Bundesgerichtshof Urteil, 17. Mai 2011 - 1 StR 50/11

bei uns veröffentlicht am17.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 50/11
vom
17. Mai 2011
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zu den Anforderungen an das Vorliegen von Verdeckungsabsicht (im Anschluss an
Senatsurteil vom 1. Februar 2005 - 1 StR 327/04 = BGHSt 50, 11 f.).
BGH, Urteil vom 17. Mai 2011 - 1 StR 50/11 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Mai 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juli 2010 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben:
a) soweit die Angeklagte wegen Totschlags verurteilt wurde (A. III. 2. der Urteilsgründe) und
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen "Totschlags sowie Betrugs in zwei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall mit Urkundenfälschung in zwei Fällen , in einem Fall mit Urkundenfälschung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Sie beanstandet mit der Sachrüge, dass die Angeklagte "nur" wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt wurde. Die wirksam hierauf und den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
4
Die Angeklagte gelangte in den Besitz der EC-Karte der Eheleute P. bei der Deutschen Bank. Sie wurde von ihrer Schwester Bi. beauftragt, Ratenzahlungen für eine gegen diese verhängte Geldstrafe an die Landesjustizkasse Bamberg zu überweisen. Die Angeklagte füllte am 22. April 2008 für das ihr aus der EC-Karte bekannte Konto der Eheleute P. zwei Überweisungsformulare zu Gunsten der Landesjustizkasse Bamberg über jeweils 50 Euro aus, unterzeichnete sie mit dem Namenszug "P. " und gab sie bei der Deutschen Bank ab. Da dieses Konto zu diesem Zeitpunkt nicht die erforderliche Deckung aufwies, wurden beide Überweisungen nicht ausgeführt. Im Mai 2008 kaufte die Angeklagte in zwei Geschäften in Erlangen ein und bezahlte jeweils mit dieser EC-Karte. Als die Angeklagte erfuhr, dass den Eheleuten P. 15.000 Euro auf ihr Konto gutgeschrieben wurden, beschloss sie, mit der EC-Karte Geld für sich abzuheben. Am 19. Mai 2008 suchte sie die Filiale der Deutschen Bank auf und gab sich gegenüber dem Bankangestellten B. als Frau P. aus. Sie teilte dem Bankangestellten mit, 2.000 Euro abheben zu wollen. B. erstellte zunächst aufgrund eines Versehens einen Auszahlungsbeleg über 1.000 Euro, der von der Angeklagten mit dem Namenszug "P. " unterzeichnet wurde. Anschließend erstellte B. einen zweiten Auszahlungsbeleg über weitere 1.000 Euro, den die Angeklagte wiederum mit dem Namenszug "P. " unterzeichnete. B. zahlte ihr sodann 2.000 Euro in bar aus. Zwanzig Minuten später ging die Angeklagte erneut in diese Filiale und teilte B. mit, weitere 5.000 Euro abheben zu wollen. B. erstellte einen Auszahlungsbeleg über diesen Betrag, den die Angeklagte mit dem Namenszug "P. " unterzeichnete. Sie erhielt daraufhin von B. 5.000 Euro in bar. Noch am Nachmittag dieses Tages beglich die Angeklagte Mietrückstände in Höhe von über 3.000 Euro.
