgshonorar und Kostenfreihaltung betrifft, fehlt es bereits an einer anderen Leistungspflicht. Bei der Kostenfreihaltung handelt es sich insgesamt nicht um eine "andere" Leistungspflicht im Sinne des § 4 RDG, mithin nicht um eine eigenständige, von der Pflicht zur Forderungseinziehung abtrennbare Pflicht. Sie ist vielmehr Bestandteil der Inkassodienstleistung der Klägerin, steht aber jedenfalls mit der von der Klägerin betriebenen Forderungseinziehung in einem so engen Zusammenhang, dass sie, auch aus Sicht des Kunden, dessen Schutz als Rechtsuchender die Vorschrift des § 4 RDG unter anderem dienen soll (vgl. RegE RDG, BT-Drucks. 16/3655, S. 39), nicht als eine andere Leistungspflicht im Sinne des § 4 RDG angesehen werden kann (BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 202; Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 68, 70).

bb) Eine andere Leistungspflicht im Sinne des § 4 RDG wird dadurch begründet, dass die Klägerin auch gegenüber anderen Kunden jeweils zur bestmöglichen Durchsetzung der abgetretenen Forderungen verpflichtet ist. Die von der Klägerin zu erbringende Rechtsdienstleistung ist indes nicht mit diesen anderen Leistungspflichten unvereinbar.

(1) Eine andere Leistungspflicht kann eine weitere Verpflichtung zur Erbringung einer Rechtsdienstleistung sein, wobei diese auch gegenüber einem Dritten geschuldet sein kann (Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 16; Dreyer/Müller in Dreyer/Lamm/Müller, RDG, § 4 Rn. 10, 17; Johnigk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 4 RDG Rn. 12, 15; Krenzler/Remmertz, RDG, 2. Aufl., § 4 Rn. 12).

Das Geschäftsmodell der Klägerin besteht, wie sich aus 1.6 AGB Klägerin ergibt, darin, sich die Ansprüche mehrerer (angeblich) geschädigter Kunden der Schuldnerin abtreten zu lassen und gesammelt gegenüber Dritten geltend zu machen. Aufgrund der den Abtretungen zugrundeliegenden Inkassodienstleistungsverträgen ist die Klägerin gegenüber allen ihren Kunden damit jeweils zur bestmöglichen Durchsetzung der abgetretenen Forderungen verpflichtet (vgl. Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 28g).

(2) Jedoch ist, jedenfalls nach der konkreten Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse mit den Kunden, nicht feststellbar, dass die von der Klägerin zu erbringende Rechtsdienstleistung unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der gegenüber den übrigen Kunden zu erbringenden Leistungspflichten dergestalt ausüben kann, dass hierdurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsdienstleistungspflicht gefährdet wäre.

Richtig ist zwar, dass die Klägerin im Rahmen der gesammelten Geltendmachung und gegebenenfalls auch prozessualen Durchsetzung der Kundenforderungen nach 1.9 AGB Klägerin unter anderem dazu ermächtigt ist, Vergleiche abzuschließen, dabei auch auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen einzelne Anspruchsgegner zu verzichten und auch, Ansprüche Zug um Zug gegen Entschädigungszahlungen an Anspruchsgegner weiter abzutreten. Hieraus allein lässt sich jedoch noch nicht auf einen Interessenkonflikt schließen, der einen Verstoß gegen § 4 RDG und damit im Ergebnis die Nichtigkeit der Inkassodienstleistungsverträge sowie der daraufhin erfolgten Abtretungen der Kunden der Klägerin zur Folge hätte.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts lässt sich ein solcher Interessenkonflikt nicht damit begründen, der Beklagte verfüge lediglich über endliche Mittel, weshalb die Klägerin bereit sein werde, gegebenenfalls deshalb einen Vergleich abzuschließen, der die Forderungen aller Kunden nur anteilig befriedige. Abgesehen davon, dass es an Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten fehlt und jedenfalls im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Kundenforderungen eine finanzielle Überforderung des Beklagten fernliegt, widerspräche ein solcher Vergleichsschluss letztlich gerade nicht dem Interesse der Kunden. Auch bei einer isolierten Durchsetzung der Forderungen, sei es durch die Klägerin, sei es durch die Kunden selbst, müssten diese bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Beklagten und entsprechender Kenntnis hiervon das hieraus resultierende Risiko einer Vorsatzanfechtung in Rechnung stellen (vgl. § 3 AnfG, § 133 InsO).

