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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 324/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Richterin
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 4. Mai 2007 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zusätzlich wegen tateinheitlicher Beihilfe zur unerlaubten Einreise verurteilt ist.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen unerlaubter Einreise nach Ausweisung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Ausweisung“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und unter Einbeziehung von vier anderweitig verhängter Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten – nach Auflösung der diese verbindenden Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren – auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt. Die Revision der Staatsanwaltschaft erstrebt mit der Sachrüge eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Todes einer zur gleichen Zeit illegal eingereisten Ausländerin. Das Rechtsmittel erzielt in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts lediglich die aus dem Urteilstenor ersichtliche geringfügige Schuldspruchkorrektur.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte, ein 26 Jahre alter arbeitsloser Diplomingenieur aus Moldawien, reiste erstmals 2003 nach Deutschland ein. Die Ausländerbehörde der Stadt Frankfurt am Main verfügte am 11. April 2003 die Ausweisung des Angeklagten und drohte ihm die Abschiebung in sein Heimatland an. Dorthin kehrte der Angeklagte zurück.
4
Er beabsichtigte Anfang 2005, zusammen mit seiner damals 18jährigen Verlobten D. von Moldawien über Polen nach Deutschland zu reisen. Er beschaffte sich gegen Zahlung von 200 Euro ein polnisches Visum bei einem moldawischen Landsmann, der vor der Abfahrt des Busses nach Polen am 27. Januar 2005 in Moldawien von dem Angeklagten verlangte, die 47 Jahre alte A. mit nach Krakau zu nehmen, wo der Angeklagte die Hotelkosten für die Frau verauslagen sollte; diese würden von ihr dann nach Ankunft in ihrem erstrebten Zielland Italien erstattet werden. Der Angeklagte, der über das Ansinnen seines Landsmannes sehr ungehalten reagierte, rief bei einer Agentur an und erkundigte sich, warum „man ihm die Frau angehängt“ habe, wo er doch selbst auch nur wenig Geld dabei habe. Der Angeklagte fuhr dennoch mit A. im Bus nach Krakau, wo die Verlobte des Angeklagten am 3. Februar 2005 ebenfalls eintraf. Am nächsten Tag reisten der Angeklagte und die zwei Frauen mit dem Bus weiter nach Zgorzelec. Von dort fuhren sie in einem Taxi nach Bokatynia, von wo aus sie auf Rat des Fahrers selbständig nach Deutschland gehen wollten. A. war mit in das Taxi eingestiegen und hatte sich mit zehn Euro zu einem Drittel an den Taxikosten beteiligt. Nach einigem Suchen fanden der Angeklagte und die beiden Frauen einen passierbaren Übergang des Grenzflusses Neiße, den sie gegen Mitternacht – das Wasser reichte bis zu den Oberschenkeln – gemeinsam ohne Einreiseerlaubnisse durchquerten. Sie zogen trockene Kleidung an und liefen in Richtung des Landesinneren.
5
Bei Tagesanbruch versteckten sie sich in der Nähe der Straße von Löbau nach Zittau in einem Wald. Der Angeklagte und seine Verlobte studierten eine Landkarte. Er rief einen in der Nähe von Frankfurt am Main wohnhaften Russen an, beschrieb ihm ihren Standort und bat um Abholung aller drei Personen. Der um Hilfe ersuchte Russe fand aber ihren Standort auf seiner Landkarte nicht und unternahm bis Mitternacht trotz zahlreicher Anrufe durch den Angeklagten nichts. Auf dem Weg in die nächste Ortschaft – dort sollte, weil die Mobiltelefone nicht mehr funktionierten, von einer Telefonzelle aus weitertelefoniert werden – stürzte A. gegen Mitternacht etwa 70 bis 80 m von der Bundesstraße 78 (Löbau/Zittau) entfernt auf freiem Feld. Sie sagte, sie könne nicht mehr weiter. Der Angeklagte und D. ermutigten sie weiterzulaufen. A. entgegnete jedoch, der Angeklagte und D. seien jünger und sollten allein weitergehen. Wenn sie den Russen erreicht hätten und dieser sie abholen komme, sollten sie zu ihr zurückkommen und sie abholen.
6
Der Angeklagte und seine Verlobte ließen die Frau schließlich in der auf minus 11 Grad Celsius abgekühlten Nacht in offenem Gelände zurück. Sie verstarb wahrscheinlich gegen 3.30 Uhr an Unterkühlung. Ein Eintritt des Todes bereits kurz nach dem Weggang des Angeklagten ist denkbar. A. hatte noch versucht, einen schneebedeckten Hang hoch zu kriechen.
7
Der Angeklagte und D. suchten in dem nur wenige 100 m entfernten Oberseiferdorf ohne Erfolg eine Telefonzelle. Erschöpft und desorientiert schliefen der Angeklagte und seine Verlobte gegen 2.00 Uhr am Straßenrand ein. Sie wurden von einem Zeugen geweckt und aufgefordert, wegen der Unfallgefahr diesen Ort zu verlassen. Später ließen sie ein Polizeiauto passieren und wollten nach einer Rast an einer Bushaltestelle zu A. zurückgehen; indes fanden sie den Weg dorthin nicht mehr. Sie ließen sich dann an einer anderen Bushaltestelle nieder. Gegenüber einem Autofahrer und einem Taxifahrer erklärten sie nichts über die im freien Gelände zurückgebliebene Frau. Mehrere Polizei- und Krankenwagen ließen sie passieren.
