Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juni 2017 - 2 StR 474/16

bei uns veröffentlicht am07.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 474/16
vom
7. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:070617U2STR474.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juni 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung, als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung, als Verteidigerin,
Rechtsanwältin in der Verhandlung, als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Nebenkläger, die mit der Sachrüge geltend machen, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes abgelehnt. Die Rechtsmittel sind begründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trainierte der Angeklagte am 16. August 2015 in einem Fitnesscenter in M. . Anschließend trank er dort acht Flaschen Bier und ließ die Zeche anschreiben. Gegen 19.30 Uhr wollte er an einer Tankstelle einen Kasten Bier kaufen, hatte aber nur zehn Euro zur Verfügung. Der Versuch, an einem Bankautomaten Geld abzuheben, misslang mangels Guthabens. Daher kaufte der Angeklagte fünf Flaschen Bier und hatte danach noch 2,75 Euro Bargeld übrig. Gleichwohl wollte er später nachW. fahren, um sich dort Amphetamin zu beschaffen. Er versuchte Bekannte zu erreichen, um sich von ihnen die notwendigen Mittel zu verschaffen, was aber misslang. Um 21.55 Uhr bestellte er telefonisch ein Taxi, obwohl er wusste , dass er den Fahrpreis nicht zahlen konnte. Er steckte sich ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 15 cm in den Hosenbund, weil er den Taxifahrer damit bedrohen und berauben wollte. Mit der Beute hätte er den Drogenkauf finanzieren und durch den Überfall zugleich der Geltendmachung der Fahrpreisforderung durch den Taxifahrer entgehen können.
3
Gegen 22.20 Uhr fuhr Z. den Angeklagten mit seinem Taxi nach W. . Unterwegs verwarf der Angeklagte den Gedanken an einen Raubüberfall. Bei Fahrtende am Marktplatz in W. verlangte Z. die Zahlung des Fahrpreises in Höhe von 89,90 Euro. Der Angeklagte erklärte, dass er nicht bar zahlen könne und bot eine Zahlung mit Bank- oder Kreditkarte an. Da Z. dies ablehnte, täuschte der Angeklagte vor, in einer Filiale der Kreissparkasse Geld abheben zu wollen. Dabei wusste er, dass er am Bankautomaten kein Geld erlangen konnte. Er wollte den Aufenthalt in der Sparkassenfiliale benutzen, um über seine Situation nachzudenken. Dort verfiel er auf den Gedanken, den Taxifahrer zu einer Stundung zu veranlassen und nahm wieder auf dem Beifahrersitz Platz. Der Angeklagte erklärte ihm, dass er am Geldautomaten kein Geld habe abheben können, und schlug ihm vor, seinen Personalausweis zurückzulassen und den Fahrpreis am nächsten Tag zu bezahlen. Alsbald erschien der Taxifahrer O. am Marktplatz. Z. winkte ihn herbei. Der Angeklagte bat O. , den er kannte, darum, einen anderen Taxifahrer zu benachrichtigen, damit dieser für ihn bürge. Der weitere Taxifahrer war aber nicht erreichbar. O. empfahl darauf seinem Kollegen Z. , mit dem Angeklagten zur Polizei zu fahren, um dessen Personalien feststellen zu lassen; alternativ solle er mit dem Angeklagten zu einer Tankstelle fahren, wo dieser mit der Bankkarte Geld beschaffen solle. Dann entfernte sich O. , weil ein Fahrgast erschien. Z. fuhr los, hielt aber nach wenigen Metern wieder an, um die Situation erneut mit dem Angeklagten zu besprechen. Dieser wollte auf keinen Fall zur Polizei gebracht werden, weil er eine dortige Strafanzeige des Taxifahrers gegen ihn wegen Betrugs befürchtete. Unter dem Einfluss seiner Alkoholisierung geriet er in einen affektiven Erregungszustand. Er zog das Küchenmesser und stach auf Z. ein, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Dieser wurde von dem Angriff überrascht. Bereits der erste Stich traf ihn in den Hals. Weitere Stiche konnte Z. zunächst abwehren, indem er den Arm des Angeklagten packte, der sich aber losriss und ihm weitere Verletzungen zufügte. Z. öffnete die Fahrertür und fiel mit dem Oberkörper rückwärts aus dem Taxi. Der Angeklagte stach auch danach weiter auf ihn ein. Er brachte ihm insgesamt zwanzig Stich- und Schnittverletzungen bei. Z. richtete sich noch einmal neben dem Taxi auf und rief um Hilfe. Der Angeklagte floh deshalb zu Fuß vom Tatort, wo Z. kurz darauf verblutete. Bereits der erste Stich in den Hals hatte ihn tödlich getroffen.
4
Bei der Begehung der Tat war das Hemmungsvermögen des Angeklagten aufgrund eines hochgradigen Affekts erheblich vermindert.
5
2. Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gewertet und dazu ausgeführt , der Angeklagte habe Z. zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz getötet. Dies sei aber wegen seiner affektiven Erregung und Alkoholisierung nicht in dem Bewusstsein geschehen, dessen Arg- und Wehrlosigkeit zur Tatbegehung auszunutzen; deshalb sei das Mordmerkmal der Heimtücke nicht erfüllt. Dem Angeklagten sei es auch allein darum gegangen, die Fahrt zur Polizei zu verhindern. Daher sei die Tötung des Taxifahrers nicht aus Habgier erfolgt. Eine Tötung aufgrund der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken, habe ebenfalls nicht vorgelegen, weil ihr objektiv kein Betrug vorausgegangen sei; denn der Angeklagte habe sich der Fahrpreisforderung nicht endgültig entziehen wollen. Zudem habe der Angeklagte, der schließlich von dem Zeugen O. erkannt worden sei, seine Identität nicht mehr durch die Tötung des Taxifahrers verdecken können. Ein Mord aus sonst niedrigen Beweggründen sei auszuschließen, weil sich der Angeklagte bei der Tötungshandlung nicht der Umstände bewusst gewesen sei, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen.

