Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juni 2019 - 4 StR 541/18

bei uns veröffentlicht am06.06.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 541/18
vom
6. Juni 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:060619U4STR541.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juni 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Bender, Dr. Quentin, Dr. Feilcke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten V. L. ,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt , Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten M. L. ,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten J. ,
Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers Dr. H. Mö. ,
Dr. H. Mö. und Dr. B. Mö. als Nebenkläger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 7. Dezember 2017, soweit es die Angeklagten V. L. , M. L. und J. betrifft, – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben, der Entscheidungen über den Anrechnungsmaßstab und des Adhäsionsausspruchs – aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hatte die Angeklagten mit Urteil vom 3. Juni 2014 jeweils wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug sowie wegen Computerbetrugs in vier Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwölf Jahren und zwei Monaten (Angeklagter V. L. ) und jeweils elf Jahren und zwei Monaten (Angeklagte J. und M. L. ) verurteilt. Ferner hatte es unter Bestimmung eines teilweisen Vorwegvollzugs der Strafen die Unterbringung der Angeklagten J. und M. L. in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie Entscheidungen über den Anrechnungsmaßstab für erlittene Auslieferungshaft und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2
Auf die Revisionen der Angeklagten und der Nebenkläger hob der Senat die Verurteilungen wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug, die Gesamtstrafenaussprüche sowie die gegen die Angeklagten J. und M. L. ergangenen Maßregelentscheidungen jeweils mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache insoweit an das Landgericht zurück.
3
Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr des versuchten Totschlags in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, Raub, gefährlicher Körperverletzung und mit Computerbetrug in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig gesprochen und gegen sie unter Berücksichtigung der bereits rechtskräftigen Einzelstrafen Gesamtfreiheitsstrafen von zehn Jahren und drei Monaten (Angeklagter V. L. ), acht Jahren und sechs Monaten (Angeklagter M. L. ) sowie acht Jahren und neun Monaten (Angeklagter J. ) verhängt. Ferner hat es die Unterbringung der Angeklagten J. und M. L. in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den Vorwegvollzug eines Teils der Strafen bestimmt. Schließlich hat es eine neue Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab für erlittene Auslieferungshaft getroffen und den Adhäsionsausspruch abgeändert.
4
Mit ihren Revisionen, die jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und vom Nebenkläger Dr. H. Mö. auch mit einer Verfahrensbeanstandung begründet sind, erstreben die Nebenkläger insbesondere jeweils Verurteilungen der Angeklagten wegen eines vollendeten Tötungsdelikts. Die Nebenkläger Dr. H. Mö. und R. Mö. beanstanden zudem dieVerneinung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht durch die Strafkammer.
5
Die Rechtsmittel haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie aus den in den Verwerfungsanträgen des Generalbundesanwalts zutreffend ausgeführten Erwägungen unbegründet, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen insoweit weder Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten noch zu deren Nachteil (§ 301 StPO) ergeben hat.

I.


6
1. Nach den Feststellungen fassten die Angeklagten sowie die bereits rechtskräftig abgeurteilten L. L. und S. Si. , die wenige Tage zuvor in Begleitung von D. A. und E. B. mit einem Transporter Ford Transit und einem Pkw Audi von Litauen nach Deutschland gereist waren und sich auf einer als Lagerplatz dienenden Lichtung in einem Waldstück zwischen C. und R. aufhielten, im Ver- lauf des Abends des 9. Januar 2012 den Entschluss, sich eines Menschen zu bemächtigen und unter Anwendung der hierfür erforderlichen Gewalt dessen Bankkarten nebst PIN zu erlangen, um damit Geld an Bankautomaten abzuheben. Während D. A. und E. B. , die sich an der eigentlichen Tatausführung nicht beteiligen sollten, mit dem Ford Transit von dem Lagerplatz wegfuhren, um das Fahrzeug zur Vermeidung möglicher Hinweise auf die Tätergruppe vor dem späteren Opfer verborgen zu halten, fuhren die Angeklagten und die Verurteilten Si. und L. L. mit dem Pkw Audi zu einem Parkplatz an der Autobahn A 9 und warteten dort auf ein ihnen geeignet erscheinendes Opfer.
7
Als der 39 Jahre alte U. Mö. , der spätere Getötete, der seinerseits mit einem Transporter Mercedes Sprinter auf der Autobahn unterwegs gewesen war und den Parkplatz angesteuert hatte, das auf dem Parkplatz befindliche Toilettenhäuschen verließ, wurde er von den Angeklagten und dem Verurteilten L. L. durch einen oder mehrere Schläge ins Gesicht, die zu einer Nasenbeinfraktur und einer Blutung aus der Nase führten, überwältigt, mit Klebeband zumindest an den Händen gefesselt und in den Laderaum des von ihm genutzten Transporters verbracht. Anschließend fuhren alle Tatbeteiligten mit den beiden Fahrzeugen zu dem Lagerplatz zurück, wobei der Verurteilte Si. den Pkw Audi auf Anweisung des Angeklagten V. L. in der Nähe des Lagerplatzes so abstellte, dass das Fahrzeug von U. Mö. nicht wahrgenommen werden konnte. Auf dem Lagerplatz wurden dem Tatopfer gewaltsam zunächst drei seiner Bankkarten weggenommen und die Preisgabe der jeweiligen PIN erzwungen, ohne dass es bereits zu diesem Zeitpunkt zur Anwendung von Gewalt größeren Ausmaßes kam. Etwa 20 Minuten nach der Rückkehr auf die Lichtung verließen die Verurteilten Si. und L. L. mit dem Pkw Audi den Lagerplatz, hol- ten D. A. am Abstellort des Ford Transit ab und fuhren zusammen nach C. und W. , wo sie bei insgesamt fünf Geldabhebungen an Bankautomaten unter Verwendung der entwendeten Karten des Opfers jeweils 500 Euro erlangten und eine Reihe von weiteren gescheiterten Abhebeversuchen unternahmen. Während eines wegen der Eingabe einer falschen PIN erfolglos verlaufenden Abhebevorgangs kam es zu einem telefonischen Kontakt mit den auf dem Lagerplatz verbliebenen Angeklagten, bei dem zumindest der Umstand mitgeteilt wurde, dass eine der entwendeten Karten nicht eingesetzt werden konnte. Nach Beendigung der Geldabhebebemühungen kehrten die Verurteilten Si. und L. L. gemeinsam mit D. A. zu den Angeklagten auf den Lagerplatz zurück.
8
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt – möglicherweise während der Abwesenheit der Verurteilten Si. und L. L. – kam es aus der Gruppe der beim Tatopfer auf dem Lagerplatz verbliebenen Angeklagten neben einem vom Angeklagten V. L. mit dem Netbook des Tatopfers gegen dessen Kopf geführten Schlag, der zum Zerbersten des Netbooks führte, zu weiteren stumpfen Gewalteinwirkungen massivster Art, deren Einzelheiten nicht mehr geklärt werden konnten. Die Strafkammer hat die Gewalthandlungen weder einem oder mehreren Angeklagten zuordnen noch Feststellungen zu der die Gewalt auslösenden Situation und den ihr zugrundeliegenden Beweggründen treffen können. Fest steht allerdings, dass alle Angeklagten den Gewaltausbruch auf dem Lagerplatz wahrnahmen und dementsprechend Kenntnis von den massiven Verletzungshandlungen hatten. Als Folge der stumpfen Gewalteinwirkungen trug U. Mö. schwerste innere Verletzungen, darunter eine Brustkorbkompression mit Rippenserienbrüchen und einem Brustbeinquerbruch, vielfältige kräftig ausgeprägte Unterblutungen, Muskelblutungen und Fettgewebszertrümmerungen im Bereich des Oberkör- pers und der Beine sowie ein Schädelhirntrauma davon. Im Anschluss an die Gewalthandlungen wurde das schwer verletzte Tatopfer von den Angeklagten J. und V. L. im Beisein des Angeklagten M. L. , der U. Mö. bei dieser Gelegenheit im Unterschenkelbereich anfasste, zunächst mittels Klebeband an Händen und Füßen gefesselt, wobei die Hände des Opfers hinter dem Rücken so straff mit Klebeband umwickelt wurden, dass es zu massiven Schwellungen kam, und sodann im Laderaum des Transporters Mercedes Sprinter auf einer Matratze zwischen der Ladung abgelegt. In der Absicht, U. Mö. an einen anderen Ort zu bringen, um ein Auffinden des Opfers zu erschweren und der gesamten Tätergruppe damit hinlänglich Zeit für ihre Ausreise nach Litauen zu geben, verließen die Angeklagten und die anderen Anwesenden mit den beiden Fahrzeugen den Lagerplatz. Nach kurzer Fahrt in Richtung R. steuerte der Angeklagte V. L. den Mercedes Sprinter an eine etwa 200 Meter von der Straße entfernt gelegene Stelle im Wald, wo das im schlammigen Waldboden festgefahrene Fahrzeug mit dem im Laderaum befindlichen schwer verletzten Opfer bei laufendem Motor zurückgelassen wurde.
9
Die Angeklagten, die nicht davon ausgingen, dass U. Mö. bereits tödlich verletzt war, beabsichtigten nicht, den Tod des Opfers herbeizuführen. Indem sie U. Mö. in Kenntnis der ihm gegenüber verübten schwerenVerletzungshandlungen , seiner massiven Fesselung und der Abgeschiedenheit des Abstellortes sowie im Bewusstsein, dass er sich nicht selbst würde befreien können, seinem Schicksal überließen, nahmen sie indes den Tod des Opfers billigend in Kauf.
10
U. Mö. verstarb im Verlaufe des 10. Januar 2012 an einer Lungenfettembolie als Folge der durch die massiven stumpfen Gewalteinwirkungen her- vorgerufenen schweren inneren Verletzungen. Auch bei sofortiger medizinischer Behandlung wäre sein Tod nicht zu verhindern gewesen.
11
2. Das Landgericht hat das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht verneint , weil nach den Vorstellungen der Angeklagten, die um die schweren Verletzungshandlungen und die massive Fesselung wussten, auch ein Überleben des Opfers möglich war und aus Sicht der Angeklagten im Vordergrund stand, ihre Ergreifung zu erschweren.

II.


12
Die vom Nebenkläger Dr. H. Mö. erhobene Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung von § 55 Abs. 1, § 245 Abs. 1 Satz 1 und § 244 Abs. 2 StPO bei der Zeugenvernehmung des Verurteilten Si. beanstandet wird, ist unbegründet. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe seines Beschlusses vom 27. März 2019 – 4 StR 541/18 zu den den Verurteilten L. L. betreffenden Revisionen der Nebenkläger.

