Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2017 - 2 StR 529/16

bei uns veröffentlicht am18.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 529/16
vom
18. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Vorteilsgewährung
ECLI:DE:BGH:2017:181017U2STR529.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in der Verhandlung vom 18. Oktober 2017, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Wimmer, Richter am Bundesgerichtshof, Dr. Grube, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, der Angeklagte W. persönlich und Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenbeteiligten, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 11. Mai 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen und ihm eine Entschädigung für durchgeführte Strafverfolgungsmaßnahmen zugebilligt wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Es wird festgestellt, dass die Revision der Staatsanwaltschaft zurückgenommen wurde, soweit sie sich auf die Ablehnung der Verhängung einer Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte bezieht.
Die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vorteilsgewährung in zwei Fällen freigesprochen und die Verhängung einer Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte abgelehnt. Gegen die Freisprechung des Angeklagten richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Insoweit ist das Rechtsmittel begründet. Soweit es gegen die Ablehnung einer Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte gerichtet war, ist festzustellen, dass es zurückgenommen worden ist.

I.

2
1. Gegenstand der Anklage im Umfang ihrer Zulassung durch das Landgericht ist der Vorwurf, der Angeklagte habe als Vertreter der j. AG im Zusammenhang mit einem Beratervertrag vom 27./28. Juli 2010 sowie einer Vereinbarung über die Verlängerung dieses Beratervertrages vom 16./20. Dezember 2010 Unrechtsvereinbarungen mit dem gesondert verurteilten K. getroffen, wonach diesem Vorteile für seine Dienstausübung als ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt E. und Stellvertreter des Oberbürgermeisters gewährt werden sollten.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Der Angeklagte war Mitglied des Vorstands der j. AG. Diese Unternehmensgruppe plante und errichtete Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien, insbesondere Windenergieanlagen. Sie wollte im Jahr 2010 auch Projekte in Thüringen vorbereiten und suchte dafür wie auch schon bei anderen Projekten einen Berater, der als „Türöffner“ zu politischen Entschei- dungsträgern tätig werden sollte. Innerhalb der Unternehmensgruppe war die Zeugin S. für die Gewinnung und Betreuung solcher Berater zu- ständig. Sie war damals Bereichsleiterin Marketing der Abteilung „100 % erneuerbar“. Sie fragte bei dem ehemaligen Wirtschaftsminister des Landes Bran- denburg Ju. an, ob dieser in Thüringen jemanden kenne, der als Berater für die Unternehmensgruppe tätig werden könne. Ju. nahm Kontakt mit dem damaligen Thüringer Wirtschaftsminister R. auf, der K. vorschlug.
5
K. war seit 1994 Mitglied des E. Stadtrats. Im Jahr 1999 wurde er Innenminister des Freistaats Thüringen. Von diesem Amt trat er im März 2002 zurück, blieb aber bis 2009 Mitglied des Landtags. Nach seinem Ausscheiden aus der Landespolitik übernahm er über die von ihm gegründete Firma E. GmbH Beratertätigkeiten. K. wurde zum ehrenamtlichen Beigeordneten der Stadt E. gewählt und wurde einer der Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Daraufhin wurde er am 18. September 2009 zum Ehrenbeamten ernannt und vereidigt. Hauptamtliche Stellvertreterin des Oberbürgermeisters war die Bürgermeisterin L. , hauptamtliche Beigeordnete und weitere Stellvertreterin des Oberbürgermeisters Re. , die das Bauressort leitete, welches auch für die Planung von Windkraftanlagen zuständig war. Zudem war K. im Jahr 2010 Fraktionsvorsitzender der im Stadtrat von E. .
6
K. als Beigeordnetem wurde der Geschäftsbereich „städtische Be- teiligungen“ zugewiesen. Insoweit hatte er keine dienstlichen Kontakte mit der j. -Unternehmensgruppe. Allerdings wurde er auch vom Oberbürgermeister gelegentlich in anderen Bereichen eingesetzt.
7
Der Zeugin S. war K. zunächst unbekannt. Sie informierte sich über seinen Lebenslauf bei „Wikipedia“. Soweit es dessen Tätigkeit in E. betraf, wurde dort darauf hingewiesen, dass er Mitglied des Stadtrats war; die Eigenschaft als ehrenamtlicher Beigeordneter wurde dort nicht erwähnt.
8
Am 2. Juni 2010 kam es zu einem ersten Gespräch von K. mit S. in der Firmenzentrale der j. -Unternehmensgruppe, in dem sie erläuterte, dass die Unternehmensgruppe eine Niederlassung in Thüringen plane , um von dort aus alle Arten von erneuerbaren Energien im Lande vorzustellen. Zu diesem Zweck benötige sie einen Berater, der über ein Netzwerk verfüge. K. berichtete über seine bisherigen Tätigkeiten auf Landesebene, während er seine kommunalen Ämter nicht erwähnte. Erst gegen Ende des Gesprächs kam der Angeklagte hinzu, dem gegenüber S. das bisher Gesagte zusammenfasste.
9
Am 27. und 28. Juli 2010 wurde ein Beratervertrag der j. -Holding AG mit der E. GmbH unterzeichnet. Darin war eine Kontaktplanung im Interesse der Unternehmensgruppe mit 32 Institutionen und 40 namentlich benannten Personen auf Landes- und kommunaler Ebene vorgesehen, soweit es die Stadt E. betraf, mit dem damaligen Oberbürgermeister D. . Als Vergütung für die Beratertätigkeit sollten 700 Euro netto für jeden Tag der Beratertätigkeit gezahlt werden, ferner Aufwendungsersatz. Am Tag der Unterzeichnung des Beratervertrages kam es zu einem Treffen von K. mit Mitarbeitern der j. -Unternehmensgruppe, in denen diese Projekte in Thüringen vorstellten. Zu einem persönlichen Kontakt mit dem Angeklagten kam es weder an diesem Tag noch während der Verhandlungen über den Inhalt des Beratervertrages.
10
Bei den Projekten der j. -Unternehmensgruppe in Thüringen ging es vor allem um Windenergieanlagen. Deren Errichtung war nur in sogenannten „Windvorranggebieten“ zulässig. Diese waren im Regionalplan vorgesehen, der durch eine der Regionalversammlungen des Landes erstellt wurde. In einer unternehmensinternen E-Mail vom 18. April 2010 hatte S. dem Angeklagten die diesbezügliche Situation in Thüringen geschildert. Für E. waren zunächst nur ein Holzhackschnitzel-Heizkraftwerk und eine Holzpelletierungsanlage vorgesehen. Es waren auch keine Windvorranggebiete ausgewiesen. Die Errichtung von Windkraftanlagen bedurfte deshalb einer Änderung des Regionalplans der Regionalversammlung Südwest-Thüringen.
11
Erst nach unternehmensinternen Diskussionen brachte S. auch den Standort E. für Windkraftanlagen ins Gespräch. K. war an Projekten in E. besonders interessiert, weil er dort wohnte und sich eine Tätigkeit als Leiter einer der möglichen Niederlassungen der j. -Gruppe vorstellen konnte.
12
Am 18. August 2010 tauschten sich Mitarbeiter des Unternehmens untereinander und mit dem Angeklagten durch E-Mails über das Potenzial eines Standorts für Windkraftanlagen in E. aus. Der Angeklagte äußerte, dazu könne sich K. „direkt“ für das Unternehmen „einsetzen“. Dieser nahm – ohne dies zunächst der Stadtverwaltung von E. bekannt zu machen – alsbald seine Beratertätigkeit durch Gespräche mit verschiedenen Behörden auf und vermittelte der j. -Gruppe Kontakte dorthin.
13
Mitarbeiter der j. -Gruppe nahmen ohne Beteiligung von K. mit dem E. Referenten für Umwelt, Verkehr und Energie, P. , Kontakt auf. Sie teilten diesem mit, dass sie einen geeigneten Ort für eine Niederlassung des Unternehmens in Thüringen suchten. Bedingung dafür sei der Bau von Windkraftanlagen. Dies teilte P. der Baudezernentin Re. mit. Daneben kam auch ohne Zutun von K. ein Kontakt mit Oberbürgermeister D. zustande. Auch dieser befürwortete eine Ansiedlung der Unternehmensgruppe.
14
Nachdem das Verwaltungsgericht Meiningen bereits am 28. Juli 2010 entschieden hatte, dass ein Konkurrenzunternehmen der j. -Gruppe berechtigt sei, in der Nähe von E. Windkraftanlagen zu errichten, was aber den Blick von der Wartburg auf den Thüringer Wald beeinträchtigt hätte und die Aberkennung des Status der Wartburg als Weltkulturerbe befürchten ließ, suchte Oberbürgermeister D. auf Bitte des Thüringer Bauministers nach Möglichkeiten für die Ausweisung einer anderen Fläche zur Errichtung von Windkraftanlagen. Oberbürgermeister D. informierte K. davon, der darin eine Möglichkeit erkannte, neue Windvorranggebiete in E. durchzusetzen, von denen die j. -Gruppe profitiert hätte.
15
Am 8. September 2010 fand auf Vermittlung von K. eine Besprechung statt, an der dieser, Oberbürgermeister D. , der Angeklagte, zweiMitarbeiter der j. -Unternehmensgruppe und drei Mitarbeiter der Stadtverwaltung E. teilnahmen. Hierbei ging der Angeklagte davon aus, dass K. seine Beratertätigkeit für die Unternehmensgruppe inzwischen offen gelegt hatte , was aber nicht der Fall war. Der Angeklagte stellte die Pläne der j. - Gruppe vor, an denen sich D. , der jedoch auf Schwierigkeiten hinwies, interessiert zeigte. Die Teilnahme von K. an dem Gespräch wurde später von der E. GmbH gegenüber der j. AG als entgeltliche Beratertätigkeit abgerechnet.
16
Mittlerweile bestand in der Stadtverwaltung E. Einigkeit darüber, dass die Stadt die j. -Unternehmensgruppe durch die Erweiterung der Windvorranggebiete unterstützen sollte. Deshalb unterzeichnete die Baudezernentin Re. am 13. September 2010 ein von j. -Mitarbeitern vorbereitetes Schreiben zur Änderung des Raumordnungsplans Südwest-Thüringen. Unter Verwendung dieses Schreibens begannen Mitarbeiter der j. -Gruppe mit Vertragsverhandlungen gegenüber Grundstückseigentümern an möglichen Standorten für Windenergieanlagen.
17
Am 1. Oktober 2010 fand eine Besprechung zwischen D. , K. und dem Angeklagten statt. Zuvor hatte K. den Oberbürgermeister von seiner Beratertätigkeit unterrichtet; darüber, dass K. Fraktionsvorsitzender der in E. und Beigeordneter war, wurde am 1. Oktober 2010 nicht gesprochen.
18
Am 6. Oktober 2010 wurde in der Beigeordnetenrunde die Erweiterung der Windvorranggebiete besprochen. Dabei teilte K. mit, dass er am nächsten Tag eine Besprechung beim Thüringer Bauministerium haben werde. Der Oberbürgermeister entschied, dass K. dort die Stadt E. betreffenden Fragen zur Erweiterung der Windvorranggebiete erörtern solle. In dem nachfolgenden Gespräch mit Bediensteten des Bauministeriums wurde die Möglichkeit einer Änderung des Regionalplans besprochen. Darüber berichtete K. in der nächsten Beigeordnetenrunde. Die Besprechung beim Ministerium wurde neben anderen Tätigkeiten, die nicht mit den Projekten in E. in Zusammenhang standen, von der E. GmbH gegenüber der j. - Gruppe als Beratungstätigkeit des Angeklagten abgerechnet, ohne dass sich aus den Rechnungen ergab, dass es sich insoweit auch um eine dienstlich übernommene Aufgabe handelte.
19
Ende Oktober 2010 kamen Oberbürgermeister D. und K. sowie die weiteren Beigeordneten überein, dass die Erweiterung des Regionalplans für die in E. vorgesehenen Windvorranggebiete beantragt werden sollte. Dafür war zunächst ein Stadtratsbeschluss erforderlich. Die Beschlussvorlage wurde im Dezernat der Baudezernentin Re. erstellt. K. leitete deren Entwurf am 9. November 2010 an die Zeugin S. von der j. AG weiter. Dabei wies er darauf hin, dass Bedarf für eine Nachbesserung dieser Beschlussvorlage bestehe. Sie wurde deshalb durch den j. -Mitarbeiter Lü. überarbeitet. Unabhängig von K. hielt auch Oberbürgermeister D. den Entwurf des Baudezernats für nicht aussagekräftig und bat ihn darum, sich zur Unterstützung an die j. -Gruppe zu wenden. K. wandte sich daraufhin mit einer Mail vom 10. November 2010 direkt an den Angeklagten. Weder dieser noch die Zeugin S. wunderten sich darüber, dass K. in den Besitz des Beschlussentwurfs der Stadt gekommen war. Sie gingen davon aus, dass er seine Beratertätigkeit für die j. -Gruppe offen gelegt habe und Mitarbeiter der Stadtverwaltung ihn um Hilfe gebeten hätten. Schließlich wurde der ergänzte Entwurf der Beschlussvorlage in den Stadtrat eingebracht, der ihn am 26. November 2010 beschloss. Dabei stimmte K. für die Erweiterung.
20
Der Antrag der Stadt E. wurde bei der Regionalen Planungsgemeinschaft auf die Tagesordnung für den 7. Dezember 2010 gesetzt, aber kurz vor Beginn der Sitzung wieder abgesetzt. Das Bauministerium hatte erwogen, den Regionalplan ohne Windvorranggebiete zu genehmigen. Zudem waren zusätzlich zum Stadtratsbeschluss weitere Voraussetzungen für die Ausdehnung der Windvorratsgebiete zu erfüllen, vor allem eine Änderung der Thüringer Verordnung über den Naturpark . Ein Entwurf der Neufassung dieser Verordnung sah ein Verbot der Errichtung von Windkraftanlagen vor. K. wurde von der j. -Gruppe beauftragt, sich dafür einzusetzen, dass es nicht zu dieser Verbotsregelung komme. In der Beigeordnetenrunde der Stadt E. vom 8. Dezember 2010 informierte K. über die Problemlage und wurde vom Oberbürgermeister damit beauftragt, den Sachstand „zur Verordnung Naturpark“ festzustellen. K. erörterte diese Situation da- raufhin mit dem Umweltminister R. und berichtete darüber in der Beigeordnetenrunde der Stadt E. . Durch E-Mail vom 14. Dezember 2010 informierte er auch den Angeklagten. Das Gespräch mit dem Umweltminister stellte die E. GmbH später der j. AG in Rechnung.
21
Zu ersten Differenzen zwischen dem Angeklagten und K. kam es wegen des Abstimmungsverhaltens von K. im Stadtrat über die Beschlussvorlage zur Erweiterung des Windvorranggebiets am 26. November 2010. Dabei hatte dieser für die Beschlussvorlage gestimmt, statt sich wegen eines Interessenkonflikts der Stimme zu enthalten. Inzwischen vermuteten auch einige Personen aus der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik, dass er als Berater für die j. -Gruppe tätig war. Über die Möglichkeit eines Interessenkonflikts berichteten die Thüringer Allgemeine Zeitung und die Thüringer Landes- zeitung. In deren Beiträgen wurde vom „Stadtratsmitglied K. “ und einem möglichen Konflikt bei der genannten Abstimmung gesprochen. Seine Stellung als ehrenamtlicher Beigeordneter wurde nicht näher konkretisiert, lediglich beiläufig in einem Satz erwähnt. Dem Angeklagten gelangten diese Zeitungsartikel zur Kenntnis. Er war danach über das Abstimmungsverhalten von K. erzürnt, da er um den Ruf der j. -Gruppe fürchtete. Die Bezeichnung K. s als Beigeordneter nahm er nicht zur Kenntnis.
22
Wegen der Zeitungsberichte diskutierte der Angeklagte mit der Zeugin S. darüber, ob die Zusammenarbeit mit K. beendet oder der zum 31. Dezember 2010 auslaufende Beratervertrag verlängert werden sollte. Die Zeugin S. überredete den Angeklagten mit Hinweis auf die sonst gute Zusammenarbeit zu einer Vertragsverlängerung. Der Angeklagte unterzeichnete deshalb am 16. Dezember 2010 für die j. AG eine entsprechende Vereinbarung mit der E. GmbH. K. erledigte danach eine Vielzahl von weiteren Tätigkeiten im Interesse der j. -Gruppe. Er nahm aber keine Handlung mehr für diese vor, die auch als „Dienstausübung“ angesehen werden kann.
23
Insgesamt zahlte die j. AG an die E. GmbH für Beratertätigkeiten durch K. Honorare in Höhe von 66.450 Euro netto und Fahrtkostenersatz in Höhe von 6.458,35 Euro netto. Keines der von der j. - Unternehmensgruppe in E. geplanten Projekte wurde realisiert.
24
b) Das Landgericht hat ausgeführt, die getroffenen Feststellungen seien für eine Verurteilung des Angeklagten nicht ausreichend. Es könne nicht feststellen , dass der Angeklagte beim Abschluss des Beratervertrages gewusst habe, dass K. Ehrenbeamter der Stadt E. gewesen sei und er zudem in die Regionale Planungskommission als Vertreter der Stadt E. gewählt werden sollte. Das Landgericht konnte sich keine Überzeugung davon bilden, dass bereits der erste Beratervertrag eine Unrechtsvereinbarung enthalten habe und geschlossen worden sei, weil der Angeklagte damit auf die künftige Dienstausübung von K. habe Einfluss nehmen wollen. Ebenso konnte es nicht feststellen, dass durch die Verlängerung des Beratervertrages im Dezember 2010 die vorangegangene Dienstausübung habe honoriert werden sollen oder eine neue Unrechtsvereinbarung getroffen worden sei, die das Ziel gehabt habe, auch auf eine künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen. Schließlich konnte es nicht klären, dass der Angeklagte bei der Bezahlung einzelner Rechnungen der E. GmbH gewusst habe, dass K. sich damit auch dienstliche Handlungen habe vergüten lassen.