8
Der Angeklagte und D. fuhren mit dem Bus um 9.00 Uhr nach Löbau. Von dort reisten sie mit dem Zug nach Frankfurt am Main weiter , wo sie um 21.00 Uhr eintrafen. Am Morgen des 7. Februar 2005 rief der Angeklagte erneut bei seinem russischen Bekannten an, um gemeinsam mit ihm die Geschädigte abzuholen. Dies lehnte der Angesprochene aber ab.
9
Am Abend rief der moldawische Visabeschaffer bei dem Angeklagten an, teilte mit, dass A. verstorben sei, und verlangte die Zahlung von 5.000 Euro. Der Angeklagte lehnte jede Zahlung ab. Nach weiteren fordernden, zum Teil drohenden Anrufen überredete D. den Angeklagten zu zahlen, damit es endlich Ruhe gebe. Der Angeklagte lieh sich über einen Bekannten in Moskau 2.500 Euro. Dieser Betrag wurde dem Visabeschaffer übergeben.
10
2. Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass der Angeklagte für sein Tätigwerden bei der Einreise der A. keinen Vermögensvorteil erhalten oder sich hat versprechen lassen. Es hat – in Übereinstimmung mit der Einschätzung eines ermittelnden Polizeibeamten – die geleisteten und versprochenen Zahlungen dahingehend gewürdigt, dass vom Angeklagten kein Schleusungslohn zurückgezahlt worden ist, sondern dass es vielmehr näher liege, dass der Visabeschaffer durch den Tod der Frau A. einen Schaden (Nichterfüllung des Anspruchs auf Schleuserlohn) erlitten und einen Ausgleich durch Erpressung des Angeklagten beabsichtigt hat. Deshalb liege kein Einschleusen im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Der Angeklagte habe auch nicht zugunsten von mehreren Ausländern gehandelt (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Auf die Verlobte des Angeklagten dürfe nicht als zweite Ausländerin abgestellt werden.
11
Das Landgericht hat schließlich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines Verdeckungsmordes durch Unterlassen verneint, weil sich eine Garantenstellung für das Leben der Verstorbenen weder aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Gefahrengemeinschaft noch aus Ingerenz ergebe. Im Übrigen habe die Geschädigte auf sofortige Hilfe wirksam verzichtet.
12
3. Die Revision ist zulässig. Zwar enthalten weder die Revisionseinlegungsschrift noch die Revisionsbegründung den nach § 344 Abs. 1 StPO erforderlichen Revisionsantrag, durch den der Umfang der Urteilsanfechtung bezeichnet wird. Das Fehlen eines solchen Antrags ist aber dann unschädlich , wenn sich der Umfang der Anfechtung aus dem Inhalt der Revisionsbegründung ergibt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 5 m.w.N.). Dies ist hier noch der Fall.
13
Zwar legen die nach Obersätzen gegliederten Angriffe gegen die Subsumtion und der Vortrag, dass „auf dieser Tatsachengrundlage zumindest ein Urteilsspruch wegen Beihilfe zur vorsätzlich unerlaubten Einreise in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Aufenthalt in Bezug auf die Geschädigte … (hätte) erfolgen müssen“, nahe, dass die getroffenen Feststellungen vom Revisionsangriff ausgenommen sind. Indes wird dem widersprechend auch die Beweiswürdigung angegriffen, weshalb der Senat den Willen der Revisionsführerin erkennt, dass diese ihr Ziel, eine Verurteilung wegen eines Kapitalverbrechens zu erreichen, auch hilfsweise unter Aufhebung der Feststellungen des landgerichtlichen Urteils erheischt. Damit ergibt sich aus der Revisionsbegründung noch ein bestimmter, nämlich der maximal mögliche Anfechtungsumfang.
14
4. Das Rechtsmittel hat lediglich Erfolg, soweit es das Landgericht unterlassen hat, die gemeinsame illegale Einreise unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, dass der Angeklagte durch die bloße Mitnahme der später Verstorbenen und die Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Unterkunft und Verpflegung in Krakau deren illegale Einreise gefördert hat. Dem- nach ist eine weitergehende tateinheitliche Verurteilung auch wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, § 27 Abs. 1 StGB geboten.
15
Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst (vgl. BGH NJW 2006, 1822, 1824). Im Anschluss an die Auffassung des Generalbundesanwalts ist der Senat der Überzeugung, dass die geringfügige Schuldspruchänderung keine Auswirkung auf den Strafausspruch haben kann. Die vom Landgericht gefundene Strafe ist im Sinn des hier verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NJW 2007, 2977) analog zugunsten des Angeklagten anzuwendenden § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO (vgl. BGH aaO) angemessen.
16
5. Die weitergehende Revision ist unbegründet.
17
a) Die Angriffe auf die Beweiswürdigung versagen.
18
Die Revision macht geltend, das Landgericht habe die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt und sich nicht mit einem sich aufdrängenden Alternativgeschehen auseinandergesetzt (vgl. dazu BGH NJW 2007, 384, 387), weil es unerörtert gelassen habe, dass die Geschädigte für den Fall, dass der Angeklagte die Führung der Gruppe nicht übernommen hätte, eine Einreise von Polen durch den Grenzfluss Neiße nach Deutschland unterlassen hätte. Insoweit handelt es sich aber nicht um ein sich aus den Urteilsfeststellungen aufdrängendes Alternativgeschehen, sondern eine urteilsfremde Erwägung. Das Landgericht hat sich auf Grund der Gesamtumstände der Reise fehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte die ihm aufgedrängte Mitreisende nicht „geführt“ hat, sondern dass sich die Frau den jüngeren illegal Einreisenden lediglich auf eigenes Risiko angeschlossen hat.