III.


13
Die Verurteilungen der Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen versuchten Totschlags halten einer sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer das Vorliegen des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht mit tragfähigen Erwägungen verneint hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts schließen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite eine Verdeckungsabsicht bei den Angeklagten nicht aus.
14
1. In Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten. Zu den einer Verdeckung zugänglichen Tatumständen gehört insbesondere die eigene Beteiligung an der vorangegangenen Tat. Schon begrifflich scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dagegen aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die objektiv gegebene Sachlage , sondern ausschließlich auf die subjektive Sicht des Täters an. Solange der Täter subjektiv davon ausgeht, dass die Umstände der Tat noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang bekannt sind, kommt eine Tötung aus Verdeckungsabsicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. Mai 2011 – 1 StR 50/11, BGHSt 56, 239, 243 ff.; vom 1. Februar 2005 – 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11, 14 f.; vom2. Dezember 1960 – 4 StR 453/60, BGHSt 15, 291, 295 f.).
15
Eine beim Täter gegebene Fluchtmotivation steht der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht entgegen. In Fällen, in denen eine befürchtete Ergreifung aus der allein maßgeblichen Sicht des Täters zugleich die Aufdeckung der eigenen Tatbeteiligung zur Folge haben kann, besteht vielmehr notwendigerweise ein enger Zusammenhang zwischen Flucht und Tatverdeckung, aufgrund dessen die Absicht zu fliehen in aller Regel auch den bestimmenden Willen umfasst , die eigene Täterschaft zu verdecken (vgl. BGH, Urteile vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, NJW 1999, 1039, 1040 f.; vom 20. September 1996 – 2 StR 278/96, NStZ-RR 1997, 132; vom 2. Dezember 1960 – 4 StR 453/60, aaO; vgl. Schneider in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 211 Rn. 224; Rissing-van Saan/Zimmermann in LK-StGB, 12. Aufl., § 211 Rn. 48). Eine andere Bewertung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann geboten, wenn der Täter – unabhängig von einem noch für möglich gehaltenen Verbergen seiner Täterschaft – ausschließlich deswegen tötet, um sich der Ergreifung durch Flucht zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2011 – 1 StR 50/11, aaO S. 245; Beschlüsse vom 26. November 1990 – 5 StR 480/90, NStZ 1991, 127; vom 24. Oktober 1984 – 2 StR 614/84, NStZ 1985, 166; Urteile vom 1. August 1978 – 5 StR 302/78, GA 1979, 108; vom 27. April 1978 – 4 StR 143/78, DRiZ 1978, 216; vgl. Schneider aaO Rn. 225; Rissing-van Saan/Zimmermann aaO). Bei dieser Motivlage fehlt es an einer auf Verdeckung gerichteten Absicht des Täters. In diesen Fällen wird allerdings das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in Betracht zu ziehen sein (vgl. BGH, Urteile vom 30. August 2012 – 4 StR 84/12, NStZ 2013, 337, 339 mwN; vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, aaO; vom 1. August 1978 – 5 StR 302/78, aaO; vgl. Rissing-van Saan/ Zimmermann aaO Rn. 63).
16
2. Gemessen an diesen Maßstäben halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht verneint hat, einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung der Strafkammer schließt der festgestellte Beweggrund der Angeklagten, durch das Verbringen des hilflosen Opfers an eine andere Stelle im Wald dessen Auffinden zu erschweren , um auf diese Weise hinlänglich Zeit für die Ausreise nach Litauen zu sichern, die Annahme von Verdeckungsabsicht nicht ohne weiteres aus. Denn diese Feststellung zur subjektiven Tatseite lässt gerade offen, ob die Angeklagten ausschließlich zur Absicherung ihrer Flucht agierten oder ob nicht auch das Bestreben handlungsleitend war, infolge der räumlichen Entfernung vom Tatort mit dem Überfall nicht als Tatbeteiligte in Verbindung gebracht zu werden. Für die letztgenannte Möglichkeit einer auf Verdeckung abzielenden Willensrichtung könnte sprechen, dass die Angeklagten schon in einem früheren Stadium des Überfalls auf das Opfer ein auf Verschleierung angelegtes Verhalten an den Tag legten. So trugen sie jeweils dafür Sorge, dass die von ihnen benutzten Fahrzeuge vom Opfer nicht wahrgenommen werden konnten, um mögliche Hinweise auf die Tätergruppe von vornherein auszuschließen. Mit ihrer beweiswürdigenden Erwägung, die Entdeckungs- bzw. Festnahmegefahr sei für die Angeklagten nicht mehr akut gewesen, nachdem sie sich aus der Nähe des Tatorts entfernt gehabt hätten, hat die Strafkammer den engen Zusammenhang zwischen Tatverdeckung und Flucht letztlich selbst erkannt, ohne allerdings die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für eine abschließende Klärung der maßgeblichen Tatmotivation zu ziehen.
17
3. Dass nach den Vorstellungen der Angeklagten auch ein Überleben des Tatopfers möglich war, steht schließlich einer Verdeckungsabsicht der Angeklagten ebenfalls nicht entgegen. Denn eine Sachverhaltskonstellation, in welcher ein lediglich bedingter Tötungsvorsatz des Täters das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ausschließt, weil nach den maßgeblichen Tätervorstellungen ein Verdeckungserfolg nur durch den Tod des Opfers erreichbar erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 7. Juni 2017 – 2 StR 474/16, NStZ 2018, 93, 94; vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 359 ff.; vom 26. Juli 1967 – 2 StR 368/67, BGHSt 21, 283; vgl. Rissing-van Saan/ Zimmermann aaO Rn. 58), ist nach den Feststellungen nicht gegeben.
18
4. Die Verurteilungen der Angeklagten jeweils wegen tateinheitlich begangenen versuchten Totschlags haben daher keinen Bestand. Weitere Rechtsfehler weist das angefochtene Urteil nicht auf. Da die nicht sicher zuordenbaren , todesursächlichen Gewalthandlungen aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Verwerfungsanträgen zutreffend ausgeführten Erwägungen den Angeklagten nicht im Wege der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden können, hat das Landgericht die Angeklagten jeweils zu Recht lediglich wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt. Schließlich begegnet auch die Verneinung des für eine Strafbarkeit nach § 239a Abs. 3 StGB oder § 251 StGB erforderlichen qualifikationsspezifischen Zusammenhangs keinen rechtlichen Bedenken.
19
Wegen des tateinheitlichen Zusammenhangs erfassen die Aufhebungen jeweils auch die ohne Rechtsfehler erfolgten Verurteilungen wegen erpresserischen Menschenraubs, Raubs, gefährlicher Körperverletzung und Computerbetrugs in vier tateinheitlichen Fällen. Die nicht vom Rechtsmittelangriff der Nebenkläger erfassten Entscheidungen über den Anrechnungsmaßstab für erlittene Auslieferungshaft sowie der Adhäsionsausspruch (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15, NStZ 2016, 721, 723) bleiben unberührt. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils bleiben ebenfalls bestehen. Der neue Tatrichter wird – ohne Widerspruch zu den bisherigen Sachverhaltsfeststellungen – die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zur Beurteilung der Mordmerkmale der Verdeckungsabsicht und gegebenenfalls der niedrigen Beweggründe zu treffen haben.
20
Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen Erwachsene richtet, verweist der Senat die Sache in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 3 StPO an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurück (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267; vgl. Gericke in KK-StPO, 8. Aufl., § 354 Rn. 37).
Sost-Scheible Bender Quentin
Feilcke Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges

Strafprozeßordnung - StPO | § 245 Umfang der Beweisaufnahme; präsente Beweismittel


(1) Die Beweisaufnahme ist auf alle vom Gericht vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen nach § 214 Abs. 4 vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, es sei denn

Strafgesetzbuch - StGB | § 251 Raub mit Todesfolge


Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

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Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Die Beweisaufnahme ist auf alle vom Gericht vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen nach § 214 Abs. 4 vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, es sei denn, daß die Beweiserhebung unzulässig ist. Von der Erhebung einzelner Beweise kann abgesehen werden, wenn die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind.

(2) Zu einer Erstreckung der Beweisaufnahme auf die vom Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen herbeigeschafften Beweismittel ist das Gericht nur verpflichtet, wenn ein Beweisantrag gestellt wird. Der Antrag ist abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist. Im übrigen darf er nur abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen oder offenkundig ist, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht oder wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

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ECLI:DE:BGH:2019:270319B4STR541.18.2

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 7. Dezember 2017 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Ausspruch über den Anrechnungsmaßstab für die erlittene Auslieferungshaft und die Anordnung eines Vorwegvollzugs von zwei Jahren und drei Monaten der Strafe vor der Maßregel entfallen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 3. Juni 2014 wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug und wegen Computerbetrugs in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und zwei Monaten verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen Vorwegvollzug von drei Jahren und sieben Monaten der Strafe vor der Maßregel festgesetzt. Des Weiteren hat es einen Anrechnungsmaßstab von 1 : 1,5 für die in Litauen erlittene Auslieferungshaft bestimmt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Auf die Revision des Angeklagten und der Nebenkläger hob der Senat dieses Urteil, soweit der Ange- klagte wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug verurteilt worden war, sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe und im Maßregelausspruch auf. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten des versuchten Totschlags in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, Raub, gefährlicher Körperverletzung und mit Computerbetrug in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ge- sprochen und gegen ihn „unter Einbeziehung“ der Strafen aus dem Urteildes ersten Rechtsgangs vom 3. Juni 2014 die Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verhängt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet, einen Vorwegvollzug von zwei Jahren und drei Monaten der Strafe vor der Maßregel festgesetzt, den Maßstab für die Anrechnung der in Litauen erlittenen Auslieferungshaft auf 1 : 2 bestimmt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Ausspruch über den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe vor der Maßregel kann nicht bestehen bleiben, weil für eine Anordnung nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB in Fällen, in denen – wie hier – ein möglicher Vorwegvollzug durch die erlittene Untersuchungshaft zum Entscheidungszeitpunkt bereits erledigt ist, kein Raum bleibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 423/11 Rn. 6; vom 31. Oktober 2007 – 2 StR 354/07, NStZ 2008, 212; vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 67 Rn. 9a).
3
2. Die Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab für die in Litauen erlittene Auslieferungshaft hat ebenfalls zu entfallen. Denn hierüber ist bereits im Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Juni 2014 rechtskräftig befunden worden. Der dortige Ausspruch über den Anrechnungsmaßstab ist durch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nicht berührt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2016 – 2 StR 20/16).
4
3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Bender Quentin
Feilcke Bartel

