Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2003 - 4 StR 296/03

published on 06/11/2003 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2003 - 4 StR 296/03
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 296/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 6. Februar 2003 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte wegen der Tötung zweier von ihr geborener Säuglinge (Tatzeiten: 1997 und 2002) der Kindestötung und des Totschlags für schuldig befunden und gegen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: zwei Jahre und sechs Monate und sieben Jahre) verhängt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist - wie die Revisionsbegründung deutlich macht – ungeachtet des umfassend gestellten Aufhebungsantrages wirksam auf den Strafausspruch beschränkt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
1. Die Revision der Angeklagten erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben hat. Die Verneinung eines minder schweren Falles des Totschlags durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Zwar kann nach Aufhebung des § 217 StGB a.F. die psychische Ausnahmesituation einer Mutter, die ihr eheliches oder nichteheliches Kind in oder gleich nach der Geburt tötet, durch die Anwendung des § 213 StGB Berücksichtigung finden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum 6. StrRG BTDrucks. 13/8587 S. 34). Die Annahme eines minder schweren Falles ist jedoch in diesen Fällen entgegen der Auffassung der Revision nicht zwingend, sondern bedarf - wie auch sonst - einer Gesamtwürdigung. Eine solche hat das Landgericht unter sorgfältiger Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände vorgenommen und einen minder schweren Fall im Sinne des § 213 2. Alt. StGB insbesondere mit Blick darauf, daß es sich um eine Wiederholungstat handelt, rechtsfehlerfrei verneint.
2. Auch der Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie in erster Linie im Hinblick auf die 1997 begangene Tat die Annahme eines minder schweren Falles der Kindestötung (§ 217 Abs. 2 StGB a.F.) beanstandet und sich im übrigen gegen die Bemessung der wegen Totschlags verhängten Einzelstrafe (Freiheitsstrafe von sieben Jahren) sowie der Gesamtstrafe wendet, bleibt der Erfolg versagt. Die Höhe der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe liegt jeweils im Bereich des dem Tatrichter bei der Strafzumessung einzuräumenden Beurteilungsspielraums. Ihre Bemessung läßt Rechtsfehler nicht erkennen , solche werden von der Beschwerdeführerin auch nicht aufgezeigt. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge der Verletzung des § 217 Abs. 2 StGB a.F..


a) Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung der Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (st. Rsp., vgl. nur die Nachweise bei Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 85). Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (BGHR StGB vor § 1/msF Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1; BGH NStZ 1991, 529 jeweils mit weiteren Nachweisen).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme eines minder schweren Falls der Kindestötung rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat seine Entscheidung aus einer Gesamtschau hergeleitet, in die die maßgeblichen Gesichtspunkte eingeflossen sind. Es hat hierbei zu Gunsten der Angeklagten namentlich ihr Geständnis, die bisherige Straflosigkeit, das Vorliegen die Tat begünstigender Persönlichkeitsauffälligkeiten sowie den Umstand berücksichtigt, daß sie aus einer Konfliktsituation heraus in einem – wenn auch nicht tiefgreifenden – Affekt handelte. Daß das Landgericht hierbei – wie die Revision meint – die Art und Weise der Tatausführung und das Ver-
halten der Angeklagten nach der Tat nicht im Blick gehabt haben könnte, steht nicht zu befürchten. Die Darlegung sämtlicher Erwägungen ist weder nötig noch möglich (BGHR StGB vor § 1/msF Gesamtwürdigung, fehlerfreie 3).

c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begründet die vom Landgericht vorgenommene Berücksichtigung einer Affektsituation auch keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Richtig ist zwar, daß durch die Privilegierung des § 217 StGB a.F. dem mit dem Geburtsvorgang gewöhnlich verbundenen besonderen Erregungszustand der nichtehelichen Mutter Rechnung getragen werden sollte (vgl. hierzu Jähnke in LK 10. Aufl. § 217 Rdn. 1 und 6). Zutreffend ist auch, daß das Verbot der Doppelverwertung über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände erfassen kann, die - ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein – gerade den gesetzgeberischen Anlaß für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (vgl. hierzu etwa Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 46 Rdn. 45 a, 46 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Ob und in welchem Umfang dies auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 217 Abs. 2 StGB a.F. gilt, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Das Landgericht hat nämlich bei der Annahme eines minder schweren Falles ersichtlich nicht auf einen geburtsbedingten Erregungszustand der Angeklagten,
sondern auf eine durch ihre Persönlichkeitsauffälligkeiten und außergewöhnlichen Lebensverhältnisse verursachte besondere, als existentiell empfundene Konfliktsituation abgestellt. Dies ist unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. ! " #%$ & ' ( ) * + , Ernemann Sost-Scheible
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R
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Annotations

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.