Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2019 - 2 StR 462/18

bei uns veröffentlicht am13.03.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 462/18
vom
13. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2019:130319B2STR462.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Eschelbach, Meyberg, Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,
Rechtsanwältin in der Verhandlung als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Marburg vom 25. Mai 2018 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Nebenklägerin. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2
Die unverändert zugelassene Anklage legt dem Angeklagten Folgendes zur Last:
3
1. In einer nicht näher bestimmbaren Nacht im Juli 2005 habe der Angeklagte während eines Familienurlaubs die Nebenklägerin unter ihrer Kleidung an der Brust und im Intimbereich berührt, was diese nicht gewollt und versucht habe, den Angeklagten wegzuschubsen. Der Angeklagte habe sie aber von hinten an sich herangezogen und mehrere Finger in ihre Vagina eingeführt.
4
2. Im Dezember 2005 habe die Nebenklägerin in einer Gaststätte ein Praktikum absolviert, in der der Angeklagte gearbeitet habe. In dieser Zeit sei der Angeklagte in einer nicht näher bestimmbaren Nacht gegen 1:00 Uhr von hinten an die Nebenklägerin herangetreten, habe ihr zunächst über der Kleidung an die Brust gefasst und sie sodann mit Kraft in den Vorraum der Toilette gezogen. Dort habe er sie um den Körper gefasst, hochgehoben und gegen einen Tisch gedrückt, seine und ihre Hose heruntergezogen und ihr seinen Penis mit Gewalt in den After eingeführt. Der Angeklagte habe der Nebenklägerin dabei mit einer Hand in den Schritt gefasst und mit der anderen deren Hüfte ergriffen. Er sei in der Nebenklägerin zum Samenerguss gekommen. Die Nebenklägerin habe bis zum kommenden Tag andauernde Schmerzen gehabt sowie Hämatome an den Armen und Beinen.
5
Darüber hinaus lag dem Angeklagten zur Last, an einem Morgen im Mai oder Juni 2006 in seiner Wohnung auf der Couch mit der Geschädigten gegen deren Willen Analverkehr vollzogen zu haben, was der Angeklagte aber nach kurzer Zeit beendet habe, weil seine Ehefrau und deren Mutter von einem Ein- kauf zurückgekehrt seien. Insoweit hat das Landgericht das Verfahren „vorläufig“ gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StPOim Hinblick auf die übrigen Tatvorwürfe eingestellt.

II.

6
Das Landgericht hat sich keine Überzeugung davon zu bilden vermocht, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat. Zwar habe die Nebenklägerin in ihrer Aussage vor der Strafkammer die Vorwürfe bekräftigt. Auch habe deren aussagepsychologische Begutachtung die These einer intentionalen oder einer vollständig nicht-intentionalen Falschaussage nicht bestätigt. Gleichwohl seien nach der durchgeführten Beweisaufnahme erhebliche Zweifel verblieben; die bestreitende Einlassung des Angeklagten habe nicht widerlegt werden können.

III.

7
Die Revision der Nebenklägerin ist zulässig (§ 400 Abs. 1 StPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
8
1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
9
Zu Unrecht sieht die Revision einen Verstoß gegen § 171b Abs. 3 Satz 1 StPO darin, dass das Landgericht die Öffentlichkeit bei der Inaugenscheinnahme von Tonbandaufzeichnungen früherer Vernehmungen der Geschädigten – anders als bei deren Vernehmung in der Hauptverhandlung – nicht ausge- schlossen hat.
10
a) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO liegt nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt dieser voraus , dass unter Nichtanwendung oder Verletzung der Vorschriften über den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit öffentlich verhandelt worden ist (vgl.
nur BGH, Urteile vom 8. Februar 1957 – 1 StR 375/56, BGHSt 10, 202, 206 f.; vom 19. Dezember 2006 – 1 StR 583/06, NStZ 2007, 328).
11
b) Mit Blick auf eine Verletzung von Verfahrensrecht im Sinne des § 337 StPO kann der Senat ausschließen, dass der Freispruch des Angeklagten auf einem etwaigen Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 – 3 StR 512/93, NStZ 1994, 230 [K]). Im Übrigen sind Entscheidungen gemäß § 171b Abs. 1 und 2 GVG gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 aaO).
12
2. Soweit sich die Revision der Nebenklägerin mit der Sachrüge gegen die Beweiswürdigung wendet, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg.
13
a) Eingedenk des nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15, wistra 2017, 193; vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148, jeweils mwN) erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als nicht rechtsfehlerhaft. Dies gilt auch hinsichtlich der an die Würdigung des Beweisergebnisses zu stellenden besonderen Anforderungen, wenn, wie im vorliegenden Fall, Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben der Tatrichter folgt. Erforderlich sind insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung eines gegebenenfalls feststellbaren Aussagemotivs, sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben (Senat, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 2 StR 92/14, NStZ-RR 2015, 52; Urteil vom 7. März 2012 – 2 StR 565/11 mwN).Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. Senat, Urteil vom 21. Februar 2018 – 2 StR 431/17, NStZ-RR 2018, 151, 152 mwN).
14
b) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht.
15
(1) Das Landgericht hat die Aussage der Nebenklägerin in den Urteilsgründen umfassend dargestellt, einer kritischen Würdigung unterzogen und sie mit anderen Beweisergebnissen in Beziehung gesetzt. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher ausgeführt hat, konnte es dabei maßgeblich u. a. darauf abstellen, dass sich in der Aussage der Nebenklägerin im Hinblick auf die nicht eingestellten Taten relevante, sowohl das Kern- als auch das Randgeschehen betreffende Inkonstanzen fanden, dass die Angaben der Nebenklägerin zur zeitlichen Einordnung des dem Angeklagten in Ziff. 1 der Anklageschrift zur Last gelegten Tat als sicher widerlegt angesehen werden konnten, dass ihr eine genaue zeitliche Einordnung des Tatvorwurfs zu Ziff. 2 der Anklageschrift nicht möglich war und die Nebenklägerin zur Überzeugung des Landgerichts zu einem sexuellen Kontakt zu einem Zeugen aus ihrem Umfeld falsche Angaben machte. Insoweit hat das Landgericht auch bedacht, dass die Einlassung der Nebenklägerin, bei der Tat zu Ziff. 2 der Anklage 17 Jahre alt gewesen zu sein, mit objektiven Beweismitteln (Foto, Praktikumsnachweise) nicht in Übereinstimmung zu bringen war. Dass die Strafkammer sich eine hinreichende Überzeugung davon, dass der Angeklagte die Taten beging, nicht zu verschaffen vermochte, ist vor diesem Hintergrund nicht rechtsfehlerhaft. Vielmehr ist die Widerlegung der Aussage des einzigen Belastungszeugen hinsichtlich einzelner Taten oder Tatmodalitäten geeignet, dessen Glaubwürdigkeit in schwerwiegender Weise in Frage zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2014 – 4 StR 427/14, NStZ 2015, 602 mwN).
16
(2) Auch die Würdigung der Ergebnisse des von der Strafkammer eingeholten Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin lässt in diesem Zusammenhang Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht erkennen.
17
Schon das Gutachten hat hinsichtlich Ziff. 3 der Anklage jedenfalls „in Teilbereichen“ eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine nicht-intentionale Falschaussage der Nebenklägerin ergeben. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine von dem Gutachten der Sachverständigen , das es auch hinsichtlich der wesentlichen Anknüpfungstatsachen ausreichend wiedergibt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008,39; vom 24. Mai 2012 – 5 StR 52/12, NStZ 2012, 650 f.), abweichende eigene Beurteilung der Aussagekonstanz und den sich daraus für die Glaubhaftigkeit der Nebenklägerin ergebenden Folgerungen vorgenommen hat. Denn der Tatrichter ist nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) regelmäßig zu einer solchen eigenständigen Beurteilung verpflichtet (BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550, 551 mwN). Die Urteilsgründe belegen, dass sich die Strafkammer auch umfassend mit den Ausführungen der Sachverständigen auseinandergesetzt hat. Vor diesem Hintergrund hat sie ihre Auffassung, insoweit von der Sachverständigen abweichend, auch in den Fällen 1 und 2 der Anklage könne eine nicht-intentionale Falschaussage nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, tragfähig belegt.
18
(3) Die Würdigung weiterer, außerhalb der Aussage der Nebenklägerin liegender Beweisanzeichen lässt Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der Aussagen der Eltern der Nebenklägerin einerseits und der Ehefrau des Angeklagten andererseits sowie derjenigen der Zeugen G. und P. .
19
(4) Schließlich lassen die – insoweit allerdings knappen – Urteilsgründe auch die erforderliche Würdigung des gesamten Beweisstoffes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111) hinreichend erkennen. Dass das Landgericht das Gewicht des Beweisergebnisses insgesamt zum Vorteil des Angeklagten verkannt haben könnte, besorgt der Senat danach nicht.
Franke Eschelbach Meyberg Grube Schmidt