Soweit die gebündelte Durchsetzung der Forderungen möglicherweise unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Kunden zu einer nur anteiligen Befriedigung führt, folgt daraus kein im Rahmen des § 4 RDG bedeutsamer Interessenkonflikt auf Seiten der Klägerin. Prinzipiell sind nicht nur die Interessen des einzelnen Kunden und der Klägerin, sondern auch aller Kunden untereinander gleichgerichtet, nämlich darauf, eine möglichst hohe Befriedigung aller Forderungen zu erhalten (Petrasincu/Unseld, NZKart 2021, 280, 285). Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der einzelne Kunde durch einen Vergleichsschluss, der mehrere an die Klägerin abgetretene Forderungen umfasst, möglicherweise das Risiko übernimmt, dass der auf ihn entfallende Anteil der Vergleichssumme deshalb geringer ausfällt, weil die Klägerin Forderungen mit geringerer Durchsetzungsaussicht gebündelt geltend gemacht hat (Rillig in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46o; BeckOGK RDG/Grunewald, Stand: 31. Dezember 2020, § 4 Rn. 25). Diesem Risiko stehen erhebliche Vorteile einer gebündelten Geltendmachung im Vergleich zu einer jeweils individuellen Anspruchsdurchsetzung gegenüber, etwa die Nutzbarmachung der Gebührendegression bzw. -deckelung, die Streuung des Kostenrisikos einer etwaig vorausgegangenen Beweisaufnahme und eine erhebliche Stärkung der Verhandlungsposition gerade im Hinblick auf einen Vergleichsschluss (Stadler, VuR 2021, 123, 125; Fries, AcP 221 [2021], 108, 119; Krüger/Seegers, BB 2021, 1031, 1033). Das beschriebene Risiko des einzelnen Kunden fällt dagegen umso weniger ins Gewicht, je mehr die Durchsetzungsaussichten der jeweiligen Forderungen in rechtlicher bzw. tatsächlicher Hinsicht übereinstimmen. Verbleibenden Unterschieden hinsichtlich der Durchsetzungsaussichten lässt sich darüber hinaus durch entsprechende Gruppierung der Ansprüche Rechnung tragen (Stadler, JZ 2020, 321, 325 f.; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 28g).

Die streitigen Schadensersatzansprüche hängen davon ab, ob der Beklagte zum Zeitpunkt der einzelnen Flugbuchung gegen seine Insolvenzantragspflicht verstoßen hat und damit zugleich von dem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt der Insolvenzreife der Schuldnerin. Im Hinblick auf die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, also vor allem der Flugbuchung und der Zahlung des Flugpreises, der regelmäßig der Anspruchshöhe entsprechen wird, herrscht zwischen den Beteiligten letztlich kein Streit und ein solcher war angesichts der Beweissituation auch nicht zu erwarten. Wenn sich die Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche damit im Wesentlichen im Hinblick auf das zeitliche Verhältnis von Flugbuchung und Insolvenzreife unterscheiden, lässt sich hieraus im Streitfall bereits deshalb nicht auf einen für § 4 RDG bedeutsamen strukturellen Interessenkonflikt auf Seiten der Klägerin schließen, weil sie nach 1.6 AGB Klägerin nur gleichartige Ansprüche gesammelt geltend machen durfte und bei nicht gleichartigen Ansprüchen nach ihrem Ermessen Gruppen zu bilden waren. Verbleibende Unterschiede der Durchsetzungsaussichten innerhalb etwaig gebildeter Anspruchsgruppen bzw. das Risiko einer möglicherweise fehlerhaften Gewichtung durch die Klägerin bei der Ausübung ihres Ermessens rechtfertigen es jedenfalls nicht, die Nichtigkeit der Inkassodienstleistungsverträge und der daraus folgenden Abtretungen gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 RDG anzunehmen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es, soweit es das Interesse aller Zedenten an einer jeweils bestmöglichen Rechtsverfolgung betrifft, auch unerheblich, dass die Ermächtigung der Klägerin zum Vergleichsschluss keine Beschränkung auf widerrufliche Vergleiche vorsah. An dem beschriebenen prinzipiellen Interessengleichlauf der Klägerin und der Gesamtheit der Zedenten änderte sich hierdurch nichts.