5
Am 21. Mai 2008 erstattete Herr P. bei der Polizei in Erlangen Anzeige wegen des Abhandenkommens der EC-Karte und der unberechtigten Abhebungen. Auch sprach er bei dem Mitarbeiter W. bei der Filiale der Deutschen Bank vor und erfuhr, dass die Abhebungen von einer dunkelhäutigen jüngeren Frau vorgenommen worden waren. Seine von ihm verdächtigte Schwester konnte nach einer Vorsprache bei der Deutschen Bank als Abheberin ausgeschlossen werden. Am 16. Juni 2008 äußerte Herr P. sowohl gegenüber den Mitarbeitern der Deutschen Bank als auch gegenüber der Polizei den Verdacht, dass die Angeklagte die Abhebungen vorgenommen haben könnte. Am 17. Juni 2008 erfuhr die Schwester der Angeklagten, dass die beiden Ratenzahlungen auf die gegen sie zu vollstreckende Geldstrafe nicht eingegangen waren. Ihr Ehemann ging deshalb zur Filiale der Deutschen Bank und legte dem Mitarbeiter W. die zwei Durchschläge der Überweisungsträger vor, die die Angeklagte ihrer Schwester gegeben hatte und auf denen das Konto der Eheleute P. als Abbuchungskonto eingetragen war. W. schöpfte wegen der Kontoidentität sofort den Verdacht, dass es zwischen den gescheiterten Überweisungen und den Abhebungen einen Zusammenhang gebe. Bei einer persönlichen Vorsprache der Schwester der Angeklagten wurde diese vom Bankangestellten B. als Abheberin ausgeschlossen. W. erfuhr von ihr vielmehr, dass sie die Angeklagte mit den Überweisungen beauftragt hatte. Er rief daraufhin mehrfach die Angeklagte an und bat sie am 24. Juni 2008 zu einem Gespräch in die Bankfiliale. Gleichzeitig forderte die Schwester der Angeklagten diese auf, den Termin bei der Deutschen Bank unbedingt wahrzunehmen, um die Sache mit den fehlgeschlagenen Überweisungen aufzuklären, da sie die Sorge hatte, in Haft zu müssen.
6
Die Angeklagte befürchtete jetzt, dass ihr Versuch, unberechtigte Überweisungen vom Konto der Eheleute P. auszuführen, vor der Aufdeckung stand. Noch mehr befürchtete sie aber, dass auch ihre Barabhebungen ans Licht kämen. Dabei hatte sie zum einen Angst vor einer Bestrafung zum anderen auch vor dem dann aufgedeckten Vertrauensbruch gegenüber Schwester und Bekannten. Deshalb und um weitere Ermittlungen gegen sie zu verhindern, ging sie weder am 24. Juni 2008 noch am 26. Juni 2008 zu Besprechungsterminen mit W. .
7
Am 25. Juni 2008 war die Angeklagte wegen der Ermittlungen zu den Abhebungen nervös und befürchtete, dass über die von ihr für ihre Schwester durchgeführten Überweisungen auch ihre Barabhebungen von insgesamt 7.000 Euro aufgedeckt würden. Sie wollte deshalb von Frau P. herausbekommen , was diese über die Sache weiß, ob sie selbst unter Verdacht stehe und welche Beweise vorliegen. Am Nachmittag kam die Angeklagte in die Wohnung der Eheleute P. und hielt sich mit Frau P. in der Küche auf. Als beide über die unberechtigten Abhebungen sprachen, entstand ein Streit. Die Angeklagte geriet dabei in Wut, schlug Frau P. einen scharfkantigen Gegenstand mehrfach auf den Kopf und stach mit einem Messer mehrmals auf diese ein, um sie zu töten. Die beigefügten Verletzungen führten nach ca. zehn bis fünfzehn Minuten zum Tod von J. P. .
8
Erst danach sah die Angeklagte die Chance, die Überweisungsversuche an die Landesjustizkasse zu erklären und damit die weiteren Ermittlungen gegen sich zu beenden. Sie suchte deshalb am 3. Juli 2008 W. auf und gab vor, dass sich die Kontonummer der Eheleute P. auf den Überweisungsbelegen befinde, da Frau P. ihrer - der Angeklagten - Schwester noch einen Gefallen schuldig gewesen sei und deshalb für sie die Überweisungen unterschrieben habe. Jetzt könne man Frau P. aber nicht mehr fragen, da sie mittlerweile verstorben sei. Die Angeklagte wollte damit erreichen, dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden.