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2019 - 2 StR 462/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2019 - 2 StR 462/18

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2019 - 2 StR 462/18 zitiert 8 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 400 Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers


(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt. (2) De

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 171b


(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache

Strafprozeßordnung - StPO | § 336 Überprüfung der dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen


Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerd

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2019 - 2 StR 462/18 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2019 - 2 StR 462/18 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2011 - 1 StR 114/11

bei uns veröffentlicht am 10.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 114/11 vom 10. August 2011 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August 2011, an der teilgenommen haben: Vorsi

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2007 - 3 StR 412/07

bei uns veröffentlicht am 02.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 412/07 vom 2. Oktober 2007 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO ei

Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2012 - 2 StR 565/11

bei uns veröffentlicht am 07.03.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 565/11 vom 7. März 2012 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der sexuellen Nötigung Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom 7. März 2012, an der teilgenommen

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2006 - 1 StR 583/06

bei uns veröffentlicht am 19.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 583/06 vom 19. Dezember 2006 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember 2006, an de

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 5 StR 173/00

bei uns veröffentlicht am 20.06.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES 5 StR 173/00 URTEIL vom 20. Juni 2000 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni 2000, an der teilgenommen haben: Richterin Dr.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Mai 2012 - 5 StR 52/12

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

5 StR 52/12 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 24. Mai 2012 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2012 beschlossen: Auf die Revision d

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2018 - 2 StR 431/17

bei uns veröffentlicht am 21.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 431/17 vom 21. Februar 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2018:210218U2STR431.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in de

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2016 - 1 StR 104/15

bei uns veröffentlicht am 06.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 104/15 vom 6. September 2016 in der Strafsache gegen wegen Untreue ECLI:DE:BGH:2016:060916U1STR104.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 26. Juli

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2015 - 4 StR 420/14

bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 420/14 vom 12. Februar 2015 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar 2015, an der teilgenommen haben: Vorsitzende R

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2014 - 4 StR 427/14

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR427/14 vom 19. November 2014 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Nove

BGH 2 StR 92/14

bei uns veröffentlicht am 22.10.2014

Tenor Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 11. September 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2019 - 2 StR 462/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 2 StR 202/18

bei uns veröffentlicht am 04.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 202/18 vom 4. Juni 2019 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. ECLI:DE:BGH:2019:040619B2STR202.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbu

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2019 - 1 StR 270/19

bei uns veröffentlicht am 25.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 270/19 vom 25. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen Mordes ECLI:DE:BGH:2019:250719B1STR270.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers a