19
Die Würdigung der Zahlungen des Angeklagten an den unbekannt gebliebenen Schleuser ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
20
Eine lückenhafte Beweiswürdigung hinsichtlich des von A. erklärten Verzichts auf Hilfe hat sich auf das Ergebnis der Subsumtion des Landgerichts nicht ausgewirkt (siehe dazu näher sub b) dd)).
21
b) Die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Würdigung hält der sachlichrechtlichen Prüfung stand.
22
aa) Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Annahme des Landgerichts, dem Angeklagten sei keine Garantenstellung für das Leben der Verstorbenen aus dem Umstand erwachsen, dass die in einer Gruppe illegal eingereisten Personen in eine enge Gemeinschaftsbeziehung eingetreten sind. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft begründet noch keine gegenseitigen Hilfspflichten. Dafür wäre vielmehr die Übernahme einer Schutzfunktion gegenüber einem Hilfsbedürftigen aus dieser Gruppe vonnöten gewesen (vgl. BGHSt 48, 77, 91; BGH NJW 1987, 850 f.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Bd. 2 S. 730 Rdn. 57). Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte, dem A. gegen seinen Willen von dem moldawischen Schleuser aufgedrängt worden ist, bis zu seiner Zusage, sie in die für ihn und seine Verlobte vorgesehene Abholung einzubeziehen, weder ausdrücklich noch schlüssig erklärt, er werde für ihr Wohlergehen Sorge tragen.
23
bb) Eine Übernahme einer Schutzfunktion ergibt sich auch nicht daraus , dass der Angeklagte die später Verstorbene in sein weiteres Vorgehen einbezogen und ihr die Abholung und Weiterreise nach Frankfurt am Main versprochen hat. Diese Hilfszusage geht zwar an sich über die Erfüllung der allgemeinen Hilfspflicht gemäß § 323c StGB hinaus (vgl. Roxin aaO S. 731 Rdn. 61). Die Erfüllung dieser Pflicht stand indes unter der – vom Angeklagten nicht beeinflussbaren – aufschiebenden Bedingung des Eingreifens eines weiteren Hilfswilligen, des dem Angeklagten bekannten, in Frankfurt am Main wohnhaften russischen Staatsangehörigen. Nachdem indes dieser eine Reise an die ostdeutsche Grenze abgelehnt hatte, endete die vom Angeklagten gemachte Hilfszusage. Bei dieser Sachlage konnte sich aus der einmal zugesagten Hilfe auch keine fortwirkende Pflicht zur Vornahme einer weiteren Hilfsmaßnahme ergeben (vgl. Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn. 35; Roxin aaO S. 733 Rdn. 68). Der Angeklagte blieb demnach lediglich angehalten, seine allgemeine, sich aus § 323c StGB ergebende Hilfspflicht zu erfüllen.
24
cc) Eine Garantenstellung für das Leben der Verstorbenen ergab sich für den Angeklagten auch nicht aus einem gefahrerhöhenden Vorverhalten (vgl. BGHSt 37, 106, 115; BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7).
25
Zwar hat der Angeklagte durch seine Beihilfe zur illegalen Einreise der Verstorbenen ein gegen die Rechtsordnung verstoßendes Vorverhalten verwirklicht (vgl. Weigend aaO Rdn. 43 m.w.N.). Dies genügt aber zur Annahme einer Garantenstellung allein noch nicht, weil es zu vermeiden gilt, durch eine zu weite Ausdehnung der an das vorangegangene Vorverhalten anknüpfenden Handlungspflicht die von der Rechtsordnung – gemäß Art. 2 Abs. 1 GG – geschützte Handlungsfreiheit in größerem Umfang aufzuheben (vgl. NK-StGB Wohlers 2. Aufl. § 13 Rdn. 41). Zur Annahme einer Garantenstellung ist es deshalb darüber hinausgehend im Sinne einer Eingrenzung erforderlich , dass der Täter durch sein Vorverhalten über die bloße Erfolgsursächlichkeit und Pflichtwidrigkeit hinaus die nahe Gefahr für den Schadenseintritt geschaffen hat (vgl. BGHSt 37, 106, 115 f.; BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3), was bei der Missachtung einer Vorschrift angenommen wird, die dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dient (vgl. BGHSt aaO; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 13 Rdn. 35a; Roxin aaO S. 770 Rdn. 171). Dazu zählt der vom Angeklagten verwirklichte Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. § 27 Abs. 1 StGB nicht. Aus der in der Vorschrift des § 1 Abs. 1 AufenthG niedergelegten Zweckbestimmung des Aufenthaltsgesetzes folgt, dass dieses Gesetz keine Individualrechtsgüter schützt. Der vom Angeklagten insoweit verwirklichte Gesetzesverstoß kann demnach keine Garantenstellung für das Leben der illegal eingereisten Mitreisenden begründen.
26
dd) Auch eine Strafbarkeit nach § 323c StGB ist nicht gegeben.