II.

6
Die Revisionen der Nebenkläger, die auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB abzielen, sind begründet.
7
1. Die Verneinung eines Mordes zur Verdeckung einer anderen Straftat begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
a) Das Landgericht hat mit nicht tragfähiger Begründung eine zu verdeckende Vortat des Betruges verneint.
9
Bereits bei dem Abschluss eines Beförderungsvertrags bei Fahrtantritt hat der Angeklagte den Tatbestand des Betruges erfüllt. Durch Herbeirufen des Taxis und Aufnahme als Fahrgast verpflichtete er sich konkludent dazu, anschließend den bei Fahrtende fälligen Fahrpreis zu zahlen (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1973 – 4 StR 410/73, BGHSt 25, 224, 226). Dabei wusste er, dass er die Forderung nicht sogleich erfüllen konnte, was er wegen des dann noch vorhandenen Raubentschlusses auch nicht vorhatte. Durch Verschweigen dieser Tatsachen lag bei Fahrantritt ein Eingehungsbetrug vor.
10
Die Tatsache, dass der Angeklagte zugleich den Vorsatz zur anschließenden Beraubung des Taxifahrers gefasst hatte, womit er - neben der Beschaffung von Geld für den Amphetaminerwerb - auch der Geltendmachung der Fahrpreisforderung durch den Taxifahrer bei Fahrtende entgehen wollte, ändert ebenfalls nichts an der vorherigen Vollendung eines Eingehungsbetruges. Dieser Vorsatz zu einer späteren Tat mit weitergehendem Ziel schließt den Vorsatz zur Täuschung des Taxifahrers über die fehlende Fähigkeit und Bereitschaft zur Fahrpreiszahlung bei Fahrantritt nicht aus, die Aufgabe dieses Raubvorsatzes während der Fahrt lässt den bei Eingehung des Beförderungsvertrags bereits umgesetzten Betrugsvorsatz nicht nachträglich entfallen.
11
b) Auch die Hilfserwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Taxifahrer nicht in der Absicht zur Verdeckung des Betruges getötet, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Allerdings scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat aus, wenn diese bereits vollständig aufgedeckt ist und der Täter dies weiß. Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur meint, zur Verdeckung dieser Straftat den Zeugen töten zu müssen. Auch nach Bekanntwerden der Vortat kann der Täter eines Tötungsverbrechens deshalb noch in Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, dass er verdächtigt wird, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind. Glaubt er, mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrechterhalten oder seine Lage verbessern zu können, reicht dies für die Annahme von Verdeckungsabsicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2005 – 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11, 14; Urteil vom 17. Mai 2011 – 1 StR 50/11, BGHSt 56, 239, 244).
13
Diese Möglichkeit hat das Landgericht nicht lückenlos ausgeschlossen. Der Angeklagte wollte nicht zur Polizei gebracht werden, weil er mit einer dortigen Strafanzeige durch den Taxifahrer Z. wegen Betruges und dabei mit der Aufdeckung der Tat durch den unmittelbaren Tatzeugen rechnete. Dem Vorliegen von Verdeckungsabsicht steht es insoweit nicht unbedingt entgegen, dass seine Anwesenheit im Taxi sowie die aktuelle Zahlungsunfähigkeit auch dem Zeugen O. bekannt geworden war.
14
c) Entgegen der weiteren Annahme des Landgerichts steht auch die psychische Situation des Angeklagten zurzeit des Tatentschlusses zur Tötung des Taxifahrers nicht notwendig der Annahme von Verdeckungsabsicht entgegen. Das Mordmerkmal kann selbst bei einem in einer Augenblickssituation in affektiver Erregung gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Verdeckungsabsicht erfordert nämlich keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Es genügt, dass er die „Verdeckungslage“ gleichsam „aufeinen Blick erfasst“ (BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07 Rn. 39, insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt). Dies hat das Landgericht nicht in einer lückenlosen Gesamtschau aller Umstände erörtert.
15
Der Angeklagte hatte die sich bis zur Tötung des Taxifahrers immer weiter zuspitzende Situation, dass er mit einer bei sofortiger Fälligkeit unerfüllbaren Fahrpreisforderung konfrontiert werden würde, bereits vor dem Entschluss zur Tötung des Taxifahrers vorhergesehen. Es ändert nichts an diesem Befund, dass er den Tatentschluss zur Beraubung des Taxifahrers während der Fahrt aufgegeben hatte. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände wären auch die Phasen des Nachdenkens des Angeklagten über seine Situation in den Blick zu nehmen gewesen. Dies hat das Landgericht versäumt.
16
Hinsichtlich der Auswirkung einer affektiven Erregung auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist auch zu berücksichtigen, dass eine affektive Erregung bei den meisten Tötungsdelikten den Normalfall darstellt und für Verdeckungstötungen typisch ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein solcher Erregungszustand auch aus normativen Gründen im Regelfall keinen Einfluss auf die Verdeckungsabsicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, NJW 1999, 1039, 1041). Dies hat das Landgericht nicht bedacht.