Referenzen

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 583/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Dezember 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 9. August 2006 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Der 1934 geborene, nicht vorbestrafte Angeklagte wurde wegen einer Reihe von Sexualdelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Tatopfer waren Enkelinnen seiner Lebensgefährtin. Die erste abgeurteilte Tat beging er 2001 zum Nachteil der 1988 geborenen V. R. , weitere Taten zwischen 2005 und 2006 zum Nachteil der 1999 geborenen Zwillinge S. und Sa. R. .
2
Seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos.
3
1. Der Angeklagte hatte zu Beginn der Hauptverhandlung den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt (§ 171b GVG). Die Strafkammer kam diesem Antrag weitgehend nach, jedoch wurde die Öffentlichkeit erst nach Verlesung der Anklageschrift und nicht bei der Urteilsverkündung ausgeschlossen.
4
Die Revision hält es unter Hinweis auf § 338 Nr. 6 StPO für rechtsfehlerhaft , dass die Öffentlichkeit nicht auch für die genannten Verfahrensabschnitte ausgeschlossen wurde. Die Rüge versagt schon im Ansatz:
5
a) § 338 Nr. 6 StPO ist nur einschlägig, wenn die Öffentlichkeit in ungesetzlicher Weise beschränkt worden ist, also nicht, wenn unter Nichtanwendung oder Verletzung der Vorschriften über den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit öffentlich verhandelt worden ist (st. Rspr., vgl. schon BGHSt 10, 202, 206 f.; vgl. auch Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 84 m.w.N.).
6
b) Im Übrigen sind Entscheidungen gemäß § 171b Abs. 1 und Abs. 2 GVG gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Dies gilt auch für solche Entscheidungen, durch die, wie hier, der Ausschluss der Öffentlichkeit in einem geringeren Umfang als beantragt beschlossen worden ist (BGH NStZ 1996, 243 m.w.N.).
7
2. Die Sachrüge bleibt ebenfalls erfolglos:
8
a) Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Soweit der Angeklagte im Fall C. I. der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil von V. R. ) auch wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde, liegen dem folgende Feststellungen zu Grunde: Der Angeklagte „packte“ die Geschädigte und „zog“ sie zu sich. Sie leistete „Widerstand“, indem sie ihn „wegdrückte“, er „zog sie jedoch wieder zu sich“, entblößte sie und schob seinen Finger in ihre Scheide. Dabei leistete die Geschädigte „keinen weiteren Widerstand“, sondern sie war „starr vor Angst“. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Revision, hieraus ergebe sich, dass der Angeklagte keine „Gewalt in Form von körperlichem Zwang zur Vorbereitung der eigentlichen sexuellen Handlung aufgewandt“ habe. Der Angeklagte hat gegen V. Gewalt zur Überwindung körperlichen Widerstands jedenfalls dadurch ausgeübt, dass er sie gegen ihr Sträuben - erneut - an sich heranzog, um an ihr sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dies hat auch der Generalbundesanwalt schon in seinem Antrag vom 15. November 2006 zutreffend näher ausgeführt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Auch im Übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.
9
b) Ebenso hält auch der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung stand.
10
(1) Dies gilt auch, soweit die Strafkammer die Möglichkeit einer erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint hat.
11
Wie der Generalbundesanwalt hierzu im Ansatz zutreffend ausführt und belegt, ist eine nähere Erörterung der Schuldfähigkeit zwar nicht bei jedem Täter geboten, der - wie der Angeklagte - jenseits einer bestimmten Altersgrenze erstmals Sexualstraftaten begeht. Sie kann aber dann angezeigt sein, wenn weitere Besonderheiten bestehen, die auf eine für die Beurteilung der Schuldfähigkeit relevante Möglichkeit altersbedingter Enthemmtheit hinweisen. Solche Besonderheiten - so der Generalbundesanwalt - lägen hier vor. Die Strafkammer habe zwar ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte „geistig und körperlich gesund“ sei, aber auch, dass er “seit etwa anderthalb Jahren impotent“ sei.
12
Der Senat sieht keinen Rechtsfehler.
13
Die Strafkammer, die sich der Bedeutung des Alters des Angeklagten und seiner bisherigen Straflosigkeit für die Strafzumessung erkennbar bewusst war, stellt ausdrücklich fest, dass der Angeklagte „gesund“ sei. Eine hiergegen gerichtete Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Besonderheiten, die die Annahme von Gesundheit ohne weitere Darlegung schon aus sachlich-rechtlichen Gründen als lückenhaft erscheinen lassen könnten (vgl. die in BGH NStZ 1999, 297 im Einzelnen aufgeführten und belegten Beispiele für derartige Besonderheiten; vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 38, wo der Angeklagte seit vielen Jahren wegen einer Nervenkrankheit medikamentös behandelt werden musste), sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche Besonderheiten nicht aus der festgestellten Impotenz.
14
(2) Auch die Ausführungen der Revision vermögen die Möglichkeit eines Rechtsfehlers nicht zu verdeutlichen. Die Revision verkennt, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, den Strafrahmen, der sich aus der Angabe der einschlägigen Strafvorschriften ergibt, auch noch zahlenmäßig zu bezeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 1 StR 190/06; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 792). Dies gilt auch dann, wenn sich der anzuwendende Strafrahmen , wie hier im Fall der Tat zum Nachteil von V. R. , aus § 52 Abs. 2 StGB ergibt.
15
(3) Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Elf

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 104/15
vom
6. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
ECLI:DE:BGH:2016:060916U1STR104.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 26. Juli 2016 in der Sitzung am 6. September 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung vom 26. Juli 2016 –, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung am 6. September 2016 – als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich – bei der Verkündung am 6. September 2016 –, Rechtsanwalt , Rechtsanwalt , Rechtsanwältin als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30. Mai 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Untreue durch Unterlassen (Ziffer III. der Anklage) freigesprochen wurde.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Untreue in zwei Fällen, einmal in Tateinheit mit Anstiftung zur Untreue, und der Untreue durch Unterlassen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die, gestützt auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts, vor allem die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet.
2
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

I.