II.

25
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist nach zunächst unbeschränkter Einlegung im Rahmen der Revisionsbegründung mit der Wirkung einer Teilrücknahme auf den Freispruch des Angeklagten und die Entschädigungsentscheidung zu dessen Gunsten beschränkt worden.
26
Die Beschwerdeführerin hat zwar in ihrer Revisionsbegründungsschrift einen Aufhebungsantrag ohne Beschränkung formuliert, ihr Rechtsmittel aber nur insoweit begründet, als es die Freisprechung des Angeklagten betrifft. Widersprechen sich der Revisionsantrag und der Inhalt der Revisionsbegründung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16; vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201;vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16 und vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17). Dies führt hier zu einer nachträglichen Beschränkung, mit welcher – der Sache nach – das zunächst unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel teilweise zurückgenommen wurde; denn die Ablehnung der Verhängung einer Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte wird in der Revisionsbegründung als Angriffsziel nicht erwähnt. Der Senat stellt deshalb fest, dass die Revision insoweit zurückgenommen wurde.

III.

27
Die Revision ist begründet.
28
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es die- sem verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene Würdigung zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (stRspr; vgl. Senat, Urteil vom 26. Juli 2017 – 2 StR 132/17, StraFo 2017, 372 f. m.w.N.).
29
2. Daran gemessen weist die Beweiswürdigung Rechtsfehler auf. Die Ansicht des Landgerichts, es gebe keinen ausreichenden Beweis dafür, dass der Angeklagte und K. neben dem Abschluss des Beratervertrags auch zunächst stillschweigend vereinbart hätten, dass K. auch dienstliche Handlungen als Amtsträger zugunsten der j. -Gruppe vornehme, hältrevisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
30
a) Die für eine Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB erforderliche Unrechtsvereinbarung setzt voraus, dass der Vorteilsgeber mit dem Ziel handelt , auf eine künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu nehmen und/oder seine vergangene Dienstausübung zu honorieren. Dies setzt naturgemäß voraus, dass er eine hinreichende Vorstellung von der Amtsträgereigenschaft des Vorteilsnehmers hat. Ob in diesem Sinne eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, ist Tatfrage und unterliegt der wertenden Beurteilung des Tatgerichts, die regelmäßig im Wege einer Gesamtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat. Als mögliche Indizien für oder gegen das Ziel, mit dem Vorteil auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren, fließen neben der Plausibilität einer anderen – behaupteten odersonst in Betracht kommenden – Zielsetzung in die wertende Beurteilung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben, die Vorgehensweise bei dem Angebot, dem Versprechen oder dem Gewähren von Vorteilen sowie die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile. So können dienstliche Berührungspunkte zwischen Vorteilsgeber und Amtsträger ebenso in ausschlaggebender Weise für eine Unrechtsvereinbarung sprechen, wie die Heimlichkeit des Vorgehens. Dies ist in einer Gesamtschau aller Indizien zu würdigen (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 – 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6, 16 f.).
31
b) In die danach vorzunehmende Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht alle Umstände einbezogen.
32
aa) Es hat sich nicht mit der Interessenlage und den mit Abschluss eines Beratervertrages verfolgten Zielvorstellungen der j. AG aus der Sicht des für sie tätigen Angeklagten auseinandergesetzt.
33
Für die Unternehmensgruppe war es nach dem Inhalt des Beratervertrages von zentraler Bedeutung, dass der Berater nicht nur über Kontakte zu wichtigen politischen Entscheidungsträgern auf Landes- und Landkreisebene, sondern auch über ein Netzwerk verfügte. Nach einer kurz vor Abschluss des Vertrags verfassten E-Mail der zuständigen Unternehmensmitarbeiterin S. an K. war es für die Unternehmensgruppe wichtig, eine „spürbare Einflussnahme auf die Genehmigungen zu erreichen.“ Diese Äußerung war zwar im Rahmen einer Erörterung der Laufzeit der Vergütungsvereinbarung gemacht worden. Sie verdeutlichte aber zugleich die Interessen der Unterneh- mensgruppe an einer „Einflussnahme auf die Genehmigungen“ für ihre Anla- gen. Dafür waren objektiv nicht nur die persönlichen Kontakte K. s, sondern auch dessen Funktionen im kommunalen Bereich von Bedeutung. Die objektive Interessenlage der j. -Unternehmensgruppe legt es – entgegen der vom Landgericht getroffenen Feststellungen – nahe, dass die Ämter und Funk- tionen bei der Stadt E. in dem zum Kennenlernen geführten Gespräch zwischen der Zeugin S. und K. erörtert wurden.
34
Das Landgericht ist in diesem Zusammenhang der Aussage derZeugin S. gefolgt, dass dies für sie (und damit im Ergebnis auch für die j. AG und den Angeklagten) nicht von Interesse gewesen sei. Es hat aber die Plausibilität dieses Aussageteils, der im Gegensatz zur objektiven Interessenlage der Unternehmensgruppe steht, nicht erkennbar überprüft. Dazu hätte auch Anlass bestanden, weil K. in der Hauptverhandlung des gesondert gegen ihn ge- führten Verfahrens angegeben hatte, „dass er sich wundern würde, wenn er nicht über seine kommunalpolitische Tätigkeit und seine Ämter“ gesprochen hätte.
35
bb) Eine Lücke in der Beweiswürdigung ist ferner darin zu erblicken, dass das Landgericht bei der Würdigung der Einlassung des Angeklagten zur Frage seiner Kenntnis von den Funktionen K. s in der Stadtverwaltungvon E. dessen Abstimmungsverhalten in der Stadtratsversammlung vom 26. November 2010 sowie die daraus entstandenen Differenzen zwischen K. und dem Angeklagten nicht berücksichtigt hat.
36
Die Behauptung des Angeklagten, er habe sich schon bei Abschluss der Beraterverträge vorgestellt, dass K. sich bei allen Entscheidungen im Stadtrat um erneuerbare Energien zurückhalten und bei Abstimmungen über erneuerbare Energien den Raum verlassen werde, deutet darauf hin, dass der Angeklagte bereits bei Abschluss des Beratervertrages Kenntnis von den Funktionen K. s in der Stadtverwaltung hatte. Diese Aussage des Angeklagten über seine Vorstellung vom künftigen Abstimmungsverhalten K. s im Stadtrat zur Zeit des Abschlusses des Beratervertrages ist nicht mit der weiteren Behauptung des Angeklagten vereinbar, er habe von der Eigenschaft K. sals Stadtratsmitglied erst im Oktober oder November 2010 erfahren. Hatte der Angeklagte dagegen schon bei Vertragsschluss die Vorstellung, K. werde sich bei Abstimmungen im Stadtrat über erneuerbare Energien der Stimme enthalten , muss er schon damals über die Position K. s als Stadtratsmitglied informiert gewesen sein. Im Anschluss daran hätte sich die Strafkammer aber mit der Frage befassen müssen, ob der Angeklagte auch über dessen Einbindung als Beigeordneter der Stadtverwaltung informiert war. Dies wäre jedenfalls bei einer Gesamtschau aller Umstände zu erörtern gewesen.
37
cc) Lückenhaft sind die Erwägungen des Landgerichts ferner zum internen E-Mail Verkehr in der Unternehmensgruppe im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Beratervertrages. Die Strafkammer hat hervorgehoben, dass die Stadt E. in der j. AG zunächst nicht als Standort für Windkraftanlagen , sondern ausschließlich als Standort für eine Niederlassung in Betracht gezogen worden sei. Der Angeklagte hatte sich aber schon am Tag des Abschlusses des Beratervertrages über Bedenken seiner Mitarbeiter in Bezug auf einen Standort für Windkraftanlagen hinweggesetzt und eine erneute Überprüfung dieser Frage gefordert. Nachdem E. nach weiterer Prüfung auch seitens der j. -Mitarbeiter als möglicher Standort für Windkraftanlagen betrachtet wurde, äußerte der Angeklagte in einer unternehmensinternen E-Mail vom 18. August 2010: „passtdoch!!! Da kann K. sich doch direkt für uns einsetzen und diesen Standort neben unserer HPA klar machen …“ Dies hätte das Landgericht bei seiner Würdigung des internen E-Mail-Verkehrs der j. - Gruppe berücksichtigen müssen.
38
dd) Das Landgericht hat schließlich die Honorarvereinbarung der j. Unternehmensgruppe mit der E. GmbH nicht in die Gesamtschau aller Umstände einbezogen. Danach sollten von der j. AG neben einem Aufwendungsersatz auch 700 Euro pro Tag der Beratertätigkeit von K. an die E. GmbH bezahlt werden. Die Höhe der Entlohnung, die objektiv für eine Diensthandlung geleistet wird, kann jedoch auch ein Indiz dafür sein, dass eine Unrechtsvereinbarung zugrunde lag (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 – 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6, 17).

IV.

39
Mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit, als der Angeklagte freigesprochen worden ist, entfällt der Ausspruch, den Angeklagten für erlittene Ermittlungsmaßnahmen zu entschädigen. Auch über diese Frage ist gemäß § 8 Abs. 1 StrEG neu zu befinden (vgl. Senat, Urteil vom 7. Februar 1990 – 2 StR 601/89).
Krehl Eschelbach Richterin am BGH Dr. Bartel ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Wimmer Grube

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 8 Entscheidung des Strafgerichts


(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligte

Strafgesetzbuch - StGB | § 333 Vorteilsgewährung


(1) Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewähr

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 90/14 vom 11. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubs u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014, an der teilgenommen haben: Vorsi

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 90/14
vom
11. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenklägerin trägt ihre Auslagen selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts planten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. einen Einbruch in ein Wohnhaus in Kronberg. Sie hatten den Tatort zuvor ausgekundschaftet und unter anderem auch in Erfahrung gebracht, dass die Bewohner tagsüber nicht zu Hause sein sollten. In Umsetzung ihres Tatplans begaben sie sich am 7. Juni 2013 gegen 14.15 Uhr zum Tatort. Sie führten eine Tasche mit Wechselkleidung mit sich; darüber hinaus zwei Strumpfmasken wegen der vor Ort vorhandenen Überwachungskameras sowie eine Rolle Klebeband, um ein Fenster vor dem Einschlagen abkleben zu können. Da sie sicher gehen wollten, dass tatsächlich niemand zu Hause war, klingelte der gesondert Verfolgte B. während sich der Angeklagte vor der Haustür postierte. Es öffnete die Zeugin St. , woraufhin der Angeklagte und B. ihren Tatplan spontan dahin erweiterten, nunmehr unter Überwältigung der Zeugin St. in das Haus einzudringen und nach Wertgegenständen Ausschau zu halten.
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Der Angeklagte drängte die Zeugin sogleich ins Haus, fesselte sie mit einem im Flur entdeckten Strickschal an Händen und Beinen und warf ihr eine Wolldecke über den Kopf. Sodann begannen beide Täter das Haus nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Die aufgefundene Beute (Schmuck und Bargeld ) verstauten sie in einer am Tatort aufgefundenen Sporttasche. Währenddessen rief die unter Atemnot leidende Zeugin um Hilfe und bat um Wasser. Der Angeklagte reichte ihr eine Tasse Kaffee, die die Zeugin mit ihrer aus der Fesselung befreiten rechten Hand ergriff und gegen eine Fensterscheibe warf. Sie rief nun laut um Hilfe. Der Angeklagte und der hinzukommende B. fesselten die Hände der Zeugin mit am Tatort aufgefundenen Kabelbindern fest auf ihren Rücken und verklebten ihr den Mund mit dem mitgeführten Klebeband. Anschließend setzten beide Täter die Durchsuchung fort und entdeckten weiteres Bargeld, das sie an sich nahmen. Als es an der Haustür klingelte, trugen die Täter die gefesselte Zeugin in den Keller und flüchteten aus dem Haus. Unterwegs entledigten sie sich sowohl der Tasche mit Wechselkleidung als auch der Tasche mit der Beute. Der Angeklagte konnte gegen 17.00 Uhr hinter einer naheliegenden Kleingartenanlage festgenommen werden. Beide Taschen wurden alsbald aufgefunden.
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Die Zeugin erlitt infolge der strammen Fesselung starke Hämatome und Druckstellen an den Handgelenken. Eine traumatische Affektion verschiedener Nerven riefen Taubheitsgefühle in der rechten Hand und am linken Daumen hervor, die bis heute anhalten.
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2. Die Kammer hat die Tat wegen der strammen Fesselung der Zeugin als „schweren Raub“ gemäߧ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet und unter Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt.

II.


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Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
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1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt und die Freiheitsstrafe daher unangemessen milde bemessen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Löwe/Rosenberg-Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
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Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist allein der Strafausspruch angefochten und der Schuldspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Allein der Umstand, dass die Revisionsführerin nach Erhebung der allgemeinen Sachrüge einleitend ausgeführt hat, das Landgericht habe die Tat „insbesondere“ rechtsfehlerhaft als minder schweren Fall gewertet, zeigt mangels eines Hinweises auf einen weiteren Rechtsfehler des Urteils kein weitergehendes Angriffsziel der Revision auf. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch nicht angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12 mwN).
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2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
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Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revision ist, dass sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 318 Rn. 6 mwN). Eine Beschränkung ist aber auch dann unwirksam, wenn die Gefahr besteht, dass die nach dem Teilrechtsmittel (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35 und 38).
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Die Beschränkung des Rechtsmittels ist nach diesen Grundsätzen wirksam.
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Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn vom Landgericht strafmildernd gewertete und deshalb von der Revision angegriffene Umstände tatsächlich (auch) den Schuldspruch beträfen. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft - neben zahlreichen anderen Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Gewichtung einzelner Strafzumessungserwägungen - zwar auch eine rechtfehlerhafte Beweiswürdigung im Hinblick auf den von der Strafkammer als strafmildernd gewerteten Umstand, dass die Tatplanerweiterung des Angeklagten und seines Mittäters auf einem spontanen und erst vor Ort gefassten Entschluss beruhte. Die Feststellungen, dass es sich insoweit um eine Spontantat handelte, sind jedoch nicht tatbestandsrelevant. Der Tatvorsatz liegt unabhängig davon vor, wann der Tatentschluss gefasst wurde und zu welchem Zeitpunkt er in welchem Maße vor dem Eindringen der Täter in das Haus konkretisiert war, weshalb der Schuldspruch von dem Revisionsangriff in jedem Fall unberührt bliebe.
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Bei einer Teilaufhebung wäre hier auch nicht zu befürchten, dass die stufenweise entstehende Gesamtentscheidung unter inneren Widersprüchen litte. Veränderte Feststellungen zum Zeitpunkt des konkreten Tatentschlusses des Angeklagten würden die Gesamtentscheidung lediglich modifizieren und nicht widersprüchlich erscheinen lassen.

III.