17
d) Dem Vorliegen von Verdeckungsabsicht könnte allerdings die Feststellung des Landgerichts entgegenstehen, dass der Angeklagte „zumindest“ mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass auch der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verdeckungsabsicht handeln kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 359 ff.). Dies ist jedoch nur der Fall, wenn nicht gerade der Tod des Opfers zu dessen Ausschaltung als Zeuge wegen der zu verdeckenden Vortat das Ziel der Handlung ist, sondern die Verdeckungshandlung mit einem anderen Ziel vorgenommen wird, wobei der Täter die Möglichkeit des Todes des Opfers in Betracht zieht und billigend in Kauf nimmt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34). Besteht die Möglichkeit einer Verdeckung von Tat oder Täterschaft aus der Sicht des Täters allein in der Beseitigung dieses Zeugen, kann Verdeckungsabsicht nur bei absichtlicher Tötung des Opfers angenommen werden.
18
Das Landgericht hat aber lediglich bedingten Tötungsvorsatz von fahrlässigem Handeln abgegrenzt. Es hat nicht erklärt, warum es nicht von Tötungsabsicht ausgegangen ist. Diese kommt in Betracht, weil der Angeklagte den Taxifahrer mit einem für diesen überraschenden ersten Stich in den Hals getroffen hat, der schon für sich genommen tödlich wirkte. Auch die Zahl der weiteren Tathandlungen und deren Fortsetzung trotz der anschließenden Abwehrreaktion des Opfers und dessen Hinausfallen aus der geöffneten Fahrertür spricht für direkten Tötungsvorsatz. Die Alkoholisierung und affektive Erregung des Angeklagten könnten dagegen sprechen. Jedoch hat das Landgericht die Gesamtumstände nicht abgewogen.
19
2. Auch die Ablehnung eines heimtückisch begangenen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB ist rechtlich zu beanstanden.
20
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals gegeben sind. Seine Überlegungen dazu, dass dem Angeklagten die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Begehung der Tötung nicht bewusst gewesen sei, erweisen sich als lückenhaft.
21
Für das im Rahmen des Mordmerkmals der Heimtücke erforderliche Bewusstsein der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers genügt es, wenn der Täter diese Umstände in dem Sinn erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Das gilt im Einzelfall selbst dann, wenn der Täter die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Anders kann es zwar bei affektiven Durchbrüchen liegen. Für die Annahme der subjektiven Seite des Heimtückemords kommt es aber nicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB an, sondern darauf, welche tatsächlichen Auswirkungen die affektive Erregung auf die Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation und auf sein Bewusstsein hatte (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 2003 – 2 StR 503/02, NStZ 2003, 535 f.). Das bedarf einer genauen Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalls.
22
Auch insoweit bleiben die Erörterungen des Landgerichts im Urteil lückenhaft. Es hat in seine Prüfung nicht erkennbar einbezogen, dass der Angeklagte das Messer zunächst mitgeführt hatte, um den Taxifahrer überraschend zu berauben. Wenngleich der Angeklagte den Gedanken an einen Raub zurzeit der Tötungshandlungen aufgegeben hatte, war doch seine Überlegung , den Geschädigten mit dem Einsatz des Messers zu überraschen, bereits vor seinem Tatentschluss zur Tötung des Taxifahrers vorhanden gewesen. Dies hätte als Indiz für ein Ausnutzungsbewusstsein im Sinne des Mordmerkmals berücksichtigt werden müssen. Auch wäre zu beachten gewesen, dass die zurzeit der Tötungshandlung vorliegende Konfrontation mit der aktuell unerfüll- baren Fahrpreisforderung sich bis zum Tatentschluss zur Tötung des Taxifahrers zugespitzt hatte und von Anfang an vorhersehbar war.
23
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Sollte der neue Tatrichter wieder eine Tötung in Verdeckungsabsicht verneinen, wird er die Handlungsantriebe des Angeklagten genauer als bisher auch unter dem Blickwinkel sonst niedriger Beweggründe zu prüfen haben.
Krehl Eschelbach Zeng Richterin am BGH Dr. Bartel ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Grube

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einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 50/11
vom
17. Mai 2011
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zu den Anforderungen an das Vorliegen von Verdeckungsabsicht (im Anschluss an
Senatsurteil vom 1. Februar 2005 - 1 StR 327/04 = BGHSt 50, 11 f.).
BGH, Urteil vom 17. Mai 2011 - 1 StR 50/11 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Mai 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juli 2010 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben:
a) soweit die Angeklagte wegen Totschlags verurteilt wurde (A. III. 2. der Urteilsgründe) und
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen "Totschlags sowie Betrugs in zwei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall mit Urkundenfälschung in zwei Fällen , in einem Fall mit Urkundenfälschung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Sie beanstandet mit der Sachrüge, dass die Angeklagte "nur" wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt wurde. Die wirksam hierauf und den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
4
Die Angeklagte gelangte in den Besitz der EC-Karte der Eheleute P. bei der Deutschen Bank. Sie wurde von ihrer Schwester Bi. beauftragt, Ratenzahlungen für eine gegen diese verhängte Geldstrafe an die Landesjustizkasse Bamberg zu überweisen. Die Angeklagte füllte am 22. April 2008 für das ihr aus der EC-Karte bekannte Konto der Eheleute P. zwei Überweisungsformulare zu Gunsten der Landesjustizkasse Bamberg über jeweils 50 Euro aus, unterzeichnete sie mit dem Namenszug "P. " und gab sie bei der Deutschen Bank ab. Da dieses Konto zu diesem Zeitpunkt nicht die erforderliche Deckung aufwies, wurden beide Überweisungen nicht ausgeführt. Im Mai 2008 kaufte die Angeklagte in zwei Geschäften in Erlangen ein und bezahlte jeweils mit dieser EC-Karte. Als die Angeklagte erfuhr, dass den Eheleuten P. 15.000 Euro auf ihr Konto gutgeschrieben wurden, beschloss sie, mit der EC-Karte Geld für sich abzuheben. Am 19. Mai 2008 suchte sie die Filiale der Deutschen Bank auf und gab sich gegenüber dem Bankangestellten B. als Frau P. aus. Sie teilte dem Bankangestellten mit, 2.000 Euro abheben zu wollen. B. erstellte zunächst aufgrund eines Versehens einen Auszahlungsbeleg über 1.000 Euro, der von der Angeklagten mit dem Namenszug "P. " unterzeichnet wurde. Anschließend erstellte B. einen zweiten Auszahlungsbeleg über weitere 1.000 Euro, den die Angeklagte wiederum mit dem Namenszug "P. " unterzeichnete. B. zahlte ihr sodann 2.000 Euro in bar aus. Zwanzig Minuten später ging die Angeklagte erneut in diese Filiale und teilte B. mit, weitere 5.000 Euro abheben zu wollen. B. erstellte einen Auszahlungsbeleg über diesen Betrag, den die Angeklagte mit dem Namenszug "P. " unterzeichnete. Sie erhielt daraufhin von B. 5.000 Euro in bar. Noch am Nachmittag dieses Tages beglich die Angeklagte Mietrückstände in Höhe von über 3.000 Euro.
