Bundesgerichtshof Urteil, 05. März 2007 - II ZR 282/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist gemeinsam mit den Beklagten zu 2 bis 4 Kommanditistin der Beklagten zu 1; Komplementärin ist die - nicht als Partei am Rechtsstreit beteiligte - R. GmbH, die keinen eigenen Kapitalanteil an der Beklagten zu 1 hält.
- 2
- Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses, der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1 vom 18. Juli 2003 gegen die Stimmen der Klägerin gefasst wurde. Danach sollen die Kommanditisten entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftskapital den im Geschäftsjahr 2002 festgestellten Jahresfehlbetrag von ca. 2,3 Mio. € zum 15. August 2003 einzahlen. Auf die Klägerin entfällt ein Betrag in Höhe von ca. 300.000,00 €.
- 3
- Nach dem Gesellschaftsvertrag können die als Festkonten geführten Kapitalkonten der Kommanditisten durch mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss erhöht werden. Ein der Erhöhung nicht zustimmender Gesellschafter kann sich, muss sich aber nicht an der gegen seine Stimme beschlossenen Erhöhung beteiligen (§ 4 des Gesellschaftsvertrages, künftig: GV). In § 15 GV ("Protokollierung der Beschlüsse") heißt es in Absatz 2: "… Die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen muss innerhalb eines Monats nach Empfang des Protokolls durch Klageerhebung geltend gemacht werden."
- 4
- § 16 Abs. 2 GV bestimmt, dass durch Verluste der Gesellschaft keine Nachschussverpflichtung der Gesellschafter entsteht. Die Gesellschafterversammlung beschließt prinzipiell, auch hinsichtlich Änderungen des Gesellschaftsvertrages , mit einfacher Mehrheit (§ 23 GV).
- 5
- Die Klägerin hat innerhalb der in § 15 Abs. 2 GV genannten Frist zunächst Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Nichtigerklärung des Beschlusses vom 18. Juli 2003 gegen die Gesellschaft sowie ihre Mitkommanditisten erhoben und später dann auch noch die Komplementärin verklagt. Der hinsichtlich der Komplementärin vom Landgericht abgetrennte Rechtsstreit ist vor Erlass des angefochtenen Urteils rechtskräftig zu Lasten der Klägerin beendet worden, indem diese ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil nach Erteilung eines auf § 522 ZPO gestützten Hinweises des 23. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin zurückgenommen hat.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist begründet. Der Gesellschafterbeschluss vom 18. Juli 2003 ist gegenüber der Klägerin unwirksam.
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, der Beschluss über die Nachschusspflicht sei nicht wirksam gefasst worden. Mangels eindeutiger gesellschaftsvertraglicher Regelung hätte der Beschluss nicht - wie geschehen - mit einfacher Mehrheit, sondern nur einstimmig gefasst werden können. Die Klägerin habe den Beschluss aber nicht wirksam angegriffen. Sie habe die einmonatige Anfechtungsfrist nach § 15 Abs. 2 Satz 3 GV versäumt, weil sie nicht binnen der genannten Frist sämtliche Mitgesellschafter verklagt habe. Das sei notwendig gewesen, weil ungeachtet der Anordnung, dass Beschlussmängel binnen eines Monats auf dem Wege der Klage geltend zu machen seien, das personengesellschaftsrechtliche Überprüfungssystem solcher Mängel nicht durch das kapitalgesellschaftsrechtliche ersetzt worden sei.
- 9
- Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- II. Das Berufungsgericht hat grundlegend verkannt, dass die von ihm zutreffend beurteilte Unwirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses von § 15 Abs. 2 GV nicht erfasst wird (1). Die Klägerin kann die Unwirksamkeit im Wege der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO sowohl gegenüber ihren Mitgesellschaftern als auch gegenüber der Gesellschaft geltend machen (2).