27
Zwar beruhen die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es einen Verzicht auf die Erfüllung der allgemeinen Hilfspflicht angenommen hat, auf einer bedenklich unvollständigen Auswertung der getroffenen Feststellungen (vgl. BGH wistra 2002, 260, 262; 2007, 18, 19 f.; 108, 109; BGH, Urteil vom 31. Januar 2007 – 5 StR 404/06 Rdn. 23 ff.; Brause NStZ 2007, 505, 507 m.w.N.). Es spricht nichts dafür – was das Landgericht letztlich voraussetzt –, dass A. , die nach Italien zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit reisen wollte, bei offensichtlicher Unmöglichkeit einer zeitnahen Rettung wegen des Risikos der Entdeckung der Begehung des eher geringfügigen Vergehens der illegalen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ihrem Leben hätte ein Ende setzen wollen. Dagegen spricht auch, dass Arbeitsmigranten sich offensichtlich eher abschieben oder wegen eines geringen Vergehens verurteilen lassen, als ihr Leben zu opfern.
28
Dieser Mangel bleibt indes jedenfalls ohne Auswirkung auf das vom Landgericht gefundene Ergebnis. Der Angeklagte war nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen naheliegend zur Hilfeleistung schon nicht mehr in der Lage. Er schlief ersichtlich erschöpft am Straßenrand und wurde von einem Zeugen gegen 2.00 Uhr in desorientiertem Zustand angetroffen. Jedenfalls war die ihm obliegende Hilfspflicht dadurch erloschen, weil der Tod – zugunsten des Angeklagten nicht ausschließbar – bereits kurze Zeit, nachdem der Angeklagte die Geschädigte verlassen hatte, eingetreten ist (vgl. BGHSt 32, 367, 381 m.w.N.).
29
ee) Eine Strafbarkeit wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist ebenfalls nicht gegeben.
30
Bei der vom Angeklagten gemeinsam mit seiner Verlobten geplanten und ausgeführten illegalen Einreise handelte der Angeklagte als Mittäter, was eine Bestrafung wegen Beihilfe (vgl. Renner, Ausländerrecht 8. Aufl. AufenthG § 96 Rdn. 5) an der nämlichen Tat ausschließt (vgl. Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 27 Rdn. 2).
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Dez. 2007 - 5 StR 324/07

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1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern. Die Regelungen in anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Ausländer,

1.
deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist,
2.
die nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen,
3.
soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzuzeigen und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können.

(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.

5 StR 404/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 31. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Januar
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger des Angeklagten S. Y. ,
Rechtsanwalt S.
alsVerteidigerdesAngeklagten K. Y. ,
Rechtsanwalt F.
als Verteidiger des Angeklagten E. ,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten S. Y. und E. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Dezember 2005 werden verworfen, hinsichtlich des Angeklagten S. Y. mit der Maßgabe, dass die in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 anzurechnen ist. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die hierdurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit es den Angeklagten K. Y. und den Angeklagten E. betrifft; allerdings bleiben die Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Schussabgabe des Angeklagten E. mit dessen Maschinenpistole aufrechterhalten; insoweit wird die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Landgericht Das hat den Angeklagten S. Y. wegen „Totschlags , jeweils in Tateinheit mit versuchtem Totschlag, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und Sachbeschädigung“ zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und den Angeklagten E. wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten K. Y. , einen jüngeren Bruder des Mitangeklagten S. Y. , hat das Schwurgericht freigesprochen. Die von den Angeklagten S. Y. und E. geführten Schusswaffen hat es eingezogen. Die Revisionen der verurteilten Angeklagten bleiben ohne Erfolg. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, führen zur Aufhebung der Freisprechung des Angeklagten K. Y. und bei dem Angeklagten E. zur weitgehenden Aufhebung von dessen – möglicherweise rechtsfehlerhaft zu milder – Verurteilung.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der Zeuge S. St. schuldete dem Angeklagten S. Y. 500 Euro wegen Verursachung eines Auffahrunfalls mit dem Pkw dieses Angeklagten. St. versprach am 15. September 2004 Zahlung in zwei Tagen, ohne über Geld zu verfügen. Am 17. September 2004 verlangten E. – dieser unter Drohungen – und K. Y. von St. die Begleichung der Schuld. St. wandte sich verstört an den für ihn ein Vorbild und eine Autorität darstellenden Videothekenbetreiber El-A. . Dieser forderte K. Y. telefonisch auf, zu einem klärenden Gespräch zu erscheinen. Daraufhin fuhren alle drei Angeklagten zu der Videothek. El-A. empfing sie mit aggressiven Worten und ergriff ein bereitgestelltes Schwert, mit dem er im Fahrzeug der Angeklagten herumfuchtelte. In einer sich anschließenden körperlichen Auseinandersetzung wurden der Videothe- kenbesitzer, auf dessen Seiten der Zeuge C. mit einem Knüppel eingriff, und der Angeklagte S. Y. verletzt. Die Angeklagten flüchteten in ein nahe gelegenes Krankenhaus, wo die Kopfplatzwunde des S. Y. versorgt wurde. Dieser Angeklagte rief die Polizei, erstattete Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung und übergab den Beamten die während des Kampfes durch E. erlangten Waffen.
4
Am Abend des nächsten Tages rief St. auf Veranlassung von El-A. den Angeklagten S. Y. an und verabredete ein Treffen am Wasserfall des Viktoriaparks in Berlin-Kreuzberg zur Übergabe des Geldes. S. Y. forderte St. wiederholt auf, zu diesem Treffen auch seine arabischen Freunde mitzubringen, die er „alle ficken“ werde. S. Y. übernahm von einem Bekannten eine Pistole nebst Munition und E. eine Maschinenpistole mit einem Kurz- und einem Langmagazin. Beide Angeklagte trafen gegen 20.00 Uhr am Park ein und warteten auf dem parkseitigen Bürgersteig der Kreuzbergstraße. Nach fast einer halben Stunde – die Angeklagten unterlagen einem Irrtum über den verabredeten Zeitpunkt des Treffens – ging E. im Einverständnis des S. Y. ein paar Meter in den Park, setzte sich auf eine Bank und rauchte einen Joint. S. Y. erkundigte sich telefonisch bei T. St. nach dem Verbleib von dessen Bruder T. St. antwortete zögerlich, S. sei schon unterwegs. S. Y. bestellte nun auch seinen Bruder K. Y. zum Wasserfall. Dieser hatte wegen der Ereignisse am Vorabend mit weiteren Auseinandersetzungen gerechnet und erschien mit einer geladenen Schreckschusspistole 9 mm gegen 20.30 Uhr. Zwischen den Brüdern kam es zu einem lautstarken, nicht näher aufklärbaren Wortwechsel.