5
Am 21. Mai 2008 erstattete Herr P. bei der Polizei in Erlangen Anzeige wegen des Abhandenkommens der EC-Karte und der unberechtigten Abhebungen. Auch sprach er bei dem Mitarbeiter W. bei der Filiale der Deutschen Bank vor und erfuhr, dass die Abhebungen von einer dunkelhäutigen jüngeren Frau vorgenommen worden waren. Seine von ihm verdächtigte Schwester konnte nach einer Vorsprache bei der Deutschen Bank als Abheberin ausgeschlossen werden. Am 16. Juni 2008 äußerte Herr P. sowohl gegenüber den Mitarbeitern der Deutschen Bank als auch gegenüber der Polizei den Verdacht, dass die Angeklagte die Abhebungen vorgenommen haben könnte. Am 17. Juni 2008 erfuhr die Schwester der Angeklagten, dass die beiden Ratenzahlungen auf die gegen sie zu vollstreckende Geldstrafe nicht eingegangen waren. Ihr Ehemann ging deshalb zur Filiale der Deutschen Bank und legte dem Mitarbeiter W. die zwei Durchschläge der Überweisungsträger vor, die die Angeklagte ihrer Schwester gegeben hatte und auf denen das Konto der Eheleute P. als Abbuchungskonto eingetragen war. W. schöpfte wegen der Kontoidentität sofort den Verdacht, dass es zwischen den gescheiterten Überweisungen und den Abhebungen einen Zusammenhang gebe. Bei einer persönlichen Vorsprache der Schwester der Angeklagten wurde diese vom Bankangestellten B. als Abheberin ausgeschlossen. W. erfuhr von ihr vielmehr, dass sie die Angeklagte mit den Überweisungen beauftragt hatte. Er rief daraufhin mehrfach die Angeklagte an und bat sie am 24. Juni 2008 zu einem Gespräch in die Bankfiliale. Gleichzeitig forderte die Schwester der Angeklagten diese auf, den Termin bei der Deutschen Bank unbedingt wahrzunehmen, um die Sache mit den fehlgeschlagenen Überweisungen aufzuklären, da sie die Sorge hatte, in Haft zu müssen.
6
Die Angeklagte befürchtete jetzt, dass ihr Versuch, unberechtigte Überweisungen vom Konto der Eheleute P. auszuführen, vor der Aufdeckung stand. Noch mehr befürchtete sie aber, dass auch ihre Barabhebungen ans Licht kämen. Dabei hatte sie zum einen Angst vor einer Bestrafung zum anderen auch vor dem dann aufgedeckten Vertrauensbruch gegenüber Schwester und Bekannten. Deshalb und um weitere Ermittlungen gegen sie zu verhindern, ging sie weder am 24. Juni 2008 noch am 26. Juni 2008 zu Besprechungsterminen mit W. .
7
Am 25. Juni 2008 war die Angeklagte wegen der Ermittlungen zu den Abhebungen nervös und befürchtete, dass über die von ihr für ihre Schwester durchgeführten Überweisungen auch ihre Barabhebungen von insgesamt 7.000 Euro aufgedeckt würden. Sie wollte deshalb von Frau P. herausbekommen , was diese über die Sache weiß, ob sie selbst unter Verdacht stehe und welche Beweise vorliegen. Am Nachmittag kam die Angeklagte in die Wohnung der Eheleute P. und hielt sich mit Frau P. in der Küche auf. Als beide über die unberechtigten Abhebungen sprachen, entstand ein Streit. Die Angeklagte geriet dabei in Wut, schlug Frau P. einen scharfkantigen Gegenstand mehrfach auf den Kopf und stach mit einem Messer mehrmals auf diese ein, um sie zu töten. Die beigefügten Verletzungen führten nach ca. zehn bis fünfzehn Minuten zum Tod von J. P. .
8
Erst danach sah die Angeklagte die Chance, die Überweisungsversuche an die Landesjustizkasse zu erklären und damit die weiteren Ermittlungen gegen sich zu beenden. Sie suchte deshalb am 3. Juli 2008 W. auf und gab vor, dass sich die Kontonummer der Eheleute P. auf den Überweisungsbelegen befinde, da Frau P. ihrer - der Angeklagten - Schwester noch einen Gefallen schuldig gewesen sei und deshalb für sie die Überweisungen unterschrieben habe. Jetzt könne man Frau P. aber nicht mehr fragen, da sie mittlerweile verstorben sei. Die Angeklagte wollte damit erreichen, dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden.