9
2. Nach Auffassung des Landgerichts beging die Angeklagte die Tat nicht zur Verdeckung einer Straftat. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Angeklagte zwar auch von J. P. verdächtigt wurde, die unberechtigten Kontoverfügungen vorgenommen zu haben. Da aber, wie die Angeklagte wusste, auch Jo. P. und W. diesen Verdacht hegten, sei, wie die Angeklagte wusste, die Tötung von J. P. nicht geeignet, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern.
10
Die Angeklagte habe auch nicht aus sonstigen niedrigen Beweggründen gehandelt. Es habe nicht festgestellt werden können, was letztlich der konkrete Auslöser für den Angriff der Angeklagten gewesen sei.

II.

11
Die Verurteilung wegen Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die zugrunde liegende Beweiswürdigung beruht auf durchgreifenden Rechtsfehlern. Die Urteilsgründe lassen in diesem Zusammenhang darüber hinaus besorgen, dass die Strafkammer das Mordmerkmal "Verdeckungsabsicht" rechtlich nicht zutreffend erfasst hat, indem sie von einem zu engen Verständnis von diesem Merkmal ausgegangen ist.
12
Das Revisionsgericht hat es allerdings grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht tatsächliche Zweifel am Vorliegen von Mordmerkmalen nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
13
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es fehlt die gebotene Gesamtwürdigung; die Beweiswürdigung ist lückenhaft. Das Landgericht hat zwar eine umfassende Beweiswürdigung hinsichtlich der Täterschaft der Angeklagten vorgenommen, aber hinsichtlich einer - eher nahe liegenden - Verdeckungsabsicht fehlt es an tragfähigen Überlegungen und Erörterungen. Lediglich im Rahmen der rechtlichen Würdigung (UA S. 69) wird als Ergebnis knapp mitgeteilt, dass die Angeklagte nicht mit Verdeckungsabsicht handelte, weil die Tötung von J. P. nicht geeignet sei, die weitere Aufdeckung der Taten zu verhindern. Die erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien, die für eine Verdeckungsabsicht der Angeklagten sprechen, hat das Landgericht jedoch nicht vorgenommen.
14
1. In Verdeckungsabsicht handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet , um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (vgl. u.a. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 - 1 StR 327/04 = BGHSt 50, 11 ff. mit Anm. u.a. Steinberg JR 2007, 291; Kudlich JuS 2005, 659; Fischinger JA 2005, 490). Allerdings scheidet begrifflich eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dann aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist und der Täter dies weiß (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 1978 - 5 StR 302/78 = GA 1979, 108). Es kommt nicht darauf an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur subjektiv meint, zur Verdeckung dieser Straftat über die Leiche dieses möglichen Zeugen zu müssen (vgl. Geppert JK 10/05, StGB § 211/45). Auch nach Bekanntwerden einer Straftat kann ein Täter dann noch in Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, dass er als Täter dieser Straftat verdächtigt wird, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind (vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 2005 aaO). Verdeckungsabsicht ist aus der Sicht des Täters zu beurteilen. Glaubt er mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrecht erhalten oder seine Lage verbessern zu können, so reicht das für die Annahme der Verdeckungsabsicht aus, selbst wenn er bereits als Täter der Vortat verdächtigt wird (vgl. LKJähnke , StGB, 11. Aufl., § 211 Rn. 16 mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 27. April 1978 - 4 StR 143/78 insoweit in BGHSt 28, 18 nicht abgedruckt), da die Tatumstände - nach seinem Wissen - noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt waren (vgl. BGHSt 15, 291, 296). Verdeckungsabsicht ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tat als solche bereits entdeckt ist, dem Täter es jedoch noch darauf ankommt, seine eigene Täterschaft zu verbergen; Voraussetzung ist jedoch, dass er sich oder seine Tat noch nicht voll erkannt bzw. nicht voll überführungsfähig glaubt und daher mit der Vorstellung von Entdeckungsvereitelung handelt (Schönke/Schröder-Eser, StGB, 28. Aufl., § 211 Rn. 34 mwN).