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Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
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1. Die den strafzumessungsrelevanten Feststellungen der Strafkammer zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter Berücksichtigung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs frei von Rechtsfehlern.
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Dies gilt auch im Hinblick auf die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nur einen Einbruchdiebstahl geplant und ihren Tatentschluss erst vor Ort auf die Ausführung eines Raubes erweitert haben, denn das Gericht hat sich auch insoweit seine Überzeugung auf einer ausreichenden objektiven Beweisgrundlage gebildet.
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Zwar war es zur Überprüfung der Anwesenheit eines Hausbewohners nicht erforderlich, dass sich der Angeklagte beim Klingeln unmittelbar vor der Haustür postierte. Dieses Vorgehen ist aber nicht als derart ungewöhnlich risikoreich zu werten, dass es als gewichtiges Indiz für einen von vornherein geplanten Raub hätte gewertet werden müssen. Denn auch dann, wenn ein Täter nur einen Einbruch plant, kann er auf das unerwartete Öffnen der Tür durch einen Hausbewohner noch mit der unverdächtig erscheinenden Nachfrage nach einer angeblich dort wohnhaften Person reagieren. Für einen zunächst nur geplanten Einbruchdiebstahl sprach ohne Weiteres, dass der Angeklagte und sein Mittäter ausschließlich für einen Einbruch nützliche Gegenstände mit sich führten und demgegenüber keine Vorsorge für die Fesselung bzw. Ruhigstellung eines anwesenden Hausbewohners getroffen hatten. Zur Fesselung der Zeugin St. wurde ein vor Ort aufgefundener Schal verwendet. Nachdem sich diese Fesselung bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwiesen hatte, mussten der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nach anderen Mitteln zur Fesselung suchen. Auch auf die Idee, das mitgeführte Klebeband zur Fesselung zu nutzen , kamen sie nicht.
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2. Der Strafausspruch hält auch im Übrigen sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Rechtsfehler bei der Wahl des Strafrahmens zeigt auch die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände (umfassendes Geständnis, junges Alter des Angeklagten, Unbestraftheit, Erstverbüßer, spontane Tatplanerweiterung, gewisser Dilettantismus und wenig vorausschauende Planung der Tat) ist daher die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.
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3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 545/16
vom
22. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220217U5STR545.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer,
Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt S.
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Rau1 bes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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1. Der 25 Jahre alte Angeklagte, der keinen Beruf erlernt und zuletzt So3 zialleistungen bezogen hat, konsumierte bereits in seiner Jugend Cannabis.
Seit 2012 nahm er, zunächst an Wochenenden, zusätzlich Speed, Ecstasy und Kokain zu sich. Etwa Ende Februar 2016 verlor seine damalige Lebensgefährtin das erwartete gemeinsame Kind durch Fehlgeburt. Spätestens nach diesem Verlust, der ihn sehr belastete, hatte der Angeklagte seinen Betäubungsmittelkonsum nicht mehr unter Kontrolle. Er steigerte insbesondere die Einnahme von Amphetamin und Kokain und gab für diese Drogen nahezu täglich 50 Euro aus. Dadurch verschuldetete er sich in erheblicher Höhe bei seinen Rauschgiftlieferanten , die ihm bedeuteten, dass er vor einem Erhalt weiterer Drogen zunächst seine Schulden abtragen müsse.
Als er über kein Rauschgift und kein Geld mehr verfügte, entschloss sich
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der Angeklagte, um neue Drogen kaufen zu können, die Filiale eines Einkaufsmarktes zu überfallen. Bewaffnet mit einer mit Gaspatronen geladenen Pistole begab er sich am 21. März 2016 kurz vor Geschäftsschluss in diesen Einkaufsmarkt und verbarg sich maskiert zunächst in der Damentoilette. Als eine Mitarbeiterin den Raum betrat, bedrohte der Angeklagte sie mit der Pistole und fesselte sie mit einem mitgeführten Klebeband. Er ließ sie im Toilettenraum zurück und traf auf dem davor liegenden Gang auf einen Filialmitarbeiter, den er ebenfalls mit der Pistole bedrohte und fesselte. Sodann begegnete der Angeklagte einem Sicherheitsbediensteten. Als dieser die ihm vom Angeklagten vorgehaltene Pistole abzuwehren versuchte, schoss der Angeklagte ihm aus 20 bis 30 cm Entfernung mit der Pistole gezielt gegen die Stirn, wodurch der Zeuge unter anderem eine Platzwunde erlitt. Auf seinem anschließenden Weg zu den Büroräumen bedrohte der Angeklagte einen weiteren Mitarbeiter des Einkaufsmarktes mit der Pistole. Im Kassenbüro angekommen hielt er der mit der Abrechnung befassten Mitarbeiterin die Pistole vor und ergriff eine Tüte mit dem Kassenbestand von 13.600 Euro. Anschließend bedrohte er mit seiner Waffe zwei weitere Mitarbeiter, bevor er mit der Beute den Einkaufsmarkt verließ. Das erbeutete Geld verwandte der Angeklagte zur Tilgung seiner Schulden bei seinen Drogenlieferanten und zum Erwerb von Betäubungsmitteln.
2. Das sachverständig beratene Landgericht hat in Übereinstimmung mit
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der psychiatrischen Sachverständigen nicht ausschließen können, dass der Angeklagte bei der Tat aus Angst vor Entzugserscheinungen im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gehandelt habe. Der Angeklagte sei polytoxikoman abhängig von Amphetaminen, Ecstasy und Kokain gewesen und habe unter einem Suchtdruck gelitten, der ihn die Betäubungsmittel täglich konsumieren ließ. Er habe für die Vergangenheit eine deutliche Entzugssymptomatik geschildert. Auch während des Tatgeschehens habe der Angeklagte gezittert. Nicht ausschließbar sei sein Zittern während des Tatgeschehens auf einen Entzug zurückzuführen.
Dementsprechend hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl unter
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Verbrauch des Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB angenommen.

II.


Der Revision bleibt der Erfolg versagt.
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1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
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Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Auf9 hebung des angefochtenen Urteils gestellt. Auch hat sie zur Begründung der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts dargelegt, dass die der allgemeinen Sachrüge nachfolgenden Ausführungen nur beispielhaft erfolgten. Jedoch hält die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht zu Unrecht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten angenommen und ihn unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt habe.
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegrün10 dung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88, 89 mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel weder den Schuld- noch den Maßregelausspruch angreifen will.
2. Die Beurteilung des Landgerichts, die Steuerungsfähigkeit des Ange11 klagten sei erheblich vermindert gewesen, und die sich maßgeblich auf diesen Strafmilderungsgrund stützende Strafrahmenwahl halten der sachlichrechtlichen Prüfung stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei
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Beschaffungsdelikten eines rauschgiftabhängigen Täters dessen Steuerungsfähigkeit unter Umständen auch dann erheblich vermindert sein, wenn er aus Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen handelt, die er schon als äußerst unangenehm erlitten hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. April 2012 – 1StR 15/12, NStZ 2013, 53, 54, und vom 20. August 2013 – 5 StR 36/13, NStZ-RR 2013, 346, 347 mwN). Dieser zunächst in Bezug auf Heroinabhängigkeit entwickelte Grundsatz (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1989 – 5 StR 175/89, NJW 1989, 2336) ist trotz unterschiedlicher Entzugsfolgen auch bei einer Koka- inabhängigkeit für ausnahmsweise anwendbar gehalten worden (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05, NStZ 2006, 151, 152; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12 aaO), bei der körperliche Entzugssymptome in der Regel geringer ausgeprägt sind.
Für die Beurteilung, ob Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheb13 lichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei einem betäubungsmittelabhängigen Täter geführt hat, ist insbesondere auf die konkrete Erscheinungsform der Sucht abzustellen. Auch deren Verlauf und die suchtbedingte Einengung des Denk- und Vorstellungsvermögens sind in die Gesamtwürdigung des Zustands einzubeziehen (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05 aaO). Ob bei Betäubungsmittelabhängigkeit aufgetretene Entzugserscheinungen oder Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, ist eine Frage, die das Tatgericht zu entscheiden hat; hierbei steht ihm ein nur eingeschränkt revisionsgerichtlich überprüfbarer Spielraum zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03).

b) Diesen Vorgaben trägt das angefochtene Urteil noch hinreichend
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Rechnung. Sein Ergebnis, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei wegen seiner Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen erheblich vermindert gewesen, hält sich noch innerhalb der ihm eingeräumten Grenzen.
3. Auch bei der konkreten Strafzumessung ist dem Tatgericht kein
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Rechtsfehler unterlaufen.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 47/17
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR47.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 4. August 2016 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt, hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte am 10. März 2015 kurz vor 20.00 Uhr aufgrund eines spontanen Entschlusses maskiert mit einer Sturmhaube unter Verwendung einer ungeladenen Soft-Air-Pistole eine ihm bis dahin unbekannte Tankstelle. Zum Zeitpunkt des Überfalls befanden sich eine Kassiererin und der Betreiber der Tankstelle in dem Verkaufsraum. Eingeschüchtert von der Drohung mit der von ihr für echt gehaltenen Scheinwaffe händigte die Kassiererin dem Angeklagten 200 bis 300 Euro "Wechselgeld" aus. Mehr Geld befand sich nicht in der Kasse, weil der Betreiber kurz zuvor die Tageseinnahmen in den Tresor verbracht hatte. Die Geschädigten haben keine psychischen Schäden davon getragen.

II.

3
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
4
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
5
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht den Angeklagten unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.
6
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; zuletzt BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 - 5 StR 545/16). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel nicht den Schuldspruch angreifen will.
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2. Die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung gemäß § 250 Abs. 3 StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.
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a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatrichter obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 2 StR 338/16).
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b) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung Bestand.
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Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des Täters wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom Landgericht zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. So hat es rechtsfehlerfrei zugunsten des Angeklagten bedacht, dass dieser sich geständig eingelassen, sich in der Hauptverhandlung bei den Geschädigten entschuldigt und seine Tat bereut hat, dass die Tat nicht langfristig geplant und die Beute mit maximal 300 Euro eher gering war.
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Dagegen abgewogen hat die Strafkammer die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten - Einstellungen, Weisungen und Auflagen nach dem JGG sowie eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" - sowie den Umstand, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat unter laufender Bewährung begangen habe. Relativiert werde das Gewicht der strafrechtlichen Vorbelastungen dadurch, dass es sich um nicht einschlägige, schon länger zurückliegende jugendtümliche Verfehlungen handele.
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Hiergegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Der Senat besorgt nicht, dass das Landgericht aus dem Blick verloren haben könnte, dass sich der Angeklagte von dem Überfall eine höhere Beute erhofft hatte. Im Übrigen ist dem Generalbundesanwalt zwar zuzugeben, dass die Strafkammer die genauen Tatumstände der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Mühlhausen vom 3. Januar 2013 wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" nicht mitteilt, so dass der Schluss auf jugendtümliche Verfehlungen nicht im Einzelnen belegt ist. Allerdings ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass Tatzeit bereits der 4. Januar 2010 war und auf den damals 18 Jahre alten Angeklagten noch Jugendstrafrecht angewandt worden ist. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass sich das Versäumnis der Strafkammer durchgreifend zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hat, zumal die zweijährige Bewährungszeit aus diesem jugendrichterlichen Urteil vom 3. Januar 2013 bei Tatbegehung in dieser Sache am 10. März 2015 - nach den allein maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Urteils - bereits abgelaufen war, so dass ihm nicht zur Last gelegt werden kann, er habe die Tat während laufender Bewährung begangen.
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3. Das Urteil ist im Strafausspruch auch nicht gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten aufzuheben. Dass die Strafkammer - hätte sie ein Bewährungsversagen nicht angenommen - eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte, schließt der Senat aus.
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4. Die Bewährungsentscheidung lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
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a) Auch die Bewährungsentscheidung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung , dass die Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwider läuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107, 108).
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b) Das Landgericht hat dem Angeklagten, der über gefestigte soziale Beziehungen verfügt, eine günstige Sozialprognose gestellt und dabei besondere Umstände in der Tat und in seiner Persönlichkeit festgestellt. So ist der Angeklagte bemüht, den im Jahre 2010 durch seine Brandstiftung verursachten Schaden von über 50.000 Euro durch erhöhte Arbeitsanstrengungen wieder gutzumachen. Zudem setzt er sich intensiv mit der verfahrensgegenständlichen Straftat auseinander. Soweit die Revision beanstandet, die Strafkammer habe das Bewährungsversagen des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, übersieht sie auch hier, dass die zweijährige Bewährungszeit aus dem jugendrichterlichen Urteil des Amtsgerichts Mühlhausen nach den für den Senat allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen bei Tatbegehung in dieser Sache bereits abgelaufen war. Ungeachtet eines möglicherweise noch ausstehenden Beschlusses über den Erlass der Strafe ist der Angeklagte damit kein "Bewährungsversager" (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11; BGH, Beschluss vom 3. September 1991 - 4 StR 346/91). Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 415/16
vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen fahrlässiger Tötung
ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR415.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 8. Juni 2017 in der Sitzung am 6. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten F. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenkläger, die Nebenkläger T. S. und F. S. in Person – in der Verhandlung –, Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizangestellte – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 14. April 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die gegen die Angeklagten erkannten Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren (F. ) sowie einem Jahr und neun Monaten (M. ) verurteilt; die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen richten sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel, die jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt werden, erzielen den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Die Revisionen der Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 6. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am 14. April 2015 fuhren die Angeklagten mit von ihnen geführten Pkw – F. miteinem BMW 320i, M. mit einem Mercedes Cabrio 280SL – in Köln in Richtung der Rheinterrassen. Auf dem Weg dorthin hatten sie bereits mehrere Fahrzeuge mit überhöhter Geschwindigkeit überholt. Nach einem Halt an einer Lichtzeichenanlage „schossen“ sie (UA 12) mit überhöhtem Tempo – F. voran – rechts an dem auf der D. -Straße fahrenden Kraftfahrzeug eines Zeugen vorbei. An der nächsten Lichtzeichenanlage kam der von M. gefahrene Mercedes dicht hinter dem BMW des Angeklagten F. zum Stehen. Während der Wartezeit spielten die Angeklagten jeweils mit Gaspedal und Bremse, ließen die Motoren aufheulen und rückten Stück für Stück vor. Als die Ampel auf Grün umsprang, gab F. massiv Gas und bog mit quietschenden Reifen nach rechts in den A. weg ab, dicht gefolgt von M. . Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h, das Überholen war durch Zeichen 276 (Anlage 2 zu § 41 StVO) verboten.
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Ohne dies explizit vor ihrer Abfahrt abgesprochen zu haben, entstand zwischen den beiden Angeklagten spätestens jetzt ein „Kräftemessen“, bei dem jeder der beiden dem anderen seine überlegene Fahrkunst und die Leistung seines Fahrzeugs demonstrieren wollte; beide wollten möglichst hohe Geschwindigkeiten erzielen und vor dem anderen am Ziel ankommen. Dabei war ihnen bewusst, dass ihre riskante Fahrweise geeignet war, andere Verkehrs- teilnehmer zu gefährden und in einen Unfall – auch mit unbeteiligten Dritten – münden konnte (UA 13). Sie vertrauten jedoch in Überschätzung ihrer Fähigkeiten als Fahrzeugführer darauf, es werde schon nichts passieren. Um diese Zeit (18.45 Uhr) herrschte auf dem A. weg ein relativ geringes Verkehrsaufkommen. Der an erster Stelle fahrende F. beabsichtigte, vor M. zu bleiben und diesen auch bis zu ihrem Ziel – den noch etwa 1.200 bis 1.500 Meter entfernten Rheinterrassen – nicht überholen zu lassen. Nach dem „Blitzstart“ an der Ampel erhöhte er seine Geschwindigkeit immer weiter. M. hatte jedoch beim Anfahren an der Ampel ebenfalls Gas gegeben, hielt mit F. mitund bedrängte diesen, indem er sehr dicht auffuhr. F. gab weiter Gas. Mit stark überhöhter Geschwindigkeit und eng hintereinander fahrend erreichten sie die erste, weit gezogene Linkskurve. Eine Zeugin, die gerade ihr Fahrrad über die Straße geschoben hatte, erschrak, als sie sah, wie die Angeklagten „Stoßstange an Stoßstange“ und leicht versetzt, wie bei einem „Formel-1-Rennen“, an ihr „vorbeirauschten“ (UA 14). Eine weitere Zeugin, die ihnen auf Höhe der zweiten , ebenfalls weit gezogenen Linkskurve joggend auf der rechten Seite entge- genkam, bekam Angst, als sie die Angeklagten „tänzelnd“, sehr schnell „wie ein Ball“ auf sich „zujagen“ sah(UA 15). Sie nahm ein Spielen mit dem Gaspedal und laute Musik wahr. Sie wähnte sich in großer Gefahr, da sie befürchtete, die Angeklagten würden aufgrund der hohen Geschwindigkeit die Kurve nicht mehr nehmen können und sie überfahren.
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Auch F. befürchtete inzwischen, die Kurve in diesem Tempo nicht mehr befahren zu können, bremste aber aus Angst, M. würde aufgrund des geringen Abstandes mit dem Mercedes auffahren, nicht ab. Es gelang ihm gerade noch, die Kurve zu durchfahren. Hierbei erreichte er eine Geschwindigkeit von etwa 95 km/h; die Kurvengrenzgeschwindigkeit lag an dieser Stelle bei etwa 98 km/h. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit geriet der von F. gefah- rene BMW ausgangs der Kurve ins „Driften“, zuerst nach rechts, anschließend nach links, wobei er die Mittellinie überfuhr, und anschließend wieder zurück nach rechts. Mit einer Geschwindigkeit von 73 bis 83 km/h stieß der BMW mit dem rechten Hinterrad an die rechtsseitige Bordsteinkante. Anschließend brach er nach links aus und schleuderte in einer linksdrehenden Rotationsbewegung über die gesamte Fahrbahnbreite. Der Pkw schlitterte über die Gegenfahrbahn auf den – in Fahrtrichtung links verlaufenden – Radweg zu und überfuhr die dortige Bordsteinkante. Auf dem Radweg erfasste er die dort mit ihrem Rad fahrende 19jährige Studentin S. ; das Fahrrad kollidierte nahezu im rechten Winkel mit der Beifahrerseite des BMW. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug zu diesem Zeitpunkt 48 bis 55 km/h. S. und ihr Rad wurden in das neben dem Weg wachsende Gebüsch geschleudert; sie kam dort zum Liegen. Der BMW schlitterte zurück auf den Radweg, begrub einen Stromkasten unter sich und kam schließlich entgegen seiner ursprünglichen Fahrtrichtung stark beschädigt zum Stehen.
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S. wurde umgehend zur intensivmedizinischen Versorgung in die Universitätsklinik K. gefahren; sie verstarb trotz zeitnaher operativer Versorgung an den Folgen eines zentralen Regulationsversagens.
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2. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB verurteilt. Beide Angeklagte hätten entgegen § 29 Abs. 1 StVO ein verbotenes Rennen gefahren und die zulässige Höchstgeschwindigkeit unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO „massiv“ (UA 52) bzw. „weit“ (UA 54) überschritten; M. habe darüber hinaus gegen das in § 4 StVO normierte Abstandsgebot verstoßen.
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Die Strafkammer hat die Angeklagten zu den eingangs genannten Freiheitsstrafen verurteilt und bei deren Bemessung auch dem Strafzweck der Ge- neralprävention „Beachtung geschenkt“; sie ist nämlich von einer gemeinschaftsgefährlichen Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten im Kölner Stadtgebiet ausgegangen.
9
Die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Es hat beiden Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt (§ 56 Abs. 1 StGB), das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB bejaht und ferner gemeint, die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete es nicht, den Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung zu versagen (§ 56 Abs. 3 StGB). Außerdem hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet.