5
El-A. hatte zwischenzeitlich entschieden, dass S. St. nur in Begleitung mehrerer, auch gewaltbereiter Personen zum Treffpunkt fahren sollte. Dementsprechend brachen neun Männer in drei Pkw und zwei weitere zu Fuß zum Viktoriapark auf. Das von dem Zeugen B. G. gesteuerte erste Fahrzeug – mit El-A. auf dem Beifahrersitz und dessen Bruder A. , dem Nebenkläger, hinter dem Fahrer sitzend – hielt zehn bis fünfzehn Meter vor den Angeklagten S. u. K. Y. in der Kreuzbergstraße, das zweite Fahrzeug zehn Meter hinter dem ersten an. Die Angeklagten S. u. K. Y. drehten sich um und erkannten, dass die beiden Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem verabredeten Treffen standen. Deshalb rief S. Y. dem Angeklagten E. im Park laut zu, dass er kommen solle.
6
El-A. stieg als erster unbewaffnet aus und war im Begriff , auf die Angeklagten S. u. K. Y. zuzugehen. A. El-A. ergriff einen unter dem Fahrersitz befindlichen Stock und verließ mit diesem in der Hand das Fahrzeug hinten links. Als Letzter stieg der Fahrer G. K. aus. Y. zog seine Schreckschusspistole und feuerte zweimal mit ausgestrecktem Arm in Richtung der Ankommenden. Fast zeitgleich zog auch der Angeklagte S. Y. seine Pistole und schoss zweimal in die Luft. S. Y. , der sich bedroht fühlte, gab sogleich danach aus seiner Pistole mit waagerecht ausgestrecktem Arm – tödliche Wirkungen bewusst in Kauf nehmend – gezielt sechs Schüsse in Folge ab, bis das Magazin leer war. El-A. hatte sich bereits wieder abgewandt. Er wurde am rechten Oberarm von hinten getroffen. Das Projektil durchschlug den rechten Lungenflügel und die Hauptschlagader der linken Lunge und trat nach Verursachung dieser tödlichen Verletzung oberhalb der linken Brustwarze wieder aus. G. erlitt einen Durchschuss des linken Oberarms von außen mit einer Austrittswunde im Bizepsmuskel. Des Weiteren wurde der Brustkorb des Nebenklägers oben links durchschossen. Dies führte zu einer Verletzung der Lunge und der Beschädigung einer Rippe. Ferner wurden zwei Pkw von je zwei weiteren Schüssen getroffen. Bis auf den tödlich Getroffenen El-A. flüchteten sämtliche seiner Begleiter vom Tatort weg auf der Kreuzbergstraße – vom Standpunkt der Schützen aus betrachtet – nach links in Richtung Möckernstraße. Der Angeklagte E. rannte, nachdem er die Schüsse gehört hatte, linker Hand an den Angeklagten S. u. K. Y. und den beiden auf der Kreuzbergstra- ße abgestellten Pkw der Angreifer vorbei. Dann gab er aus seiner Maschinenpistole mit waagerecht ausgestrecktem Arm gezielt eine Salve von 13 Schüssen auf die Oberkörper der insgesamt acht fliehenden Personen ab, bis das Magazin leer war. Fünf Geschosse beschädigten einen Pkw und weitere Geschosse die Fassaden der gegenüber der Parkseite in Richtung Möckernstraße gelegenen Wohnhäuser der Kreuzbergstraße. Menschen kamen nicht zu Schaden. E. wartete, bis auch die letzten Personen der flüchtenden Gruppe in der Möckernstraße verschwunden waren.
7
Danach entfernten sich die Angeklagten durch den Viktoriapark. Ein Passanten gehörender Hund verbiss sich in ein Hosenbein des Angeklagten E. . Dieser wechselte das Magazin seiner Maschinenpistole und gab auf den Hund mindestens fünf weitere Schüsse ab.
8
Alle Angeklagten flüchteten zu Verwandten außerhalb Berlins, S. Y. und E. hielten sich dann in den Niederlanden auf, wo sie später festgenommen wurden.
9
2. Das Landgericht hat seine Feststellungen wie folgt rechtlich bewertet :
10
a) Das Schwurgericht hat es letztlich offen gelassen, ob der Angeklagte S. Y. auf die Brüder A. u. M. El-A. und auf G. in Notwehr geschossen hat, weil sich dieser Angeklagte jedenfalls wegen einer Absichtsprovokation nicht auf ein Notwehrrecht habe berufen können. Auch eine Nothilfe zugunsten seines Bruders K. Y. scheide aus.