c) Der zuletzt genannte Gesichtspunkt vermag auch im Übrigen keinen Verstoß gegen § 4 RDG zu begründen. Auf Seiten der Klägerin lässt sich dadurch, dass die Vereinbarung mit ihren Kunden in den Inkassodienstleistungsverträgen einerseits die Kostenfreihaltung und eine erfolgsbasierte Vergütung vorsehen, andererseits die Klägerin aber zum Abschluss unwiderruflicher Vergleiche mit den etwaigen Anspruchsgegnern ermächtigt war, kein Interessenkonflikt erkennen, der in entsprechender Anwendung des § 4 RDG zur Nichtigkeit der Forderungsabtretungen an die Klägerin führt.

aa) Zuzugeben ist, dass sich aufgrund eigenen wirtschaftlichen Interesses, das aus der im Streitfall in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Vergütungsvereinbarung folgt, nicht ausschließen lässt, dass die Klägerin verglichen mit den Kunden eher zum Abschluss eines Vergleichs über die jeweilige Einzelforderung geneigt sein könnte. Denn sie trägt aufgrund der Kostenfreihaltungsvereinbarung das volle Kostenrisiko, ist an einem etwaigen Erfolg jedoch nur mit 35 % der Forderungssumme beteiligt, während der Kunde im Verlustfall kein Kostenrisiko trägt. Dies wirkt sich vor allem aus, sobald der auf die Klägerin entfallende Anteil die entstehende Kostenlast deckt. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass bei einer Bündelung einer Vielzahl von Ansprüchen die eigenen Kosten der Klägerin pro Forderung geringer ausfallen dürften, so dass die Klägerin in diesem Fall bereits bei einer geringeren Vergleichssumme eine Kostendeckung wird erreichen können (Morell, JZ 2019, 809, 810 f.). Diese zum Teil unterschiedliche Interessenlage zwischen der Klägerin und den einzelnen Kunden bei der Erbringung ihrer Rechtsdienstleistung betrifft jedoch nicht die für die direkte Anwendung des § 4 RDG im Streitfall maßgeblichen Leistungspflichten, die die Klägerin gegenüber den übrigen Zedenten zu erbringen hat.

bb) Die unterschiedliche Interessenlage zwischen der Klägerin und den einzelnen Kunden bei der Erbringung ihrer Rechtsdienstleistung rechtfertigt keine entsprechende Anwendung des § 4 RDG.

Der Bundesgerichtshof hat zwar nicht ausgeschlossen, dass es Fälle geben kann, in denen zum Schutz des Rechtsverkehrs und der rechtsuchenden Kunden des Inkassodienstleisters eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung des § 4 RDG geboten sein kann, wenn zwar deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, gleichwohl aber eine Interessenkollision besteht. Er hat dies für den seinerzeit zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt aber verneint, da ein entsprechender Interessengegensatz jedenfalls dann nicht besteht, wenn der Inkassodienstleister nach dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich widerrufliche Vergleiche abschließen darf und der Widerruf für den Kunden keine Kostennachteile nach sich zieht (BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, BGHZ 89, 224 Rn. 205 ff., 213).

Daraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass die dargestellte Interessenlage, wie sie sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und der darin vereinbarten Kombination aus erfolgsabhängiger Vergütung und Kostenfreihaltung einerseits und Berechtigung zum Abschluss auch unwiderruflicher Vergleiche andererseits ergibt, stets eine entsprechende Anwendung des § 4 RDG rechtfertigen könnte und damit die Unwirksamkeit der Forderungsabtretungen nach § 134 BGB nach sich zöge (Stadler, JZ 2020, 321, 325; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 28f). Allein die Tatsache, dass auf Seiten des Inkassodienstleistungsunternehmens möglicherweise vom Kunden abweichende Interessen vorhanden sind, bedeutet nicht, dass es diese auch auf Kosten des Kunden verfolgen darf. Im Gegenteil stehen, sofern der Inkassodienstleister zum Nachteil seiner Kunden eigennützig seine Interessen verfolgt, diesen entsprechende Schadensersatzansprüche zu (Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 28f).