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 50/11
vom
17. Mai 2011
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zu den Anforderungen an das Vorliegen von Verdeckungsabsicht (im Anschluss an
Senatsurteil vom 1. Februar 2005 - 1 StR 327/04 = BGHSt 50, 11 f.).
BGH, Urteil vom 17. Mai 2011 - 1 StR 50/11 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Mai 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juli 2010 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben:
a) soweit die Angeklagte wegen Totschlags verurteilt wurde (A. III. 2. der Urteilsgründe) und
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen "Totschlags sowie Betrugs in zwei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall mit Urkundenfälschung in zwei Fällen , in einem Fall mit Urkundenfälschung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Sie beanstandet mit der Sachrüge, dass die Angeklagte "nur" wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt wurde. Die wirksam hierauf und den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
4
Die Angeklagte gelangte in den Besitz der EC-Karte der Eheleute P. bei der Deutschen Bank. Sie wurde von ihrer Schwester Bi. beauftragt, Ratenzahlungen für eine gegen diese verhängte Geldstrafe an die Landesjustizkasse Bamberg zu überweisen. Die Angeklagte füllte am 22. April 2008 für das ihr aus der EC-Karte bekannte Konto der Eheleute P. zwei Überweisungsformulare zu Gunsten der Landesjustizkasse Bamberg über jeweils 50 Euro aus, unterzeichnete sie mit dem Namenszug "P. " und gab sie bei der Deutschen Bank ab. Da dieses Konto zu diesem Zeitpunkt nicht die erforderliche Deckung aufwies, wurden beide Überweisungen nicht ausgeführt. Im Mai 2008 kaufte die Angeklagte in zwei Geschäften in Erlangen ein und bezahlte jeweils mit dieser EC-Karte. Als die Angeklagte erfuhr, dass den Eheleuten P. 15.000 Euro auf ihr Konto gutgeschrieben wurden, beschloss sie, mit der EC-Karte Geld für sich abzuheben. Am 19. Mai 2008 suchte sie die Filiale der Deutschen Bank auf und gab sich gegenüber dem Bankangestellten B. als Frau P. aus. Sie teilte dem Bankangestellten mit, 2.000 Euro abheben zu wollen. B. erstellte zunächst aufgrund eines Versehens einen Auszahlungsbeleg über 1.000 Euro, der von der Angeklagten mit dem Namenszug "P. " unterzeichnet wurde. Anschließend erstellte B. einen zweiten Auszahlungsbeleg über weitere 1.000 Euro, den die Angeklagte wiederum mit dem Namenszug "P. " unterzeichnete. B. zahlte ihr sodann 2.000 Euro in bar aus. Zwanzig Minuten später ging die Angeklagte erneut in diese Filiale und teilte B. mit, weitere 5.000 Euro abheben zu wollen. B. erstellte einen Auszahlungsbeleg über diesen Betrag, den die Angeklagte mit dem Namenszug "P. " unterzeichnete. Sie erhielt daraufhin von B. 5.000 Euro in bar. Noch am Nachmittag dieses Tages beglich die Angeklagte Mietrückstände in Höhe von über 3.000 Euro.
5
Am 21. Mai 2008 erstattete Herr P. bei der Polizei in Erlangen Anzeige wegen des Abhandenkommens der EC-Karte und der unberechtigten Abhebungen. Auch sprach er bei dem Mitarbeiter W. bei der Filiale der Deutschen Bank vor und erfuhr, dass die Abhebungen von einer dunkelhäutigen jüngeren Frau vorgenommen worden waren. Seine von ihm verdächtigte Schwester konnte nach einer Vorsprache bei der Deutschen Bank als Abheberin ausgeschlossen werden. Am 16. Juni 2008 äußerte Herr P. sowohl gegenüber den Mitarbeitern der Deutschen Bank als auch gegenüber der Polizei den Verdacht, dass die Angeklagte die Abhebungen vorgenommen haben könnte. Am 17. Juni 2008 erfuhr die Schwester der Angeklagten, dass die beiden Ratenzahlungen auf die gegen sie zu vollstreckende Geldstrafe nicht eingegangen waren. Ihr Ehemann ging deshalb zur Filiale der Deutschen Bank und legte dem Mitarbeiter W. die zwei Durchschläge der Überweisungsträger vor, die die Angeklagte ihrer Schwester gegeben hatte und auf denen das Konto der Eheleute P. als Abbuchungskonto eingetragen war. W. schöpfte wegen der Kontoidentität sofort den Verdacht, dass es zwischen den gescheiterten Überweisungen und den Abhebungen einen Zusammenhang gebe. Bei einer persönlichen Vorsprache der Schwester der Angeklagten wurde diese vom Bankangestellten B. als Abheberin ausgeschlossen. W. erfuhr von ihr vielmehr, dass sie die Angeklagte mit den Überweisungen beauftragt hatte. Er rief daraufhin mehrfach die Angeklagte an und bat sie am 24. Juni 2008 zu einem Gespräch in die Bankfiliale. Gleichzeitig forderte die Schwester der Angeklagten diese auf, den Termin bei der Deutschen Bank unbedingt wahrzunehmen, um die Sache mit den fehlgeschlagenen Überweisungen aufzuklären, da sie die Sorge hatte, in Haft zu müssen.
6
Die Angeklagte befürchtete jetzt, dass ihr Versuch, unberechtigte Überweisungen vom Konto der Eheleute P. auszuführen, vor der Aufdeckung stand. Noch mehr befürchtete sie aber, dass auch ihre Barabhebungen ans Licht kämen. Dabei hatte sie zum einen Angst vor einer Bestrafung zum anderen auch vor dem dann aufgedeckten Vertrauensbruch gegenüber Schwester und Bekannten. Deshalb und um weitere Ermittlungen gegen sie zu verhindern, ging sie weder am 24. Juni 2008 noch am 26. Juni 2008 zu Besprechungsterminen mit W. .
7
Am 25. Juni 2008 war die Angeklagte wegen der Ermittlungen zu den Abhebungen nervös und befürchtete, dass über die von ihr für ihre Schwester durchgeführten Überweisungen auch ihre Barabhebungen von insgesamt 7.000 Euro aufgedeckt würden. Sie wollte deshalb von Frau P. herausbekommen , was diese über die Sache weiß, ob sie selbst unter Verdacht stehe und welche Beweise vorliegen. Am Nachmittag kam die Angeklagte in die Wohnung der Eheleute P. und hielt sich mit Frau P. in der Küche auf. Als beide über die unberechtigten Abhebungen sprachen, entstand ein Streit. Die Angeklagte geriet dabei in Wut, schlug Frau P. einen scharfkantigen Gegenstand mehrfach auf den Kopf und stach mit einem Messer mehrmals auf diese ein, um sie zu töten. Die beigefügten Verletzungen führten nach ca. zehn bis fünfzehn Minuten zum Tod von J. P. .
8
Erst danach sah die Angeklagte die Chance, die Überweisungsversuche an die Landesjustizkasse zu erklären und damit die weiteren Ermittlungen gegen sich zu beenden. Sie suchte deshalb am 3. Juli 2008 W. auf und gab vor, dass sich die Kontonummer der Eheleute P. auf den Überweisungsbelegen befinde, da Frau P. ihrer - der Angeklagten - Schwester noch einen Gefallen schuldig gewesen sei und deshalb für sie die Überweisungen unterschrieben habe. Jetzt könne man Frau P. aber nicht mehr fragen, da sie mittlerweile verstorben sei. Die Angeklagte wollte damit erreichen, dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden.
9
2. Nach Auffassung des Landgerichts beging die Angeklagte die Tat nicht zur Verdeckung einer Straftat. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Angeklagte zwar auch von J. P. verdächtigt wurde, die unberechtigten Kontoverfügungen vorgenommen zu haben. Da aber, wie die Angeklagte wusste, auch Jo. P. und W. diesen Verdacht hegten, sei, wie die Angeklagte wusste, die Tötung von J. P. nicht geeignet, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern.
10
Die Angeklagte habe auch nicht aus sonstigen niedrigen Beweggründen gehandelt. Es habe nicht festgestellt werden können, was letztlich der konkrete Auslöser für den Angriff der Angeklagten gewesen sei.

II.