9
2. Nach Auffassung des Landgerichts beging die Angeklagte die Tat nicht zur Verdeckung einer Straftat. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Angeklagte zwar auch von J. P. verdächtigt wurde, die unberechtigten Kontoverfügungen vorgenommen zu haben. Da aber, wie die Angeklagte wusste, auch Jo. P. und W. diesen Verdacht hegten, sei, wie die Angeklagte wusste, die Tötung von J. P. nicht geeignet, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern.
10
Die Angeklagte habe auch nicht aus sonstigen niedrigen Beweggründen gehandelt. Es habe nicht festgestellt werden können, was letztlich der konkrete Auslöser für den Angriff der Angeklagten gewesen sei.

II.

11
Die Verurteilung wegen Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die zugrunde liegende Beweiswürdigung beruht auf durchgreifenden Rechtsfehlern. Die Urteilsgründe lassen in diesem Zusammenhang darüber hinaus besorgen, dass die Strafkammer das Mordmerkmal "Verdeckungsabsicht" rechtlich nicht zutreffend erfasst hat, indem sie von einem zu engen Verständnis von diesem Merkmal ausgegangen ist.
12
Das Revisionsgericht hat es allerdings grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht tatsächliche Zweifel am Vorliegen von Mordmerkmalen nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
13
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es fehlt die gebotene Gesamtwürdigung; die Beweiswürdigung ist lückenhaft. Das Landgericht hat zwar eine umfassende Beweiswürdigung hinsichtlich der Täterschaft der Angeklagten vorgenommen, aber hinsichtlich einer - eher nahe liegenden - Verdeckungsabsicht fehlt es an tragfähigen Überlegungen und Erörterungen. Lediglich im Rahmen der rechtlichen Würdigung (UA S. 69) wird als Ergebnis knapp mitgeteilt, dass die Angeklagte nicht mit Verdeckungsabsicht handelte, weil die Tötung von J. P. nicht geeignet sei, die weitere Aufdeckung der Taten zu verhindern. Die erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien, die für eine Verdeckungsabsicht der Angeklagten sprechen, hat das Landgericht jedoch nicht vorgenommen.
14
1. In Verdeckungsabsicht handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet , um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (vgl. u.a. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 - 1 StR 327/04 = BGHSt 50, 11 ff. mit Anm. u.a. Steinberg JR 2007, 291; Kudlich JuS 2005, 659; Fischinger JA 2005, 490). Allerdings scheidet begrifflich eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dann aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist und der Täter dies weiß (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 1978 - 5 StR 302/78 = GA 1979, 108). Es kommt nicht darauf an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur subjektiv meint, zur Verdeckung dieser Straftat über die Leiche dieses möglichen Zeugen zu müssen (vgl. Geppert JK 10/05, StGB § 211/45). Auch nach Bekanntwerden einer Straftat kann ein Täter dann noch in Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, dass er als Täter dieser Straftat verdächtigt wird, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind (vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 aaO). Verdeckungsabsicht ist aus der Sicht des Täters zu beurteilen. Glaubt er mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrecht erhalten oder seine Lage verbessern zu können, so reicht das für die Annahme der Verdeckungsabsicht aus, selbst wenn er bereits als Täter der Vortat verdächtigt wird (vgl. LKJähnke , StGB, 11. Aufl., § 211 Rn. 16 mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 27. April 1978 - 4 StR 143/78 insoweit in BGHSt 28, 18 nicht abgedruckt), da die Tatumstände - nach seinem Wissen - noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt waren (vgl. BGHSt 15, 291, 296). Verdeckungsabsicht ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tat als solche bereits entdeckt ist, dem Täter es jedoch noch darauf ankommt, seine eigene Täterschaft zu verbergen; Voraussetzung ist jedoch, dass er sich oder seine Tat noch nicht voll erkannt bzw. nicht voll überführungsfähig glaubt und daher mit der Vorstellung von Entdeckungsvereitelung handelt (Schönke/Schröder-Eser, StGB, 28. Aufl., § 211 Rn. 34 mwN).
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Der Umstand, dass die unberechtigten Abhebungen bereits entdeckt waren , schließt daher die Annahme der Verdeckungsabsicht i.S.d. § 211 StGB nicht aus, wenn es der Angeklagten darauf ankam, ihre Täterschaft nicht ans Licht kommen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1951 - 4 StR 672/51 = NJW 1952, 531 mwN). In Verdeckungsabsicht tötet, wer die Vortat überhaupt als auch, wer lediglich die eigene Täterschaft verbergen will, die den Strafverfolgungsbehörden nach seiner Vorstellung bisher nicht bekannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 - 3 StR 89/88 = NJW 1988, 2682 mwN; hierzu auch BGH, Urteil vom 20. September 1996 - 2 StR 278/96 = NStZ-RR 1997, 132 mwN). Ein Täter, der sich jedoch "nur" der Festnahme entziehen will, will "weder Tat noch Täter" zudecken (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 1990 - 5 StR 480/90 = NJW 1991, 1189 mwN).