Der Kunde, zumal wenn es sich um einen Verbraucher handelt, dürfte zwar ein vertragswidrig eigennütziges Handeln des Inkassodienstleisters oftmals und jedenfalls ohne die Beratung durch einen außenstehenden Dritten kaum erkennen. Gleichwohl hängt das Risiko eines derartigen Verhaltens des Inkassodienstleisters in hohem Maße von den Umständen des Einzelfalls ab, so dass ein struktureller Interessenkonflikt, der es geboten erscheinen ließe, die Abtretung der Kundenforderungen pauschal für nichtig zu erachten, nicht vorliegt. Denn je aussichtsreicher die Forderungsdurchsetzung und je geringer die Kosten einer Prozessfortsetzung sind, umso höher fällt das Interesse an der Gewinnmaximierung des Inkassodienstleisters ins Gewicht, das mit den Interessen des Kunden prinzipiell gleichgerichtet ist (Morell, JZ 2019, 809, 812; Deckenbrock in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 28f; BeckOGK RDG/Grunewald, Stand: 31. Dezember 2020, § 4 Rn. 24; Rillig in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46t). Entsprechendes gilt, wenn die Durchsetzung der Forderungen nicht sehr aussichtsreich erscheint, da dann auch dem Zedenten daran gelegen sein wird, durch einen Vergleichsabschluss überhaupt eine Auszahlung zu erhalten, was wiederum mit dem Interesse des Inkassodienstleisters an Kostenminimierung korrespondiert.

Hinzu kommt, dass der Kunde im Fall der Berechtigung lediglich zum Abschluss eines widerruflichen Vergleichs in gleicher Weise kaum wird überblicken können, ob das vom Inkassodienstleister ausgehandelte Vergleichsergebnis tatsächlich angemessen ist oder nicht. Wenn der Kunde in diesem Fall, zumal angesichts begrenzter Widerrufsfristen, sein Widerrufsrecht im Vertrauen auf die Redlichkeit des Inkassodienstleisters nicht ausübt, verbleibt ihm gegenüber dem unredlichen Inkassodienstleister ebenfalls lediglich die sekundäre Schadensersatzhaftung. In dem einen wie in dem anderen Fall ist die Werthaltigkeit eines solchen Schadensersatzanspruchs durch die zwingende Berufshaftpflichtversicherung des Inkassodienstleisters (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 RDG) gewährleistet. Für eine erweiternde Auslegung oder gar entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 4 RDG besteht im Hinblick auf die dargestellte Interessenlage keine Veranlassung.

III.

Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, mit der es eine Haftung des Beklagten wegen Insolvenzverschleppung verneint, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend hält das Berufungsgericht einen Anspruch der Zedenten gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO in der Fassung des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026; im Folgenden: aF) für gegeben, wenn dieser es als Geschäftsführer der Komplementärin der Schuldnerin trotz Insolvenzreife der Gesellschaft unterlassen hätte, einen Eröffnungsantrag zu stellen, die Zedenten bei dieser Flüge gebucht und bezahlt haben und diese Flüge infolge der Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr durchgeführt wurden. Denn der seine Insolvenzantragspflicht verletzende Geschäftsführer hat einem vertraglichen Neugläubiger den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er infolge des Vertragsschlusses mit der insolvenzreifen Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz dieser noch Geld- oder Sachmittel als Vorleistungen zur Verfügung stellt und dadurch Kredit gewährt, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen, oder er infolge des Vertragsschlusses Aufwendungen erbracht hat (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 113/13, ZIP 2015, 267 Rn. 13, 14 mwN; Urteil vom 19. November 2019 - II ZR 53/18, ZInsO 2020, 373 Rn. 15).

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht, das die Überschuldung der Schuldnerin unterstellt hat, ein Verschulden des Beklagten verneint, weil er subjektiv vom Bestehen einer positiven Fortführungsprognose habe ausgehen können. Soweit sich das Berufungsgericht darauf stützt, dass der Beklagte von einer weiteren Finanzierung durch E.    habe ausgehen können und vor Ende Juli 2017 mit einer Aufkündigung des Engagements nicht zwingend habe insolvenzauslösend rechnen müssen, verkennt es die Anforderungen an eine positive Fortführungsprognose und an die Sorgfaltspflichten eines Geschäftsleiters.

a) Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO aF in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz - FMStG) vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 1982), der auf den vorliegenden Sachverhalt gemäß Art. 103m EGInsO anwendbar ist, liegt trotz rechnerischer eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine positive Fortführungsprognose in subjektiver Hinsicht den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe und in objektiver Hinsicht die sich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept herzuleitende Lebensfähigkeit des Unternehmens voraus. Dem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept muss grundsätzlich ein Ertrags- und Finanzplan zugrunde liegen, der für einen angemessenen Prognosezeitraum aufzustellen ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 13 - Fleischgroßhandel; Beschluss vom 23. Januar 2018 - II ZR 246/15, ZIP 2018, 576 Rn. 23) und aus dem sich ergibt, dass die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 13 - Fleischgroßhandel).