11
Die Verurteilung wegen Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die zugrunde liegende Beweiswürdigung beruht auf durchgreifenden Rechtsfehlern. Die Urteilsgründe lassen in diesem Zusammenhang darüber hinaus besorgen, dass die Strafkammer das Mordmerkmal "Verdeckungsabsicht" rechtlich nicht zutreffend erfasst hat, indem sie von einem zu engen Verständnis von diesem Merkmal ausgegangen ist.
12
Das Revisionsgericht hat es allerdings grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht tatsächliche Zweifel am Vorliegen von Mordmerkmalen nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
13
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es fehlt die gebotene Gesamtwürdigung; die Beweiswürdigung ist lückenhaft. Das Landgericht hat zwar eine umfassende Beweiswürdigung hinsichtlich der Täterschaft der Angeklagten vorgenommen, aber hinsichtlich einer - eher nahe liegenden - Verdeckungsabsicht fehlt es an tragfähigen Überlegungen und Erörterungen. Lediglich im Rahmen der rechtlichen Würdigung (UA S. 69) wird als Ergebnis knapp mitgeteilt, dass die Angeklagte nicht mit Verdeckungsabsicht handelte, weil die Tötung von J. P. nicht geeignet sei, die weitere Aufdeckung der Taten zu verhindern. Die erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien, die für eine Verdeckungsabsicht der Angeklagten sprechen, hat das Landgericht jedoch nicht vorgenommen.
14
1. In Verdeckungsabsicht handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet , um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (vgl. u.a. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 - 1 StR 327/04 = BGHSt 50, 11 ff. mit Anm. u.a. Steinberg JR 2007, 291; Kudlich JuS 2005, 659; Fischinger JA 2005, 490). Allerdings scheidet begrifflich eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dann aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist und der Täter dies weiß (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 1978 - 5 StR 302/78 = GA 1979, 108). Es kommt nicht darauf an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur subjektiv meint, zur Verdeckung dieser Straftat über die Leiche dieses möglichen Zeugen zu müssen (vgl. Geppert JK 10/05, StGB § 211/45). Auch nach Bekanntwerden einer Straftat kann ein Täter dann noch in Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, dass er als Täter dieser Straftat verdächtigt wird, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind (vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 aaO). Verdeckungsabsicht ist aus der Sicht des Täters zu beurteilen. Glaubt er mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrecht erhalten oder seine Lage verbessern zu können, so reicht das für die Annahme der Verdeckungsabsicht aus, selbst wenn er bereits als Täter der Vortat verdächtigt wird (vgl. LKJähnke , StGB, 11. Aufl., § 211 Rn. 16 mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 27. April 1978 - 4 StR 143/78 insoweit in BGHSt 28, 18 nicht abgedruckt), da die Tatumstände - nach seinem Wissen - noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt waren (vgl. BGHSt 15, 291, 296). Verdeckungsabsicht ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tat als solche bereits entdeckt ist, dem Täter es jedoch noch darauf ankommt, seine eigene Täterschaft zu verbergen; Voraussetzung ist jedoch, dass er sich oder seine Tat noch nicht voll erkannt bzw. nicht voll überführungsfähig glaubt und daher mit der Vorstellung von Entdeckungsvereitelung handelt (Schönke/Schröder-Eser, StGB, 28. Aufl., § 211 Rn. 34 mwN).
15
Der Umstand, dass die unberechtigten Abhebungen bereits entdeckt waren , schließt daher die Annahme der Verdeckungsabsicht i.S.d. § 211 StGB nicht aus, wenn es der Angeklagten darauf ankam, ihre Täterschaft nicht ans Licht kommen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1951 - 4 StR 672/51 = NJW 1952, 531 mwN). In Verdeckungsabsicht tötet, wer die Vortat überhaupt als auch, wer lediglich die eigene Täterschaft verbergen will, die den Strafverfolgungsbehörden nach seiner Vorstellung bisher nicht bekannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 - 3 StR 89/88 = NJW 1988, 2682 mwN; hierzu auch BGH, Urteil vom 20. September 1996 - 2 StR 278/96 = NStZ-RR 1997, 132 mwN). Ein Täter, der sich jedoch "nur" der Festnahme entziehen will, will "weder Tat noch Täter" zudecken (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 1990 - 5 StR 480/90 = NJW 1991, 1189 mwN).
16
Dass die Angeklagte wegen des Streits über die unberechtigten Abhebungen in Wut geraten ist, würde der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht ohne weiteres entgegenstehen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 319/98 = NJW 1999, 1039 mit Anm. Momsen in JR 2000, 26, 30 f. und Schroth NStZ 1999, 554; vgl. hierzu auch Altvater NStZ 2000, 18 f.; LK-Jähnke aaO, § 211 Rn. 15). Reagiert der Täter allerdings allein auf wuterregende Vorhaltungen des Opfers, so kann es bei einer dadurch ausgelösten Tötung an der Verdeckungsabsicht fehlen (vgl. Eser NStZ 1983, 440 mit Hinweis auf BGH, Beschluss vom 2. September 1981 - 3 StR 314/81). Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann im Übrigen auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblicksituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele (vgl. hierzu Senatsurteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07 Rn. 39 insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt).
17
2. Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht zur Grundlage seiner Beweiswürdigung gemacht. Es hätte sich nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, dass diese Tötung nicht geeignet war, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern. Dieses objektive Kriterium ist zwar als gewichtiges Indiz gegen eine Verdeckungsabsicht in eine Beweiswürdigung einzustellen, zumal da im vorliegenden Fall das Landgericht mangels einer entsprechenden Einlassung der Angeklagten nur Schlussfolgerungen hinsichtlich der Motivation der Angeklagten ziehen konnte. Die maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist aber nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon; die äußeren Gegebenheiten sind allerdings insofern von Belang, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulassen. Der Hinweis auf die objektive Sachlage ersetzt aber nicht eine Würdigung aller maßgeblichen - auch für die Verdeckungsabsicht der Angeklagten sprechenden - Umstände. An einer solchen Würdigung fehlt es hier.
18
Für die weitere Feststellung der Strafkammer, dass die Angeklagte von der Ungeeignetheit der Tötung zur Verdeckung wusste, fehlt es an einer Begründung.
19
Das Landgericht hätte in der erforderlichen Gesamtwürdigung insbesondere folgende Indizien erörtern müssen, die für eine Verdeckungsabsicht sprechen und gegen die Feststellung, die Angeklagte habe die Tat für ungeeignet gehalten, die Aufdeckung zu verhindern:
20
Die Angeklagte ging nicht zu dem Termin bei W. , "um weitere Ermittlungen gegen sich zu verhindern" (UA S. 11). Sie befürchtete, dass ihre Überweisungen und Barabhebungen ans Licht kämen (UA S. 10). Sie suchte nach der Tat W. auf und versuchte, die von ihr gefälschte Unterschrift als von der Toten geleistet hinzustellen, um damit zu erreichen "dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden" (UA S. 11). Die Angeklagte war zum Tatopfer gegangen, um herauszubekommen , was diese über eine Täterschaft der Angeklagten wusste (UA S. 11; vgl. auch UA S. 30). Anlass des Streites war das Gespräch über die unberechtigten Abhebungen (UA S. 13). Den Urteilsfeststellungen lässt sich nicht entnehmen , dass die Angeklagte wusste, dass Jo. P. auch der Polizei seinen Tatverdacht gegen die Angeklagte mitgeteilt hatte (UA S. 23). Die Angeklagte wusste - entgegen ihrer Einlassung -, dass W. mit ihr die Überweisungen und Abhebungen klären wollte (UA S. 26). Die Angeklagte handelte in dem Gespräch mit W. nach der Tötung von J. P. , um "weitere Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Überweisungen und wegen der unberechtigten Abhebungen zu stoppen" (UA S. 26). Die Angeklagte sah "als einzigen Ausweg aus ihrer Zwangslage die Tötung von J. P. " (UA S. 52), wobei ihre Zwangslage darin bestand, die unberechtigten Kontoverfügungen erklären zu müssen. Der zur Feststellung der Schuldfähigkeit der Angeklagten gehörte Sachverständige Dr. Wö. verneinte eine Affekttat. "Vielmehr ergebe sich die konkrete Konfliktlage zwischen der Angeklagten und J. P. aus den von der Angeklagten zuvor durchgeführten unberechtigten Kontoverfügungen, deren Aufdeckung sie befürchtete" (UA S. 68).
21
All diese Indizien sind geeignet, eine Verdeckungsabsicht der Angeklagten zu belegen, da sie dagegen sprechen, dass die Angeklagte subjektiv die Tötung der J. P. für ungeeignet hielt, die weitere Aufdeckung ihrer vorausgehenden Taten zu verhindern. Die Beweiswürdigung ist insofern lückenhaft.
22
Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf diesem Rechtsfehler die Ablehnung des Mordmerkmals Verdeckungsabsicht beruht. Die Verurteilung wegen Totschlags war daher aufzuheben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende, nicht im Widerspruch stehende , Feststellungen treffen; die subjektive Tatseite ist ohnehin neu festzustellen. Die bisherigen Feststellungen zum Tötungsvorsatz und zur Schuldfähigkeit der Angeklagten lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
23
3. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
24
4. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auch das Mordmerkmal niedrige Beweggründe zu prüfen. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Unterscheidung zwischen Motiv (Wut im Zusammenhang mit den unberechtigten Abhebungen; UA S. 13) und konkretem Auslöser (UA S. 69) ist ohne nähere Darlegung nicht nachzuvollziehen. Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05 mwN). Dies wäre aber im Hinblick auf berechtigte Vorhaltungen wegen der Geldabhebungen nicht ausgeschlossen. Die Absicht, die Überführung durch Beseitigung eines Belastungszeugen zu erschweren, weist - wenn sie nach den Umständen für die Annahme eines Verdeckungsmordes nicht ausreicht - vielfach auf niedrige Beweggründe hin (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 6). Neben der Verdeckungsabsicht ist die Annahme niedriger Beweggründe jedoch nicht gerechtfertigt, wenn die zur Begründung dieses Merkmals herangezogenen Motive des Täters über die Verdeckungsabsicht hinaus keinen weiteren Unrechtsgehalt aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1999 - 3 StR 1/99 = NStZ-RR 1999, 235).
25
5. Wenn die Angeklagte J. P. tötete, um hinsichtlich der unberechtigten Geldabhebungen keine Rückzahlung leisten zu müssen, käme im Übrigen auch das Mordmerkmal Habgier in Betracht. Nack Wahl Rothfuß Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 84/12
vom
30. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
für die Nebenklägerin G. als Nebenklägervertreter,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger R. als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 25. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , verurteilt worden ist; insofern bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten ;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im verbleibenden Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit zwei Fällen der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Nebenkläger, an eine andere als Schwur- gericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren festgesetzt. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und beide Nebenkläger Revision eingelegt. Der Angeklagte hat eine Verfahrens- und die allgemeine Sachrüge erhoben. Die Nebenkläger streben eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet. Die Revisionen der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen unterhielt der Angeklagte über mehrere Jahre eine außereheliche Beziehung zu der in A. wohnenden Nebenklägerin G. . Aus der Beziehung sind drei Kinder hervorgegangen. Im Lauf des Jahres 2010 beendete G. die konfliktreich gewordene Beziehung. Der Angeklagte vermochte das Beziehungsende nicht zu akzeptieren und erschien regelmäßig in der Wohnung der Nebenklägerin, weil er sie noch immer als seine Lebensgefährtin ansah und davon ausging, dass sie zu ihm gehöre (UA 7). Nachdem er am 11. Dezember 2010 gegenüber G. tätlich geworden war, wurde er von der herbeigerufenen Polizei der Wohnung verwie- sen und ihm ein Rückkehrverbot auferlegt. Gleich nach der Abfahrt der Polizei suchte er G. wieder auf und drohte, ihr den Kopf abzuschlagen (UA 7). Da G. bei dem Angeklagten einige Zeit zuvor eine Schusswaffe gesehen hatte, bekam sie nun soviel Angst, dass sie sich von ihrem Onkel, dem Zeugen D. , abholen ließ und bei ihm das Wochenende verbrachte (UA 8). Nach den Weihnachtsfeiertagen bezog sie eine eigene Wohnung in B. , die ihr D. vermittelt hatte. Sie lebte noch immer in großer Angst vor dem Angeklagten, der zwar nicht wusste, wo sie wohnte, aber regelmäßig Kontakt zu D. aufnahm, um ihren Wohnort zu erfahren (UA 8).
3
Im Januar 2011 kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu einer Sitzung eines sog. Ältesten- oder Familienrates aus Mitgliedern der Familie des Angeklagten und der Familie von G. . Dabei erhob der Angeklagte den Vorwurf, dass D. seine Kinder entführt und ihm die Frau weggenommen habe. G. und die Kinder gehörten zu ihm und hätten zu tun, was er wünsche (UA 10). Nachdem G. vor dem Ältestenrat darauf bestanden hatte, von dem Angeklagten getrennt zu leben, entschied der Ältestenrat , dass D. nicht schuldhaft gehandelt habe und der Angeklagte die Trennung von G. akzeptieren müsse. Der Angeklagte reagierte hierauf mit einer Äußerung, die von der Nebenklägerin G. zutreffend so verstanden wurde, dass er etwas so Schlimmes mit ihr anstellen werde, dass er sich auch „gleich selbst wegmachen könne“ (UA 11).
4
Für G. entwickelte sich nun eine Phase erheblicher Angst. Sie lebte in der Hoffnung, dass der Angeklagte nicht wusste, wo sie wohnte. Tatsächlich war dem Angeklagten lediglich bekannt, dass G. in der Nähe der Wohnung ihres Onkels D. in B. lebte. Er bestreifte daher mit seinem Pkw die Gegend um die Wohnung des D. und hielt Ausschau. Dabei fiel sein Fahrzeug Nachbarn und Angehörigen von G. auf (UA 12). Auch rief der Angeklagte regelmäßig bei D. an und ließ ihn von anderen Leuten in aggressiver Weise nach der Adresse von G. befragen. Dabei gelang es ihm nicht, die genaue Adresse zu erfahren (UA 12). Nachdem G. von den Nachstellungen des Angeklagten erfahren und von ihm eine SMS mit einer Todesdrohung erhalten hatte, rechnete sie stets damit, dass der Angeklagte sie „irgendwann einmal erwischen“ würde. Sie konnte deshalb nicht mehr angstfrei vor die Tür treten und schränkte ihre Lebensführung erheblich ein (UA 12).
5
Im März 2011 kam der Bruder von G. , der Nebenkläger R. , aus Mazedonien nach Deutschland, weil er hier Asyl beantragen wollte. Dazu hielt er sich ab dem 1. April 2011 in der Wohnung von G. in B. auf.
6
Am 2. April 2011 kauften G. und R. gegen 15 Uhr in einem Supermarkt gegenüber der Wohnung von G. für einen Kindergeburtstag ein. Der Angeklagte wartete zu diesem Zeitpunkt in seinem in der Nähe der Einfahrt zum Parkplatz des Supermarktes geparkten Fahrzeug, weil er mit einem Einkauf von G. rechnete. Als G. und R. mit dem beladenen Einkaufswagen den Parkplatz des Supermarktes über die Einfahrt verließen, nahmen sie den Angeklagten nicht wahr. G. war jedoch noch immer in erheblicher und konkreter Sorge, dass der Angeklagte jederzeit unvermittelt auftauchen und sie überfallen könnte. Diese Sorge war auch R. bekannt und wurde von ihm ernst genommen (UA 13). Als der Angeklagte G. und R. erblickte , fuhr er mit voller Beschleunigung los, um einen Zusammenstoß mit beiden oder wenigstens mit dem Einkaufswagen herbeizuführen. Dabei nahm er Verletzungen von G. und R. zumindest billigend in Kauf. Der Zusammenstoß sollte dazu dienen, G. „so außer Gefecht zu setzen“, dass sie sich gegen den anschließend geplanten Angriff mit einer mitgeführten Selbstladepistole nicht mehr wehren oder davonlaufen konnte. Wenige Sekunden vor dem Zusammenstoß bemerkte R. das rasch näher kommende Fahrzeug und erkannte den Angeklagten. Er warnte deshalb sofort seine Schwester. Eine Flucht war jedoch nicht mehr möglich. Der von dem Angeklagten gesteuerte Pkw stieß mit einer Geschwindigkeit von mindestens 35 km/h gegen den Einkaufswagen. G. und R. wurden durch den Zusammenprall mit dem Pkw zu Boden geschleudert, nachdem zunächst einer von beiden auf die Motorhaube des Fahrzeugs aufgeladen worden war (UA 14).
7
Der Angeklagte verließ sogleich sein Fahrzeug und lief mit der entsicherten Pistole auf G. zu, um sie zu töten. Die nur leicht verletzte Nebenklägerin sprang auf und versuchte laut schreiend zu flüchten. Als sich R. dem Angeklagten in den Weg stellte, wurde er von ihm mit der Pistole zu Boden geschlagen. Der Angeklagte lief G. nach, wobei er ihr zu verstehen gab, dass er sie jetzt töten werde. Als der Angeklagte die sich zwischen mehreren Fahrzeugen verbergende G. eingeholt hatte, schlug er ihr von hinten mit der Waffe auf den Kopf und drückte sie zu Boden. Anschließend richtete er die Pistole auf ihre rechte Halsseite und betätigte mit Tötungsabsicht „einer Hinrichtung gleich“ den Abzug (UA 15). Das Projektil drang tief in den Halsraum von G. ein, zerstörte den vierten Halswirbelkörper und blieb schließlich auf der linken Seite hinter der Halsschlagader stecken (UA 16). G. stürzte zu Boden und blieb wimmernd liegen.