11
b) Das Landgericht hat den Angeklagten E. nicht als sukzessiven Mittäter hinsichtlich der Schüsse des S. Y. angesehen, weil dieser das tatbestandsmäßige Geschehen zum Zeitpunkt des Eingreifens des E. bereits vollständig eigenhändig verwirklicht habe. Der Aufenthalt des schwer bewaffneten E. in Tatortnähe stelle ferner weder eine physische noch eine psychische Hilfeleistung für den Angeklagten S. Y. dar. Nach dessen Einlassung habe sich dieser im Augenblick der Tat allein gelassen und hilflos gefühlt. Eine Bestrafung des E. könne nur wegen des Waffendelikts erfolgen, weil ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch des Totschlags anzunehmen sei.
12
c) Der Angeklagte K. Y. sei nicht Mittäter seines Bruders, weil dessen Schüsse nicht ausschließbar einen Exzess darstellten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Einsatz einer scharfen Waffe Gegenstand der im Vorfeld der Tat getroffenen Absprache gewesen sei. Wegen des Exzesses des Haupttäters komme im Blick auf eine erhebliche Abweichung des von K. Y. vorgestellten Kausalverlaufs auch die Annahme eines Gehilfenvorsatzes nicht in Betracht.
13
3. Die Revision des Angeklagten S. Y. bleibt erfolglos.
14
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die gegen die Annahme einer Absichtsprovokation geltend gemachten Verfahrensrügen und die gegen die Beweisführung und Subsumtion des Landgerichts insoweit gerichteten materiell-rechtlichen Angriffe durchgreifen.
15
Nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Kampflage hat der Angeklagte S. Y. nämlich nicht in Notwehr gehandelt, weil er sich bei Abgabe der Schüsse auf den Getöteten und G. keinem gegenwärtigen Angriff im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB ausgesetzt sah. Diese Personen hatten sich unbewaffnet noch etwa zehn Meter von dem Angeklagten S. Y. entfernt befunden und ihr aggressives Verhalten bereits beendet. Sie hatten sich nämlich von dem Schützen – nach Wahrnehmung zweier Schreckschüsse und scharfer Schüsse in die Luft – abgewandt und wurden dementsprechend von hinten in den rechten bzw. linken Oberarm von außen getroffen. Solches schließt die Annahme von Notwehr aus.
16
Auch der Schuss auf den Nebenkläger war nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Zwar befand sich A. El-A. mit einem Stock bewaffnet mindestens zehn Meter vom Angeklagten entfernt und nach seiner Körperstellung dem Angeklagten zugewandt. Vom Nebenkläger ist in dieser Lage indes noch kein gegenwärtiger Angriff auf den Angeklagten ausgegangen. Zwar wird dies nicht nur angenommen, wenn der Angriff beginnt, sondern schon dann, wenn er unmittelbar bevorsteht. Zu den erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen berechtigt nicht erst die Verletzungshandlung selbst, sondern bereits ein Verhalten des Gegners, das unmittelbar in eine Rechtsgutverletzung umschlagen kann, so dass durch das Hinausschieben der Abwehrhandlung entweder deren Erfolg gefährdet würde oder der Verteidiger das Wagnis erheblicher eigener Verletzungen auf sich nehmen müsste (BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 1). Solches ist hier aufgrund der festgestellten Kampflage ausgeschlossen. Der lediglich mit einem Stock bewaffnete Nebenkläger war in einer Entfernung von zehn Metern für den Angeklagten noch ein harmloser Gegner und verfügte über keine Möglichkeit, einen Angriff auf den Angeklagten vorzutragen; ein Einsatz des Stockes als Wurfgeschoss schied ersichtlich aus. Der Angeklagte war deshalb ohne drohende Einbuße seiner Gesundheit verpflichtet, in dieser Situation die weitere Entwicklung der Kampflage abzuwarten, anstatt dem Nebenkläger in den Oberkörper zu schießen.
17
Der Senat schließt aus, dass das Schwurgericht bei solcher Subsumtion zur Notwehrlage auf eine andere Strafe erkannt hätte, und holt die Festlegung des Anrechnungsmaßstabs für die in den Niederlanden erlittene Haft nach (§ 51 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 StGB).
18
4. Auch die Revision des Angeklagten E. ist unbegründet.
19
Die Besorgnis des Beschwerdeführers, das Landgericht habe das Beschießen der Flüchtenden mit Tötungsvorsatz zu Unrecht strafschärfend bewertet ist sachlich unbegründet. Das Landgericht musste sich deshalb auch nicht zu weiterer Aufklärung behaupteter – zumal technisch eher unerklärlicher – Abweichungen der Schussbahnen mehrerer Geschosse durch vorheriges Auftreffen auf einen Pkw gedrängt sehen.
20
5. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt mit der Sachrüge zur Aufhebung der Freisprechung des Angeklagten K. Y. .
21
a) Das Landgericht hat es unterlassen, eine Strafbarkeit dieses Angeklagten wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 a WaffG in den Blick zu nehmen. Solches hätte aber die dem Schwurgericht obliegende Kognitionspflicht geboten (vgl. BGHSt 32, 84, 85). Der Angeklagte war ersichtlich nicht im Besitz eines kleinen Waffenscheins, den er gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG i. v. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1 zum Führen seiner Schreckschusswaffe benötigt hätte (vgl. BGHSt [GS] 48, 197, 204; BGH NJW 2006, 73, 74). Für die Annahme einer Strafbarkeit wäre es auch nicht auf das Vorliegen einer – hier allerdings ebenfalls auszuschließenden – Notwehrlage für den Angeklagten K. Y. angekommen, weil das Waffendelikt jedenfalls auch tatmehrheitlich verwirklicht worden wäre (vgl. BGH NStZ 1999, 347). Die vom Generalbundesanwalt erwogene Strafbarkeit wegen Nötigung liegt demgegenüber angesichts der besonderen Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 StGB eher fern.
