Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2007 - 5 StR 37/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe sowie der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft – diese beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch und in der Aussetzungsfrage vom Generalbundesanwalt vertreten – bleiben ohne Erfolg.
I.
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- Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
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- Der Angeklagte hat es sich zur Aufgabe gemacht, Straftäter nicht ungestraft davonkommen zu lassen. In einem Selbstbedienungsladen vermutete er am 16. Juni 2005, dass eine Kundin, die Geschädigte, drogensüchtig sei und einen Ladendiebstahl begehen würde. Deshalb folgte er ihr, die alsbald eine Packung Rasierklingen entwendete oder zu entwenden versuchte. Der Angeklagte informierte hiervon eine Verkäuferin und forderte sie auf, sofort die Ladentür zu verschließen. Als die Geschädigte nunmehr schnellen Schrittes das Geschäft verlassen wollte, ergriff der Angeklagte sie und zog sie, als sie versuchte, sich ihm zu entreißen und zu flüchten, im Würgegriff zurück in das Geschäft, wobei er einen Arm um ihren Hals legte und sie auf diese Weise hinter sich herzog. Hierbei wurden mehrere Warenständer umgestoßen. Nachdem es der Geschädigten gelungen war, sich dem Angeklagten zu entwinden, verfolgte er sie in eine nahe gelegene Bäckerei. Dort drängte der Angeklagte die Geschädigte in einen Hinterraum und brachte sie bäuchlings zu Boden. Sodann fixierte er die laut um Hilfe rufende, von Panik erfasste Geschädigte, indem er ihr ein Knie in den Rücken drückte und ihr gleichzeitig einen Arm im Würgegriff um den Hals legte und ihren Kopf auf diese Weise fest nach oben zog, während er mit der anderen Hand telefonisch die Polizei benachrichtigte. Er versuchte, der Geschädigten einen unbekannt gebliebenen Gegenstand als Knebel in den Mund zu schieben, um sie am Schreien zu hindern. Die Geschädigte erlitt Schmerzen und Würgemale am Hals. Der wiederholten Aufforderung einer Bäckereiverkäuferin, die Geschädigte sofort loszulassen, kam der Angeklagte nicht nach. Erst einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes des Selbstbedienungsladens gelang es, den Angeklagten dazu zu bewegen, die Geschädigte loszulassen. Der Angeklagte hielt sein Handeln für gerechtfertigt. Er war der Auffassung, dass er auch zum Einsatz stärkerer Körpergewalt im Rahmen seiner Festnahme- handlung berechtigt sei, da die Geschädigte sich durch Flucht immer wieder ihm zu entziehen versuchte.
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- Der Angeklagte leidet an einer ausgeprägten paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.0). Er ist fünfmal vorbestraft.
II.
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- Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
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- Zutreffend hat das Landgericht in der Tat des Angeklagten – angesichts des Würgegriffs, des festen rückwärtigen Hochziehens des Kopfes und des Knebelungsversuchs gegen das bäuchlings am Boden liegende, dort mit Kniedruck in den Rücken fixierte Opfer – eine gefährliche Körperverletzung in der Form einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gefunden. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht eine etwaige Rechtfertigung des Verhaltens des Angeklagten durch das Recht zur vorläufigen Festnahme aus § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO ausgeschlossen. Das auch in diesem Zusammenhang geltende Verhältnismäßigkeitsprinzip verbietet es regelmäßig – jedenfalls bei Straftaten von geringem Gewicht –, zur Fluchtverhinderung Handlungen vorzunehmen, die zu einer ernsthaften Gesundheitsbeschädigung oder zu einer unmittelbaren Lebensgefährdung führen (BGHSt 45, 378, 381; Boujong in KK 5. Aufl. § 127 Rdn. 19; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 127 Rdn. 19; MeyerGoßner , StPO 50. Aufl. § 127 Rdn. 14; jeweils m.w.N.).
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- Dass ein Irrtum des Angeklagten über die Rechtswidrigkeit der Tat jedenfalls vermeidbar war (§ 17 StGB), hat das Landgericht rechtsfehlerfrei begründet. Dabei hat es auf die vorangegangenen Strafverfahren, namentlich auf die Verurteilung durch das Landgericht Berlin vom 3. März 2003 wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf der hiesigen Tatkonstellation ähnlichen Fällen abgestellt und hervorgehoben, dass dem Angeklagten durch die- ses Urteil die Grenzen des Festnahmerechts aus § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO eindringlich vor Augen geführt worden sind.
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- Zum anderen hat das Landgericht die weitere Möglichkeit eines Verbotsirrtums , nämlich die Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB (vgl. BGHSt 40, 341, 349), ausgeschlossen. So hat es ausgeführt, dass die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten „auch nicht durch seine Krankheit begrenzt oder ausgeschlossen“ war; vielmehr habe die diagnostizierte schwere Persönlichkeitsstörung „lediglich eine erhebliche Verminderung der Fähigkeit, nach der gewonnenen Einsicht zu handeln“, bewirkt. Eine völlige Ausschließung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wegen seiner Erkrankung hat das Landgericht ohne Rechtsfehler verneint.
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- Die Strafzumessung ist im Ergebnis angesichts der einschlägigen Vorverurteilungen beanstandungsfrei.
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- Schließlich hat das Landgericht ohne Rechtsfehler alle Voraussetzungen einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB als gegeben befunden. So hat es die mit dem psychiatrischen Sachverständigen festgestellte ausgeprägte paranoide Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.0) angesichts ihres Ausmaßes als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB bewertet und ist zu der prognostischen Beurteilung gelangt, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei hat das Landgericht, namentlich auf die nicht unerheblichen Gefahren für die Gesundheit der Geschädigten früherer Taten des Angeklagten abstellend, auch dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung getragen.