8
Als der Angeklagte unmittelbar nach dem Schuss auf G. zu seinem Auto laufen wollte (UA 15), wurde er von dem seiner Schwester zu Hilfe eilenden R. in einen Zweikampf verwickelt, in dessen Verlauf der Angeklagte R. direkt unterhalb des rechten Auges in den Kopf schoss, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, auch ihn zu töten (UA 15). Das Projektil zerstörte das Mittelgesicht und verursachte unter anderem eine Orbitabodenfraktur, eine ausgedehnte und dislozierte Kieferhöhlenfraktur, eine klaffende Jochbeinfraktur sowie ein Netzhautödem. Nachdem R. den Angeklagten losgelassen hatte und dieser nun tatsächlich zu seinem Auto laufen konnte (UA 25), ergriff er mit seinem Auto die Flucht. Hierbei ging es ihm ausschließlich darum, den Tatort – wie von vorneherein geplant – so schnell wie möglich zu verlassen, um einer Festnahme durch die zahlreich vorhandenen Zeugen zu entgehen (UA 16). Er rechnete damit, dass beide Nebenkläger an den erlittenen Schusswunden versterben würden. Dies war ihm wenigstens gleichgültig (UA 17 und 25).
9
II. Zur Revision der Nebenklägerin G.
10
Die Revision der Nebenklägerin G. hat Erfolg, weil die Erwägungen , mit denen das Landgericht einen versuchten Heimtückemord und einen versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht standhalten.
11
1. Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten nicht als heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB bewertet, weil die Nebenklägerin infolge der früheren Drohungen und Nachstellungen des Angeklagten jederzeit mit einem Übergriff rechnete. Dies habe dazu geführt, dass sie in der Tatsituation nicht mehr arglos gewesen sei (UA 30). Diese Ausführungen lassen besorgen , dass das Landgericht von einem zu engen Begriff der Heimtücke ausgegangen ist.
12
a) Heimtückisch handelt, wer die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Opfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 9. Januar 1991 – 3 StR 205/90, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; Urteil vom 4. Juli 1984 – 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 383 f.). Heimtückisch tötet auch, wer sein ahnungsloses Opfer zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz angreift, dann aber unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer nicht mehr möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, sodass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 20; Beschluss vom 19. Juni 2008 – 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; Urteil vom 9. Dezember 1986 – 1 StR 596/86, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Lauert der Täter seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht mehr darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenübertretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 – 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264). Eine auf früheren Aggressionen beruhende latente Angst des Opfers hebt seine Arglosigkeit erst dann auf, wenn es deshalb im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGH, Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 20. Oktober 1993 – 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 368). Die Rechtsprechung hat daher auch bei Opfern, die aufgrund von bestehenden Konfliktsituationen oder früheren Bedrohungen dauerhaft Angst um ihr Leben haben, einen Wegfall der Arglosigkeit erst dann in Betracht gezogen, wenn für sie ein akuter Anlass für die Annahme bestand, dass der ständig befürchtete schwerwiegende Angriff auf ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit nun unmittelbar bevorsteht (vgl.
BGH, Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 15; Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 503/09, NStZ 2010, 450, 451).
13
b) Nach den Feststellungen hatte die Nebenklägerin G. den in seinem Pkw wartenden Angeklagten bis wenige Sekunden vor der Tat nicht bemerkt. Ihre Befürchtung, der Angeklagte werde sie „irgendwann einmal erwischen“ , beruhte auf vorangegangenen, zum Teil mehrere Monate zurückliegen- den Todesdrohungen und dem Wissen um Nachstellungen des Angeklagten im Umfeld ihrer Wohnung. Umstände, die zu einer auf die Tatsituation bezogenen Aktualisierung und Konkretisierung dieser Befürchtung geführt haben, lassen sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass die Nebenklägerin von dem auf ihr Leben gerichteten Angriff getroffen wurde, als sie mit ihrem gefüllten Einkaufswagen das belebte Gelände eines Supermarktes verließ, legt die Annahme nahe, dass sie sich jedenfalls in diesem Moment keines konkreten Angriffs von Seiten des Angeklagten versah und in einer hilflosen Situation überrascht wurde. Nach dem mit Verletzungsvorsatz geführten überraschenden Angriff mit dem Pkw war der Nebenklägerin zwar noch eine kurze Flucht möglich , doch vermochte sie sich aufgrund der Kürze der ihr verbleibenden Reaktionszeit dem mit Tötungsvorsatz nachsetzenden Angeklagten nicht mehr zu entziehen oder wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
14
2. Das Vorliegen niedriger Beweggründe hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, dass der Angeklagte zwar vornehmlich aus Wut über das Verlassenwerden gehandelt habe, doch lasse sich nicht feststellen, dass die Tat aus schlechthin unverständlichen und verachtenswerten Motiven heraus begangen worden sei (UA 30 f.). Diese Ausführungen lassen eine sachlichrechtliche Überprüfung nicht zu und geben Anlass zu der Besorgnis, dass wichtige Umstände der Tat und zur Motivation des Angeklagten nicht berücksichtigt worden sind.
15
a) Aus niedrigen Beweggründen tötet, wer sich maßgeblich von einem oder mehreren Handlungsantrieben leiten lässt, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb verwerflich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1952 – 1 StR 272/52, BGHSt 3, 132; Urteil vom 24. Mai 2012 – 4 StR 62/12, Rn. 17). Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren Faktoren beurteilt werden, die für die Motivbildung von Bedeutung waren (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 – 4 StR 62/12, Rn. 17; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 10; Urteil vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, 229). Beruht die Tötung auf Gefühlsregungen wie Wut, Zorn oder Verärgerung, denen jedermann mehr oder weniger stark erliegen kann, kommt es für die Beurteilung auf die zugrunde liegende Gesinnung des Täters an (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011; Urteil vom 14. Oktober 1987 – 3 StR 145/87, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8; MüKo-StGB/Schneider § 211 Rn. 71).
16
b) Das Landgericht hat sich mit der Grundhaltung des Angeklagten, die seiner Wut über das Verlassenwerden zugrunde lag, nicht erkennbar auseinandergesetzt. Auch im Übrigen fehlt es an der erforderlichen Gesamtwürdigung. Nach den Feststellungen ging der Angeklagte davon aus, dass die Nebenklägerin zu ihm gehöre und – wie auch die gemeinsamen Kinder – zu tun habe, was er wünsche. Ihren Trennungswunsch ignorierte er ebenso, wie ein polizeiliches Rückkehrverbot und die Entscheidung des seinem Kulturkreis angehörenden Ältestenrates, den er zuvor selbst als Autorität angerufen hatte. Der direkte Tötungsvorsatz und die „hinrichtungsgleiche“ Tatausführung deuten darauf hin, dass es dem Angeklagten vornehmlich darum ging, seine Wut in einer Bestrafung der Nebenklägerin abzureagieren. Bei dieser Sachlage hätte erörtert werden müssen, ob die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1952 – 1 StR 272/52, BGHSt 3, 132, 133; Beschluss vom 20. August 1996 – 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 227; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 11).
17
III. Zur Revision des Nebenklägers R.
18
1. Die Revision des Nebenklägers R. hat Erfolg, weil das Landgericht bei der Prüfung einer versuchten Tötung aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB ein nach den Feststellungen naheliegendes als niedrig zu bewertendes Tatmotiv nicht erörtert hat.
19
a) Ein niedriger Beweggrund kann auch gegeben sein, wenn sich der Täter zur Tötung eines Menschen entschließt, um sich einer berechtigten Festnahme zu entziehen und ungehindert entkommen zu können. Dieser Tatantrieb muss in aller Regel ebenso beurteilt werden, wie die in § 211 Abs. 2 StGB ausdrücklich hervorgehobene Verdeckungsabsicht, weil es dem Täter in beiden Fällen darum geht, sich seiner Verantwortung für begangenes Unrecht unter Inkaufnahme des Todes eines Menschen zu entziehen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1970 – 1 StR 68/70, MDR 1971, 722 bei Dallinger; Urteil vom 14. Oktober 1987 – 3 StR 145/87, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, StV 2000, 74, 75; Urteil vom 14. Juli 1988 – 4 StR 210/88, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; MüKo-StGB/Schneider, § 211 Rn. 78; LK-StGB/Jähnke, 11. Aufl., § 211 Rn. 25).
20
b) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte nach dem Schuss auf die Nebenklägerin G. durch den Nebenkläger R. daran gehindert, unverzüglich mit seinem Auto zu fliehen. Als er sich aus dieser Lage mit dem Schuss in das Gesicht des Nebenklägers befreit hatte, verließ er – wie von vorneherein geplant – fluchtartig den Tatort. Danach hätte sich das Landgericht mit der Frage befassen müssen, ob sich der Angeklagte den Fluchtweg mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz freigeschossen und deshalb bei der Abgabe des zweiten Schusses aus einem niedrigen Beweggrund gehandelt hat.
21
2. Einen versuchten Heimtückemord hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Der Nebenkläger R. war nach den Feststellungen im Zeitpunkt der Schussabgabe auf ihn weder arg- noch wehrlos. Der anfängliche Überraschungseffekt wirkte nicht mehr fort.
22
IV. Zur Revision des Angeklagten
23
Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 Satz 1 StPO) geltend macht, bleibt erfolglos. Dabei kann es dahinstehen, ob der von dem Beschwerdeführer behauptete Verfahrensfehler vorliegt, weil ein Beruhenszusammenhang (§ 337 Abs. 1 StPO) ausgeschlossen werden kann. Das Landgericht hat die Angaben des Ersthelfers Gö. , die in dem nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesenen polizeilichen Vermerk vom 2. April 2011 festgehalten worden sind, zur Stützung des Schuld- oder Strafausspruchs nicht herangezogen. Da sich diese Angaben lediglich auf ein Ereignis nach der Tat (Anfertigung von drei Lichtbildern des Pkw des flüchtenden Angeklagten) beziehen, handelte es sich bei Gö. auch nicht um einen „unmittelbaren Tatzeugen“, auf die sich die von dem Beschwerdeführer zur Begründung eines Beruhenszusammenhanges ins Feld geführte allgemeine Formulierung in den Urteilsgründen bezieht. Die Erwägungen , mit denen das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklag- ten verneint hat, haben keinen Bezug zu den von Gö. gefertigten Lichtbildern.
24
Die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war der Schuldspruch zu berichtigen, weil der Angeklagte durch den von ihm herbeigeführten Zusammenstoß beide Nebenkläger verletzt und sich dadurch der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht hat. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1959 – 2 StR 291/59, BGHSt 14, 5, 7). Auch kann ausgeschlossen werden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen wäre, sich anders als geschehen zu verteidigen.
25
V. Die Aufhebung der Verurteilungen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die Maßregelanordnung kann dagegen bestehen bleiben, weil sie allein an die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB anknüpft.
26
Soweit das Urteil auf die Revisionen der Nebenkläger aufgehoben worden ist, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 474/16
vom
7. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:070617U2STR474.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juni 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung, als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung, als Verteidigerin,
Rechtsanwältin in der Verhandlung, als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Nebenkläger, die mit der Sachrüge geltend machen, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes abgelehnt. Die Rechtsmittel sind begründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trainierte der Angeklagte am 16. August 2015 in einem Fitnesscenter in M. . Anschließend trank er dort acht Flaschen Bier und ließ die Zeche anschreiben. Gegen 19.30 Uhr wollte er an einer Tankstelle einen Kasten Bier kaufen, hatte aber nur zehn Euro zur Verfügung. Der Versuch, an einem Bankautomaten Geld abzuheben, misslang mangels Guthabens. Daher kaufte der Angeklagte fünf Flaschen Bier und hatte danach noch 2,75 Euro Bargeld übrig. Gleichwohl wollte er später nachW. fahren, um sich dort Amphetamin zu beschaffen. Er versuchte Bekannte zu erreichen, um sich von ihnen die notwendigen Mittel zu verschaffen, was aber misslang. Um 21.55 Uhr bestellte er telefonisch ein Taxi, obwohl er wusste , dass er den Fahrpreis nicht zahlen konnte. Er steckte sich ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 15 cm in den Hosenbund, weil er den Taxifahrer damit bedrohen und berauben wollte. Mit der Beute hätte er den Drogenkauf finanzieren und durch den Überfall zugleich der Geltendmachung der Fahrpreisforderung durch den Taxifahrer entgehen können.
3
Gegen 22.20 Uhr fuhr Z. den Angeklagten mit seinem Taxi nach W. . Unterwegs verwarf der Angeklagte den Gedanken an einen Raubüberfall. Bei Fahrtende am Marktplatz in W. verlangte Z. die Zahlung des Fahrpreises in Höhe von 89,90 Euro. Der Angeklagte erklärte, dass er nicht bar zahlen könne und bot eine Zahlung mit Bank- oder Kreditkarte an. Da Z. dies ablehnte, täuschte der Angeklagte vor, in einer Filiale der Kreissparkasse Geld abheben zu wollen. Dabei wusste er, dass er am Bankautomaten kein Geld erlangen konnte. Er wollte den Aufenthalt in der Sparkassenfiliale benutzen, um über seine Situation nachzudenken. Dort verfiel er auf den Gedanken, den Taxifahrer zu einer Stundung zu veranlassen und nahm wieder auf dem Beifahrersitz Platz. Der Angeklagte erklärte ihm, dass er am Geldautomaten kein Geld habe abheben können, und schlug ihm vor, seinen Personalausweis zurückzulassen und den Fahrpreis am nächsten Tag zu bezahlen. Alsbald erschien der Taxifahrer O. am Marktplatz. Z. winkte ihn herbei. Der Angeklagte bat O. , den er kannte, darum, einen anderen Taxifahrer zu benachrichtigen, damit dieser für ihn bürge. Der weitere Taxifahrer war aber nicht erreichbar. O. empfahl darauf seinem Kollegen Z. , mit dem Angeklagten zur Polizei zu fahren, um dessen Personalien feststellen zu lassen; alternativ solle er mit dem Angeklagten zu einer Tankstelle fahren, wo dieser mit der Bankkarte Geld beschaffen solle. Dann entfernte sich O. , weil ein Fahrgast erschien. Z. fuhr los, hielt aber nach wenigen Metern wieder an, um die Situation erneut mit dem Angeklagten zu besprechen. Dieser wollte auf keinen Fall zur Polizei gebracht werden, weil er eine dortige Strafanzeige des Taxifahrers gegen ihn wegen Betrugs befürchtete. Unter dem Einfluss seiner Alkoholisierung geriet er in einen affektiven Erregungszustand. Er zog das Küchenmesser und stach auf Z. ein, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Dieser wurde von dem Angriff überrascht. Bereits der erste Stich traf ihn in den Hals. Weitere Stiche konnte Z. zunächst abwehren, indem er den Arm des Angeklagten packte, der sich aber losriss und ihm weitere Verletzungen zufügte. Z. öffnete die Fahrertür und fiel mit dem Oberkörper rückwärts aus dem Taxi. Der Angeklagte stach auch danach weiter auf ihn ein. Er brachte ihm insgesamt zwanzig Stich- und Schnittverletzungen bei. Z. richtete sich noch einmal neben dem Taxi auf und rief um Hilfe. Der Angeklagte floh deshalb zu Fuß vom Tatort, wo Z. kurz darauf verblutete. Bereits der erste Stich in den Hals hatte ihn tödlich getroffen.
4
Bei der Begehung der Tat war das Hemmungsvermögen des Angeklagten aufgrund eines hochgradigen Affekts erheblich vermindert.
5
2. Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gewertet und dazu ausgeführt , der Angeklagte habe Z. zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz getötet. Dies sei aber wegen seiner affektiven Erregung und Alkoholisierung nicht in dem Bewusstsein geschehen, dessen Arg- und Wehrlosigkeit zur Tatbegehung auszunutzen; deshalb sei das Mordmerkmal der Heimtücke nicht erfüllt. Dem Angeklagten sei es auch allein darum gegangen, die Fahrt zur Polizei zu verhindern. Daher sei die Tötung des Taxifahrers nicht aus Habgier erfolgt. Eine Tötung aufgrund der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken, habe ebenfalls nicht vorgelegen, weil ihr objektiv kein Betrug vorausgegangen sei; denn der Angeklagte habe sich der Fahrpreisforderung nicht endgültig entziehen wollen. Zudem habe der Angeklagte, der schließlich von dem Zeugen O. erkannt worden sei, seine Identität nicht mehr durch die Tötung des Taxifahrers verdecken können. Ein Mord aus sonst niedrigen Beweggründen sei auszuschließen, weil sich der Angeklagte bei der Tötungshandlung nicht der Umstände bewusst gewesen sei, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen.