3
Mit der zugelassenen Anklage vom 28. März 2011 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten folgende Taten zur Last gelegt:
4
1. Der Angeklagte habe als Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG im Frühjahr 2003 den Zeugen G. , den damaligen Leiter der zentralen kaufmännischen Abteilung des Geschäftsbereichs „P. T. a. D. “ (im Folgenden: PTD),angewiesen, den Zeugen M. zu Zahlungen in Höhe von 9,5 Mio. USD aus einer von diesem verwalteten schwarzen Kasse zu veranlassen. Damit sollen Schmiergelder an die Regierung Argentiniens geleistet worden sein; anschließend sei die schwarze Kasse wieder aufgefüllt worden (Ziffer II.2.a und b der Anklage).
5
2. Des Weiteren soll der Angeklagte Ende 2003 den Zeugen K. erfolgreich angewiesen haben, 4,7 Mio. USD als Schmiergeld an einen argentinischen Unternehmer namens S. zu zahlen (Ziffer II.2.c der Anklage).
6
3. Ferner liegt dem Angeklagten zur Last, in Kenntnis vom Fortbestehen einer schwarzen Kasse der Landesgesellschaften (im Folgenden: LGs) des Siemens-Konzerns in Südamerika mit einem Guthaben von ungefähr 35 Mio. USD nichts zu deren Auflösung und zur Rückführung der Gelder unternommen zu haben (Ziffer III. der Anklage).

II.

7
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
8
1. Der Angeklagte war seit 1978 im Siemenskonzern tätig, wobei er unter anderem von 1991 bis 1996 die Position eines Chief Executive Officer (im Folgenden : CEO) der LG Kolumbien innehatte. 1996 kehrte der Angeklagte als Bereichsvorstandsvorsitzender des Geschäftsbereichs Energieversorgung, welcher später in „P. T. a. D. “, PTD, umbenannt wurde, nach Deutschland zurück. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2000 wurde er in den Vorstand der Siemens AG berufen und zugleich Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG. In dieser Funktion war der Angeklagte für die Geschäftsbereiche PTD und Power Generation sowie als Betreuer für die Region „Amerika“ für die Länder Nord-,Mittel- und Südamerikas zuständig. Daneben war er von Dezember 2000 bis September 2003 Mitglied des Verwaltungsrats der LG Argentinien und vom 27. August 2007 bis 27. Februar 2008 Aufsichtsratsvorsitzender der LG Kolumbien. Zum 31. Dezember 2007 schied der Angeklagte aus der Siemens AG aus.
9
2. Die Siemens AG ist in vertikaler Ebene in Geschäftsbereiche, wie z.B. den Geschäftsbereich PTD, selbständige Geschäftsgebiete und Bereiche mit eigener Rechtsform, wie z.B. die Siemens Business Services GmbH & Co. OHG (im Folgenden: SBS), untergliedert, und horizontal nach Regionen strukturiert , wobei die LGs jeweils juristisch selbständige Gesellschaften sind, die von deren jeweiligen Organen geführt werden. Geleitet wird die Siemens AG durch den Vorstand bzw. den aus Vorstandsmitgliedern bestehenden Zentralvorstand , deren Aufgaben in der Geschäftsordnung für den Vorstand der Siemens AG vom 24. Juli 2002 (im Folgenden: GeschO) normiert sind. Die Vorstandsmitglieder sind danach unter anderem gemäß § 2 Ziff. 2 GeschO dazu verpflichtet, für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen und darauf auch bei den Konzernunternehmen hinzuwirken, sowie das operative Geschäft zu überwachen. Gemäß § 10 Ziff. 1 GeschO werden ferner einzelnen Mitgliedern des Zentralvorstandes Betreuungszuständigkeiten für einen oder mehrere Geschäftsbereiche der Siemens AG zugeordnet, deren Belange sie wahrnehmen und den Zentralvorstand ihnen gegenüber vertreten müssen. Weisungen des Betreuers sind gegenüber den entsprechenden Bereichsvorständen gemäß § 10 Ziff. 2 GeschO bindend. Entsprechend der horizontalen Strukturierung der Siemens AG gibt es ferner regionale Betreuungszuständigkeiten für die verschiedenen Regionen, wobei der Angeklagte für den Bereich „Amerika“ zuständig war.
10
3. Anfang 1998 erhielt die SBS als Generalunternehmerin gemeinsam mit diversen Subunternehmen den Zuschlag für das DNI-Projekt in Argentinien. Dieses Projekt hatte unter anderem die Herstellung und Verteilung von fälschungssicheren Pässen und Ausweisen für die argentinische Bevölkerung zum Gegenstand. Kurz vor Zuschlag war die Ma. S.A. (im Folgenden: Ma. ) – ein Subunternehmen, das zu einer Projektgruppe bestehend aus den in Argentinien lebenden Unternehmern S. , C. und So. gehörte – gegen die Gesellschaft A. ausgetauscht worden. Nach einem Regierungswechsel in Argentinien 1999 geriet das DNI-Projekt ins Stocken. Schließlich kündigte die neue argentinische Regierung nach gescheiterten Vertragsverhandlungen den DNI-Projektvertrag am 18. Mai 2001. Da das SBSKonsortium erheblich in Vorleistung gegangen und dem Siemens-Konzern ferner ein beträchtlicher Gewinn entgangen war, leitete die Siemens AG ein Schiedsverfahren auf Schadensersatz in Höhe von 500 Mio. USD vor der Weltbank in Washington D.C., USA, ein. 2007 wurde der Staat Argentinien in diesem Schiedsverfahren zu einer Entschädigung in Höhe von 200 Mio. USD verurteilt.