Dem Geschäftsleiter ist bei der Beantwortung der Frage, ob eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann, ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Bei der Prüfung, ob der Geschäftsleiter seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, darf die Vermögenssituation der Gesellschaft nicht aus der Rückschau beurteilt werden, sondern es ist auf die Erkenntnismöglichkeiten eines ordentlichen Geschäftsleiters in der konkreten Situation abzustellen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; Urteil vom 12. Februar 2007 - II ZR 309/05, juris Rn. 16).

b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen seine Annahme nicht, der Beklagte habe im hier fraglichen Zeitraum vom Bestehen einer positiven Fortführungsprognose ausgehen dürfen.

aa) Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Beklagte für eine ausreichende Beurteilungsgrundlage gesorgt hat. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht ersehen, ob der Geschäftsleitung zu den maßgeblichen Zeitpunkten der streitgegenständlichen Flugbuchungen jeweils ein aussagekräftiger Ertrags- und Finanzplan vorlag, der für den gesamten Prognosezeitraum die zu erwartenden Zahlungsströme und damit den zukünftigen Liquiditätsbedarf hinreichend abbildete. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob die Planungsrechnungen, die ab November 2016 und offenbar noch im Frühjahr 2017 erstellt wurden, in den, angesichts der sich nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten zunehmend abzeichnenden Verschlechterung der finanziellen Situation der Schuldnerin, gebotenen kurzen zeitlichen Abständen an die jeweilige Lage angepasst wurden, so dass der Beklagte den Vermögensstand jederzeit im Blick hatte.

bb) Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen zudem seine Auffassung, der Beklagte habe eine positive Fortbestehensprognose im Hinblick auf die Unterstützung der E.   stellen können, nicht.

(1) Die Geschäftsleitung der Komplementärin der Schuldnerin und damit auch der Beklagte verließen sich für eine Ausstattung mit ausreichender Liquidität auf ein in englischer Sprache verfasstes Schreiben des Präsidenten der E.     an die Komplementärin der Schuldnerin vom 28. April 2017 (im Folgenden: Comfort Letter), wonach sinngemäß auf der Grundlage der mitgeteilten Vorausberechnungen bis zum 31. Dezember 2018 die Intention bestätigt wurde, der Schuldnerin die notwendige Unterstützung für die vorhersehbare Zukunft, jedenfalls aber für 18 Monate ab dem 28. April 2017 zu geben, damit die fälligen finanziellen Verpflichtungen erfüllt werden könnten.

Handelt es sich bei dem Comfort Letter, wie der Beklagte meint, um eine harte Patronatserklärung, war die Schuldnerin rechnerisch schon nicht überschuldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Patronatserklärung, in der sich eine Patronin gegenüber einer Tochtergesellschaft rechtsverbindlich verpflichtet, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finanziellen Verbindlichkeiten zu genügen (BGH, Urteil vom 20. September 2010 - II ZR 296/08, BGHZ 187, 69 Rn. 17 - STAR 21; Urteil vom 19. Mai 2011 - IX ZR 9/10, ZIP 2011, 1111 Rn. 17, 21), die insolvenzrechtliche Überschuldung vermeiden (BGH, Urteil vom 20. September 2010 - II ZR 296/08, BGHZ 187, 69 Rn. 18 - STAR 21).

Da das Berufungsgericht zur Auslegung des Comfort Letter keine Feststellungen getroffen hat, ist für das Revisionsverfahren jedoch davon auszugehen, dass der Comfort Letter lediglich eine weiche Patronatserklärung beinhaltete, die keinen rechtsgeschäftlichen Charakter hatte und keine Verbindlichkeit der Zusage des Patrons begründete (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - IX ZR 9/10, ZIP 2011, 1111 Rn. 17). Mangels in der Überschuldungsbilanz aktivierbarer Forderung kommt eine weiche Patronatserklärung als Mittel zur Vermeidung der rechnerischen Überschuldung nicht in Betracht (Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 19 Rn. 111; Förschle/Heinz in Deubert/Förschle/Störk, Sonderbilanzen, 6. Aufl., Kap. Q Rn. 130; Bitter, ZHR 181 [2017], 428, 440; Frystatzki, NZI 2013, 161, 164 f.; Haußer/Heeg, ZIP 2010, 1427, 1430).