II.


10
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft erweisen sich teilweise als begründet.
11
1. Die Rechtsmittel sind wirksam auf den jeweiligen Strafausspruch beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO).
12
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht die Angeklagten jeweils zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.
13
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285, vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16 und vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben , dass sie sich allein gegen die Strafaussprüche wendet und mit ihren Rechtsmitteln nicht die Schuld- und Maßregelaussprüche angreifen will.
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2. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleiben im Ergebnis ohne Erfolg , soweit sie sich gegen die – nach Auffassung der Beschwerdeführerin zu geringe – Höhe der gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen wenden.
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a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage seines umfassenden Eindrucks von der Tat und der Persönlichkeit des Täters die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die Strafzumessungsentscheidung des Tatgerichts kann das Revisionsgericht nur eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16 mwN). Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wer- tung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vor- genommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106).
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b) Hieran gemessen weist die Festsetzung der gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen keine Rechtsfehler auf.
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aa) Das gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführerin und der General- bundesanwalt meinen, dass die „Kürze der Rennstrecke“ und ein „Augenblicksversagen“ (so der Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift vom 23. De- zember 2016) nicht als strafmildernde Gesichtspunkte hätten berücksichtigt werden dürfen. Von einem „Augenblicksversagen“ ist das Landgericht nicht ausgegangen (UA 59). Im Übrigen hängt die Frage, ob ein einzelner Umstand zumessungserheblich und die ihm vom Tatrichter beigelegte Bewertungsrichtung vertretbar ist, insbesondere nicht davon ab, ob die Urteilsausführungen diesen Umstand positiv oder negativ umschreiben. Dies kann vielmehr nur nach Lage des Einzelfalls beurteilt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH – Großer Senat für Strafsachen –, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Daran gemessen begegnet auch die Erwägung zur „Kürze der Rennstrecke“ keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht ausweislich der getroffenen Feststellungen das gesamte Fahrverhalten der Angeklagten im Blick hatte.
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bb) Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Landgericht davon abgesehen, das Nachtatverhalten des Angeklagten M. – seine Äußerungen und seine unangemessene Sorge um sein Fahrzeug an der Unfallstelle – strafschärfend heranzuziehen; mit Blick auf den Umstand, dass M. nicht der unmittelbare Verursacher des tödlichen Unfalls war, ist der Schluss der Strafkammer auf eine fehlende rechtsfeindliche Einstellung vertretbar.
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cc) Es kann dahinstehen, ob das Landgericht bei seiner Strafzumessung mit Recht davon ausgegangen ist, F. habe durch die Fahrt (lediglich) zwei und M. drei Ordnungswidrigkeiten begangen. Der Senat schließt aus,dass die Strafkammer einer etwaigen Verwirklichung weiterer Ordnungswidrigkeitentatbestände – insbesondere fuhren beide Angeklagte Fahrzeuge, deren Betriebserlaubnisse erloschen waren – zusätzliche strafschärfende Bedeutung beigemessen hätte, da die Anzahl der Verkehrsverstöße nur einer von mehreren Gesichtspunkten war, die das Landgericht zur Begründung des zu Recht angenommenen hohen Maßes der Pflichtwidrigkeit herangezogen hat.
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dd) Im Übrigen erschöpft sich der Vortrag der Revisionsführerin in dem Versuch, mit eigenen Wertungen die Strafzumessung des Landgerichts durch eine eigene zu ersetzen; damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Insbesondere hat die Strafkammer das besonders hohe Maß der Leichtfertigkeit rechtsfehlerfrei in die Bemessung der Strafen eingestellt. Außerdem hat sie bei beiden Angeklagten dem hier relevanten Aspekt der Generalprävention wegen der signifikanten Zunahme tödlicher Verkehrsunfälle aufgrund deutlich überhöhter Geschwindigkeit im Stadtgebiet von Köln und an anderen Orten bei der Strafzumessung Rechnung getragen und strafschärfend berücksichtigt.
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3. Mit Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft indes die Aussetzung der Vollstreckung der beiden Freiheitsstrafen zur Bewährung.
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Nicht anders als die Strafzumessung ist auch die Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, grundsätzlich Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2007 – 4 StR 557/06, NStZ-RR 2007, 232, 233, und vom 21. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367). Wird eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, müssen die Urteilsgründe in einer der revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Weise die dafür maßgebenden Gründe angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO). Dabei reichen formelhafte Wendungen oder die Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht aus (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 110 mwN).
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a) Allerdings hat das Landgericht beiden Angeklagten rechtsfehlerfrei eine positive Legalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gestellt. Es hat hierbei im Wesentlichen auf die soziale Eingliederung, den Schulabschluss und die berufliche Perspektive der Angeklagten abgestellt. M. sei nicht vorbestraft , F. „nicht besonders gewichtig“ wegen einer schon länger zurückliegenden Tat. F. sei durch das Verfahren, dem ein außergewöhnlich großes Medieninteresse zuteil geworden sei, sichtlich beeindruckt; er habe durch sein Geständnis rückhaltlos die Verantwortung für die Tat übernommen. Beiden Angeklagten sei eine Zugehörigkeit zur sog. Raserszene nicht nachzuweisen.
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b) Sowohl die Annahme des Landgerichts, es lägen bei beiden Angeklagten besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor, als auch die Wertung, die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete nicht die Vollstreckung der Strafen (§ 56 Abs. 3 StGB), weisen jedoch – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16) – durchgreifende Rechtsfehler auf.
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aa) Besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts - und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtfertigen , verlangt § 56 Abs. 2 StGB jedoch keine „ganz außergewöhnlichen“ Umstände. Vielmehr können sich dessen Voraussetzungen auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben (BGH, Beschluss vom 29. Juli 1988 – 2 StR 374/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 7). Die besonderen Umstände müssen allerdings umso gewichtiger sein, je näher die Freiheitsstrafe an der Zweijahresgrenze liegt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15, NJW 2016, 2349, 2351; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 56 Rn. 24). Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen. Eine erschöpfende Darlegung aller Erwägungen ist weder möglich noch geboten; nachprüfbar darzulegen sind lediglich die wesentlichen Umstände. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts; das Revisionsgericht hat dessen, ganz maßgeblich auf dem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Wertungen bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 – 5 StR 95/01, StV 2001, 676; vom 28. Mai 2008 – 2 StR 140/08, NStZ-RR 2008, 276; vom 16. April 2015 – 3 StR 605/14 und vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17).
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Auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab begegnet die Annahme besonderer Umstände indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft im Wesentlichen keine über die bereits bei der Legalprognose herangezogenen Aspekte hinausgehenden Umstände berücksichtigt ; seine Ausführungen schließen mit der Erwartung, dass die Angeklagten nicht erneut straffällig werden. Das genügt den aufgezeigten Anforderungen nicht. Vielmehr lässt dies besorgen, dass die Strafkammer bereits das Vorliegen einer günstigen Legalprognose als solcher einem besonderen Umstand gleichgestellt hat.
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Soweit die Strafkammer darüber hinaus – ausdrücklich nur bei F. – „schließlich“ berücksichtigt hat, „dass es sich um ein ungeplantes Fahrlässig- keitsdelikt gehandelt“ habe, lässt dies wesentliche, der Ermessensentscheidung zugrunde zu legende Tatsachen aus. Nach den Feststellungen handelte es sich nämlich um eine bewusste Gefahrschaffung, auch dokumentiert durch die aggressive Fahrweise im Vorfeld der Kollision; darüber hinaus verstießen die Angeklagten vorsätzlich jedenfalls gegen das Rennverbot in § 29 Abs. 1 StVO (vgl. dazu, dass der Verstoß gegen § 29 Abs. 1 StVO „praktisch“ nur vorsätzlich begangen werden kann, die Einordnung dieser Ordnungswidrigkeit als Nr. 248 in Abschnitt II des Bußgeldkatalogs sowie König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 29 StVO Rn. 11). Dieser Umstand gibt der Tat ihr wesentliches Gepräge und durfte bei der Bewährungsentscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB nicht außer Acht bleiben.
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bb) Auch die Begründung, mit der das Landgericht die Frage verneint hat, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen gebietet, weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
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Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 46; Beschluss vom 21. Januar 1971 – 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 66, jew. zu § 23 Abs. 3 StGB aF).
Dies darf freilich einerseits nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 24. April 1997 – 4 StR 662/96, StV 1998, 260 [Ls], und vom 27. September 2012 – 4 StR 255/12, NStZ-RR 2013, 40, 41). Andererseits gibt es entgegen der Auffassung des Landgerichts keine „Regel“,wonach bei Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB die Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB der Strafaussetzung nicht entgegensteht. Dem widerstreitet schon die Systematik des § 56 StGB, der in Absatz 3 gerade für den Fall einen Versagungsgrund vorsieht, in dem – neben der günstigen Legalprognose – besondere Umstände für eine Strafaussetzung zur Bewährung sprechen. Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Gesichtspunkte; die Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet, ist deshalb unter allseitiger Würdigung von Tat und Täter zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 1971 – 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 69; Urteil vom 17. März 1994 – 4 StR 4/94, NStZ 1994, 336), wobei generalpräventiven Erwägungen Bedeutung zukommt (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 45 mit Nachw. aus der Gesetzgebungsgeschichte; abw. Groß in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 56 Rn. 42 mwN). Auf das dem jeweiligen Fall entgegengebrachte Medieninteresse kommt es dabei nicht an.
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Eine solche allseitige Würdigung findet sich im angefochtenen Urteil nicht. Vielmehr werden vom Landgericht auch hier wesentliche – zuvor festgestellte – Gesichtspunkte nicht erörtert. Die Strafkammer rückt das Vorliegen eines Fahrlässigkeitsdelikts in den Vordergrund, spricht von einem „spontane(n) Fehlversagen […] im Zusammenspiel mit einer Selbstüberschätzung eigener Fahrfertigkeiten und einer Fehleinschätzung der Beherrschbarkeit“ der Fahr- zeuge und betont abschließend, dass eine Zugehörigkeit zur sog. Raserszene nicht erwiesen sei.
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Dies verfehlt den aufgezeigten rechtlichen Maßstab und schöpft wesentliche Elemente des zuvor festgestellten Sachverhalts nicht aus: Insbesondere der Umstand, dass die Angeklagten die – zum Tod von S. führenden – Gefahren bewusst geschaffen haben, ist innerhalb von § 56 Abs. 3 StGB von maßgeblicher Bedeutung (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2003, 246, 247 f. in Abgrenzung zu einer „bloßen“ Überschätzung der eigenen Fähigkeiten; vgl. auch OLG Koblenz, Blutalkohol 15, 62). Auch die äußerst aggressive Fahrweise der Angeklagten bereits vor der eigentlichen Kollision wird von der Strafkammer nicht in die erforderliche Gesamtwürdigung einbezogen (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2014, 321). Bei M. werden die verschiedenen Voreintragungen im Fahreignungsregister – bis hin zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 58 km/h – nur formelhaft erwähnt (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 2008, 467 für Fälle der „verantwortungslosen Raserei“).Stattdessen greift das Landgericht erneut auf Umstände zurück, die es bereits zur Bejahung der günstigen Prognose herangezogen hat. Eine Beantwortung der Frage, ob durch die Entscheidung die Rechtstreue einer über die Besonderheiten des Einzelfalls aufgeklärten Bevölkerung beeinträchtigt wird und die Strafaussetzung von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte , erfolgt nicht. Dies lag jedoch schon angesichts der festgestellten Häufung von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang aufgrund überhöhter Geschwindigkeit in Köln und anderswo (vgl. auch BT-Drucks. 18/10145) nahe.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 112/17
vom
20. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:200917U1STR112.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 17. November 2016 aufgehoben
a) im Fall B.II.2. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie
c) hinsichtlich der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. 2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Zudem ist dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden.
Die Vollstreckung von Strafe und Maßregel hat das Landgericht jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
2
Gegen das Urteil wendet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen gegen Teile des Schuldspruchs sowie insgesamt gegen den Rechtsfolgenausspruch.
3
Das Rechtsmittel erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.


4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der u.a. an einem Hang zu übermäßigem Konsum von Cannabis und synthetischen Cannabinoiden („Spice“) leidende Angeklagte veräußerte dem später geschädigten Zeugen P. im Herbst 2015 etwa 120 bis 140 g Marihuana auf Kommission. Als Kaufpreis waren 1.200 Euro vereinbart worden. Die Zahlung des entsprechenden Betrags blieb jedoch trotz mehrerer Nachfragen des Angeklagten aus. Selbst seine Drohung gegenüber P. , diesen bei der Polizei mit der Behauptung anzuzeigen, P. habe den Betrag gestohlen, führte nicht zur Zahlung.
6
a) Nachdem mehrere Versuche, den Zeugen P. anzutreffen, erfolglos geblieben waren, begab sich der Angeklagte am Tattag erneut zu diesem, um den Kaufpreis einzufordern. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er den „aus einem Betäubungsmittelgeschäft herrührenden Geldbetrag nicht mit zivilrechtlichen Mitteln würde eintreiben können“. Der Angeklagte weckte den schla- fenden Zeugen in dessen Zimmer auf und fragte, was mit seinem (des Angeklagten ) Geld sei. Als P. antwortete, dieses werde der Angeklagte nicht bekommen , wurde dieser wütend. Er entschloss sichnunmehr, den Zeugen P. durch Anwendung von Gewalt zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises zu bewegen. Er schlug den Geschädigten mit der Faust in das Gesicht, was bei diesem zu einer leichten Schwellung und einem Bluterguss am Auge führte. Als sich der Zeuge P. gegen weitere befürchtete Schläge des Angeklagten wehrte , sprühte dieser Pfefferspray aus einer mitgeführten Dose in Richtung des Geschädigten, ohne diesen allerdings zu treffen. P. gelang es aus dem Zimmer zu fliehen, dessen Tür von außen zu verschließen und telefonisch die Polizei zu informieren (Fall B.II.1. der Urteilsgründe).
7
b) Der Angeklagte entschloss sich seinerseits, durch das Fenster des Zimmers zu entfliehen. Zuvor nahm er jedoch aufgrund eines nunmehr gefassten Tatentschlusses einen im Zimmer aufgefundenen, dem Zeugen P. gehörenden Laptop mit einem Wert von ca. 300 Euro an sich, um ihn auf Dauer zu behalten. Anschließend sprang der Angeklagte mit seiner Beute aus dem Fenster , warf außerhalb des Hauses die Dose mit dem Pfefferspray weg und ließ sich von einem weiteren Zeugen zunächst vom Tatort wegfahren. Kurze Zeit später rief er jedoch selbst bei der Polizei an und kehrte zum Tatort zurück, so dass das Laptop zeitnah wieder an den Geschädigten P. gelangte (Fall B.II.2. der Urteilsgründe).
8
2. Das Landgericht hat den Fall B.II.1. als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie mit versuchter gefährlicher Körperverletzung gewertet und eine dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommene Einzelstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt. Im Fall B.II.2. ist eine Verurteilung wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen erfolgt.

II.