11
a) Im Zusammenhang mit dem DNI-Projekt machte S. diverse Forderungen geltend, unter anderem auch solche mit korruptivem Hintergrund. Es bestanden nämlich sowohl Schmiergeldvereinbarungen mit der alten Regierung um Präsident Me. als auch Schmiergeldforderungen der neuen Regierung um Präsident D. . Letztlich kam es zu keiner Einigung.
12
Im März oder April 2003 suchte G. , der kaufmännische Leiter von PTD, den kaufmännischen Abteilungsleiter bei PTD St. , auf und teilte diesem mit, dass er im Auftrag des Angeklagten circa 7 Mio. EUR über die in Dubai ansässige Gesellschaft des M. , I. , nach Südamerika transferieren solle, PTD jedoch einen Ausgleich erhalten werde. In der Folge wurden gut 7 Mio. EUR mit Hilfe von Scheinrechnungen von PTD an die I. ausgeleitet, wobei PTD nachträglich intern von SBS einen Ausgleich in Höhe von 9,6 Mio. EUR erhielt.
13
b) Da S. sich weiterhin beklagte, dass ihm durch den Austausch der Ma. ein Schaden in Höhe von circa 5 Mio. USD entstanden sei, traf sich der Angeklagte im November 2003 mit S. und vereinbarte mit diesem, dass S. eine Rechnung in Höhe von 4,7 Mio. USD über K. , den damaligen CEO der LG Argentinien, an die SBS leiten solle, damit die Berechtigung dort geprüft werden könne. Mit dieser Zahlung müssten laut dem Angeklagten allerdings auch sämtliche Ansprüche aus dem DNI-Projekt beglichen sein. Ohne weitere Prüfung und auch ohne weitere Involvierung des Angeklagten wurden sodann die von S. im Dezember 2003 an K. übergebenen acht Rechnungen mit einem Gesamtbetrag über 4,7 Mio. USD am 21. Januar 2004 beglichen. Dennoch stellte die Mf. am 15. März 2005 einen Antrag bei der Züricher Handelskammer auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gegen SBS zwecks Zahlung von gut 22 Mio. USD aus dem Mf. -Vertrag vom 3. Januar 2001 bzw. der Miami-Vereinbarung vom 6. Juli 2001, das letztlich am 11. Dezember 2006 durch Vergleich endete, der die SBS zur Zahlung von 8,8 Mio. USD verpflichtete.
14
4. Die schwarze Kasse der Regionalgesellschaft (im Folgenden: RG) An. wurde mittels von der zentralen Finanzabteilung der Siemens AG ausgestellter Verrechnungsschecks befüllt. Hierzu führte die zentrale Finanzabteilung neben den offiziellen Verrechnungskonten für die LGs auch noch inoffizielle Konten, die in der Bilanz der LGs jeweils nicht erschienen, jedoch auf Seiten der Siemens AG ordnungsgemäß gebucht wurden. Verfügungsberechtigt über die Konten der schwarzen Kasse war jeweils der Regionalleiter der RG An. und eine zweite Person aus dem kaufmännischen Bereich, in der Regel der Chief Financial Officer der LG Kolumbien. Diese führten die Konten der schwarzen Kasse nach eigenem Gutdünken ohne irgendeine Kontrolle. Von 1991 bis 1996 verwaltete der Angeklagte diese schwarze Kasse als Regionalleiter und war daher auch mit ihrer Befüllung über die inoffiziellen Verrechnungskonten der Siemens AG vertraut. Bei seinem Ausscheiden 1996 belief sich das Guthaben der schwarzen Kasse auf mindestens 35 Mio. USD. Sie wurde von seinen Nachfolgern T. , Ko. und Co. in gleicher Weise fortgeführt. Noch Ende 2004 rief der damalige Regionalleiter Co. – durch eine Bilanzbeschwerde betreffend die inoffiziellen Verrechnungskonten, die sog. Bilanzbeschwerde „Lombana“, alarmiert – 1,59 Mio. USD von den inoffizi- ellen Verrechnungskonten bei der zentralen Finanzbuchhaltung ab und führte diese mittels Verrechnungsschecks der schwarzen Kasse zu. Erst Ende 2006 offenbarte Ko. gegenüber dem Ombudsmann der Siemens AG die schwarzen Kassen, so dass diese schließlich 2008 aufgelöst und die verbliebenen Gelder in Höhe von 23,9 Mio. USD an die Siemens AG zurückgeführt wurden. Bereits seit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung von 1998 und vor allem durch die Listung der Siemensaktie an der New York Stock Exchange im März 2001 hatte eine tiefgreifende Umstrukturie- rung der Buchführung und Bilanzierung bei der Siemens AG stattgefunden. Es wurde – unterstützt durch den Aufbau einer entsprechenden ComplianceAbteilung – vermehrt darauf geachtet, dass keine schwarzen Kassen mehr existierten.