15
Der Umstand, dass die unberechtigten Abhebungen bereits entdeckt waren , schließt daher die Annahme der Verdeckungsabsicht i.S.d. § 211 StGB nicht aus, wenn es der Angeklagten darauf ankam, ihre Täterschaft nicht ans Licht kommen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1951 - 4 StR 672/51 = NJW 1952, 531 mwN). In Verdeckungsabsicht tötet, wer die Vortat überhaupt als auch, wer lediglich die eigene Täterschaft verbergen will, die den Strafverfolgungsbehörden nach seiner Vorstellung bisher nicht bekannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 - 3 StR 89/88 = NJW 1988, 2682 mwN; hierzu auch BGH, Urteil vom 20. September 1996 - 2 StR 278/96 = NStZ-RR 1997, 132 mwN). Ein Täter, der sich jedoch "nur" der Festnahme entziehen will, will "weder Tat noch Täter" zudecken (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 1990 - 5 StR 480/90 = NJW 1991, 1189 mwN).
16
Dass die Angeklagte wegen des Streits über die unberechtigten Abhebungen in Wut geraten ist, würde der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht ohne weiteres entgegenstehen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 319/98 = NJW 1999, 1039 mit Anm. Momsen in JR 2000, 26, 30 f. und Schroth NStZ 1999, 554; vgl. hierzu auch Altvater NStZ 2000, 18 f.; LK-Jähnke aaO, § 211 Rn. 15). Reagiert der Täter allerdings allein auf wuterregende Vorhaltungen des Opfers, so kann es bei einer dadurch ausgelösten Tötung an der Verdeckungsabsicht fehlen (vgl. Eser NStZ 1983, 440 mit Hinweis auf BGH, Beschluss vom 2. September 1981 - 3 StR 314/81). Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann im Übrigen auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblicksituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele (vgl. hierzu Senatsurteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07 Rn. 39 insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt).
17
2. Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht zur Grundlage seiner Beweiswürdigung gemacht. Es hätte sich nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, dass diese Tötung nicht geeignet war, die weitere Aufdeckung dieser Taten zu verhindern. Dieses objektive Kriterium ist zwar als gewichtiges Indiz gegen eine Verdeckungsabsicht in eine Beweiswürdigung einzustellen, zumal da im vorliegenden Fall das Landgericht mangels einer entsprechenden Einlassung der Angeklagten nur Schlussfolgerungen hinsichtlich der Motivation der Angeklagten ziehen konnte. Die maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist aber nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon; die äußeren Gegebenheiten sind allerdings insofern von Belang, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulassen. Der Hinweis auf die objektive Sachlage ersetzt aber nicht eine Würdigung aller maßgeblichen - auch für die Verdeckungsabsicht der Angeklagten sprechenden - Umstände. An einer solchen Würdigung fehlt es hier.
18
Für die weitere Feststellung der Strafkammer, dass die Angeklagte von der Ungeeignetheit der Tötung zur Verdeckung wusste, fehlt es an einer Begründung.