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Dass die Angeklagte wegen des Streits über die unberechtigten Abhebungen in Wut geraten ist, würde der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht ohne weiteres entgegenstehen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 319/98 = NJW 1999, 1039 mit Anm. Momsen in JR 2000, 26, 30 f. und Schroth NStZ 1999, 554; vgl. hierzu auch Altvater NStZ 2000, 18 f.; LK-Jähnke aaO, § 211 Rn. 15). Reagiert der Täter allerdings allein auf wuterregende Vorhaltungen des Opfers, so kann es bei einer dadurch ausgelösten Tötung an der Verdeckungsabsicht fehlen (vgl. Eser NStZ 1983, 440 mit Hinweis auf BGH, Beschluss vom 2. September 1981 - 3 StR 314/81). Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann im Übrigen auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblicksituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele (vgl. hierzu Senatsurteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07 Rn. 39 insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt).
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2. Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht zur Grundlage seiner Beweiswürdigung gemacht. Es hätte sich nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, dass diese Tötung nicht geeignet war, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern. Dieses objektive Kriterium ist zwar als gewichtiges Indiz gegen eine Verdeckungsabsicht in eine Beweiswürdigung einzustellen, zumal da im vorliegenden Fall das Landgericht mangels einer entsprechenden Einlassung der Angeklagten nur Schlussfolgerungen hinsichtlich der Motivation der Angeklagten ziehen konnte. Die maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist aber nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon; die äußeren Gegebenheiten sind allerdings insofern von Belang, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulassen. Der Hinweis auf die objektive Sachlage ersetzt aber nicht eine Würdigung aller maßgeblichen - auch für die Verdeckungsabsicht der Angeklagten sprechenden - Umstände. An einer solchen Würdigung fehlt es hier.
18
Für die weitere Feststellung der Strafkammer, dass die Angeklagte von der Ungeeignetheit der Tötung zur Verdeckung wusste, fehlt es an einer Begründung.
19
Das Landgericht hätte in der erforderlichen Gesamtwürdigung insbesondere folgende Indizien erörtern müssen, die für eine Verdeckungsabsicht sprechen und gegen die Feststellung, die Angeklagte habe die Tat für ungeeignet gehalten, die Aufdeckung zu verhindern:
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Die Angeklagte ging nicht zu dem Termin bei W. , "um weitere Ermittlungen gegen sich zu verhindern" (UA S. 11). Sie befürchtete, dass ihre Überweisungen und Barabhebungen ans Licht kämen (UA S. 10). Sie suchte nach der Tat W. auf und versuchte, die von ihr gefälschte Unterschrift als von der Toten geleistet hinzustellen, um damit zu erreichen "dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden" (UA S. 11). Die Angeklagte war zum Tatopfer gegangen, um herauszubekommen , was diese über eine Täterschaft der Angeklagten wusste (UA S. 11; vgl. auch UA S. 30). Anlass des Streites war das Gespräch über die unberechtigten Abhebungen (UA S. 13). Den Urteilsfeststellungen lässt sich nicht entnehmen , dass die Angeklagte wusste, dass Jo. P. auch der Polizei seinen Tatverdacht gegen die Angeklagte mitgeteilt hatte (UA S. 23). Die Angeklagte wusste - entgegen ihrer Einlassung -, dass W. mit ihr die Überweisungen und Abhebungen klären wollte (UA S. 26). Die Angeklagte handelte in dem Gespräch mit W. nach der Tötung von J. P. , um "weitere Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Überweisungen und wegen der unberechtigten Abhebungen zu stoppen" (UA S. 26). Die Angeklagte sah "als einzigen Ausweg aus ihrer Zwangslage die Tötung von J. P. " (UA S. 52), wobei ihre Zwangslage darin bestand, die unberechtigten Kontoverfügungen erklären zu müssen. Der zur Feststellung der Schuldfähigkeit der Angeklagten gehörte Sachverständige Dr. Wö. verneinte eine Affekttat. "Vielmehr ergebe sich die konkrete Konfliktlage zwischen der Angeklagten und J. P. aus den von der Angeklagten zuvor durchgeführten unberechtigten Kontoverfügungen, deren Aufdeckung sie befürchtete" (UA S. 68).
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All diese Indizien sind geeignet, eine Verdeckungsabsicht der Angeklagten zu belegen, da sie dagegen sprechen, dass die Angeklagte subjektiv die Tötung der J. P. für ungeeignet hielt, die weitere Aufdeckung ihrer vorausgehenden Taten zu verhindern. Die Beweiswürdigung ist insofern lückenhaft.
22
Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf diesem Rechtsfehler die Ablehnung des Mordmerkmals Verdeckungsabsicht beruht. Die Verurteilung wegen Totschlags war daher aufzuheben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende, nicht im Widerspruch stehende , Feststellungen treffen; die subjektive Tatseite ist ohnehin neu festzustellen. Die bisherigen Feststellungen zum Tötungsvorsatz und zur Schuldfähigkeit der Angeklagten lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
23
3. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
24
4. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auch das Mordmerkmal niedrige Beweggründe zu prüfen. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Unterscheidung zwischen Motiv (Wut im Zusammenhang mit den unberechtigten Abhebungen; UA S. 13) und konkretem Auslöser (UA S. 69) ist ohne nähere Darlegung nicht nachzuvollziehen. Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05 mwN). Dies wäre aber im Hinblick auf berechtigte Vorhaltungen wegen der Geldabhebungen nicht ausgeschlossen. Die Absicht, die Überführung durch Beseitigung eines Belastungszeugen zu erschweren, weist - wenn sie nach den Umständen für die Annahme eines Verdeckungsmordes nicht ausreicht - vielfach auf niedrige Beweggründe hin (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 6). Neben der Verdeckungsabsicht ist die Annahme niedriger Beweggründe jedoch nicht gerechtfertigt, wenn die zur Begründung dieses Merkmals herangezogenen Motive des Täters über die Verdeckungsabsicht hinaus keinen weiteren Unrechtsgehalt aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1999 - 3 StR 1/99 = NStZ-RR 1999, 235).