III.

15
Das Landgericht hat den Angeklagten, der die Tatvorwürfe im Ermittlungsverfahren bestritten hatte, sich in der Hauptverhandlung aber nicht zur Sache eingelassen hat, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
16
1. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte mit den Zeugen Tr. und Ste. über die Leistung von Schmiergeldzahlungen gesprochen und den Zeugen Tr. mit der Klärung der offenen DNI-Forderungen betraut hatte. Zwar habe der Zeuge Tr. laut Aussage der Ermittlungsbeamtin B. in der Beschuldigtenvernehmung vom 11. November 2010 angegeben, dass der Angeklagte immer über das Vorgehen von ihm und Ste. Bescheid gewusst, ihn sogar angewiesen hätte, die Forderungen zu begleichen, und ihn an G. verwiesen hätte.
17
a) Das Landgericht hielt die Angaben des Zeugen für zum Teil in sich widersprüchlich. So habe Tr. z.B. in seiner Beschuldigtenvernehmung behauptet , dass er keinen richtigen Überblick über die die Zahlungen betreffenden Verträge gehabt habe, es vielmehr nur seine Aufgabe gewesen sei, den Betrag herunterzuhandeln. In seinen Zeugenerklärungen im Mf. -Schiedsverfahren habe Tr. dagegen angegeben, dass er die auf Siemens-Seite am besten informierte Person gewesen sei. Auch widersprächen die Angaben des Tr. teilweise denen der anderen Zeugen. Während Tr. den Zeugen Bu. als aktiven Part und offen für „nützliche Aufwendungen“ geschildert habe, habe Bu. in seiner Zeugenaussage in der Hauptverhandlung angegeben, dass Tr. , Ste. und Bo. zwar mehrfach an ihn wegen Schmiergeldforderungen herangetreten seien, er derartige Zahlungen jedoch strikt abgelehnt habe. Da sich das Landgericht in der Hauptverhandlung keinen eigenen Eindruck von den Zeugen Tr. , Ste. und Bo. habe machen können, hätten diese Widersprüche nicht aufgeklärt werden können. Dies habe auch nicht mit Hilfe der Zeugin B. gelingen können, die die Beschuldigtenvernehmung des Tr. am 11. November 2010 geführt, jedoch die besagten Widersprüche nicht thematisiert, sondern vielmehr nur eine Bestätigung des „Tatbeteiligungsberichts des Bayerischen LKA“ vom 31. August 2009 gesucht habe. Unklar sei ferner Tr. s Motivation für seine widersprüchlichen Aussagen. Der Zeuge Dr. Sc. habe diesbezüglich eigene Bereicherungsabsichten des Tr. vermutet.
18
Da auch das Aussageverhalten des Zeugen Ste. in seinen Beschuldigtenvernehmungen vom 25. Juni 2008, 19. August 2008 und 19. Januar 2009 laut der Vernehmungsbeamtin RiLG Stef. in sich widersprüchlich und nicht konstant gewesen sei, so dass er insbesondere viele Punkte aus dem Gesprächs -Vermerk der Zeugin Am. aus dem Mf. -Schiedsverfahren als unzutreffend dargestellt habe, habe auch dieses hierzu keinen Erkenntnisgewinn geliefert. Letztlich habe das Landgericht nicht einmal feststellen können, ob die 18 Mio. USD an die Projektgruppe um S. sowie das argentinische Innenministerium tatsächlich gezahlt worden seien.
19
Auch die von Tr. im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung übergebene Dokumenten-Sammlung habe keinen Aufschluss bieten können, da für das Landgericht nicht feststellbar gewesen sei, ob es den darin enthaltenen E-Mail-Wechsel mit dem Angeklagten überhaupt gegeben habe oder ob die Dokumente vielmehr Ergebnis einer Manipulation gewesen seien. Diese hätten nämlich einige Auffälligkeiten wie z.B. Querstriche oder dem Landgericht nicht erklärliche Zeitangaben aufgewiesen. Einen Hilfsbeweisantrag der Staatsanwaltschaft auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der E-Mail-Verkehr nicht nachträglich erstellt wurde, und Schreibfehler bei der Datumsangabe im E-Mail-Header vom 18. März 2005 auf softwarebedingter fehlerhafter Umsetzung des Umlautes „ä“ beruhen, lehn- te das Gericht mit der Begründung ab, dass ein Sachverständigengutachten hier ungeeignet sei, da es bei den von Tr. vorgelegten Blättern an entsprechenden Anknüpfungstatsachen gefehlt habe. Ferner wäre die Kammer selbst ohne Schreibfehler, Querstriche und Datumsangaben aufgrund der ungeklärten Hintergründe der Schriftstücke nicht davon ausgegangen, dass die E-Mails authentisch sind.
20
b) Dem Landgericht war es aus seiner Sicht außerdem nicht möglich, Einzelheiten zu den S. -Forderungen, insbesondere inwieweit diese einen korruptiven Hintergrund hatten und inwieweit sie berechtigt waren, aufzuklären. Weder aus den Zeugenaussagen noch aus den sonstigen Beweismittelnließe sich entnehmen, wie hoch der Entschädigungsanspruch der Ma. gewesen sei und wie hoch die Schmiergeldforderungen.
21