(2) Eine positive Fortbestehensprognose der Schuldnerin kann nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auf den Comfort Letter vom 28. April 2017 gestützt werden.

(aa) Trotz Fehlens eines rechtlich verbindlichen Ausstattungsanspruchs ist eine weiche Patronatserklärung ein Umstand, dem im Rahmen der Beurteilung, ob gleichwohl die Fortführung des Unternehmens noch überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 InsO aF), Bedeutung zukommen und der nicht außer Betracht bleiben kann, wenn es darum geht, ob die Geschäftsleitung sich noch innerhalb des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten hat. Eine positive Fortführungsprognose im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 InsO aF scheidet nicht bereits deshalb aus, weil die Aufrechterhaltung der Liquidität der Gesellschaft von der Zurverfügungstellung ausreichender finanzieller Mittel durch Dritte, etwa einem Gesellschafter, abhängt, auf die die Gesellschaft (noch) keinen rechtlich verbindlichen Anspruch hat.

Entgegen einer unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Köln (ZIP 2009, 808, 810) im Schrifttum vertretenen Ansicht (Sikora, ZInsO 2010, 1761, 1770 f.; Bremen in Graf-Schlicker, InsO, 5. Aufl., § 19 Rn. 16; HK-InsO/ Laroche, 10. Aufl., § 19 Rn. 10; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: August 2010, § 19 Rn. 44; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., Anh. zu § 92 Rn. 14; bei Eigenkapitalfinanzierungsbeiträgen auch Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 19 Rn. 222; Henkel in Vallender/Undritz, Praxis des Insolvenzrechts, 2. Aufl., § 4 Rn. 156) setzt die Berücksichtigung etwaiger Finanzierungsbeiträge Dritter im Rahmen der der Fortbestehensprognose zugrundeliegenden Ertrags- und Finanzplanung nicht zwingend voraus, dass diese rechtlich gesichert sind bzw. eine rechtsverbindliche Zusicherung gegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn damit ausgedrückt werden soll, es müsse ein Rechtsanspruch (§ 194 Abs. 1 BGB) bestehen.

Vielmehr kommt es, wenn die Finanzierung der Sanierung einer in der Krise befindlichen Gesellschaft von den Sanierungsbeiträgen Dritter abhängt, darauf an, ob mit diesen und damit dem Gelingen der Sanierung insgesamt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden kann (Ackermann/Haßlinger/Kraus, DB 2019, 2697 f.; Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166, 172 f.; Andersch/Philipp, NZI 2017, 782 f.; Ehlers, NZI 2011, 161, 166; Fischer, NZI 2016, 665, 672; Goette, DStR 2016, 1752, 1756; Haarmann/Vorwerk, BB 2015, 1603, 1610; Morgen/Rathje, ZIP 2018, 1955, 1961; Pickerill, NZG 2018, 609, 614 ff.; Thole, ZInsO 2019, 1622 f.; Balthasar in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl., Rn. 33.35; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., Anh. zu § 64 Rn. 35; Gehrlein in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., Vorbem. zu § 64 Rn. 27; Scholz/Bitter, GmbHG, 12. Aufl., Vorbem. zu § 64 Rn. 61 f.; Schmidt-Hern in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG, 3. Aufl., § 17 Rn. 31; MünchKommAktG/Spindler, 5. Aufl., § 92 Rn. 70; Schröder in Hamburger Kommentar zur InsO, 7. Aufl., § 19 Rn. 23; Kuleisa in Schmidt, Sanierungsrecht, 2. Aufl., § 19 Rn. 23a; Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsfähigkeitsprognose im Insolvenzverfahren, 3. Aufl., Rn. 324; Josephs in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 4. Aufl., § 19 Rn. 18). Die einer Fortbestehensprognose zugrundeliegende Ertrags- und Finanzplanung bildet zukünftige Zahlungsströme ab, über deren Eintritt oder Ausfall lediglich eine mit Unsicherheiten behaftete Vorhersage möglich ist. Das Bestehen eines Rechtsanspruchs führt zwar regelmäßig dazu, dass der entsprechende Mittelzufluss ohne Weiteres in der Liquiditätsplanung Eingang finden kann. Allein maßgeblich ist dieser Gesichtspunkt jedoch nicht, wie sich nicht zuletzt darin zeigt, dass etwaige Erträge aus der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ebenso in der Finanzplanung angesetzt werden können, obgleich auf diese ebenfalls kein Rechtsanspruch besteht (vgl. Nickert in Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung im Insolvenzverfahren, 3. Aufl., Rn. 324).