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5. Wenn die Angeklagte J. P. tötete, um hinsichtlich der unberechtigten Geldabhebungen keine Rückzahlung leisten zu müssen, käme im Übrigen auch das Mordmerkmal Habgier in Betracht. Nack Wahl Rothfuß Jäger Sander
39
a) Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblickssituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Vielmehr genügt es, dass er die "Verdeckungslage" gleichsam "auf einen Blick" erfasst (vgl. BGHSt 35, 116; BGH NJW 1999, 1039, 1041; Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 184 ff.; zu dem insoweit gleich zu behandelnden Ausnutzungsbewusstsein beim Mordmerkmal der Heimtücke vgl. Senat NStZ-RR 2005, 264, 265), wobei in der Regel ein vorhandenes gedankliches Mitbewusstsein ausreicht (BGH NJW aaO). Die Auffassung, der Annahme von Verdeckungsabsicht stünde entgegen, dass sich der Angeklagte angesichts der Reaktion seiner Tochter "in Bruchteilen einer Sekunde" auch zu ihrer Tö- tung entschlossen haben könnte, belegt, dass die Kammer von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 503/02
vom
30. April 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. April
2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kuckein,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2002 mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen , aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt (in der Hauptverhandlung) vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie beanstandet die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke und die Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


Das Landgericht hat festgestellt:

Der zur Tatzeit 22-jährige Angeklagte, der als Kind von seinem Stiefvater sexuell mißbraucht wurde und sich seit seinem 18. Lebensjahr offen zu homosexuellen Neigungen bekennt, lernte 1996 das spätere Tatopfer P. kennen. Zwischen beiden entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung, sexuelle Annäherungsversuche des ebenfalls homosexuell veranlagten über 30 Jahre älteren P. wies der Angeklagte jedoch bis August 2001 zurück. In dieser Zeit zog er vorübergehend in die Einzimmerwohnung des Tatopfers ein. Da der Angeklagte den vereinbarten Mietanteil nicht zahlte, aber auch wegen seiner Unordentlichkeit und seines Drogenkonsums kam es bald zu Streitigkeiten, bei denen P. dem Angeklagten androhte, ihn aus der Wohnung zu werfen. Der Angeklagte warf P. seinerseits dessen seit langem bestehenden sexuellen Beziehungen zu einem 18-jährigen vor und beschimpfte ihn als „Kinderficker“. Auch am 9. September 2001 kam es zum Streit zwischen dem Angeklagten und P., der gegen 18.00 Uhr begann und sich über mehrere Stunden hinzog. Um sich zu beruhigen und den Streit zu beenden, verließ der Angeklagte mehrfach die Wohnung, wobei er außerhalb der Wohnung einige Male Crack zu sich nahm. Nach seiner Rückkehr setzte sich der Streit jeweils wieder fort. P. hielt dem Angeklagten u. a. vor, daß er gar kein richtiger Homosexueller sei und ihm die als Kind erlittenen Mißbrauchstaten offensichtlich Spaß gemacht hätten. Der Angeklagte, der P. diese als traumatisch empfundenen Erlebnisse einmal erzählt hatte, empfand dies als groben Vertrauensbruch. Als er wiederum die Wohnung verlassen wollte, stellte sich P., um ihn darin zu hindern, vor die Wohnungstür. Der Angeklagte, der immer wütender wurde, ergriff schließlich eine an der Wand in einer Lederscheide hängende Machete und stieß insgesamt 33 mal mit direktem Tötungsvorsatz auf P. ein. Ein Stich, der das Tatopfer traf, als es bereits aufgrund seiner Verletzungen zu Boden gestürzt war, führte
innerhalb kürzester Zeit zum Tod. Auch die anderen Verletzungen waren lebensgefährlich. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Totschlag gewertet. Das Vorliegen von Mordmerkmalen, insbesondere von Heimtücke, hat es ausgeschlossen. Zwar habe sich das Tatopfer keines tätlichen Angriffs versehen, der Angeklagte habe aber aufgrund seiner affektiven Erregung bei der Tatbegehung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers (ebenso wie Umstände, die niedrige Beweggründe ausmachen könnten) möglicherweise nicht hinreichend in sein Bewußtsein aufgenommen und gebilligt.
Eine affektbedingte tiefgreifende Bewußtseinsstörung mit der Folge eines völligen Ausschlusses der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht - dem Sachverständigen folgend - abgelehnt. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit hat das Landgericht hingegen nicht ausgeschlossen , "unabhängig davon, ob sie erst nach Tatbeginn eingetreten ist (und damit möglicherweise im Augenblick des tödlichen Stichs vorlag) oder schon vor dem ersten Stich vorlag“.

II.


Die Ausführungen zur Verneinung der subjektiven Tatseite des Mordmerkmals der Heimtücke und die Annahme einer nicht ausschließbaren verminderten Schuldfähigkeit sind - worauf die Revision zu Recht hinweist - nicht rechtsbedenkenfrei.
1. Der Tatbestand des Heimtückemordes setzt in subjektiver Hinsicht voraus, daß der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers kennt und sich bewußt ist, daß er diese zur Tat ausnutzt. Hierfür genügt es, daß der Täter die
Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfaßt, daß er sich bewußt ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (NStZ-RR 2000, 166 f.; NStZ 1999, 506 f.). Dabei steht nicht jede affektive Erregung der Annahme eines Ausnutzungsbewußtseins in diesem Sinne entgegen. Kommt der Tatrichter zu dem Ergebnis, daß der Täter die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung nicht in sein Bewußtsein aufgenommen hat, so muß er die Beweisanzeichen dafür darlegen und würdigen.