- 11
- 1. a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (s. zuletzt Sen.Urt. v. 14. Juli 2005 - II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455 ff.; v. 23. Januar 2006 - II ZR 306/04, ZIP 2006, 562 f. und - II ZR 126/04, ZIP 2006, 754 ff.) davon aus, dass der Beschluss über die Nachschussverpflichtung der Klägerin gegenüber unwirksam und der nach § 4 GV mögliche Weg der Kapitalerhöhung nicht beschritten worden ist.
- 12
- Für den in § 4 GV genannten Fall haben die Verfasser des Gesellschaftsvertrages richtig erkannt, dass das mitgliedschaftliche Grundrecht (Wiedemann , GesR Bd. I S. 357 f., 393 f.), nicht ohne eigene Zustimmung mit zusätzlichen Beitragspflichten belastet zu werden, wie es in § 707 BGB, § 53 Abs. 3 GmbHG und § 180 AktG niedergelegt ist, Beachtung finden muss. Dem tragen die Regeln über die ausschließlich freiwillige Beteiligung an einer vorher von dem betroffenen Gesellschafter abgelehnten Erhöhung Rechnung.
- 13
- Der Gesellschaftsvertrag enthält im Übrigen keine Bestimmung, derzufolge auf anderem Weg als dem in § 4 GV vorgesehenen über die eigentliche Einlageschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden konnten.
- 14
- b) Die Klägerin war auch, anders als die Revisionsbeklagten meinen, nicht aus gesellschafterlicher Treuepflicht - im Hinblick auf die behauptete Existenzgefährdung der Beklagten zu 1 bei Nichtleistung von Nachschüssen - zur Zustimmung verpflichtet mit der Folge, dass ihre fehlende Zustimmung unbeachtlich , der Beschluss mithin als wirksam zu behandeln wäre (s. dazu Goette in Ebenroth/Joost/Boujong, HGB § 119 Rdn. 26 f. m.w.Nachw.). Zwar kann die gesellschafterliche Treuepflicht in Ausnahmefällen eine Zustimmung der Gesellschafter zu einer Beitragserhöhung gebieten. An diese Verpflichtung sind jedoch besonders hohe Anforderungen zu stellen, da ein Gesellschafter grundsätzlich nicht zu neuen Vermögensopfern gezwungen werden kann (st.Rspr., s. zuletzt Sen.Urt. v. 23. Januar 2006 - II ZR 126/04 aaO Tz. 23 f. m.w.Nachw.). Hier scheidet eine Treuepflichtverletzung der Klägerin bereits deshalb aus, weil § 4 GV den Gesellschaftern die Möglichkeit der Beseitigung der Existenzgefährdung unter Beachtung von § 707 BGB eröffnet.
- 15
- c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts führt die Nichtbeachtung der Frist des § 15 Abs. 2 Satz 3 GV nicht dazu, dass die Klägerin den ihr gegenüber unwirksamen Beschluss gegen sich gelten lassen muss. Die fehlende Zustimmung wird verfahrensrechtlich nicht von § 15 Abs. 2 GV erfasst. Dort sind allein Beschlussmängel geregelt, die - nach dem üblichen Sprachgebrauch des Kapitalgesellschaftsrechts - Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe darstellen. Bei der nach § 707 BGB (und den oben genannten Parallelvorschriften) erforderlichen, hier fehlenden Zustimmung der Klägerin handelt es sich aber nicht um solche Gründe, auch wenn die Klägerin das in ihrem Klageantrag missverständlich formuliert hat. Vielmehr stellt die fehlende Zustimmung für eine Beitragserhöhung eine dritte Kategorie von Mängeln eines Beschlusses dar, die auch dann selbständige Bedeutung behält, wenn der gefasste Beschluss weder anfechtbar noch nichtig ist oder wenn die Anfechtungsfrist abgelaufen ist. Ohne Zustimmung des Betroffenen ist auch der nicht (mehr) anfechtbare und nicht nichtige Beschluss - ihm gegenüber - unwirksam (so zutreffend zu den Parallelvorschriften u.a. Scholz/Priester, GmbHG 9. Aufl. § 53 Rdn. 96; Zimmermann in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 53 Rdn. 56; Baumbach /Hueck/Zöllner, GmbHG 18. Aufl. § 53 Rdn. 83; MünchKommAktG/Stein 2. Aufl. § 180 Rdn. 35; MünchKommAktG/Hüffer aaO § 241 Rdn. 17 f.; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 180 Rdn. 8 f. jew. m.w.Nachw.).