c) Ferner habe nicht festgestellt werden können, dass der Angeklagte den Zeugen G. im Jahr 2003 zweimal kontaktiert und angewiesen habe, für SBS Zahlungen aus einer von M. für PTD verwalteten schwarzen Kasse nach Argentinien zu leisten und die schwarze Kasse dann wiederum mit Mitteln von PTD erneut zu befüllen. Der Zeuge G. habe in der Hauptverhandlung bereits nicht bestätigt, dass der Angeklagte ihn diesbezüglich zweimal angesprochen habe. Vielmehr habe der Angeklagte ihn nur einmal im Frühjahr 2003 um Hilfe gebeten, wobei die Bitte nicht auf eine Zahlung aus einer schwarzen Kasse gerichtet gewesen sei. Der Angeklagte habe ihn auch nicht veranlasst, Gelder von PTD in eine schwarze Kasse auszuleiten. G. habe gar nicht gewusst, dass M. eine schwarze Kasse für PTD verwaltete, sondern sei davon ausgegangen, dass M. aufgrund seiner legalen Firmen in Dubai helfen könne. Diese Angaben hätten der Aussage widersprochen, die M. in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 11. Juni 2008 gemacht habe. Hier habe M. laut der Vernehmungsbeamtin B. vor allem angegeben, dass es zwei Zahlungsanfragen von G. gegeben habe. Diese und andere Widersprüche seien jedoch im Ermittlungsverfahren nicht thematisiert worden und hätten, da Tr. und M. nicht zur Hauptverhandlung erschienen seien, auch vom Gericht nicht aufgeklärt werden können. Da auch die Zeugen St. , May. , Al. und E. nur angegeben hätten, dass sie zu dem Angeklagten bezüglich der Geldausleitungen bei PTD nie Kontakt gehabt hätten , war eine – wie von der Staatsanwaltschaft behauptete – Involvierung des Angeklagten in diese Vorgänge für das Landgericht nicht feststellbar. Vielmehr läge es laut dem Landgericht nahe, dass G. sich bei den M. -Zahlungen nur „die Autorität des Angeklagten geliehen“ habe (UA S. 287).
22
d) Mangels entsprechender Unterlagen konnte sich das Landgericht noch nicht einmal davon überzeugen, dass es überhaupt Zahlungen in Höhe von insgesamt 9,5 Mio. USD an die Firmen des M. , Ch. Ltd. bzw. R. Ltd., gab. Auch diesbezüglich seien die Widersprüche in den Zeugenaussagen nicht aufklärbar, da sich das Gericht weder von M. noch von Tr. ein eigenes Bild in der Hauptverhandlung habe machen können.
23
e) Für eine verbindliche Zahlungsanweisung des Angeklagten zur Zahlung von 4,7 Mio. USD seitens SBS zu einem Zeitpunkt, als das DNI-Projekt bereits gescheitert war, konnte das Landgericht bereits kein Motiv des nicht für die SBS zuständigen Angeklagten erkennen. Die Zeugen Re. , Met. und But. hätten die Involvierung des Angeklagten in die Zahlung ausgeschlossen.
24
2. Von der Kenntnis des Angeklagten vom Fortbestand der schwarzen Kasse konnte sich das Landgericht ebenfalls nicht überzeugen.
25
a) Es habe bereits keine Feststellungen dazu treffen können, dass es tatsächlich mehrfach „Hilferufe“ des Zeugen Co. beim Angeklagten nach Übernahme der schwarzen Kasse hinsichtlich der Rückführung des Guthabens gegeben habe. Die Angaben des Zeugen Co. in der Hauptverhandlung hätten bezüglich der Anzahl der Gespräche mit dem Angeklagten, in denen Co. diesen um Hilfe gebeten haben will, geschwankt. Das Landgericht hielt die Aussage des Zeugen Co. nicht für glaubhaft. Insbesondere habe der Zeuge für das Landgericht nicht plausibel darlegen können, warum er sich nicht direkt nach Übernahme der schwarzen Kasse um deren Rückführung bemüht habe. Zu diesem Zeitpunkt hätte ihm kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden können. Ferner spreche die Tatsache, dass Co. im Zusammenhang mit der Bilanzbeschwerde „Lombana“ die schwarze Kasse erneut mit 1,59 Mio. USD befüllt habe, gerade nicht für die Absicht, diese aufzulösen. Die Angaben Co. s seien schließlich auch nicht durch sonstige Beweismittel gestützt worden. Insbesondere der Zeuge Pr. habe keine eigene Wahrnehmung bezüglich der angeblichen Gespräche des Co. s mit dem Angeklagten gehabt, sondern habe von diesen nur vom Hörensagen über Co. gewusst.
26
b) Das Landgericht konnte auch nicht feststellen, dass der Angeklagte anderweitig Kenntnis von der schwarzen Kasse der RG An. im anklagegegenständlichen Zeitraum erlangt hat. Zwar habe er diese von 1991 bis 1996 als Regionalleiter der RG An. selber geführt, doch hätten für das Landgericht keine Anhaltspunkte dahingehend bestanden, dass der Angeklagte im Anklagezeitraum von deren Fortbestehen wusste. Vielmehr habe es in der Zwischenzeit zwei Zäsuren in Form der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung 1998 und des Börsengangs der Siemens AG 2001 gegeben , aufgrund derer die Compliance-Struktur bei Siemens enorm ausgebaut worden sei, so dass der Angeklagte nach Auffassung des Landgerichts keine Indizien für den Fortbestand der schwarzen Kasse gehabt habe.