III.
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- Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ebenfalls erfolglos.
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- 1. Das gilt insbesondere auch, soweit sich das Rechtsmittel gegen die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung richtet. Das Landgericht hat den ihm innerhalb des § 56 StGB gegebenen weiten Beurteilungsspielraum (BGH, Urteil vom 23. Mai 2007 – 5 StR 97/07; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 56 Rdn. 11, 25), der gleichermaßen für die Entscheidung nach § 67b StGB gilt, nicht überschritten. Das Landgericht hat die Aussetzungsentscheidungen auf der Grundlage übereinstimmender vertretbarer Erwägungen getroffen (UA S. 20, 22 f.).
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- a) Dabei hat das Landgericht die Gesichtspunkte, die einer günstigen Prognose widerstreiten können, ausweislich der hierzu getroffenen Urteilsfeststellungen und ihrer Verwertung für die Gefährlichkeitsprognose nicht etwa vernachlässigt: Der Angeklagte ist – neben zweier Verfahrenseinstellungen wegen Schuldunfähigkeit – fünfmal verurteilt worden. Insbesondere ist er durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2003 wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen, in einem Fall tateinheitlich begangen mit Freiheitsberaubung und fahrlässiger Körperverletzung, sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten mit Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt worden. Diesen fünf Fällen der gefährlichen Körperverletzung ist gemein, dass der Angeklagte gegen Verkäufer unversteuerter Zigaretten unter Überschreitung seiner Rechte aus § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO intensiv von Pfefferspray und in einem Fall gravierend von Handschellen Gebrauch machte. Zumindest auch zweien der anderen genannten Verurteilungen liegt die Verfolgung vermeintlicher Straftäter oder die Verwendung von Reizgas zugrunde. Bei Begehung der hier abgeurteilten Tat vom 16. Juni 2005 stand der Angeklagte deshalb unter Bewährung. Bislang besteht keine Krankheitseinsicht des Angeklagten.
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- b) In Erkenntnis aller dieser Umstände hat sich das Landgericht gleichwohl zu der für die Aussetzung erforderlichen positiven Prognose durchgerungen. Es hat dabei maßgeblich auf die Erkenntnis abgestellt, dass „der Angeklagte durch sein Verhalten in den letzten Jahren auch gezeigt (habe ), dass er durchaus in der Lage (sei), sich an Regularien zu halten“ (UA S. 22). So habe er trotz fehlender entsprechender Unrechtseinsicht bei seinen Festnahmeaktionen nunmehr auf den ihm ausdrücklich verwehrten Einsatz von Pfefferspray verzichtet. Er habe auch die weiteren Bewährungsweisungen zunächst eingehalten. Hiervon ausgehend hat das Landgericht auf die Wirkkraft erneuter Bewährungsweisungen (§ 67b Abs. 2, §§ 68b, 56c, 56d StGB) vertraut. Neben erneuten Behandlungsweisungen und der Unterstellung unter einen Bewährungshelfer hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr zulässigerweise ferner angewiesen, zukünftig jegliche Festnahmehandlung (§ 127 StPO) zu unterlassen.
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- Angesichts der bislang partiell bewiesenen Einbindungsfähigkeit des Angeklagten, der gerade selbst auf Regelverstöße anderer besonders empfindlich reagiert, und der ihm unmissverständlich klar gemachten letzten Bewährungschance durfte das Landgericht ohne Überschreitung des ihm zugebilligten weiten Beurteilungsspielraums die für eine Aussetzung von Strafe und Maßregel erforderliche positive Prognose noch einmal bejahen. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte bei erneuter einschlägiger Straffälligkeit mit solchem Regelverstoß bewusst schwerste Sanktionierung riskieren würde, da ihm ein dann sicher zu erwartender Widerruf der Aussetzungen des Vollzugs der zuletzt verhängten und der hier verhängten Strafe und insbesondere des zeitlich nicht fest begrenzten Maßregelvollzugs deutlich vor Augen geführt wurde.
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- 2. Auch darüber hinaus birgt das Urteil keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten.
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(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.
(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.
(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.
(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.
(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,
- 1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen, - 2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, - 3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, - 4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann, - 5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen, - 6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann, - 7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden, - 8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden, - 9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden, - 10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, - 11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder - 12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
- 1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist, - 2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde, - 3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und - 4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.
(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.
(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.
(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,
- 1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen, - 2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden, - 3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, - 4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder - 5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.
(3) Die Weisung,
- 1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder - 2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.
(1) Das Gericht unterstellt die verurteilte Person für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers, wenn dies angezeigt ist, um sie von Straftaten abzuhalten.
(2) Eine Weisung nach Absatz 1 erteilt das Gericht in der Regel, wenn es eine Freiheitsstrafe von mehr als neun Monaten aussetzt und die verurteilte Person noch nicht 27 Jahre alt ist.
(3) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer steht der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Sie oder er überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sowie der Anerbieten und Zusagen und berichtet über die Lebensführung der verurteilten Person in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen teilt die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer dem Gericht mit.
(4) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer wird vom Gericht bestellt. Es kann der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer für die Tätigkeit nach Absatz 3 Anweisungen erteilen.
(5) Die Tätigkeit der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers wird haupt- oder ehrenamtlich ausgeübt.
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.
(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.