9
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Schuldspruch im Fall B.II.2. der Urteilsgründe sowie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
10
a) Die Beschwerdeführerin hat zwar in der Revisionsbegründungsschrift einen unbeschränkten Aufhebungsantrag gestellt. Die Revisionsbegründung lässt jedoch erkennen, dass das Rechtsmittel den Schuldspruch im Fall B.II.1. nicht erfassen soll.
11
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16; vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201 und vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16, StRR 2017, Nr. 8, 18). Dies führt zu der genannten Beschränkung. Ungeachtet der in der Revisionsbegründung enthaltenen Wendung, die Ausfüh- rungen zur Begründung erfolgten „erläuternd, nicht einschränkend“ liegt keine umfassende Revision vor. Die Begründung des Rechtsmittels, das erkennbar, wenn auch nicht ausdrücklich ausschließlich zuungunsten des Angeklagten eingelegt ist, enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass auch der Schuldspruch im Fall B.II.1. angefochten werden soll. Dieser bildet vielmehr gerade die Grundlage der von der Beschwerdeführerin insoweit erhobenen Einwendungen gegen die Bemessung der entsprechenden Einzelstrafe.
12
b) Die Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Bei den dem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten handelt es sich angesichts der durch die Flucht des Zeugen P. aus dem Zimmer gebildeten Zäsur sowie dem erstanschließend gefassten Tatentschluss zur Wegnahme des Laptops um verschiedene materiell -rechtliche Taten im Sinne von § 53 StGB.
13
c) Mit der ausdrücklichen Beanstandung des Strafausspruchs ist allerdings auch der Maßregelausspruch, zu dem sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht verhält, angefochten. Da die Beschwerdeführerin auch die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung beanstandet , schließt § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB eine getrennte Entscheidung über den Vollzug von Strafe einerseits und Maßregel andererseits aus.
14
2. Der Schuldspruch hält im Fall B.II.2. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht den Angeklagten nicht lediglich wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB, sondern wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB verurteilen müssen.
15
a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tat- mittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 244 Rn. 4; Mitsch, JR 2009, 297, 299) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB], wohl auch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377 Rn. 4) handelt. Für die Eigenschaft als „Waffe“ im strafrechtlichen Sinne (zum Begriff grundlegend BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 203 ff.) könnte sprechen, dass mit Pfefferspray gefüllte Dosen als tragbare Gegenstände gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG (i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.2.2.) sogar als Waffen im waffenrechtlichen Sinn in Betracht kommen (MünchKommStGB/Heinrich, 2. Aufl., Band 8, WaffG § 1 Rn. 117; Gade/Stoppa, Waffengesetz, Anlage 1 Rn. 105 f.; siehe auch Mitsch aaO). Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (zum Maßstab BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 – 5 StR 286/12, NStZ 2012, 571 f. mwN; grundlegend Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 57, 257, 269 Rn. 32).
16
b) Aus den zu den Taten und dem Nachtatgeschehen getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des Diebstahls am Laptop bei sich geführt hat. Für dieses Merkmal genügt – wie bei der weitgehend inhaltsgleichen Qualifikation aus § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (BGH, Urteil vom 14. Januar 1997 – 1 StR 580/96, BGHSt 42, 368, 371; Fischer aaO § 244 Rn. 27), wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (näher BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 StR 394/16, StraFo 2017, 378 Rn. 7 mwN [zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG]). Ausweislich des festgestellten tatsächlichen Geschehens zu Tat B.II.1. hatte der Angeklagte das Pfefferspray zeitlich kurz vor dem Diebstahl in Richtung des Zeugen P. eingesetzt. Die Dose mit dem Pfefferspray warf er erst weg, nachdem er mit dem an sich genommenen Laptop aus dem Fenster des vom Zeugen bewohnten Zimmers gesprungen war (UA S. 14). Das belegt die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Qualifikation gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB.
17
c) Für die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen kommt es nicht darauf an, dass sich zum Zeitpunkt dieser Tat keine andere Person als der Angeklagte in dem Zimmer aufhielt, nachdem dem Zeugen P. seine Flucht und das Einschließen des Angeklagten gelungen waren. Der Grund für die gegenüber dem Grundtatbestand höhere Strafdrohung liegt gerade in der mit dem Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes einhergehenden erhöhten abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die ihrerseits ihre Ursache in der latenten Gefahr des Einsatzes der fraglichen Gegenstände als Nötigungsmittel findet (BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257, 268 Rn. 30 mwN). Diese erhöhte generelle Gefährlichkeit hat den Gesetzgeber des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (vom 28. Januar 1998, BGBl. I S. 164) veranlasst, den Anwendungsbereich der Qualifikation über die zuvor allein erfassten Schusswaffen hinaus zu erweitern (vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 18).
18
d) Da die Aufhebung des Schuldspruchs zu Tat B.II.2. ihren Grund allein in einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung des Landgerichts bei rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat, bleiben diese bestehen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
19
3. Bereits die vorgenannte Aufhebung des Schuldspruchs entzieht der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe insgesamt die Grundlage. Angesichts des gegenüber dem Diebstahl deutlich höheren gesetzlichen Strafrahmens des § 244 Abs. 1 StGB kann der Senat die Verhängung einer höheren Gesamtstrafe nicht sicher ausschließen, wenn das Landgericht die Einzelstrafe für die Tat B.II.2. der Urteilsgründe auf der Grundlage von § 244 StGB zugemessen hätte. Das gilt erst recht angesichts des Umstands, dass die Einzelstrafe von 120 Tagessätzen Geldstrafe lediglich bei Annahme eines minder schweren Falls des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 3 StGB) und unter den zusätzlichen Voraussetzungen von § 47 Abs. 2 Satz 2 StGB hätte verhängt werden können. Vor dem Hintergrund der festgestellten besonderen Umstände der Begehung der Diebstahlstat und des Nachtatverhaltens des Angeklagten wird der neue Tatrichter die Möglichkeit einer Bestrafung aus dem Strafrahmen des minder schweren Falls aber nicht aus dem Blick verlieren.
20
Die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs bei bewährungsweiser Aussetzung der Strafvollstreckung führt wegen der durch § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB hergestellten Verknüpfung auch zur Aufhebung des Ausspruchs über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.
21
4. Der Strafausspruch im Fall B.II.1. der Urteilsgründe enthält keinen durchgreifenden, den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
22
a) Es ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen minder schweren Fall der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung bejaht und deshalb die verhängte Einzelstrafe dem Ausnahmestrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen hat.
23
aa) Ob ein derart besonderer Ausnahmefall vorliegt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, ist daran auszurichten , ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. In die damit gebotene Gesamtwürdigung sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16, NJW 2017, 2776 Rn. 16 mwN, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
24
Die Annahme oder Ablehnung eines (unbenannten) minder schweren Falls durch das Tatgericht unterliegt revisionsgerichtlicher Prüfung – wie die Strafzumessung insgesamt – lediglich auf Rechtsfehler hin (zum Maßstab näher BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – 1 StR 536/16, Rn. 64 mwN). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107 und vom 13. Juli 2017 – 1 StR 536/16, Rn. 64 mwN).
25
bb) Das Landgericht hat seinen Erwägungen zur Anwendung des Ausnahmestrafrahmens in rechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Gesamtwürdigung sowohl der die Tat als auch die Person des Angeklagten prägenden Umstände zugrunde gelegt. Entgegen der von der Revision erhobenen Beanstandung erschöpft sich diese Würdigung nicht in einer schlichten Aufzählung von Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründen. Vielmehr hat das Landgericht erkennbar eine Gewichtung der berücksichtigten Strafzumessungskriterien vorgenommen, wie sich insbesondere an den Ausführungen zu der Bedeutung der früheren Straffälligkeit des Angeklagten und des Umstandes zeigt, dass die verfahrensgegenständlichen Taten während laufender Bewährung begangen wurden. Soweit der Tatrichter dabei den als Jugendlicher und Heranwachsender begangenen früheren Straftaten des Angeklagten einen deutlich geringeren „Unrechtsgehalt“ (UA S. 21) – offenbar im Vergleich zur Aburteilung auf der Grundlage des allgemeinen Strafrechts – beigemessen hat, erweist sich dies nicht als durchgreifender Rechtsfehler. Der äußere Unrechtsgehalt einer von jugendlichen oder heranwachsenden Tätern verübten Tat unterscheidet sich zwar nicht von dem bei der Tatbegehung durch nicht in den Anwendungsbereich des JGG fallende Täter (vgl. MünchKommStGB/Radtke, 2. Aufl., Band 6, JGG § 17 Rn. 20 f.). Allerdings ist das für die Strafzumessung bedeutsame Ausmaß des vorwerfbar, also schuldhaft verwirklichten Unrechts bei jugendlichen und – ggf. (vgl. § 105 Abs. 1 JGG) – heranwachsenden Straftätern unter Berücksichtigung der entwicklungsbedingten Besonderheiten in jugendspezifischer Weise zu bestimmen (BGH, Urteile vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15, NJW 2016, 2050, 2051 und vom 4. August 2016 – 4 StR 142/16, NStZ-RR 2016, 325, 326 mwN). Für die Strafrahmenwahl kommt es aber gerade auf diesen strafzumessungsrelevanten Schuldgehalt früherer Straftatbegehung an.
26
Die Gewichtung der in die gebotene Gesamtwürdigung eingestellten Strafzumessungskriterien zeigt sich im Übrigen u.a. darin, dass das Landgericht lediglich unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB zum minder schweren Fall gemäß § 250 Abs. 3 StGB gelangt ist.
27
b) Auch die konkrete Strafzumessung innerhalb des Sonderstrafrahmens enthält unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs keine den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
28
Soweit die Revision die Erörterung von einzelnen Umständen, wie etwa den Wert des erstrebten Vorteils, in der Strafzumessung vermisst, liegt kein Rechtsfehler vor. Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumes- sungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 414/16, StraFo 2017, 196).
29
Angesichts dessen erweist sich die nicht ausdrückliche Berücksichtigung des vom Angeklagten erstrebten Vermögensvorteils nicht als rechtsfehlerhaft. Die Beanstandung, das Landgericht habe bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des gemilderten Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB durch Bezugnahme auf die Erwägungen zur Annahme des Sonderstrafrahmens nochmals das Verbleiben der Tat im Versuchsstadium gewertet, dringt ebenfalls nicht durch. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei bei der Strafrahmenwahl unter Hinweis auf § 50 StGB eine weitere Verschiebung des Strafrahmens aus § 250 Abs. 3 StGB über § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB abgelehnt (UA S. 21/22). Es kann ausgeschlossen werden, dass das Tatgericht bei der Einzelstrafe dem vertypten Milderungsgrund dennoch nochmals bestimmenden strafmildernden Einfluss beigemessen hätte.
30
5. Die Teilaufhebungen des Rechtsfolgenausspruchs bedingen keine Aufhebung der jeweils zugehörigen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende aber nicht in Widerspruch dazu stehende Feststellungen zu treffen.
31
6. Der Senat weist darauf hin, dass die durch das Tatgericht gewährte Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB sich bei isolierter Prüfung anhand der dafür geltenden Maßstäbe (dazu BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16, Rn. 22 ff. mwN) als rechtsfehlerfrei erwiese. Das gilt auch für den Ausschluss des Versagungsgrundes aus § 56 Abs. 3 StGB (zu diesem ebenfalls näher BGH aaO Rn. 29).
Die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt gemäß § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB hielte für sich genommen ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand. Die Aufhebung der insoweit getroffenen Bewährungsentscheidung folgt – wie ausgeführt – allein aus der durch § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB hergestellten Koppelung mit der Aussetzungsentscheidung hinsichtlich der parallel verhängten Freiheitsstrafe.
32
7. Der Schuldspruch im Fall B.II.2. der Urteilsgründe und der Rechtsfolgenausspruch insgesamt enthalten keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten D. , worauf die Prüfung des Senats gemäß § 301 StPO wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft begrenzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt).
33
a) Durch die Verurteilung im Fall B.II.2. lediglich wegen Diebstahls (§ 242 StGB) statt wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB (oben Rn. 14-17) ist der Angeklagte nicht nachteilig betroffen.
34
b) Die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB sind in beanstandungsfreier Weise belegt.
35
aa) Das sachverständig beratene Landgericht hat das Vorliegen eines Hangs aufgrund der Abhängigkeit des Angeklagten von Cannabis und synthetischen Cannabinoiden rechtsfehlerfrei festgestellt. Die bis zur tatrichterlichen Hauptverhandlung bereits absolvierte stationäre Therapie steht der Abhängigkeitserkrankung nicht entgegen.
36
bb) Die Feststellungen tragen die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen den hier verfahrensgegenständlichen Taten und dem Hang des Angeklagten, die genannten berauschenden Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Für diesen Zusammenhang braucht der Hang nicht die alleinige Ursache für die begangenen erheblichen rechtswidrigen Taten zu sein. Es genügt dessen Mitursächlichkeit sowohl für die in der Vergangenheit liegenden Taten als auch für in der Zukunft zu erwartende (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 278 und vom 22. Juni 2017 – 1 StR 652/16, Rn. 20 sowie Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, NStZ-RR 2017, 198). Im Hinblick auf die fraglichen Taten ergibt sich diese Mitursächlichkeit im Ergebnis bereits aus dem Umstand, dass die Tatbegehung in einer Phase intensiven eigenen Drogenkonsums des Angeklagten (vgl. UA S. 5) bei geringen legalen Einkünften erfolgte, um „Forderungen“ aus einem früheren Rauschgiftgeschäft einzutreiben.
37
cc) Die aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft gebotene Aufhebung des Schuldspruchs im Fall B.II.2. entzieht weder der Annahme des symptomatischen Zusammenhangs noch der Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts die Grundlage. Die rechtsfehlerfrei zu dieser lediglich fehlerhaft materiell-rechtlich gewürdigten Tat getroffenen Feststellungen liegen als Anknüpfungstatsachen vor. Bezogen auf die Hauptverhandlung als maßgeblichen Zeitpunkt für die tatrichterliche Prognose (BGH, Urteil vom 3. August 2017 – 4 StR 193/17, NStZ-RR 2017, 309 Rn. 16 mwN) hat das auch insoweit sachverständig beratene Landgericht die Wahrscheinlichkeit zukünftiger erheblicher Straftaten beanstandungsfrei festgestellt. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringungsentscheidung kommt es wegen der Maßgeblichkeit des genannten Urteilszeitpunkts vorliegend nicht darauf an, ob sich möglicherweise in der aufgrund der Teilaufhebung auf Revision der Staatsanwaltschaft hin erfor- derlichen neuen Hauptverhandlung weitere Erkenntnisse ergeben können, die an sich auch für die Voraussetzungen des § 64 StGB relevant wären. In anderen Konstellationen zur Bewährung ausgesetzter Freiheitsstrafe und kumulativ erfolgter Unterbringung gemäß § 64 StGB, etwa bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung durch einen Beschwerdeführer, kann Anderes gelten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 2 StR 29/12, NStZ-RR 2012, 202, 203).
38
Ein hinreichend sicherer Therapieerfolg bei dem Angeklagten wird im angefochtenen Urteil ebenfalls rechtsfehlerfrei dargelegt.
Raum Jäger Radtke RinBGH Dr. Fischer ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Bär