II.

6
Die Revisionen der Nebenkläger, die auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB abzielen, sind begründet.
7
1. Die Verneinung eines Mordes zur Verdeckung einer anderen Straftat begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
a) Das Landgericht hat mit nicht tragfähiger Begründung eine zu verdeckende Vortat des Betruges verneint.
9
Bereits bei dem Abschluss eines Beförderungsvertrags bei Fahrtantritt hat der Angeklagte den Tatbestand des Betruges erfüllt. Durch Herbeirufen des Taxis und Aufnahme als Fahrgast verpflichtete er sich konkludent dazu, anschließend den bei Fahrtende fälligen Fahrpreis zu zahlen (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1973 – 4 StR 410/73, BGHSt 25, 224, 226). Dabei wusste er, dass er die Forderung nicht sogleich erfüllen konnte, was er wegen des dann noch vorhandenen Raubentschlusses auch nicht vorhatte. Durch Verschweigen dieser Tatsachen lag bei Fahrantritt ein Eingehungsbetrug vor.
10
Die Tatsache, dass der Angeklagte zugleich den Vorsatz zur anschließenden Beraubung des Taxifahrers gefasst hatte, womit er - neben der Beschaffung von Geld für den Amphetaminerwerb - auch der Geltendmachung der Fahrpreisforderung durch den Taxifahrer bei Fahrtende entgehen wollte, ändert ebenfalls nichts an der vorherigen Vollendung eines Eingehungsbetruges. Dieser Vorsatz zu einer späteren Tat mit weitergehendem Ziel schließt den Vorsatz zur Täuschung des Taxifahrers über die fehlende Fähigkeit und Bereitschaft zur Fahrpreiszahlung bei Fahrantritt nicht aus, die Aufgabe dieses Raubvorsatzes während der Fahrt lässt den bei Eingehung des Beförderungsvertrags bereits umgesetzten Betrugsvorsatz nicht nachträglich entfallen.
11
b) Auch die Hilfserwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Taxifahrer nicht in der Absicht zur Verdeckung des Betruges getötet, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Allerdings scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat aus, wenn diese bereits vollständig aufgedeckt ist und der Täter dies weiß. Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur meint, zur Verdeckung dieser Straftat den Zeugen töten zu müssen. Auch nach Bekanntwerden der Vortat kann der Täter eines Tötungsverbrechens deshalb noch in Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, dass er verdächtigt wird, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind. Glaubt er, mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrechterhalten oder seine Lage verbessern zu können, reicht dies für die Annahme von Verdeckungsabsicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2005 – 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11, 14; Urteil vom 17. Mai 2011 – 1 StR 50/11, BGHSt 56, 239, 244).
13
Diese Möglichkeit hat das Landgericht nicht lückenlos ausgeschlossen. Der Angeklagte wollte nicht zur Polizei gebracht werden, weil er mit einer dortigen Strafanzeige durch den Taxifahrer Z. wegen Betruges und dabei mit der Aufdeckung der Tat durch den unmittelbaren Tatzeugen rechnete. Dem Vorliegen von Verdeckungsabsicht steht es insoweit nicht unbedingt entgegen, dass seine Anwesenheit im Taxi sowie die aktuelle Zahlungsunfähigkeit auch dem Zeugen O. bekannt geworden war.
14
c) Entgegen der weiteren Annahme des Landgerichts steht auch die psychische Situation des Angeklagten zurzeit des Tatentschlusses zur Tötung des Taxifahrers nicht notwendig der Annahme von Verdeckungsabsicht entgegen. Das Mordmerkmal kann selbst bei einem in einer Augenblickssituation in affektiver Erregung gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Verdeckungsabsicht erfordert nämlich keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Es genügt, dass er die „Verdeckungslage“ gleichsam „aufeinen Blick erfasst“ (BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07 Rn. 39, insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt). Dies hat das Landgericht nicht in einer lückenlosen Gesamtschau aller Umstände erörtert.
15
Der Angeklagte hatte die sich bis zur Tötung des Taxifahrers immer weiter zuspitzende Situation, dass er mit einer bei sofortiger Fälligkeit unerfüllbaren Fahrpreisforderung konfrontiert werden würde, bereits vor dem Entschluss zur Tötung des Taxifahrers vorhergesehen. Es ändert nichts an diesem Befund, dass er den Tatentschluss zur Beraubung des Taxifahrers während der Fahrt aufgegeben hatte. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände wären auch die Phasen des Nachdenkens des Angeklagten über seine Situation in den Blick zu nehmen gewesen. Dies hat das Landgericht versäumt.
16
Hinsichtlich der Auswirkung einer affektiven Erregung auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist auch zu berücksichtigen, dass eine affektive Erregung bei den meisten Tötungsdelikten den Normalfall darstellt und für Verdeckungstötungen typisch ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein solcher Erregungszustand auch aus normativen Gründen im Regelfall keinen Einfluss auf die Verdeckungsabsicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, NJW 1999, 1039, 1041). Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
17
d) Dem Vorliegen von Verdeckungsabsicht könnte allerdings die Feststellung des Landgerichts entgegenstehen, dass der Angeklagte „zumindest“ mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass auch der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verdeckungsabsicht handeln kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 359 ff.). Dies ist jedoch nur der Fall, wenn nicht gerade der Tod des Opfers zu dessen Ausschaltung als Zeuge wegen der zu verdeckenden Vortat das Ziel der Handlung ist, sondern die Verdeckungshandlung mit einem anderen Ziel vorgenommen wird, wobei der Täter die Möglichkeit des Todes des Opfers in Betracht zieht und billigend in Kauf nimmt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34). Besteht die Möglichkeit einer Verdeckung von Tat oder Täterschaft aus der Sicht des Täters allein in der Beseitigung dieses Zeugen, kann Verdeckungsabsicht nur bei absichtlicher Tötung des Opfers angenommen werden.
18
Das Landgericht hat aber lediglich bedingten Tötungsvorsatz von fahrlässigem Handeln abgegrenzt. Es hat nicht erklärt, warum es nicht von Tötungsabsicht ausgegangen ist. Diese kommt in Betracht, weil der Angeklagte den Taxifahrer mit einem für diesen überraschenden ersten Stich in den Hals getroffen hat, der schon für sich genommen tödlich wirkte. Auch die Zahl der weiteren Tathandlungen und deren Fortsetzung trotz der anschließenden Abwehrreaktion des Opfers und dessen Hinausfallen aus der geöffneten Fahrertür spricht für direkten Tötungsvorsatz. Die Alkoholisierung und affektive Erregung des Angeklagten könnten dagegen sprechen. Jedoch hat das Landgericht die Gesamtumstände nicht abgewogen.
19
2. Auch die Ablehnung eines heimtückisch begangenen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB ist rechtlich zu beanstanden.
20
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals gegeben sind. Seine Überlegungen dazu, dass dem Angeklagten die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Begehung der Tötung nicht bewusst gewesen sei, erweisen sich als lückenhaft.
21
Für das im Rahmen des Mordmerkmals der Heimtücke erforderliche Bewusstsein der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers genügt es, wenn der Täter diese Umstände in dem Sinn erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Das gilt im Einzelfall selbst dann, wenn der Täter die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Anders kann es zwar bei affektiven Durchbrüchen liegen. Für die Annahme der subjektiven Seite des Heimtückemords kommt es aber nicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB an, sondern darauf, welche tatsächlichen Auswirkungen die affektive Erregung auf die Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation und auf sein Bewusstsein hatte (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 2003 – 2 StR 503/02, NStZ 2003, 535 f.). Das bedarf einer genauen Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalls.
22
Auch insoweit bleiben die Erörterungen des Landgerichts im Urteil lückenhaft. Es hat in seine Prüfung nicht erkennbar einbezogen, dass der Angeklagte das Messer zunächst mitgeführt hatte, um den Taxifahrer überraschend zu berauben. Wenngleich der Angeklagte den Gedanken an einen Raub zurzeit der Tötungshandlungen aufgegeben hatte, war doch seine Überlegung , den Geschädigten mit dem Einsatz des Messers zu überraschen, bereits vor seinem Tatentschluss zur Tötung des Taxifahrers vorhanden gewesen. Dies hätte als Indiz für ein Ausnutzungsbewusstsein im Sinne des Mordmerkmals berücksichtigt werden müssen. Auch wäre zu beachten gewesen, dass die zurzeit der Tötungshandlung vorliegende Konfrontation mit der aktuell unerfüll- baren Fahrpreisforderung sich bis zum Tatentschluss zur Tötung des Taxifahrers zugespitzt hatte und von Anfang an vorhersehbar war.
23
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Sollte der neue Tatrichter wieder eine Tötung in Verdeckungsabsicht verneinen, wird er die Handlungsantriebe des Angeklagten genauer als bisher auch unter dem Blickwinkel sonst niedriger Beweggründe zu prüfen haben.
Krehl Eschelbach Zeng Richterin am BGH Dr. Bartel ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Grube