Schon eine solche umfassende Würdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen. So hat es sich nicht mit den - zum Ausschluß der Schuldunfähigkeit des Angeklagten - getroffenen Feststellungen zur Wahrnehmungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung auseinandergesetzt, die mit acht konkreten Einzelbeobachtungen des Angeklagten während der Tat belegt wird (UA S. 23 und 26). Zudem hat es die Annahme einer affektiv bedingten Erregung ersichtlich allein auf die vorhergehenden Feststellungen zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit aufgrund einer affektiv bedingten tiefgreifenden Bewußtseinsstörung gestützt. Für die Annahme der subjektiven Seite des Heimtückemords kommt es aber nicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der rechtlichen Voraussetzungen des § 21 StGB an, sondern darauf, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Auswirkungen die affektive Erregung auf die Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation und auf sein Bewußtsein hatte (BGH NStZ-RR 2000, 166 f.). Abgesehen davon sind diese Feststellungen hier aber auch schon deshalb nicht geeignet, das fehlende Ausnutzungsbewußtsein zu belegen, weil sie ihrerseits - wie noch auszuführen ist - unklar sind. Angesichts der vom Landgericht vorgenommenen Verknüp-
fung zwischen den Feststellungen zur affektbedingten tiefgreifenden Bewußtseinsstörung im Sinne von § 21 StGB und den subjektiven Voraussetzungen der Heimtückemordmerkmale kann nicht ausgeschlossen werden, daß Rechtsfehler zum Ausmaß und insbesondere auch zum Zeitpunkt des Eintritts des Affekts, den das Landgericht im Rahmen seiner Feststellungen zur verminderten Schuldfähigkeit offen gelassen hat, sich auch auf die Beurteilung des affektbedingten Fehlens des Ausnutzungsbewußtseins ausgewirkt haben.
2. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft offen gelassen, zu welchem Zeitpunkt die affektbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten eingetreten ist. Zwar könnten die weiteren Ausführungen des Landgerichts zur Persönlichkeitsfremdheit der Tat, zu der vorangegangenen stundenlangen verbalen "Aufheizung“, zu den den Angeklagten sehr verletzenden Vorhalten seiner Mißbrauchserlebnisse durch das Tatopfer sowie zum Drogenkonsum des Angeklagten dafür sprechen, daß das Landgericht einen die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Affekt schon bei Tatbeginn nicht auszuschließen vermochte. Andererseits meinte das Landgericht, sich in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zu befinden, der aber eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit "allenfalls für den Zeitraum nach Eintritt in die Tat“ für möglich gehalten hat. Danach ist zu besorgen, daß es von einem verfehlten Ansatz bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit ausgegangen ist. Denn wäre der Angeklagte nicht bereits bei Eintritt in das Versuchsstadium affektbedingt in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen, sondern erst - wie der Sachverständige angenommen hat - nach Tatbeginn beim Einschlagen auf das Tatopfer in eine Art "Entfesselungsaffekt" geraten, hätte eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht durchgehend bei der gesamten Tatbegehung vorgelegen. Welche Folgen sich ergeben, wenn der Täter erst während der Tat-
handlung in einen Zustand nach §§ 20, 21 StGB gerät, hat die Rechtssprechung bisher insbesondere für den Eintritt eines völligen Ausschlusses der Schuldfähigkeit nach Tatbeginn entschieden (BGHSt 7, 325, 328, 329; 23, 133, 135, 136; siehe auch BGHR StGB § 21 Vorverschulden 3; BGH, Urt. vom 14. Dezember 1976 - 1 StR 568/76). Danach sind einem Täter Handlungen auch dann zuzurechnen, wenn sie vom Vorsatz erfaßt waren und der Tatablauf der Vorstellung entsprach, die der Täter noch vor Eintritt der Schuldunfähigkeit sich von dem Tatgeschehen gemacht hatte. Der Eintritt der Schuldunfähigkeit während der Tatbegehung stellt sich dann als unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf dar. Dabei genügt es, daß der Zustand der Schuldunfähigkeit sich aus dem vorausgehenden Handeln entwickelt hat und nicht durch äußere Einflüsse ausgelöst worden ist. In einem solchen Fall ist der Täter wegen vollendeter Tat, begangen im schuldfähigen Zustand, zu bestrafen. Nichts anderes kann für den Eintritt der erheblich verminderten Schuldfähigkeit erst während der Tatausführung gelten (vgl. auch Jähnke in LK, 11. Aufl. § 21 Rdn. 23). Die Versagung einer Strafmilderung in diesem Fall steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung zum Vorverschulden und zur actio libera in causa, bei der jeweils an ein Verschulden oder an Verhaltensweisen des Täters vor Tatbeginn angeknüpft und eine Strafmilderung trotz Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit nicht gewährt wird. Hingegen hat der Täter, wenn er erst während der Tat - bei ansonsten planmäßiger Durchführung der Tat - erheblich vermindert schuldfähig geworden ist, seinen Tatentschluß nicht nur im voll schuldfähigen Zustand gefaßt, sondern sogar noch in diesem Zustand über die Versuchsgrenze hinaus umgesetzt.
Das Landgericht durfte deshalb nicht offen lassen, ab wann die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert war.
3. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben.
Bode RiBGH Dr. Kuckein ist durch Otten Urlaub an der Unterschrift gehindert. Bode Rothfuß Roggenbuck