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 132/17
vom
26. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:260717U2STR132.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Wimmer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10. Oktober 2016 wird verworfen. Die Kosten der Revision und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen „Wohnungseinbruchsdiebstahls in 21 Fällen, davon in sechs Fällen versucht“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Von dem Vorwurf zweier weiterer Wohnungseinbruchsdiebstähle sowie vom Vorwurf der Vergewaltigung hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen diese Teilfreisprüche sowie gegen die in den Fällen II. 1. und II. 19. erfolgte Verurteilung wegen Versuchs richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt überwiegend vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Die Kammer hat – soweit für die Entscheidung von Bedeutung – zu den Fällen II.1. und II. 19. der Urteilsgründe sowie zu den Teilfreisprüchen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Tat II.1. der Urteilsgründe:
4
a) Der Angeklagte brach zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 20. Mai 2007 um 20.00 Uhr und dem 21. Mai 2007 um 10.00 Uhr in das Wohnhaus des Geschädigten Dr. R. in K. ein. Nach dem missglückten Versuch, die Terrassentür aufzuhebeln, schlug er die Scheibe des Küchenfensters ein, gelangte auf diesem Wege in das Wohnanwesen, durchsuchte das Haus erfolglos nach stehlenswerten Gegenständen und verließ den Tatort ohne Beute.
5
b) Das Landgericht vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte ein Notebook im Wert von 1.200 Euro entwendet hat. Es hat sich zwar davon überzeugt, dass tatsächlich ein Notebook entwendet worden ist, hat aber die den Diebstahl bestreitende Einlassung des Angeklagten, das Notebook nicht entwendet zu haben, weil er „nie etwas Großes mitgenommen“ habe, für glaubhaft erachtet. Insoweit hat es darauf abgestellt, dass der Angeklagte bei den weiteren Taten „durchgängig kleine, leicht zu transportierende Gegenstän- de entwendete“, und bei der Durchsuchung seiner Wohnung eine Vielzahl von PCs aufgefunden wurde, die „unwiderlegt aus den Restbeständen der in die- sem Segment angesiedelten selbstständigen Geschäftstätigkeit des Angeklag- ten stammen“, weshalb es nachvollziehbar sei, dass er an einem Notebook als Stehlgut kein Interesse gehabt habe.
6
2. Tat II.19. der Urteilsgründe:
7
a) Am 8. Januar 2015 brach der Angeklagte die Terrassentüre des Wohnhauses des Geschädigten H. in N. auf, drang in das Haus ein, durchsuchte es erfolglos nach Wertgegenständen und verließ den Tatort ohne Beute.
8
b) Das Landgericht hat sich aufgrund einer am Tatort aufgefundenen Schuhsohlenabdruckspur davon überzeugt, dass der Angeklagte sich tatsächlich am Tatort befunden hat; dass er dabei auch einen rund 60 Kilogramm schweren Tresor samt Inhalt entwendet habe, hat das Landgericht nicht für erwiesen erachtet. Angesichts des Modus Operandi des Angeklagten, der sich auf die Entwendung kleiner und leicht zu transportierender Beutestücke – Bargeld und Schmuck – konzentriert habe,sei zweifelhaft, dass der Angeklagte die „ganz erheblichen Mühen“ auf sich genommen habe, den schweren Tresor über eine längere Strecke zu transportieren. Das Landgericht hat im Übrigen nicht auszuschließen vermocht, dass sich in dem möglichen Tatzeitraum von knapp zehn Stunden „andere Täter die vom Angeklagten aufgebrochene Terrassentür ohne dessen Wollen zu Nutze gemacht“ und den Tresor entwen- det haben.
9
3. Freispruch von den Vorwürfen Ziffer 7 und 8 der Anklageschrift vom 18. November 2015:
10
Soweit dem Angeklagten unter den Ziffern 7 und 8 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 18. November 2015, am 30. August und am 26. September 2012 begangene Wohnungseinbruchsdiebstähle zur Last gelegt worden sind, hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich von einer Täterschaft des Angeklagten, der die Begehung dieser beiden Taten bestritten hat, nicht zu überzeugen vermochte. Da- bei hat es berücksichtigt, dass jeweils eine am Tatort gesicherte DNAMischspur auf den Angeklagten als Täter hindeutete. Weil die Spuren jedoch jeweils an beweglichen Gegenständen ohne zweifelsfreien Tatbezug – im Fall Ziffer 7 an der Verpackung eines Schoko-Riegels und im Fall Ziffer 8 an einem im Innern des Hauses aufgefundenen Ast, wobei nur eine von insgesamt fünf daran gesicherten „Abwischungen“ eine auf den Angeklagten als Spurenverursacher hindeutende DNA-Mischspur enthielt – hat es Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden vermocht.
11
4. Das Landgericht hat den Angeklagten schließlich vom Vorwurf der besonders schweren Vergewaltigung freigesprochen.
12
a) Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kassel vom 30. Oktober 2015 war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am 17. Oktober 2000 gegen 21.20 Uhr in Wu. die 52 Jahre alte Geschädigte D. unter Vorhalt eines Messers und der Drohung, sie umzubringen, genötigt zu haben, sich hinter eine Hecke zu begeben und sie sodann vergewaltigt zu haben. Das Landgericht hat insoweit Folgendes festgestellt: „Am Abend des 17.10.2000 gegen 21.00 Uhr verließ die damals 52 Jahre alte Ballettlehrerin D. die Ballettschule in Wu. , , um zu Fuß zu ihrer Wohnung im W. zurückzukehren. Ihren Ballettanzug, einen Einteiler, behielt sie auf dem Rückweg an und trug darunter einen Slip und darüber eine Jeans. Gegen 21.20 Uhr befand sie sich in der H. straße, dieim letzten Drittel des 2,3 km langen Heimweges liegt. Hier wurde sie von einem männlichen Täter […], im Vorbeigehen angerempelt. Der Täter blieb sodann vor ihr stehen und hielt ihr ein Messer, das aussah wie ein altes Rasiermesser, vor ihr Gesicht. Er forderte sie auf, nicht zu schreien, was die Zeugin, da sie große Angst hatte, auch nicht tat; sie bat ihn, ihr nichts zu tun. Der kräftige, rund 1,80 m große Mann zerrte die zierliche, rund 20 cm kleinere Zeugin D. von der Straße herunter in ein Gebüsch , drückte sie zu Boden, warf ihr Handy weg und stützte sich auf sie. Dann öffnete er den Knopf und den Reißverschluss ihrer Jeans, zog ihr diese herunter, ohne sie ganz auszuziehen, und forderte sie auf, ihren Slip runterzuziehen. Sie antwortete ihm, dass dies nicht gehen würde, da sie einen Ballettanzug trage. Sodann schob der Täter mit einer Hand ihren Ballettanzug und ihren Slip zur Seite und versuchte mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen, was ihm jedoch mangels Erektion nicht gelang. Er sagte dann sinngemäß 'Scheiße, Moment mal', versuchte dann noch, mittels Manipulation an seinem Glied eine Erektion zu bekommen , sprang dann aber irgendwann auf und ging davon. Im Weggehen sagte er noch zu ihr, dass ihm egal sei, ob sie die Polizei rufe.“
13
b) Der Angeklagte hat die Tat bestritten und angegeben, dass er nie in Wu. gewesen sei und keine Bezüge dorthin habe. Der 17. Oktober sei der Geburtstag seiner Mutter, der an diesem Tag mit der Familie gefeiert werde; die Feier finde zu Hause in Wa. statt, beginne im Laufe des Nachmittags und ende mit einem gemeinsamen Abendessen. Er sei bei diesen Feiern immer dabei gewesen und habe seine Tätigkeiten so geplant, dass dies möglich gewesen sei.
14
c) Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten hat das Landgericht nicht zu überwinden vermocht. Zwar werde er „durch ein einziges – allerdings fraglos gewichtiges – Beweisergebnis“ belastet; an dem Ballettanzug der Geschädigten sei im vorderen Schrittbereich in einer Misch-Spur, welche die Geschädigte als Hauptspurenverursacherin ausweise, als „Beimengung“ eine DNA-Spur gesi- chert worden; nach „biostatistischer Mischspurenberechnung“ sei unter 1,02 Quadrillionen zufällig ausgewählten Personen nur eine zu erwarten, die – wie der Angeklagte – als Verursacher der Beimengung in Betracht komme. „Zumindest zwei wichtige Gesichtspunkte“ sprächen jedoch gegen seine Täterschaft. So habe ihn die Geschädigte trotz eines sehr auffälligen Merkmals – seiner Stimme – nicht identifizieren können; auch im Übrigen habe sie eine in wichtigen Punkten nicht auf ihn passende Täterbeschreibung abgegeben. Darüber hinaus habe der Angeklagte für die Tatzeit ein Alibi behauptet, für dessen Richtigkeit Vieles spreche. Zweifel an seiner Täterschaft seien bei dieser Sachlage nicht auszuräumen.

II.

15
Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
16
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es diesem verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Ferner ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen , für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648, 652 und vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 253/16, NJW 2017, 1487 mwN).
17
2. Gemessen hieran hält die tatrichterliche Beweiswürdigung in den Fällen II.1. und II.19. revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die tatrichterlichen Erwägungen, mit denen das Landgericht verbleibende Zweifel an der Beuteerlangung begründet hat, sind nicht lückenhaft und auch im Übrigen von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18
3. Auch die Freisprüche in den Fällen Ziffer 7 und Ziffer 8 der Anklageschrift vom 18. November 2015 halten rechtlicher Überprüfung (noch) stand.
19
Zwar leidet das Urteil insoweit an einem Darstellungsmangel, weil das Landgericht nicht – wie erforderlich – zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen festgestellt hat, die es für erwiesen erachtete. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ- RR 2014, 220). Auf diesem Darlegungsmangel beruht das Urteil jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vermag der Senat hinreichend sicher zu entnehmen, dass das Landgericht sich in diesen beiden Fällen davon überzeugt hat, dass die angeklagten Taten so wie angeklagt begangen worden sind, aber Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden vermochte. Die angeführten – knappen – Beweiserwägungen halten rechtlicher Überprüfung noch stand. Dass sich das Landgericht angesichts der Spurenlage nicht davon überzeugen konnte, dass der überwiegend geständige Angeklagte auch diese beiden Taten verübt hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
20
4. Der Freispruch vom Tatvorwurf der Vergewaltigung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die insoweit von der Staatsanwaltschaft erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
21
a) Das Landgericht hat den Beweiswert der auf den Angeklagten als Täter hinweisenden DNA-Spur nicht verkannt, sondern hat ausdrücklich festgehalten , dass ihr ein hoher Beweiswert zukommt. Es hat diesem belastenden Indiz jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dies hält sich im Rahmen des dem Tatrichter eröffneten Spielraums und ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324; Beschluss vom 21. Januar 2009 – 1 StR 722/08, NStZ 2009, 285; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 214; Senat , Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490, 491). Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht (BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212).
22
b) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht seine Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten begründet hat, begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
23
aa) Das Landgericht hat zunächst darauf abgestellt, dass die Geschädigte den Angeklagten nicht als Täter wiedererkannt hat, obwohl dieser bei der Tat nicht maskiert gewesen sei. Dies und die insoweit angestellten weiteren Beweiserwägungen erweisen sich nicht als lückenhaft. Zwar hat das Landgericht nicht auf Haar- oder Barttracht, sondern auf die Gesamterscheinung („kräftige Statur“) und die Gesichtsform („rund oder gar bullig“) abgestellt und ausgeführt, dass die Täterbeschreibung der Geschädigten insoweit auf den Angeklagten nicht zutreffe. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer in diesem Zusammenhang aus den Augen verloren haben könnte, dass Täterbeschreibungen häufig wenig zuverlässig sind und nur den „subjektiven Eindruck“ des Tatopfers wiedergeben, wie die Staatsanwaltschaft besorgt. Dass sie dem Umstand, dass die Täterbeschreibung des Tatopfers nicht auf den Angeklagten passt, gleichwohl nicht jeglichen Beweiswert abgesprochen hat, hält sich innerhalb des tatrichterlichen Spielraums und ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die tatrichterliche Wertung, dass das von der Geschädigten zeitnah gefertigte Phantombild keine Ähnlichkeit mit dem Angeklagten aufweist.
24
bb) Das Landgericht hat dem Umstand, dass die Geschädigte in ihren Befragungen unmittelbar nach der Tat die „äußerst auffällige Stimme“ des Angeklagten nicht erwähnt hat, obwohl er während des Tatgeschehens „ver- gleichsweise viel“ und „in akzentfreiem Deutsch“ gesprochen habe,sowie dem weiteren Umstand, dass sie seine Stimme auch in der Hauptverhandlung nicht wiedererkannt hat, obwohl diese „ganz ungewöhnlich hell, etwas rau, bei Aufregung leicht stockend und durchgängig eher leise und wenig dominant sei“, entlastende Bedeutung beigemessen. Dies begegnet unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die tatrichterliche Annahme, dass sich das sehr auffällige Klangbild der (Sprech-) Stimme des Angeklagten im Verlaufe von rund 16 Jahren bis in ein mittleres Alter hinein – der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 53 Jahre alt – nicht „derartgravierend“ verändert habe, dass ihre Charakteristik gänzlich verloren ginge, begegnet keinen Bedenken. Soweit die Staatsanwaltschaft der Auffassung ist, das Landgericht habe seinen Erwägungen einen nicht existierenden wissenschaftlichen Erfahrungssatz des Inhalts zugrunde gelegt, dass „der Klang einer menschlichen Stimme von einem 16jährigen Alterungsprozess im Erwachsenenalter unabhängig und überdauernd vorhanden“ sei, vermag der Senat dies vor dem Hintergrund der differenzierten Beweiserwägungen der Kammer nicht nachzuvollziehen. Dass das Landgericht dabei die Besonderheiten außer Acht gelassen haben könnte, die für Wahrnehmung, Erinnerung und das Wiedererkennen von Stimmen gelten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. Mai 2009 – 1 StR 597/08, BGHSt 54, 15, 20; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 9. Aufl., Rn. 1395 ff.), schließt der Senat aus.
25
c) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft sind die Beweiserwägungen zur Alibibehauptung des Angeklagten nicht lückenhaft. Das Landgericht war von Rechts wegen weder verpflichtet, sich mit dem Umstand auseinanderzusetzen , dass der Angeklagte die Tat Ziffer II.3. am 17. Oktober 2007 – also amGeburtstag seiner Mutter begangen hat – und zu erörtern, ob dies den Beweiswert seiner Alibibehauptung schmälern könnte. Angesichts der erheblichen Tatzeitspanne zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr sowie der Lage des Tatorts unweit des Wohnorts des Angeklagten und seiner Mutter musste sich das Landgericht zu einer ausdrücklichen Erörterung dieses Umstands nicht gedrängt sehen.
26
d) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft fehlt es auch nicht an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände. Dass die Strafkammer den Tablettenfunden (Viagra, Rohypnol) sowie dem Umstand, dass sich auf den bei dem Angeklagten beschlagnahmten Rechnern „pornographisches Material“ befunden hat, aufgrund der ausführlich erörterten Besonderheiten letztlich keinen Beweiswert beigemessen hat, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
27
Bei dieser Sachlage hat die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.
RiBGH Prof. Dr. Krehl ist Eschelbach Bartel durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Eschelbach Wimmer RiBGH Dr. Grube ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Eschelbach

(1) Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einem Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers genehmigt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 260/08
vom
14. Oktober 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
1. Die für eine Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB erforderliche (angestrebte
) Unrechtsvereinbarung setzt voraus, dass der Vorteilsgeber mit dem
Ziel handelt, auf die künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu
nehmen und/oder seine vergangene Dienstausübung zu honorieren, wobei
eine solche dienstliche Tätigkeit nach seinen Vorstellungen nicht - noch nicht
einmal in groben Umrissen - konkretisiert sein muss.
2. Ob in diesem Sinne eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, ist Tatfrage und unterliegt
der wertenden Beurteilung des Tatgerichts, die regelmäßig im Wege
einer Ge-samtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat.
3. In die Würdigung fließen als mögliche Indizien neben der Plausibilität einer
anderen Zielsetzung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die
Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben (dienstliche
Be-rührungspunkte), die Vorgehensweise bei dem Angebot, dem Versprechen
oder dem Gewähren von Vorteilen (Heimlichkeit oder Transparenz) sowie
die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile.
BGH, Urt. vom 14. Oktober 2008 - 1 StR 260/08 - LG Karlsruhe
in der Strafsache
gegen
wegen Vorteilsgewährung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt und
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28. November 2007 wird verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen freigesprochen. Der hiergegen gerichteten Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt der Erfolg versagt.

I.