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 223/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter – in der Verhandlung –,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Januar 2015 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionskläger zu tragen; im Übrigen wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu der einheitlichen Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten , die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge begründet ist. Die Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begange- nen Totschlags und erstreben insoweit eine Verurteilung wegen Mordes. Während die Rechtsmittel der Nebenkläger durchdringen, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen waren der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte und sein langjähriger, zwei Jahre jüngerer Freund, das spätere TatopferL. M. , am Abend des Tattags mit dem Fahrzeug des Angeklagtenunterwegs. Nachdem sie beim Autohof G. etwas gegessen hatten und sodann inder Umgebung herumgefahren waren, bogen sie von der Landstraße in einen Feldweg ab und hielten dort zunächst an einer Scheune an, um nachzusehen, was sich in der Scheune befand. Anschließend setzten sie ihre Fahrt über die Feldwege fort, bis sie an einer weiteren Scheune erneut anhielten. Beide stiegen aus und gingen zu der Längsseite der Scheune, an der sich ein großes, massives und verschlossenes Tor befand. Möglicherweise versuchte der Angeklagte mit einer mitgebrachten Metallstange ein Brett des Scheunentors beiseitezuschieben , während L. M. sich fortwährend mit seinem Mobiltelefon beschäftigte. Möglich ist auch, dass sich zwischen beiden eine kurze verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf der Angeklagte seinem Freund vorhielt, dass es keinen Sinn mache, etwas zu schreiben, da die Mäd- chen ihn sowieso nicht wollten und ihn ständig „verarschten“, worauf L. M. entgegnete, dass der Angeklagte derjenige sei, der überhaupt nichts geregelt und für sein Alter „kein Mädchen an den Start bekomme“. Des Weiteren be- zeichnete L. M. den Angeklagten nicht ausschließbar als „armes Würst- chen“, was den Angeklagten verletzte. Zu darüber hinausgehenden Aggressivi- täten oder gar einer körperlichen Auseinandersetzung kam es aber nicht. L. M. nahm daraufhin sein Klappmesser und begann, sich damit im Bereich eines in dem Scheunentor wenige Zentimeter über dem Erdboden vorhandenen Lochs zu schaffen zu machen. Dabei kniete oder hockte er sich hin und drehte dem Angeklagten den Rücken zu.
3
Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt, L. M. zu töten, wobei ihm bewusst war, dass das Tatopfer in dieser Situation mit keinem Angriff rechnete und einen Angriff von hinten nicht rechtzeitig genug bemerken würde, um sich noch wehren zu können. Der Angeklagte stellte sich hinter L. M. , holte mit der 1,11 m langen und 1.539 g schweren Metallstange aus und schlug dem Opfer in Tötungsabsicht mit voller Wucht von hinten auf den Hinterkopf. Infolge des Schlags kippte L. M. bewusstlos nach links zur Seite, sodass sein Körper mit dem Rücken und sein Kopf mit der rechten Gesichtshälfte auf dem Boden zu liegen kamen, und begann sofort stark im Kopfbereich und aus den Ohren zu bluten. Der Angeklagte schlug mindestens zwei weitere Male mit der Metallstange mit voller Wucht auf den Kopf des auf dem Boden liegenden bewusstlosen L. M. ein, um ihn sicher zu töten. Durch die Schläge auf den Kopf erlitt das Opfer u.a. ein hochgradiges Schädel-Hirn-Trauma mit umfangreichen Schädelbrüchen und Hirnverletzungen, die mit Sicherheit nach einiger Zeit zum Tod des Opfers geführt hätten.
4
In der Annahme, L. M. sei durch die Schläge bereits getötet worden oder werde in kurzer Zeit versterben, begab sich der Angeklagte nach dem letzten Schlag zu seinem Fahrzeug, legte die Metallstange in den Kofferraum und fuhr zur Landstraße zurück. Nachdem er die Metallstange am Rand eines Feldweges in den Straßengraben geworfen hatte, fuhr er wiederum zum Autohof G. , wo er sich kurze Zeit aufhielt. Da der Angeklagte den Verdacht, L. M. erschlagen zu haben, von sich weisen wollte, fasste er spätestens nach dem Verlassen des Autohofs den Entschluss, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und wahrheitswidrig anzugeben, er habe L. M. auf dessen Bitte allein an der Feldscheune absetzen sollen und ihn dann dort tot aufgefunden, als er ihn wieder habe abholen wollen. Als der Angeklagte wieder zu dem unverändert am Boden liegenden Tatopfer kam, stellte er aber fest, dass L. M. wider Erwarten noch nicht verstorben war. Er beschloss nunmehr, ihn endgültig zu töten. Mit einem aus seinem Fahrzeug herbeigeholten Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm schnitt er dem rücklings auf dem Boden liegenden Tatopfer, das wegen der durch die Schläge verursachten Schädelverletzungen zu keiner Abwehrreaktion mehr in der Lage war, mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals über eine Länge von 11,5 cm bis zur Wirbelsäule durch, wobei er das Messer mindestens zweimal ansetzen musste. L. M. verstarb schließlich infolge der Halsschnitte an einem zentralen Hirnversagen in Kombination mit Verbluten.
5
In rechtlicher Hinsicht hat die Jugendkammer nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, ohne dies näher auszuführen, die Schläge mit der Metallstange als versuchten heimtückischen Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und die den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Messerschnitte als tatmehrheitlich begangenen Totschlag gewertet.