22
b) Die Sachrüge der Revision der Staatsanwaltschaft ist darüber hinaus weitergehend begründet. Auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge kommt es demnach für eine Aufhebung des Freispruchs des Landgerichts nicht an.
23
Die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf deren Grundlage es die Annahme einer Mittäterschaft oder Beihilfe des Angeklagten K. Y. abgelehnt hat, ist lückenhaft. Das Schwurgericht hat es unterlassen, die fehlerfrei festgestellten Umstände der Kampflage vollständig zu bewerten (vgl.
BGH wistra 2002, 260, 262; 2007, 18, 19 f.; BGH Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 490/03). Das Landgericht hat sich zwar fehlerfrei davon überzeugt, dass es nach dem Eintreffen des mit einer Schreckschusspistole bewaffneten Angeklagten zu einem lautstarken Wortwechsel unbekannten Inhalts mit dessen mit einer Pistole bewaffneten älteren Bruder gekommen ist. Es hat aber nicht feststellen können, dass K. Y. im Rahmen der Absprache vor der Tat zur Kenntnis gebracht worden sei, dass S. Y. über eine scharfe Schusswaffe verfüge. Diese Erwägung beruht indes auf einer nicht ausreichenden Auswertung der die Angeklagten belastenden Umstände in diesem Zusammenhang, die für eine Kenntnis des Angeklagten K. Y. vom Einsatz einer scharfen Schusswaffe sprechen.
24
Dazu hat das Landgericht folgende Belastungsindizien festgestellt:
25
Der Angeklagte S. Y. blieb nach dem Telefonat mit T. St. in Erwartung der Kontrahenten am späteren Tatort. Die von diesem Angeklagten und E. mitgeführten Waffen dienten nicht zum Vorzeigen und Abschrecken, sondern sollten im Blick auf die große Menge der mitgeführten Munition auch eingesetzt werden. Der Angeklagte K. Y. kam – nach dem Anruf durch seinen Bruder – nicht als Abholer der übrigen Angeklagten, sondern als Unterstützer der bereits anwesenden Schwerbewaffneten. K. Y. blieb an der Seite seines Bruders in Erwartung der Gegner und schoss fast zeitgleich mit diesem nach vorangegangener Absprache auf die drei Insassen aus dem ersten von zwei als Fahrzeuge der Angreifer erkannten Pkw.
26
Damit hat das Landgericht den Angeklagten K. Y. in objektiver Hinsicht als Kampfgefährten seines älteren Bruders in das Kampfgeschehen eingeordnet. Dass K. Y. geglaubt haben könnte, sein Bruder verfüge über keine oder über eine weitgehend wirkungslose Waffe, widerspricht kriminalistischer Erfahrung, weil solches bedeuten würde, dass sich K. Y. angesichts der Überzahl der teilweise bewaffneten Gegner in einen hochgradig selbstgefährdenden Kampf begeben hätte. Für eine solche Lage bestehen indes nach den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte.
27
Das Führen der Schreckschusswaffe und die mögliche dolose Mitwirkung des Angeklagten K. Y. an den Schüssen seines Bruders bedürfen demnach neuer Aufklärung und Bewertung.
28
6. Die den Angeklagten E. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft hat überwiegend Erfolg.
29
a) Das Landgericht hat seine Wertung, E. sei nicht Mittäter des S. Y. , von einem verengten rechtlichen Ausgangspunkt, einer „bloßen sukzessiven Mittäterschaft“ aus getroffen und die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände (vgl. BGHSt 37, 289, 291; BGH Urteil vom 7. November 2006 – 5 StR 164/06), ob E. nicht aufgrund einer vor der Tat des S. Y. diesem zugesagten gegenseitigen Unterstützung und Schützenhilfe Mittäter gewesen sein könnte (vgl. BGHSt 37, 289, 291), nicht in den Blick genommen. Dafür hat das Landgericht belastende Indizien festgestellt , aber ersichtlich nicht bewertet:
30
Auch die Maschinenpistole des E. sollte nicht nur zur Abschrekkung vorgezeigt, sondern am Tatort eingesetzt werden. Die Mitwirkung des E. war für das Ziel des Treffens, sich gegen die Gegner vom Vortag zu behaupten, besonders wichtig, verfügte dieser Angeklagte doch über die wirksamste Waffe. Schließlich wusste der Angeklagte E. , ohne dass er sich mit dem Angeklagten S. Y. in irgendeiner Weise hätte verständigen müssen, was seine Aufgabe in dem Kampfgeschehen war. Er rannte an den übrigen Angeklagten linker Hand vorbei, erfasste die Kampflage und schoss zielgerichtet auf die noch acht Flüchtenden, womit er den Sieg seiner Kampfgenossen endgültig sicherte.
31
Das b) Schwurgericht hat ferner nicht darauf Bedacht genommen, dass im Einzelfall der durch Handeln erbrachte Tatbeitrag des Gehilfen – was hier äußerst nahe gelegen hätte – schon darin bestehen kann, dass der Gehilfe den Haupttäter im Wissen um dessen Verhalten zur Tatausführung begleitet, seine Anwesenheit gleichsam „einbringt“, um den Haupttäter in seinem Tatentschluss zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14 m.w.N.). Dem stünde die Erwägung des Landgerichts (UA S. 108), der Angeklagte S. Y. hätte sich im Augenblick seiner Tatausführung, obwohl er nach E. gerufen hatte, alleingelassen und hilflos gefühlt, eher nicht entgegen. Sie beruht nämlich allein auf der – regelmäßig nicht ungeprüft hinzunehmenden (vgl. BGH NJW 2003, 2179; ferner BGHSt 49, 365, 370) – Einlassung des Angeklagten S. Y. , die zudem im Blick auf die Schnelligkeit des Anschlussgeschehens an Plausibilität verliert.