19
Das Landgericht hätte in der erforderlichen Gesamtwürdigung insbesondere folgende Indizien erörtern müssen, die für eine Verdeckungsabsicht sprechen und gegen die Feststellung, die Angeklagte habe die Tat für ungeeignet gehalten, die Aufdeckung zu verhindern:
20
Die Angeklagte ging nicht zu dem Termin bei W. , "um weitere Ermittlungen gegen sich zu verhindern" (UA S. 11). Sie befürchtete, dass ihre Überweisungen und Barabhebungen ans Licht kämen (UA S. 10). Sie suchte nach der Tat W. auf und versuchte, die von ihr gefälschte Unterschrift als von der Toten geleistet hinzustellen, um damit zu erreichen "dass die Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Kontoverfügungen beendet werden" (UA S. 11). Die Angeklagte war zum Tatopfer gegangen, um herauszubekommen , was diese über eine Täterschaft der Angeklagten wusste (UA S. 11; vgl. auch UA S. 30). Anlass des Streites war das Gespräch über die unberechtigten Abhebungen (UA S. 13). Den Urteilsfeststellungen lässt sich nicht entnehmen , dass die Angeklagte wusste, dass Jo. P. auch der Polizei seinen Tatverdacht gegen die Angeklagte mitgeteilt hatte (UA S. 23). Die Angeklagte wusste - entgegen ihrer Einlassung -, dass W. mit ihr die Überweisungen und Abhebungen klären wollte (UA S. 26). Die Angeklagte handelte in dem Gespräch mit W. nach der Tötung von J. P. , um "weitere Ermittlungen gegen sie wegen der unberechtigten Überweisungen und wegen der unberechtigten Abhebungen zu stoppen" (UA S. 26). Die Angeklagte sah "als einzigen Ausweg aus ihrer Zwangslage die Tötung von J. P. " (UA S. 52), wobei ihre Zwangslage darin bestand, die unberechtigten Kontoverfügungen erklären zu müssen. Der zur Feststellung der Schuldfähigkeit der Angeklagten gehörte Sachverständige Dr. Wö. verneinte eine Affekttat. "Vielmehr ergebe sich die konkrete Konfliktlage zwischen der Angeklagten und J. P. aus den von der Angeklagten zuvor durchgeführten unberechtigten Kontoverfügungen, deren Aufdeckung sie befürchtete" (UA S. 68).
21
All diese Indizien sind geeignet, eine Verdeckungsabsicht der Angeklagten zu belegen, da sie dagegen sprechen, dass die Angeklagte subjektiv die Tötung der J. P. für ungeeignet hielt, die weitere Aufdeckung ihrer vorausgehenden Taten zu verhindern. Die Beweiswürdigung ist insofern lückenhaft.
22
Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf diesem Rechtsfehler die Ablehnung des Mordmerkmals Verdeckungsabsicht beruht. Die Verurteilung wegen Totschlags war daher aufzuheben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende, nicht im Widerspruch stehende , Feststellungen treffen; die subjektive Tatseite ist ohnehin neu festzustellen. Die bisherigen Feststellungen zum Tötungsvorsatz und zur Schuldfähigkeit der Angeklagten lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
23
3. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
24
4. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auch das Mordmerkmal niedrige Beweggründe zu prüfen. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Unterscheidung zwischen Motiv (Wut im Zusammenhang mit den unberechtigten Abhebungen; UA S. 13) und konkretem Auslöser (UA S. 69) ist ohne nähere Darlegung nicht nachzuvollziehen. Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05 mwN). Dies wäre aber im Hinblick auf berechtigte Vorhaltungen wegen der Geldabhebungen nicht ausgeschlossen. Die Absicht, die Überführung durch Beseitigung eines Belastungszeugen zu erschweren, weist - wenn sie nach den Umständen für die Annahme eines Verdeckungsmordes nicht ausreicht - vielfach auf niedrige Beweggründe hin (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 6). Neben der Verdeckungsabsicht ist die Annahme niedriger Beweggründe jedoch nicht gerechtfertigt, wenn die zur Begründung dieses Merkmals herangezogenen Motive des Täters über die Verdeckungsabsicht hinaus keinen weiteren Unrechtsgehalt aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1999 - 3 StR 1/99 = NStZ-RR 1999, 235).