II.


6
1. a) Der Rechtsmittelangriff der Nebenkläger erfasst den gesamten Schuldspruch. Die mit Revisionseinlegung erklärte Beschränkung der Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Totschlags erweist sich als unwirksam.
7
Zwar kann die Anfechtung eines Urteils nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs innerhalb einer prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO regelmäßig auf einzelne materiell-rechtlich selbständige Straftaten beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 10 mwN). Eine wirksame Teilanfechtung setzt aber nach den allgemein für die Beschränkung von Rechtsmitteln geltenden Grundsätzen im Einzelfall voraus, dass sich die Anfechtung auf einen Beschwerdepunkt bezieht, der nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die abgeurteilten Angriffshandlungen des Angeklagten mit der Metallstange einerseits und dem Messer andererseits wegen der Mitursächlichkeit beider Handlungsakte für den eingetretenen Todeserfolg materiell-rechtlich nicht gesondert gewürdigt werden können (unten II. 2.).
8
b) Der Revisionsbegründung der Nebenkläger ist trotz verschiedener möglicherweise missverständlicher Ausführungen, die sich mit dem Strafausspruch des angefochtenen Urteils und der Höhe der verhängten Jugendstrafe befassen, noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Nebenkläger eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes erstreben und damit ein zulässiges Rechtsmittelziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgen.
9
2. Die Revisionen der Nebenkläger sind begründet. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Denn auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte eines vollendeten Heimtückemordes schuldig gemacht, weil er bereits durch die Schläge mit der Metallstange eine Ursache für den später unmittelbar durch die Messerschnitte herbeigeführten Tod des Opfers setzte und dieser Ursachenzusammenhang von seinem ursprünglichen Vorsatz umfasst war.
10
a) Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben (BGH, Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30). Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 Rn. 21). Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 aaO; vom 30. August2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, StV 1985, 100; vom 18. Juni 1957 – 5 StR 164/57, BGHSt 10, 291, 293 f.; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, bei Dallinger, MDR 1956, 526) oder des Täters selbst handelt (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 198; vom 14. März 1989 – 1 StR 25/89, NJW 1989, 2479 f.; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60, BGHSt 14, 193, 194; vom 23. Oktober 1951 – 1 StR 348/51, bei Dallinger, MDR 1952, 16; RGSt 67, 258 f.), ist dabei ohne Bedeutung.
11
Danach waren die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich. Denn der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen.
12
b) Der Tod des Opfers als Folge der mit der Metallstange geführten Schläge ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Ausführung der Schläge tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135; vom 21. April 1955 – 4 StR 552/54, BGHSt 7, 325, 329). Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 676/10, BGHSt 56, 162, 166; Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34; Vogel in LK-StPO, 12. Aufl., § 16 Rn. 56 ff. mwN). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (vgl. BGH, Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60 aaO; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, aaO).
13
Im vorliegenden Fall ist nach den festgestellten Tatumständen eine lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf gegeben. Der Umstand, dass der Tod des durch die Schläge mit der Metallstange bereits tödlich verletzten Tatopfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, bewegt sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt keine andere Bewertung der Tat.
14
c) Der Angeklagte hat sich durch die mit der Metallstange geführten Schläge gegen das Tatopfer damit eines vollendeten Mordes in der Tatbestandsalternative der heimtückischen Tötung schuldig gemacht. Der durch die Messerschnitte nach Auffassung des Landgerichts gleichfalls verwirklichte Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB tritt, da die Herbeiführung des Todeserfolgs dem Angeklagten strafrechtlich nur einmal angelastet werden kann, konkurrenzrechtlich hinter den Mord zurück (vgl. Rogall, JZ 1993, 1066, 1068).
15
d) Die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2001 – 5 StR 432/00 – (NStZ 2002, 253) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil dem Urteil des 5. Strafsenats nicht zu entnehmen ist, ob die dort vorgenommene rechtliche Würdigung auf einer abweichenden Rechtsansicht oder einer einzelfallbezogenen Bewertung festgestellter Tatumstände beruht.
16
e) Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09 Rn. 27) – zur Aufhebung des Urteils. An der vom Generalbundesanwalt beantragten Schuldspruchänderung sieht sich der Senat durch die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO gehindert, da der Angeklagte, dem in der Anklage hinsichtlich der Schläge mit der Metallstange ein versuchter Mord angelastet worden ist, auf die Möglichkeit einer an die Schläge anknüpfenden Verurteilung wegen vollendeten Mordes bislang weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht hingewiesen worden ist.

III.


17
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
18
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts zu bemerken:
19
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer ein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch Zeugenvernehmung der jeweiligen Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren wegen des Unterbleibens einer Beschuldigtenbelehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie des Fehlens einer auf die Unverwertbarkeit früherer Angaben hinweisenden qualifizierten Beschuldigtenbelehrung geltend macht, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn dem Vortrag der Re- vision ist nicht zu entnehmen, ob die Widersprüche gegen die Verwertung rechtzeitig spätestens bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt im Anschluss an die Vernehmung der Vernehmungspersonen erfolgt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.; Diemer in KK-StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28 mwN). Soweit sich die Revision unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen qualifizierten Beschuldigtenbelehrung gegen die Verwertung der vom Angeklagten nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO gemachten Angaben wendet, wäre die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen auch unbegründet, weil die Jugendkammer aufgrund der gebotenen Abwägung im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702, 703; Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112 Rn. 14 ff.; vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452) rechtsfehlerfrei ein Verwertungsverbot verneint hat.
20
Die Aufklärungsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer erneuten Befragung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. beanstandet, erfüllt mangels Vortrags zu dem erwarteten Beweisergebnis (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 244 Rn. 81 mwN) nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Schließlich dringen auch die Beweisantragsrügen nicht durch, die sich auf die beantragte Einholung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Zeitdauer des Auftretens von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich beziehen. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Ablehnung dieser Beweisanträge beruht. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung zum festgestellten Sachverhalt an keiner Stelle auf die für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten erforderliche Zeitspanne abgestellt. Dies gilt entgegen dem Vorbringen der Revision auch für die Feststellung einer zeitlichen Zäsur zwischen den Schlägen mit der Metallstange und der Ausführung der Messerschnitte, die das Landgericht auf die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt hat, welche die Jugendkammer als durch andere Beweisergebnisse bestätigt gesehen und als glaubhaft bewertet hat. Lediglich für die Frage, ob die rechtsmedizinischen Befunde den Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung entgegenstehen , hat die Jugendkammer Überlegungen zur erforderlichen Zeitdauer für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten angestellt, die aber für die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellte kürzere Zeitspanne erst recht zutreffen. Auch im Übrigen werden die vom Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerungen durch das in den Beweisanträgen behauptete raschere Auftreten von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich nicht in Frage gestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.