32
c) Dagegen greifen die Einwände der Revision der Staatsanwaltschaft gegen die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch hinsichtlich der 13 von E. abgegebenen Schüsse nicht durch.
33
Das Landgericht hat mit vertretbaren Erwägungen einen unbeendeten Totschlagsversuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB angenommen. Dem Angeklagten E. war zwar nach Leerschießen des ersten Magazins seiner Maschinenpistole eine Tötung der Flüchtenden für den Augenblick nicht mehr möglich. Dies begründet vorliegend aber noch keinen Fehlschlag, weil der Angeklagte angesichts des ihm zur Verfügung stehenden zweiten befüllten Magazins nach der Wertung des Landgerichts zu der Annahme gelangen konnte, er könne ohne zeitliche Zäsur mit anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden (vgl. BGHSt [GS] 39, 221, 228 m.w.N.). Diese Würdigung beruht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Der Angeklagte hatte erkannt, dass er keinen Gegner getroffen hatte (UA S. 103). Der im Urteil dargelegte Abstand des Angeklagten zu den Flüchtenden, die bekannte größere Reichweite der Maschinenpistole und die durch die Schüsse auf den Hund belegte Fähigkeit des Angeklagten, ohne Weiteres – sogar in der durch den Angriff des Hundes ersichtlich hektischen Situation – das Magazin schnell zu wechseln und die Maschinenpistole wieder schussbereit zu machen (anderer Sachverhalt: BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch beendeter 7), belegen die Überzeugung des Landgerichts, dass ein Weiterhandeln des Angeklagten nicht erst nach Eintritt einer Zäsur, sondern ohne wesentliche Unterbrechung möglich gewesen wäre. Die Annahme, unter diesen Umständen lägen zwei Taten vor, würde den einheitlichen Lebensvorgang willkürlich auseinander reißen (vgl. BGHSt 34, 53, 57).
34
die Auch Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe trotz Wahrnehmung der Schüsse durch Dritte freiwillig von der weiteren Tatausführung Abstand genommen, begegnet keinen Bedenken. Nach den Feststellungen des Landgerichts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seine Tat für entdeckt gehalten oder geglaubt hat, mit Entdeckung rechnen zu müssen (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit

16).


35
d) Demnach bedarf eine mögliche Beteiligung des Angeklagten E. an den Schüssen des S. Y. neuer Aufklärung und Bewertung. Dies zieht im Blick auf die schon in der Anklageschrift zu Recht angenommene Tateinheit auch die Aufhebung des Schuldspruchs wegen des Waffendelikts und der Sachbeschädigung nach sich (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Indes können die Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Schussabgabe dieses Angeklagten mit der Maschinenpistole aufrechterhalten bleiben. Diese Feststellungen sind vom Rechtsfehler nicht betroffen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1997 – 3 StR 297/97). Insoweit ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet.
36
7. Im Übrigen bemerkt der Senat:
37
a) Der Inhalt der im Rahmen einer Aufklärungsrüge der Staatsanwaltschaft vorgetragenen polizeilichen Vernehmungen der Angeklagten lässt es dem Senat als nahezu ausgeschlossen erscheinen, dass ein neuer Tatrichter daraus – etwa zur Schussreihenfolge – im Widerspruch zu Zeugenaussagen, die der bisherige Tatrichter als glaubhaft bewertet hat, für die Angeklagten Belastendes wird entnehmen können. Eine erneute Stellungnahme des Senats zur Zulässigkeit polizeilicher Vernehmungen in Fällen des dringenden Tatverdachts eines Verbrechens (vgl. BGHSt 47, 233, 237; NJW 2006, 1008, 1010), zur möglichen Unzulässigkeit polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen vor einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung (vgl. BGHR StPO § 128 Abs. 1 Vorführungsfrist 2), zu einer Vereitelung des Wunsches eines Beschuldigten nach Konsultation eines Verteidigers (vgl. BGHR StPO § 136 Abs.1 Verteidigerbefragung 8 m.w.N.) und zur Verwertbarkeit einer Beschuldigtenvernehmung ohne Belehrung nach Art. 36 Abs. 1b Satz 3 WÜK ist deshalb nicht veranlasst.
38
b) Die gebotene neue Aufklärung der Beteiligung des Angeklagten K. Y. kann es mit sich bringen, dass die mit diesem Urteil bezüglich des Angeklagten S. Y. rechtskräftig gewordenen Feststellungen in Widerspruch zu den insoweit neu zu treffenden Feststellungen werden treten können. Dies kann auch für die neu festzustellenden subjektiven Umstände hinsichtlich einer Tatbeteiligung des Angeklagten E. an der Tat des S. Y. der Fall sein (vgl. BGHSt 43, 106, 107).
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c) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auch bei dem Angeklagten E. den Anrechnungsmaßstab für die in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung zu bestimmen und erneut über die Einziehung von dessen Maschinenpistole zu befinden.
40
8. Mit der Aufhebung des Freispruchs entfällt der Entschädigungsausspruch ; damit erledigt sich die insoweit eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten K. Y. .
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.