25
5. Wenn die Angeklagte J. P. tötete, um hinsichtlich der unberechtigten Geldabhebungen keine Rückzahlung leisten zu müssen, käme im Übrigen auch das Mordmerkmal Habgier in Betracht. Nack Wahl Rothfuß Jäger Sander

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Mai 2011 - 1 StR 50/11 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 195/05
vom
11. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 6. Oktober 2004 in Bezug auf den Angeklagten I. mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) in Bezug auf die Angeklagten C. und K. ,
b) in Bezug auf den Angeklagten A. , soweit er verurteilt worden ist. 3. Die weitergehenden Revisionen und die den Angeklagten S. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Revisionen der Nebenkläger werden verworfen. 4. Die Staatskasse hat die Kosten des dem Angeklagten S. betreffenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die diesem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Rechtsmittel und die diesen Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der den Angeklagten I. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger sowie der die Angeklagten A. C. , und K. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten I. wegen Totschlags, versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren, - den Angeklagten A. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei unter Einbeziehung eines
Urteils des Amtsgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2003 zu der einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten C. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Jugendstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung, - den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten S. wegen Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren. Den Angeklagten A. hat das Landgericht im Übrigen freigesprochen.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Am Abend des 3. September 2003 gerieten die AngeklagtenI. und A. in der Innenstadt R. s in eine verbale Auseinandersetzung mit den später Geschädigten Ra. , Z. und G. . Sie fühlten sich, insbesondere durch das griechische Schimpfwort "Malaka", so beleidigt, dass sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollten. Mit den herbeigerufenen Angeklagten C. , K. und S. Verstärkung als traten sie ihren drei Gegnern nach etwa 40 Minuten erneut gegenüber.
S. und I. begannen, S. von vorne und I. von hinten, auf Ra. , der sich nicht ernstlich wehren konnte, mit Fäusten einzuschlagen. Nunmehr entschloss sich I. , ein in seiner Kleidung mitgebrachtes Messer, dessen Existenz den anderen Angeklagten bis dahin nicht bekannt war, zum Einsatz zu bringen. Er stach dem Ra. gezielt und wuchtig in den rechten und mittleren Halsbereich sowie in den linken Rücken. Die Stichverletzungen waren akut lebensgefährlich und hätten ohne eine alsbald durchgeführte Notoperation zum Tode geführt. C. , dem das Ausmaß der dem Ra. zugefügten Verletzungen nicht bewusst war, versetzte diesem noch mindestens vier Faustschläge in den Bereich des Kopfes und des Oberkörpers. I. und S. wandten sich nun dem - völlig betrunkenen und deshalb kampfunfähigen - Z. zu. S. griff wieder von vorne an, I. , der das Messer noch in der Hand hielt, von hinten. I. stach insgesamt sechsmal wuchtig auf den Oberkörper des Z. ein; ein 17 cm tiefer Stich traf direkt in das Herz und führte zu seinem Tod. Während dieses Geschehens hatten K. und A. den etwas seitlich befindlichen G. von vorne und von hinten angegriffen. Während dieses Handgemenges näherte sich zufällig ein Fahrzeug, dessen Insassen auf das Geschehen aufmerksam wurden. K. und A. ließen daraufhin von G. ab und flüchteten. Nunmehr griffen I. , S. und C. ihrerseits G. von drei Seiten an. C. versetzte ihm einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. I. stach ihm mit dem Messer in den Rücken, allerdings erheblich weniger wuchtig als den Ra. und den Z. - Stichtiefe ein Zentimeter -, und trat noch mehrmals auf ihn ein. Anschließend flüchteten auch diese drei Angeklagten.
2. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihren zu Ungunsten der fünf Angeklagten eingelegten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich gegen die Verneinung eines Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten I. und S. , soweit diese (nur) wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil G. verurteilt wurden und gegen die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe bei dem Angeklagten I. . Ferner beanstandet sie, dass die Angeklagten A. , C. und K. nicht jeweils wegen drei (tateinheitlicher) Vergehen der gefährlichen Körperverletzung verurteilt wurden. Mit ihren zum Nachteil der Angeklagten I. , C. , K. und S. eingelegten und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Rechtsmitteln verfolgen die Nebenkläger hinsichtlich des Angeklagten I. die gleichen Ziele wie die Staatsanwaltschaft und rügen zusätzlich die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe auch bei dem Angeklagten S. .

II.

Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit sie die Angeklagten I. , A. C. und K. betreffen, und das den Angeklagten I. betreffende Rechtsmittel der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen bleiben die Rechtsmittel erfolglos. 1. Revisionen der Staatsanwaltschaft:
a) Die Verneinung des Mordmerkmals "niedrige Beweggründe" bezüglich der versuchten Tötung des Ra. und der Tötung des Z. durch den Angeklagten I. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH NJW 1995, 3196). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden , wenn ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch nicht gerecht. Zu Unrecht hat die Kammer bei ihrer Abwägung der Beweggründe des Angeklagten den "Hintergrund seiner kulturellen Herkunft, in der der Begriff der Ehre besonders ausgeprägt ist" einbezogen. Der Maßstab für die Bewertung der Beweggründe ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte außer Stande war, die Bewertung seiner Handlungsantriebe durch die deutsche Rechtsordnung als niedrig nachzuvollziehen , lassen sich den Feststellungen der Kammer nicht entnehmen; solches liegt auch fern. Unabhängig davon weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Annahme, einfache Beleidigungen würden die Tötung von Menschen zu einer Ehrensache machen, auch in fremden Kulturkreisen durchaus fern liegend ist, zumal wenn zwischen dem Anlass und den Taten ein eklatan-
tes Missverhältnis besteht. Dass der Angeklagte durch diese Beleidigungen zu seinen Taten "provoziert" wurde, kann ihn nicht entlasten, denn auch in diesem Fall bestünde ein eklatantes Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung. Die Kammer stellt ferner bei den Erörterungen der Motivlage des Angeklagten darauf ab, es sei "nicht auszuschließen, dass der Angeklagte ... zusätzlich in seiner Hoffnung auf eine Beziehung mit einer Frau enttäuscht worden" sei; diese frustrierende Situation habe dazu geführt, dass er die Beleidigung als überaus kränkend empfunden habe. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich lediglich, dass die Angeklagten I. und A. sich vor dem ersten Zusammentreffen mit den Geschädigten mit zwei Mädchen in einem Restaurant aufgehalten hatten. Die Annahme einer enttäuschten Beziehungserwartung entbehrt daher einer ausreichenden Grundlage und erweist sich als bloße Vermutung. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Vorgänge zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 2005 - 1 StR 290/04). Unabhängig davon wäre eine derartige enttäuschte Beziehungserwartung kaum geeignet, die Bewertung des Tötungsbeweggrundes als niedrig zu verändern. Schließlich begegnen auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint hat, rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe "seinen Antrieb ... nicht mehr beherrschen" können. Anhaltspunkte hierfür teilt das Urteil jedoch nicht mit. Auch wenn der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgeht - den Tötungsentschluss erst am Tatort gefasst hat, handelte es sich insbesondere nicht um eine kurze Spontantat im Sinne einer wutbedingten "Kurzschlusshandlung", sondern um ein länger andauerndes, mehraktiges Vorgehen gegenüber mehreren Opfern in unter-
schiedlichen Positionen. Selbst wenn der Angeklagte bei den Taten in immer größere Erregung geraten sein sollte, könnte ihn dies nicht entlasten, wenn er sich bewusst von beherrschbaren Gefühlen zu den Taten hätte treiben lassen (vgl. BGH NStZ 2004, 332). Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass nicht nur die von dem Angeklagten begangene Körperverletzung, sondern auch von ihm verwirklichte Tötungsdelikte in Tateinheit mit der ebenfalls verwirklichten Beteiligung an einer Schlägerei stehen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 StR 522/01; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 231 Rdn. 17).