(bb) Geht es darum, ob sich bei einer bereits in der Krise befindlichen Gesellschaft aufgrund der Ertrags- und Finanzplanung abzeichnende Liquiditätslücken nur schließen lassen, wenn man eine Mittelzufuhr durch einen Patron unterstellt, die dieser lediglich im Rahmen einer weichen Patronatserklärung zugesagt hat und auf die demgemäß kein Rechtsanspruch besteht, sind dem Beurteilungsspielraum der Geschäftsleitung vor dem Hintergrund der Interessen der Gläubiger der Gesellschaft allerdings enge Grenzen gesetzt.

Während im Falle einer harten internen Patronatserklärung der dem Tochterunternehmen gegen den Patron zustehende Ausstattungsanspruch in die Insolvenzmasse fällt (vgl. K. Schmidt in K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 19 Rn. 42; Raeschke-Kessler/Christopeit, NZG 2010, 1361, 1364), ist dies bei der weichen Patronatserklärung gerade nicht der Fall. Ließe man zu, dass ein Tochterunternehmen eine positive Fortbestehensprognose ohne Weiteres auf eine solche Patronatserklärung stützen könnte, eröffnete man dem Mutterunternehmen die Möglichkeit, in der Krise ihrer Tochtergesellschaft die Insolvenz der Tochter auf Kosten der übrigen Gläubiger zu verzögern, ohne ein zusätzliches eigenes Haftungsrisiko übernehmen zu müssen. Deshalb wird das aus einer lediglich weichen Patronatserklärung folgende unverbindliche Versprechen des Patrons, die Tochter mit ausreichender Liquidität zu versorgen, nur in Ausnahmefällen in der Ertrags- und Finanzplanung Berücksichtigung finden können. Dies gilt insbesondere, wenn sich für die Gesellschaft bereits abzeichnet, dass die Liquidität im Prognosezeitraum ohne eine Finanzierungsmaßnahme eines Gesellschafters nicht sichergestellt und dieser Gesellschafter nicht mehr bereit ist, den erforderlichen Finanzbedarf unter Inkaufnahme eines Verlustrisikos im Falle der Insolvenzeröffnung zu decken, etwa indem er für zusätzliches Eigenkapital, nachrangiges Fremdkapital oder eine harte Patronatserklärung sorgt. In diesem Fall sind erhebliche Zweifel an einem weiteren Mittelzufluss angezeigt. In Rechnung zu stellen ist, dass der Patron möglicherweise lediglich erreichen will, die Liquiditätsausstattung der Tochter jederzeit einstellen zu können, ohne das Risiko einer weiteren Inanspruchnahme fürchten zu müssen.

Unter solchen Umständen kann ein ordentlicher Geschäftsleiter in aller Regel nicht zu dem Ergebnis kommen, dass der Patron seiner nicht rechtsverbindlichen Ausstattungszusage während des gesamten Prognosezeitraums mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit tatsächlich nachkommen wird. In seiner Liquiditätsplanung haben die entsprechenden Mittel außer Betracht zu bleiben. Außergewöhnliche Umstände, die im Ausnahmefall eine abweichende Beurteilung rechtfertigen mögen, etwa, weil der Patron mit der Ausstattung der Gesellschaft ganz überwiegend keine Gewinnerzielung anstrebt und aus übergeordneten Gründen zur Übernahme von Verlusten bereit bzw. etwa im Bereich der Daseinsvorsorge verpflichtet ist, sind vom Geschäftsleiter substantiiert darzulegen und zu beweisen. Dafür genügt der Hinweis darauf, dass der Patron in der Vergangenheit finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt hat, mögen diese auch erheblich gewesen sein, für sich genommen nicht (aA Pickerill, NZG 2018, 609, 616; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., Vorbem. vor § 64 Rn. 40d).

(cc) Nach diesen Maßstäben kann eine positive Fortbestehensprognose für die Schuldnerin auf den Comfort Letter vom 28. April 2017, sofern dieser lediglich als weiche Patronatserklärung anzusehen ist, aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gestützt werden.