- 16
- 2. Die Klägerin kann die ihr gegenüber bestehende Unwirksamkeit des Beschlusses - wie geschehen - durch die allgemeine, nicht fristgebundene Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO geltend machen (ebenso zu § 180 AktG MünchKommAktG/Hüffer aaO Rdn. 19). Es geht - anders als das Berufungsgericht meint - weder um das Problem der Adaption des kapitalgesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrechts noch um die Wahrung irgendwelcher Fristen noch um die Frage, ob Beschlussmängel nur einheitlich gegenüber sämtlichen Gesellschaftern klageweise geltend gemacht werden dürfen, sondern allein darum, dass die Klägerin, wie die Auslegung ihres Antrags ohne weiteres ergibt , festgestellt wissen will, dass sie nicht zugestimmt hat und ohne diese Zustimmung ein Zahlungsanspruch gegen sie nicht besteht.
- 17
- Einen Anspruch darauf, dies festgestellt zu bekommen, hat die Klägerin nicht nur gegenüber den Mitgesellschaftern - und zwar gegenüber jedem einzelnen -, sondern gerade auch gegenüber der Gesellschaft selbst. In beiden Fällen ist das allein erforderliche Feststellungsinteresse an dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses gegeben (s. zu einer vergleichbaren Interessenlage Sen.Urt. v. 23. Oktober 2006 - II ZR 162/05, ZIP 2006, 2267 ff., Tz. 8). Würde die Gesellschaft aufgrund des von ihr für wirksam gehaltenen Beschlusses gegen die Klägerin vorgehen und Zahlung verlangen, könnte diese selbstverständlich einwenden, dass sie wegen ihrer mangelnden Zustimmung und der daraus ihr gegenüber folgenden Unwirksamkeit des Beschlusses nicht zur Zahlung verpflichtet ist (ebenso zu § 180 AktG MünchKommAktG/Hüffer aaO Rdn. 19). Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesellschafter, der den Beschluss mangels Vorliegens seiner erforderlichen Zustimmung für unwirksam hält, soll abwarten müssen, bis er von der Gesellschaft auf Zahlung in Anspruch genommen wird und nicht bereits vorher gerichtlich soll klären dürfen, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet ist.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 04.12.2003 - 104 O 153/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 09.09.2005 - 14 U 25/04 -
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Annotations
Zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage ist ein Gesellschafter nicht verpflichtet.
(1) Für die von den Gesellschaftern zu fassenden Beschlüsse bedarf es der Zustimmung aller zur Mitwirkung bei der Beschlußfassung berufenen Gesellschafter.
(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage ist ein Gesellschafter nicht verpflichtet.
(1) Eine Abänderung des Gesellschaftsvertrags kann nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen.
(2) Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen. Der Gesellschaftsvertrag kann noch andere Erfordernisse aufstellen.
(3) Der Beschluss muss notariell beurkundet werden. Erfolgt die Beschlussfassung einstimmig, so ist § 2 Absatz 3 Satz 1, 3 und 4 entsprechend anzuwenden.
(4) Eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen kann nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden.
(1) Für die von den Gesellschaftern zu fassenden Beschlüsse bedarf es der Zustimmung aller zur Mitwirkung bei der Beschlußfassung berufenen Gesellschafter.
(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.
Zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage ist ein Gesellschafter nicht verpflichtet.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.