2
1. Das Landgericht hat - für den Senat bindend - festgestellt:
3
Der Angeklagte war Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Energie Baden-Württemberg AG (fortan: EnBW). Bereits vor Aufnahme seiner Tätigkeit hatte die EnBW im Februar 2002 von der Fédération Internationale de Football Association (fortan: FIFA) Sponsoren- bzw. Werberechte für die im Jahre 2006 in Deutschland stattfindende Fußballweltmeisterschaft erworben. Die EnBW war Hauptsponsor der FIFA-WM 2006 und der einzige nationale Sponsor aus Baden-Württemberg. Im Rahmen von gemeinsamen Initiativen von Staat und Wirtschaft, an denen auch die Bundesregierung beteiligt war, entwickelte sich eine enge Kooperation der EnBW vor allem mit dem Land Baden-Württemberg. Bei Gesprächen mit dem Referat "Landesmarketing" des Staatsministeriums wurde vereinbart, die jeweiligen Einladungslisten für die Fußballweltmeisterschaft miteinander abzugleichen, um Doppeleinladungen zu vermeiden.
4
Die Marketingabteilung der EnBW entwickelte ein Sponsoringkonzept. Hierzu gehörte ein Konzept zur Verteilung der ca. 14.000 Eintrittskarten, die der EnBW zur Verfügung standen. Dieses Einladungskonzept sah unter anderem vor, "einen kleinen Teil der Karten für Repräsentanten aus Wirtschaft, Gesellschaft , Kultur, Wissenschaft und Politik zu verwenden, um den Eingeladenen die Gelegenheit zu geben, ihre entsprechenden Institutionen zu präsentieren und repräsentieren, und zugleich durch das öffentliche Erscheinen angesehener und bekannter Persönlichkeiten die Rolle der EnBW als Hauptsponsor der Fußballweltmeisterschaft werbewirksam hervorzuheben" (UA S. 11). Geplant war, jedenfalls die hochrangigen Vertreter der Politik "zunächst" nicht in der Loge der EnBW, sondern "in erster Linie" im FIFA-Ehrenbereich unterzubringen, für den der EnBW ebenfalls Eintrittskarten zustanden. Zudem war vorgesehen, sämtliche Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung BadenWürttemberg einschließlich der Staatssekretäre einzuladen.
5
Am 20. Dezember 2005 unterzeichnete der Angeklagte als Vorstandsvorsitzender in Anwesenheit seiner persönlichen Referentin und zweier Sekretärinnen ca. 700 Weihnachtsgrußkarten. Adressaten waren Personen, deren Daten in der bei EnBW gepflegten VIP-Datei des Angeklagten gespeichert waren. "Entscheidend für die Aufnahme (einer Person) in die VIP-Datei war die persönliche Bekanntschaft zum Vorstandsvorsitzenden sowie die protokollari- sche Wertigkeit des Kontakts, nicht aber eine eventuelle dienstliche Relation zum Unternehmen" (UA S. 13). Auf den vorformulierten Grußkarten fügte der Angeklagte handschriftlich den jeweiligen Namen mit Anrede sowie seine Unterschrift ein, in einigen Fällen auch einige persönliche Worte. Bei etwa der Hälfte der Karten machten die drei Mitarbeiterinnen einen Vorschlag für ein Präsent, mit dem der Adressat bedacht werden sollte. Der Vorschlag erfolgte auf der Grundlage einer Präsentliste, welche die Mitarbeiterinnen gemeinsam mit der Leiterin der Protokollabteilung der EnBW erstellt hatten. Unter den Präsenten befanden sich mit dem offiziellen WM-Sponsorenlogo der EnBW versehene Gutscheine für Logenplätze bei einem Fußballweltmeisterschaftsspiel in Stuttgart oder Berlin. Eine Versendung der Eintrittskarten selbst war aufgrund der vom Veranstalter festgelegten Bedingungen noch nicht möglich. Die Gutscheine waren - so das Landgericht - "personengebunden und nicht übertragbar" (UA S. 13, 15); vorgesehen war, dass die Koordinierung und Abwicklung der Kartenvergabe über die Leiterin der Protokollabteilung der EnBW erfolgen sollte. Der Angeklagte stimmte dem aufgrund der Präsentliste gemachten Vorschlag der Mitarbeiterinnen in allen Fällen zu.
6
Auf die beschriebene Art und Weise ließ der Angeklagte an 36 Personen mit den Weihnachtsgrußkarten WM-Gutscheine versenden, unter anderem - in den sieben verfahrensgegenständlichen Fällen - an den Ministerpräsidenten und fünf Minister des Landes Baden-Württemberg (für jeweils zwei Eintrittskarten ) sowie an den beamteten Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit M. (für eine Eintrittskarte). Fünf Gutscheine waren für den Spielort Stuttgart, zwei Gutscheine für den Spielort Berlin ausgestellt. Wie das Urteil im Einzelnen ausführt, waren die Landesminister und ihre Ministerien im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit mit Angelegenheiten befasst , die für die Geschäftspolitik und den wirtschaftlichen Erfolg der EnBW oder den Angeklagten persönlich von erheblicher Bedeutung waren; Gleiches galt für das Bundesumweltministerium. Diese "Beziehungen" waren dem Angeklagten - wenn auch nicht im Detail - bekannt. Die Grußkarte an die Landesumweltministerin G. war mit dem handschriftlichen Zusatz "Vielen Dank für die stets exzellente Zusammenarbeit" versehen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte diese Worte niederschrieb, wusste er allerdings - nach den Feststellungen des Landgerichts - noch nicht, ob der Umweltministerin ein Präsent und gegebenenfalls welches ihr zugedacht war.
7
Der Angeklagte handelte im Bewusstsein des - insofern noch offenen - Sponsoring- und Einladungskonzepts der EnBW, wobei ihm als Vorstandsvorsitzenden ein Gestaltungsspielraum zukam. Ihm war bekannt, dass die sieben verfahrensgegenständlichen Empfänger zu dem Personenkreis einzuladender hochrangiger Repräsentanten zählten.
8
Nachdem in der Presse über die Versendung der Gutscheine berichtet worden war und die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Mitte Februar 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet hatte, lehnte der badenwürttembergische Ministerpräsident mit Schreiben vom 2. März 2006 die Einladungen namens der Regierungsmitglieder ab. Obwohl dies im Sponsoringkonzept vorgesehen war, kam es ebenso wenig - auf Anraten des Verteidigers des Angeklagten - zur Einladung der anderen Regierungsmitglieder durch die EnBW wie zum Abgleich der Einladungslisten zwischen dieser und dem Land. Gleichfalls am 2. März 2006 zog Staatssekretär M. seine zunächst erteilte Zusage zurück.
9
Sämtliche Mitglieder der Landesregierung hatten anderweitig freien Zugang mit Begleitung jedenfalls zu allen WM-Spielen in Stuttgart. Zur Verfügung standen ihnen Plätze sowohl in der Loge, die sich das Land mit dem Unternehmen Daimler-Chrysler teilte, als auch im FIFA-Ehrenbereich.
10
Bereits am 31. Mai 2005 hatten die Minister des Landes Baden-Württemberg im Ministerrat einen Beschluss zur Annahme von Geschenken durch Regierungsmitglieder gefasst. Unter Nr. 4 war Folgendes festgehalten worden: "Ehrenkarten für Veranstaltungen, deren Besuch zu den Repräsentationspflichten eines Regierungsmitglieds gehört, sind nicht als Geschenke zu bewerten und unterfallen daher nicht der Genehmigungspflicht."
11
2. Das Landgericht hat den Angeklagten "aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen" freigesprochen.
12
Aus rechtlichen Gründen ist der Freispruch erfolgt, weil das Landgericht die Eintrittskarten nicht als Vorteil im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB gewertet hat. Was die sechs Taten zugunsten der Mitglieder der Landesregierung betrifft, so hat es darüber hinaus den zuvor im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen, die als Rechtfertigungsgrund zur Straflosigkeit führe. Auf tatsächlichen Gründen beruht der Freispruch dagegen insoweit, als sich das Landgericht nicht von einer "für die Tatbestandserfüllung (nach § 333 Abs. 1 StGB) erforderliche(n) Unrechtsvereinbarung" hat überzeugen können (UA S. 51).

II.