b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin auch, dass die Jugendkammer die Angeklagten A. und K. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil des Geschädigten G. sowie den Angeklagten C. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil der Geschädigten G. und Ra. verurteilt hat. Nach den Feststellungen der Kammer fassten alle fünf Angeklagten den gemeinsamen Entschluss, eine körperliche Auseinandersetzung mit den drei Geschädigten zu suchen. Sie griffen die Geschädigten auch gemeinsam und gleichzeitig mit dem Ruf "Wir machen Euch fertig" an und führten den Angriff arbeitsteilig durch. Danach war die Körperverletzung aller drei Geschädigten von allen Angeklagten mittäterschaftlich gewollt, so dass ihnen die Verletzungen aller drei Opfer - mit Ausnahme der von dem Angeklagten I. mit dem Messer begangenen Exzesse - zuzurechnen sind. Das Urteil bedarf daher auch insoweit der Aufhebung. Der neue Tatrichter wird hier auch nochmals auf die Konkurrenzverhältnisse einzugehen haben. Die Revision meint, trotz der durch das Vorgehen der Angeklagten jeweils verletzten höchstpersönlichen Rechtsgüter sei natürliche Handlungseinheit anzu-
nehmen. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich sind. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss , einheitlicher 9). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 2 und 5) oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierten Personenmehrheit gerichteten Angriff (vgl. BGH NJW 1985, 1565), willkürlich und gekünstelt erschiene. Ein solcher Sonderfall wäre hier nach den bisherigen Feststellungen zu verneinen. Wenn die Angeklagten drei Taten der gefährlichen Körperverletzung begangen haben, wird auch Tateinheit zwischen diesen Taten durch eine Klammerwirkung der Beteiligung an einer Schlägerei mangels einer annähernden Wertgleichheit dieser Tat ausscheiden.
c) Im Übrigen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler - auch nicht zum Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO) - aufgedeckt. Insbesondere erscheint die Verneinung eines Tötungsvorsatzes des Angeklagten I. bezüglich des Geschädigten G. angesichts seines hier anders gearteten Vorgehens vertretbar. Innere Tatsachen wie das Bestehen oder Fehlen des Vorsatzes des Täters können sich gerade aus äußeren
Umständen erschließen (vgl. BGH NStZ 1991, 400). I. hat diesen Geschädigten , der im Gegensatz zu seinen beiden ersten Opfern bereits Angriffen von Mitangeklagten ausgesetzt war, nur einmal und mit deutlich geringerer Wucht in den Rücken gestochen und sodann unter Verzicht auf den weiteren Einsatz des Messers mehrfach auf ihn eingetreten. Aufgrund der unterschiedlichen Abläufe in den Fällen Ra. und Z. einerseits und in dem Falle G. andererseits ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt hat, ob bei I. ein Umschwung im intendierten Verletzungserfolg eingetreten war. 2. Revisionen der Nebenkläger:
a) Soweit sich die Revisionen gegen die Verurteilung der Angeklagten C. und K. richten, sind sie unzulässig, weil die Nebenkläger nicht - was im Hinblick auf § 400 Abs. 1 StPO erforderlich gewesen wäre - angegeben haben, inwieweit das Urteil mit dem Ziel einer Änderung des Schuldspruchs angefochten wird.
b) Die die Angeklagten I. und S. betreffenden Revisionen sind aus den oben zu II. 1. ausgeführten Gründen nur insoweit begründet, als die Nebenkläger rügen, dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten I. niedrige Beweggründe bei der Tötung des Geschädigten Z. und der versuchten Tötung des Geschädigten Ra. verneint hat. Im Übrigen haben sie keinen Rechtsfehler aufgezeigt. Insbesondere hat das Landgericht niedrige Beweggründe des Angeklagten S. tragfähig damit verneint, daß dieser Angeklagte, der lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, an der Vorgeschichte der Tat nicht beteiligt war, keine eigenen Ziele verfolgte und nur dem Mitangeklagten I. bei dessen vermeintlich berechtigtem Vorgehen zur Seite stehen wollte. Dass das Landgericht den Angeklagten S. be-
züglich des Geschädigten Z. nicht auch wegen tateinheitlich mit dem Totschlag begangener Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt hat - auf diese Tat hat sich schon die Revision der Staatsanwaltschaft nicht erstreckt -, vermag der Senat auch auf die Revisionen der Nebenkläger nicht zu korrigieren, weil die Beteiligung an einer Schlägerei kein Nebenklagedelikt ist. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.