Auch wenn E.    bereits zuvor der Zahlungsunfähigkeit durch eine entsprechende Kapitalzufuhr entgegentreten sein und ein strategisches wirtschaftliches Interesse an der Zusammenarbeit mit der Schuldnerin bestanden haben mag, lässt sich hieraus nicht folgern, sie werde auch zukünftig jedwede Liquiditätslücke schließen. Dazu, wie hoch der nicht gedeckte Liquiditätsbedarf für den Prognosezeitraum zum Zeitpunkt der mit E.    Ende April 2017 vereinbarten Maßnahmen war und in welchem Umfang er sich im weiteren Verlauf bis Juli 2017 vergrößert hat, ist dem Berufungsurteil nichts zu entnehmen. Demgemäß lässt sich auch nicht einordnen, ob und wenn ja in welcher Höhe der Comfort Letter einen etwaigen Bedarf decken sollte, der über die Finanzierungsvereinbarung mit einem Volumen von 350 Mio. €, auf die das Berufungsgericht wesentlich abstellt, hinausging und warum in dieser Situation E.    lediglich zur Abgabe einer - unterstellt - weichen Patronatserklärung bereit war.

Hinzu kommt, dass, selbst die genannte Finanzierungsvereinbarung eine weitreichende, letztlich von der Einschätzung der wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin abhängige Kündigungsmöglichkeit für E.   vorsah. Das musste es zusätzlich zweifelhaft erscheinen lassen, dass E.  , auch ohne rechtlich hierzu verpflichtet zu sein, bereit war, jeglichen neu innerhalb des Prognosezeitraums auftretenden Finanzierungsbedarf bei der Schuldnerin zu decken. Soweit das Berufungsgericht auf die bestätigende Abänderung der Finanzierungsvereinbarung am 20. Juli 2017 abstellt und meint, es sei nicht erkennbar, dass der Beklagte vor Ende Juli mit einer Aufkündigung des Engagements zwingend insolvenzauslösend habe rechnen müssen, fehlt es schon an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im hier streitgegenständlichen Zeitraum von Ende April bis Juli 2017 maßgeblich verändert hatten und ob sowohl der Beklagte als auch E.   hiervon vollumfänglich Kenntnis hatten. Die Geschäftsleitung hat nicht nur einmalig eine Fortbestehensprognose aufzustellen, sondern die positive Fortbestehensprognose auch laufend zu überwachen (Riegger/Spahlinger, FS Wellensiek, 2011, S. 119, 123). Unabhängig davon hilft die Bestätigung einer nach wie vor praktisch jederzeit kündbaren Finanzierungsvereinbarung ohnehin nicht über die bestehenden Zweifel daran hinweg, ob der Patron seiner darüberhinausgehenden freiwilligen Finanzierungszusage uneingeschränkt nachkommen würde.

c) Die Haftung des Beklagten entfällt auch nicht wegen fehlenden Verschuldens. Liegt insolvenzrechtliche Überschuldung vor, haftet der deshalb zum Antrag Verpflichtete nicht, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass ihn an der verspäteten Antragsstellung kein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 15; Urteil vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 13; Urteil vom 14. Mai 2012 - II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 11 mwN).

Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, ein Verschulden des Beklagten könne nicht festgestellt werden. Feststellungen, nach denen die Verschuldensvermutung zu Lasten des Beklagten als widerlegt angesehen werden könnte, hat das Berufungsgericht indes keine getroffen. Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, dass auch der Abschlussprüfer bei seinem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ausgegangen sei, kann das den Beklagten nicht entschuldigen. Aus einer positiven Fortführungsprognose im Sinn des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB lassen sich bereits im Hinblick auf die bilanzrechtliche Fortführungsvermutung und den regelmäßig geringeren Prognosezeitraum keine zwingenden Schlüsse auf eine positive Fortbestehensprognose im Sinn des § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 InsO aF ziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 Rn. 26 f.; Gehrlein, WM 2018, 1 ff.; Groß/Amen, DB 2005, 1861 ff.).

IV. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht wird, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien und weiteren Feststellungen, unter Beachtung der Ausführungen des Senats erneut zu prüfen haben, ob der Beklagte die Insolvenzantragspflicht schuldhaft verletzt hat.

Drescher

Born

B. Grüneberg

V. Sander

von Selle

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27/11/2023 21:58

Die höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat Klarheit darüber gebracht, ob ein sogenanntes Sammelklage-Inkasso im Kontext der Air Berlin-Insolvenz zulässig ist. Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
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