13
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung vorgebrachten Gründen nicht durch.
14
2. Der Freispruch von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung - noch - stand.
15
Die Strafkammer ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, es fehle schon an einem - vom Angeklagten angebotenen oder versprochenen - Vorteil im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB (nachfolgend a). Rechtsfehlerhaft ist das Urteil auch insoweit, als sie den am 31. Mai 2005 im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen hat (unten b). Soweit die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dem Angeklagten sei eine "Unrechtsvereinbarung" nicht nachzuweisen gewesen, ist dies dagegen im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (unten c).
16
a) Die Eintrittskarten für Fußballweltmeisterschaftsspiele in Stuttgart und Berlin, die der Angeklagte nach den Feststellungen sechs Mitgliedern der Landesregierung und dem Staatssekretär im Bundesumweltministerium anbot oder versprach, stellen Vorteile im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB dar.
17
Unter einem Vorteil ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. nur BGHSt 47, 295, 304; BGH NStZ 2008, 216, 217; NStZ-RR 2007, 309, 310). Besser gestellt wird der Amtsträger vor allem durch materielle Zuwendungen jeder Art. Hierzu zählen auch Eintrittskarten für regulär entgeltpflichtige Veranstaltungen, da solche Karten einen Vermögenswert haben (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 62).
18
aa) Dass die vom Angeklagten bedachten Mitglieder der Landesregierung nach den Feststellungen ohnehin freien Zugang "mit Begleitung jedenfalls" zu allen Weltmeisterschaftsspielen in Stuttgart hatten (UA S. 41), hat auf die Bewertung der für diesen Spielort vorgesehenen Eintrittskarten als Vorteil keinen Einfluss. Insoweit gilt: Wird dem Amtsträger oder Dritten ein geldwerter Vorteil angeboten, versprochen oder gewährt, so ist es von vornherein unbeachtlich , wenn der Begünstigte einen vergleichbaren Vorteil auch auf eine andere Art und Weise erlangen kann. Auf derartige hypothetische Erwägungen kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 2001, 907, 908). Sie können allenfalls für die subjektive Wertschätzung durch den Begünstigten und damit für die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung von Bedeutung sein. Identisch waren die Vorteile, die der Angeklagte anbot oder versprach, und diejenigen, die den Mitgliedern der Landesregierung ohnehin zustanden, hier nicht. Denn es handelte sich in jedem der Fälle um zweierlei Eintrittskarten für verschiedene Zuschauerplätze. Insbesondere was die "EnBW-Loge" einerseits und "Landesloge" andererseits betrifft, liegt dies auf der Hand, zumal der Aufenthalt in der "EnBW-Loge" die Bewirtung vorsah, während entsprechende Feststellungen für die "Landesloge" nicht getroffen sind.
19
All dies gilt entsprechend in Bezug auf den Staatssekretär M. . Auf seine - rein hypothetischen - Angaben als Zeuge, er hätte "Karten zu WM-Spielen bekommen, wenn er sich in seiner Eigenschaft als Staatssekretär darum bemüht hätte" (UA S. 42), kommt es erst recht nicht an.
20
bb) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Kammer, es sei schon deswegen kein Vorteil gegeben, weil die Eintrittskarten den Begünstigten lediglich die Ausübung der dienstlichen Aufgabe ermöglichen sollten, das Land bzw. den Bund in der Öffentlichkeit zu repräsentieren (UA S. 50).
21
Zwar hat die Kammer die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben zu Recht zu den Dienstpflichten von Regierungsmitgliedern, auch von Staatssekretären gezählt (vgl. UA S. 35 f.). Dies nimmt den in Aussicht gestellten Eintrittskarten jedoch nicht den Vorteilscharakter. Auf die im Schrifttum teilweise vertretene Meinung, ein Vorteil ergebe sich nicht schon daraus, dass dem Amtsträger lediglich die zur Dienstausübung erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt würden (so etwa Fischer, StGB 55. Aufl. § 331 Rdn. 12; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 331 Rdn. 5, jew. unter Bezugnahme auf OLG Zweibrücken NStZ 1982, 204: kostenloses Benzin an Polizeibeamten für Ermittlungen in der Freizeit; a.A. etwa Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 331 Rdn. 28 und Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94, denen zufolge dies ausschließlich im Rahmen der sog. Unrechtsvereinbarung zu berücksichtigen ist), kommt es dabei nicht an. Ob für den Vorteilsbegriff in § 333 Abs. 1 StGB überhaupt eine derartige Ausnahme zu machen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn hier sollten die Eintrittskarten für die Mitglieder der Landesregierung und ihre Begleitpersonen sowie für den Staatssekretär M. nicht nur einen solchen dienstlichen Nutzen haben. Die beabsichtigten geldwerten Zuwendungen dienten vielmehr gerade der Befriedigung persönlicher Interessen, die mit dem unmittelbaren Erleben eines Weltmeisterschaftsspiels im Stadion verbunden sind. Dies sah auch der Angeklagte so, aus dessen Sicht es "Sinn der Präsentversendung (war), zu Weihnachten eine Freude zu machen, mit den Gutscheinen insbesondere die Vorfreude auf die Fußball-WM … zu wecken" (UA S. 23).
22
b) Soweit die Strafkammer den am 31. Mai 2005 im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen hat, tragen die insoweit unzureichenden Feststellungen die rechtliche Wertung nicht:
23
Es liegt schon nicht fern, dass mit dem in dem Beschluss verwendeten Begriff "Ehrenkarten" nur solche Karten gemeint sind, die von dem Veranstalter selbst - für seine "Ehrengäste" - zur Verfügung gestellt werden. Ferner könnte die nur auszugsweise wiedergegebene Regelung dahin zu verstehen sein, dass auf die dienstrechtliche Nichtgenehmigungsbedürftigkeit bestimmter als strafrechtlich unbedenklich angesehener Vorteile - hier "Ehrenkarten" - hingewiesen wird (vgl. dazu Korte aaO Rdn. 168); hierfür spricht der Wortlaut der Regelung ("unterfallen … nicht der Genehmigungspflicht" anstatt "werden generell genehmigt" ). Dann wäre die Vorfrage der Strafbarkeit losgelöst von dieser Regelung zu beurteilen. Im Übrigen versteht sich auch nicht von selbst, dass die Re- gelung besagt, die bedachten Regierungsmitglieder dürften solche "Ehrenkarten" in jedem Fall - unabhängig von den konkreten protokollarischen Pflichten - zudem für eine Begleitperson annehmen.
24
c) Die Auffassung des Landgerichts, "eine für die Tatbestandserfüllung (nach § 333 Abs. 1 StGB) erforderliche Unrechtsvereinbarung (sei) nicht nachzuweisen" , hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung stand. Dass das Landgericht sich nicht von der notwendigen inhaltlichen Verknüpfung zwischen dem angebotenen oder versprochenen Vorteil und der Dienstausübung zu überzeugen vermocht hat, also davon, dass der Angeklagte - so der Wortlaut des § 333 Abs. 1 StGB - jeweils den Vorteil "für die Dienstausübung" anbot oder versprach , ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
25
aa) Für die Frage, wie der Gesetzeswortlaut insoweit auszulegen ist, gibt die Gesetzgebungsgeschichte wichtige Hinweise. Das am 20. August 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) hat zwar die Anforderungen an die Unrechtsvereinbarung, die Kernstück aller Bestechungsdelikte ist, für die Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB ebenso wie für die Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB herabgesetzt , aber nicht aufgegeben:
26
Nach seiner alten Fassung hatte der Tatbestand der Vorteilsgewährung vorausgesetzt, dass der Vorteil "Gegenleistung dafür (sein soll), daß er (der Amtsträger) eine in seinem Ermessen stehende Diensthandlung künftig vornehme" ; dementsprechend war Bezugspunkt der Unrechtsvereinbarung die einzelne - zumindest ihrem sachlichen Gehalt nach grob umrissene (vgl. BGH NStZ 1999, 561 m.w.N.) - Diensthandlung. Nunmehr genügt es, wenn ein Vorteil "für die (vergangene oder künftige) Dienstausübung" im Allgemeinen angeboten , versprochen oder gewährt wird. http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=2003&S=763 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=2003&S=763&I=765 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=48&S=44 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=49&S=275 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=49&S=275&I=281 - 13 -
27
Die Neufassung der Tatbestände der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung führt dazu, dass der Anwendungsbereich dieser Strafnormen nun auch in größerem Umfang eröffnet ist, wenn Amtsträger höherer Ebenen mit breit gefächerten Entscheidungsspielräumen betroffen sind (vgl. BTDrucks. 16/4333 S. 2; Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 99). Zuvor galt: Je weiter sich der Aufgabenbereich des Amtsträgers darstellte, umso schwieriger war die Zuordnung des Vorteils zu einer bestimmten oder zumindest bestimmbaren Diensthandlung (vgl. BGH NStZ 1999, 561). Anliegen der Erweiterung der Tatbestände war gerade auch, Beweisschwierigkeiten zu beseitigen, die mit dem Erfordernis der Bestimmbarkeit der Diensthandlung verbunden waren. Ferner sollte die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung auf von den Vorschriften in der bisherigen Fassung nicht erfasste Fälle (vgl. BGHSt 47, 295, 307; BGH NJW 2003, 763, 765 m.w.N. [insoweit in BGHSt 48, 44 nicht abgedr.
]) erstreckt werden, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft (vgl. BTDrucks. 13/8079 S. 15) bzw. "allgemeine Klimapflege" betrieben wird (BGHSt 49, 275, 281; BGH NStZ 2008, 216, 217; NStZ-RR 2007, 309, 310).
28
Andererseits hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der §§ 331, 333 StGB prinzipiell an dem Erfordernis einer (angestrebten) Unrechtsvereinbarung bewusst festgehalten. Für die Auslegung der Tatbestände ist von Bedeutung, dass der weiter reichende Vorschlag im Bundesratsentwurf eines Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 18. Dezember 1995 (BTDrucks. 13/3353) nicht Gesetz wurde (vgl. BRDrucks. 483/97). Dieser hatte - beruhend auf einem Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 24. Mai 1995 (BRDrucks. 298/95) - vorgesehen , auf die Unrechtsvereinbarung gleichsam zu verzichten und die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme und -gewährung davon abhängig zu machen, dass dem Amtsträger ein Vorteil "im Zusammenhang mit seinem Amt" zugewendet werden soll. Auch dies sollte gewährleisten, dass Handlungen - wie etwa das sog. "Anfüttern" - erfasst werden, die dazu dienen, das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers zu sichern (vgl. BRDrucks. 298/95 S. 9; BTDrucks. 13/3353 S. 11). Ein die Strafbarkeit begründender Zusammenhang mit dem Amt sollte immer dann gegeben sein, "wenn die zuwendende Person sich davon leiten lässt, daß der Beamte ein bestimmtes Amt bekleidet oder bekleidet hat" (BTDrucks. aaO). Die Bundesregierung und der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hatten gegen den Entwurf – neben Abgrenzungsschwierigkeiten – eingewandt, dass durch die vorgesehene Erweiterung der Tatbestände "ein breites Spektrum nicht strafwürdiger Handlungen grundsätzlich in die Strafbarkeit einbezogen würde" (BTDrucks. 13/6424 S. 13; 13/8079 S. 15). Dementsprechend hat die Bundesregierung in jüngerer Zeit nochmals klargestellt, dass "auch nach der heute gültigen Fassung der §§ 331 und 333 StGB feststehen (müsse), dass der Vorteil überhaupt für dienstliche Handlungen angenommen oder gewährt" worden sei (BTDrucks. 16/4333 S. 5 f.).
29
bb) Vor diesem Hintergrund sind für den Tatbestand der Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB an die inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Dienstausübung folgende Anforderungen zu stellen:
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Zwischen dem Vorteil und der Dienstausübung muss ein "Gegenseitigkeitsverhältnis" in dem Sinne bestehen, dass der Vorteil nach dem (angestrebten ) ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat (vgl. BGH NJW 2005, 3011, 3012 m.w.N.). Dies erfordert, dass Ziel der Vorteilszuwendung ist, auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 309, 310 f.) und/oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren (ähnlich Fischer, StGB 55. Aufl. § 331 Rdn. 23). In diesem allgemeinen Sinne muss der Vorteil somit nach wie vor Gegenleistungscharakter haben (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94; ferner Dölling, Gutachten für den 61. Deutschen Juristentag [1996] C 64 f., an dessen Vorschlag die Neufassung der §§ 331, 333 StGB angeknüpft hat [vgl. BTDrucks. 13/8079 S. 15]). Unter Dienstausübung ist dabei grundsätzlich jede dienstliche Tätigkeit zu verstehen. Diese muss nach den Vorstellungen der Beteiligten nicht - noch nicht einmal in groben Umrissen - konkretisiert sein; daher genügt es, wenn der Wille des Vorteilsgebers auf ein generelles Wohlwollen bezogen auf künftige Fachentscheidungen gerichtet ist, das bei Gelegenheit aktiviert werden kann.
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Ob der Vorteilsgeber ein solches von § 333 Abs. 1 StGB pönalisiertes oder ein anderes Ziel verfolgt, ist Tatfrage. Die Grenzbestimmung hat in wertender Beurteilung zu erfolgen, die mit oftmals schwierigen Beweisfragen einhergeht. Pauschale Bewertungen in Anlehnung an Begrifflichkeiten wie "allgemeine Klimapflege" oder "Anfüttern" verbieten sich dabei (vgl. Korte aaO Rdn. 100; ferner Dölling ZStW 112 [2000] 334, 344 mit differenzierenden Erwägungen zur korruptiven Erscheinungsform des "Anfütterns"). Vielmehr ist die Abgrenzung nach den fallbezogenen Umständen - insbesondere der gesamten Interessenlage der Beteiligten - vorzunehmen.
32
Als mögliche Indizien für oder gegen das Ziel, mit dem Vorteil auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren, fließen neben der Plausibilität einer anderen - behaupteten oder sonst in Betracht kommenden - Zielsetzung in die wertende Beurteilung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben, die Vorgehensweise bei dem Angebot , dem Versprechen oder dem Gewähren von Vorteilen sowie die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile. So können etwa dienstliche Berührungspunkte zwischen Vorteilsgeber und Amtsträger ebenso in Ausschlag gebender Weise für eine Unrechtsvereinbarung sprechen, wie die Heimlichkeit des Vorgehens (BGH NStZ 2008, 216, 218; NStZ-RR 2007, 309, 310 f.; im Hinblick auf dienstliche Berührungspunkte im Ergebnis auch BGH NStZ 2005, 334, 335; zur Heimlichkeit vgl. ferner BGHSt 48, 44, 51). Vorzunehmen ist jedoch regelmäßig eine Gesamtschau aller Indizien (vgl. BGH NStZ 2008 aaO; NStZ-RR aaO 311).
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Das bedeutet auch, dass die Strafbestimmung der Vorteilsgewährung nicht schon dadurch unanwendbar wird, dass eine (angestrebte) Unrechtsvereinbarung in sozialadäquate Handlungen - wie die Durchführung eines für sich gesehen in strafrechtlicher Hinsicht gänzlich unverdächtigen Sponsoringkonzepts - eingebunden wird. Auch in diesem Fall ist maßgeblich, wie sich das Vorgehen aufgrund der gesamten Umstände, unter denen es geschieht, darstellt.
34
Der Senat ist sich bewusst, dass das Merkmal der Unrechtsvereinbarung nach der hier vorgenommenen Auslegung im Randbereich kaum trennscharfe Konturen aufweist; dies kann zu Beweisschwierigkeiten führen und räumt dem Tatrichter eine beträchtliche Entscheidungsmacht ein. Diese Auslegung trägt jedoch dem Willen des Gesetzgebers Rechnung. In ihr spiegelt sich der Kompromisscharakter der durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 reformierten Regelung wider, die über die alte Rechtslage hinausgeht , aber hinter dem weitergehenden Vorschlag des Bundesrats zurückbleibt, die Strafbarkeit allein an die Amtsbezogenheit der Vorteilszuwendung zu knüpfen (siehe oben aa). Inwieweit ein derartiger Vorschlag in Verbindung mit einer weitgehenden, Transparenz gewährleistenden Anzeige- oder Genehmigungslösung (vgl. den Vorschlag von T. Schäfer/Liesching ZRP 2008, 173, 175 f.) sachgerechter gewesen wäre, hat der Senat indessen nicht zu entscheiden.
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cc) Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben ist die Beweiswürdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
36
Das Landgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen. Zwar ist die Formulierung, eine Unrechtsvereinbarung sei nicht nach- zuweisen gewesen, missverständlich. § 333 Abs. 1 StGB setzt nämlich in der Tathandlungsvariante des Anbietens nicht voraus, dass es tatsächlich zu einer "Unrechtsvereinbarung" kommt; vielmehr reicht aus, dass das Angebot auf eine solche Übereinkunft gerichtet ist (vgl. BGH NStZ 2000, 439 f.; 2008, 33, 34; entsprechend für die Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB in der Tathandlungsalternative des Forderns eines Vorteils BGH NStZ 2006, 628, 629). Dass das Landgericht dies nicht verkannt hat, geht jedoch aus dem Urteil - trotz der missverständlichen Formulierung - eindeutig hervor. Denn die Beweiswürdigung befasst sich namentlich damit, welches Ziel der Angeklagte mit der Gutscheinversendung verfolgte.
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Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, die Feststellung der (angestrebten ) Unrechtsvereinbarung setze den Nachweis voraus, dass "die Zuwendung der Gutscheine ihren Grund gerade in der Dienstausübung hatte bzw. die Dienstausübung als Gegenleistung (mit-)bestimmender Beweggrund" für die Zuwendung war. Dabei hat es zu Recht angenommen, dass unter Dienstausübung in diesem Zusammenhang allein die Fachentscheidungen der bedachten Amtsträger zu verstehen sind. Dagegen genügt es insoweit nicht, dass der Angeklagte Einfluss auf die dienstliche Aufgabe der Repräsentation nehmen wollte , da der Vorteil hierfür keinen Gegenleistungscharakter hat, sondern nur Mittel zur Erfüllung dieser Aufgabe sein sollte (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94; ferner BGH NStZ-RR 2003, 171, 172).
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Bei der "einzelfallbezogene(n) Betrachtung" hat das Landgericht "nach einer Gesamtschau sämtlicher Umstände die … Möglichkeit nicht ausgeschlossen …, dass die Zuwendung einen (sachlich gerechtfertigten) anderen Beweggrund als den der Beeinflussung der Dienstausübung hat". Einen solchen anderen Beweggrund hat das Landgericht darin gesehen, dass, indem den Empfängern der Gutscheine die Gelegenheit zur Repräsentation bei der Fußballwelt- meisterschaft gegeben werden sollte, ihr Erscheinen "zu Werbezwecken genutzt" werden sollte, um die Veranstaltung aufzuwerten und die Rolle der EnBW als Sponsor der Veranstaltung hervorzuheben (UA S. 52). Davon, dass der Angeklagte das Ziel verfolgte, die Empfänger - "gewissermaßen unter dem 'Deckmantel' Sponsoring/Repräsentation" - geneigt zu machen, bei der Dienstausübung zugunsten der EnBW zu handeln, hat sich das Landgericht hingegen nicht zu überzeugen vermocht.
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Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei mit den relevanten Indizien auseinandergesetzt und bei seiner Entscheidung insbesondere folgende Umstände berücksichtigt: – Zwischen den sieben Gutscheinempfängern - allesamt Personen mit weit reichenden Entscheidungskompetenzen - und der EnBW bestanden dienstliche Berührungspunkte. Das Landgericht hat aber auch festgestellt, dass der Angeklagte die Auswahl der Empfänger nicht gezielt nach diesem Kriterium vornahm : "Entscheidend für die Aufnahme (einer Person) in die VIP-Datei war die persönliche Bekanntschaft zum Vorstandsvorsitzenden sowie die protokollarische Wertigkeit des Kontakts , nicht aber eine eventuelle dienstliche Relation zum Unternehmen" (UA S. 13). Der Indizwert der dienstlichen Berührungspunkte wird zudem dadurch stark relativiert, dass der Angeklagte - so die Feststellungen des Landgerichts - im Bewusstsein des insofern noch offenen Sponsoring- und Einladungskonzepts der EnBW handelte (UA S. 42 f.). Das Konzept sah, wie der Angeklagte wusste, vor, sämtliche Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung Baden-Württemberg einschließlich der Staatssekretäre einzuladen (UA S. 12, 35). Der Angeklagte handelte demnach - revisionsrechtlich nicht angreifbar - in der Vorstellung, dass die nicht mit den Weihnachtsgrußkarten bedachten Regierungsmitglieder später noch Eintrittskarten erhalten würden. Dass das Einladungskonzept nachher nicht weiter verfolgt wurde, war durch die Einlei- tung des Ermittlungsverfahrens Mitte Februar 2006 veranlasst, der entsprechende Presseberichte vorausgegangen waren (UA S. 24). – Hinsichtlich der Vorgehensweise hat das Landgericht im Fall der an die baden-württembergische Umweltministerin G. versandten Weihnachtsgrußkarte gesehen, dass der handschriftliche Zusatz "Vielen Dank für die stets exzellente Zusammenarbeit" Indizwert für eine angestrebte Unrechtsvereinbarung haben könnte. Diesbezüglich hat das Landgericht freilich insbesondere - für den Senat bindend - festgestellt, dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt, zu dem er diese Worte niederschrieb , noch nicht wusste, ob der Umweltministerin überhaupt ein Präsent und gegebenenfalls welches ihr zugedacht war (UA S. 28, 38 f., 47). – Im Übrigen war die Vorgehensweise des Angeklagten nach der Wertung des Landgerichts nicht durch Verschleierung bzw. Heimlichkeit geprägt: Die Gutscheine wurden an die dienstlichen Adressen der Empfänger versandt (UA S. 44) und waren mit dem offiziellen WM-Sponsorenlogo der EnBW versehen (UA S. 13). Die Einladungen wären im Rahmen des geplanten Abgleichs der Einladungslisten zwischen der EnBW und dem Land Baden-Württemberg offen zu legen gewesen; nicht zuletzt hätte das öffentliche Auftreten der Empfänger als Gast des WM-Sponsors EnBW insoweit "Transparenz" bewirkt (UA S. 44). – Zur Beschaffenheit der Vorteile hat das Landgericht zum einen festgestellt, dass die Gutscheine "personengebunden und nicht übertragbar" waren (UA S. 13, 15). Zum anderen war, jedenfalls was die WM-Spiele in Stuttgart betrifft, für die Mitglieder der Landesregierung Baden-Württemberg der Wert der Eintrittskarten - unbeschadet der im Einzelnen schwierigen Berechnung - subjektiv gemindert. Denn die Mitglieder der Landesregierung hatten ohnehin freien Zugang "mit Begleitung jedenfalls" zu allen WM-Spielen in Stuttgart (UA S. 41).
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Bei alledem hat das Landgericht darüber hinaus erkennbar im Blick gehabt , dass es sich bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 um ein einzigartiges sportliches Großereignis für die Bundesrepublik Deutschland handelte, das mit einer Kooperation zwischen "höchster" Politik und Wirtschaft einherging. Eine organisierte Zusammenarbeit wurde von der Bundesregierung offiziell gefördert und entspricht bei derartigen Ereignissen weltweiten Gepflogenheiten.
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dd) Die gegen die Beurteilung durch das Landgericht gerichteten Beanstandungen der Revision greifen nicht durch.
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(1) Soweit die Revision die Beweiswürdigung angreift, indem sie - im Kern ihrer Ausführungen - einzelne Feststellungen anzweifelt, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf.
43
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Trifft er aufgrund der in der Hauptverhandlung angefallenen Erkenntnisse Feststellungen oder kann er wegen verbleibender Zweifel keine Feststellungen treffen, so ist dies durch das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Im Grundsatz gilt, dass allein das, was der Tatrichter festgestellt hat, bei der revisionsrechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen ist. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht Erkenntnisse anders gewürdigt oder dem Tatrichter verbleibende Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn dem Revisionsgericht vom Tatrichter getroffene Feststellungen "lebensfremd" erscheinen. Im Strafprozess gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (vgl. Senatsurt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07 - Rdn. 18 m.w.N.).
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Anderes gilt nur dann, wenn die Beweiswürdigung Rechtsfehler, etwa Lücken, Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen die Gesetze der Lo- gik oder gesicherte Erfahrungssätze, aufweist. Solche Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere beruhen die Feststellungen auch auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage, indem sie durch im Einzelnen benannte Beweismittel , namentlich durch die Angaben von Zeugen, belegt sind.
45
Näherer Betrachtung bedarf insoweit nur die festgestellte - von der Leiterin der Protokollabteilung der EnBW zeugenschaftlich bestätigte (UA S. 37) - Personengebundenheit und Nichtübertragbarkeit der Gutscheine:
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Diese Feststellung wird nach dem oben Gesagten durch die in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft vom 17. Juni 2008 enthaltenen Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe nicht in Frage gestellt. Das gilt sowohl für die Erwägung, dass auf den Gutscheinen - Gegenteiliges ist nicht festgestellt - der jeweilige Empfänger nicht bezeichnet gewesen sein dürfte, als auch für diejenige, dass die Personengebundenheit und Nichtübertragbarkeit "sich nicht von selbst versteht", nach Auffassung des Senats sogar wenig lebensnah anmutet. Die Feststellung scheint zwar deswegen zu kurz zu greifen, weil, wie die Generalstaatsanwaltschaft weiter ausgeführt hat, die Identität der zweiten (Begleit-)Person offen war und augenscheinlich von den näheren Angaben des Gutscheinempfängers abhing. Deshalb ist in Betracht zu ziehen, dass die zweite Eintrittskarte einer Person hätte zugute kommen können, die über das Kartenkontingent des Landes Baden-Württemberg nicht hätte begünstigt werden können. Ob, wie die Verteidigung in ihrem Schriftsatz vom 12. August 2008 (S. 20) geltend gemacht hat, in einem protokollarischen Sinne mit Begleitperson nur der Ehe- oder Lebenspartner des hochrangigen Amtsträgers gemeint gewesen sein könnte, kann der Senat jedoch offen lassen. In Anbetracht der übrigen Umstände kann er jedenfalls ausschließen, dass - nach der Beurteilung des Landgerichts - derartige als eher nebensächlich einzu- stufende Erwägungen zur Begleitperson für das Handeln des Angeklagten (mit-)bestimmend waren.
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(2) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe die für die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung sprechenden Indizien verkannt. Insbesondere hat es sich mit dem Beweiswert der dienstlichen Berührungspunkte auseinander gesetzt; des Weiteren hat es den Umstand berücksichtigt, dass die Gutscheinversendung nicht vorgesehener Teil des Sponsoring- und Einladungskonzepts war, sondern aufgrund einer autonomen Entscheidung des Angeklagten gleichsam im willkürlichen Vorgriff hierauf erfolgte und erst später mit diesem abgestimmt werden sollte. Schließlich hat das Landgericht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - die Gutscheinversendung nicht als transparente Vorgehensweise bewertet; vielmehr hat es lediglich ein auf Verschleierung oder Heimlichkeit gerichtetes Vorgehen des Angeklagten verneint.
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Die den Angeklagten erheblich belastenden Indizien mögen berechtigten Anlass dazu gegeben haben, gegen ihn Anklage zu erheben und sodann wegen der noch ungesicherten Rechtslage eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen. Dass sich das Landgericht trotz dieser belastenden Indizien nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte die Versendung der Gutscheine veranlasste, um etwaige dienstliche Tätigkeiten der bedachten Amtsträger zu honorieren oder zu beeinflussen, ist jedoch - gemäß dem oben Gesagten - nach revisionsrechtlichen Maßstäben hinzunehmen. Dass eine gegenteilige Überzeugung möglicherweise ebenso revisionsrechtlich unbeanstandet geblieben wäre, ändert hieran nichts. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Sander

(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.

(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.

(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.