IV.

27
Die Revision gegen den Freispruch hinsichtlich der Untreue durch Unterlassen bezüglich der schwarzen Kasse (Ziffer III. der Anklage) hat bereits auf die Sachrüge hin Erfolg, denn die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dies führt zu einer Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht und zu einer erneuten umfassenden Sachprüfung in diesem Punkt.
28
1. Der Aufhebung des Freispruchs und der Zurückverweisung der Sache insoweit steht ein zur Verfahrenseinstellung führendes Verfahrenshindernis nicht entgegen.
29
Entgegen der Auffassung der Verteidigung liegt kein durch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit in Kombination mit einer Verletzung des Akteneinsichtsrechts und einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung des Verfahrens begründetes Verfahrenshindernis vor.
30
Ein Verfahrenshindernis wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Die Umstände müssen dabei so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (vgl. BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 – 3 StR 104/87, BGHSt 35, 137, 140; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 f. mit zahlr. w.N. und vom 11. August 2016 – 1 StR 196/16 Rn. 6; siehe auch Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl., Einl. Rn. 353 und Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., Einl. K. Rn. 37 mwN). Bei bloßen Verfahrensfehlern wird dies in der Regel nicht der Fall sein. Der Gesetzgeber sieht selbst bei einem Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO keinen Anlass, ein Verfahrenshindernis anzunehmen, sondern legt in § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO nur ein (nicht disponibles) Verwertungsverbotfest (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159). Für den Fall der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zuletzt unter sehr hohen Anforderungen und unter Beru- fung darauf, dass dies bei der „schonenden Einpassung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in das nationale Rechts- system“ erforderlich sei, ein Verfahrenshindernisbejaht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276; vgl. aber auch Senat, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238). Diese Entscheidung kann jedoch nicht ohne Weiteres auf andere Verfahrensfehler übertragen werden. Ein durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in außergewöhnlichen Einzelfällen, in denen eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen der Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr in Betracht kommt, zu einem Verfahrenshindernis führen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 171; vgl. auch Meyer-Goßner, Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse, 2011, S. 5 ff.).
31
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier offensichtlich nicht vor. Selbst die Kombination einer Verfahrensverzögerung mit einer fehlerhaften Aktenführung seitens der Staatsanwaltschaft wiegt nicht derart schwer, dass sich eine Entscheidung in der Sache verbietet. Der Senat kann offen lassen, ob das Hinzutreten von Fehlern in der Aktenführung bei gravierenden Verfahrensverzögerungen ein Verfahrenshindernis entstehen lassen könnte. Bei der hier gegebenen Sachlage lässt sich die Verzögerung des Verfahrens, die nicht einmal in der Nähe eines Verfahrenshindernisses angesiedelt werden kann, unter Beachtung der Regelungen der §§ 199, 198 GVG (vgl. hierzu Graf in BeckOK-StPO, Ed. 26, § 199 GVG Rn. 8 ff.) ausreichend kompensieren. Die unzureichende Aktenführung kann ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen der Beweiswürdigung Belang gewinnen kann.
32
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich jedoch als rechtsfehlerhaft. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung gelten folgende Maßstäbe:
33
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZRR 2015, 178). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16 mwN). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). EineBeweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Beweiswürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314 mwN). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513). Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit , dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238). Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2016 – 1 StR 607/15). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN).
34
3. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil bezüglich des Tatvorwurfs der Untreue durch Unterlassen nicht gerecht. Das Landgericht hat insoweit überspannte Anforderungen an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit hinsichtlich des auf die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens und des daraus resultierenden Vermögensnachteils bezogenen Vorsatzes des Angeklagten gestellt.
35
Angesichts der Feststellungen des Landgerichts, dass der Angeklagte die schwarze Kasse der RG An. von 1991 bis 1996 selbst führte und auch das bei der zentralen Buchhaltung von Siemens etablierte System der inoffiziellen Verrechnungskonten zur Abverfügung von Geldern in schwarze Kassen kannte und durch die Bilanzbeschwerde „Lombana“ einen Hinweis auf den Fortbestand der inoffiziellen Verrechnungskonten und damit auf den Fortbestand der schwarzen Kasse erhalten hatte, hat das Landgericht nicht tragfähig begründet, warum die Kenntnis des Angeklagten von der schwarzen Kasse nachträglich entfallen sein soll. Insbesondere hatte die Einrichtung von Compliance -Strukturen bei der Siemens AG keinen direkten Bezug zu der schwarzen Kasse der Landesgesellschaften der Region An. . Diese Erwägung des Landgerichts bleibt hypothetisch und zeigt lediglich eine abstrakte Möglichkeit auf, die den Angeklagten zu der Annahme einer Rückführung der schwarzen Kasse veranlasst haben könnte. Es liegt nach den Feststellungen des Landgerichts bezüglich der juristischen Selbstständigkeit der Landesgesellschaften nicht ohne Weiteres nahe, dass sich entsprechende Maßnahmen bei der Siemens AG auch automatisch bei den Landesgesellschaften auswirkten. Allein mit der allgemeinen Erwägung der Einführung eines Compliance-Systems konnte vor diesem Hintergrund der Vorsatz des Angeklagten durch das Landgericht nicht tragfähig verneint werden.
36
4. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Untreue durch Unterlassen kann hier auch nicht von vorneherein aus Rechtsgründen ausgeschlossen werden. Denn die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der Siemens AG ergibt sich spätestens seit 1. Oktober 2000 aus seiner Stellung als Mitglied des Zentralvorstands. Zwar stellt nicht jedes Unterhalten einer schwarzen Kasse bzw. deren mangelnde Auflösung eine Untreue im Sinne des § 266 StGB dar, sondern nur, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu einem Vermögensnachteil der Treugeberin kommt (vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100 und vom 29. August 2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323). Zur Klärung, ob im vorliegenden Fall ein Ver- mögensnachteil der Siemens AG eingetreten ist, wird die neue Wirtschaftsstrafkammer in den Blick zu nehmen haben, ob die Siemens AG direkten Zugriff auf die Gelder der schwarzen Kasse hatte. Andernfalls wird der neue Tatrichter – gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen oder im Wege der Schätzung – bestimmen müssen, inwieweit eine Wertminderung der Anteile an den Tochtergesellschaften durch die mangelnde Rückführung der schwarzen Kasse eingetreten ist.
37
Einer Verurteilung wegen Untreue durch Unterlassen zum Nachteil der Siemens AG im Zeitraum Oktober 2000 bis zum Ausscheiden des Angeklagten im Dezember 2007 stünde dabei nicht entgegen, dass das Unterlassen in der Anklageschrift nur den Zeitraum ab Frühjahr 2004 erfasste und als Untreue zum Nachteil der Landesgesellschaften gewertet wurde. Hierbei handelt es sich um dieselbe prozessuale Tat im Sinne von § 264 StPO, denn darunter fallen alle mit dem in der Anklage enthaltenen Lebensvorgang zusammenhängenden und darauf bezogenen Vorkommnisse, auch wenn sie nicht explizit in der Anklage Erwähnung finden. Ein zeitliches Zusammentreffen der einzelnen Handlungen ist weder erforderlich noch ausreichend (BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 542/11, NStZ-RR 2012, 355). Dies gilt insbesondere beim Unter- lassen, bei dem daher auf den sachlichen Zusammenhang abzustellen ist (BGH, Urteil vom 1. September 1994 – 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46). Ein derartiger Zusammenhang liegt hier vor. Ausdrücklich angeklagt war das Verschweigen der schwarzen Kasse der RG An. ab Frühjahr 2004 zum Nachteil der Landesgesellschaften. Jedoch ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen, dass der Angeklagte bereits seit 2000 Mitglied des Zentralvorstands war und ihn daher bereits spätestens seit diesem Zeitpunkt eine entsprechende Aufklärungspflicht gegenüber der Siemens AG traf. Zäsuren, die diese Pflicht zwischenzeitlich entfallen ließen, sind nicht ersichtlich. Die unterlassene Rückführung einer schwarzen Kasse stellt ein Dauerdelikt dar, das grundsätzlich erst mit Auflösung der schwarzen Kasse (BGH, Urteil vom 29. August 2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 339) oder – im hiesigen Fall mit Ausscheiden des Angeklagten aus der Siemens AG im Dezember 2007 – beendet ist.

V.

38
Der Freispruch bezüglich der Untreuevorwürfe im Zusammenhang mit den Schmiergeldzahlungen (Ziffern II.2. a-c der Anklage) hat dagegen Bestand.
39
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
40
a) Der von der Revision beanstandete Verstoß der fehlerhaften Ablehnung des Hilfsbeweisantrags liegt nicht vor. Die Staatsanwaltschaft hat in der Hauptverhandlung einen Hilfsbeweisantrag dahingehend gestellt, dass, falls das Gericht nicht ohnehin zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der vom Zeugen Tr. vorgelegte E-Mail-Verkehr authentisch ist und nicht erst nachträglich erstellt wurde, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt werde. Dies sollte dem Nachweis dienen, dass der E-Mail-Verkehr des Zeugen Tr. nicht nachträglich erstellt wurde und dass ein Schreibfehler in der Datumsangabe des Headers der E-Mail des Zeugen Tr. vom 18. März 2005 auf einer softwarebedingten fehlerhaften Umsetzung des Umlautes „ä“ beruhte. Das Landgericht hat den Antrag rechtsfehlerfrei mit der Begründung abgelehnt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei vorliegend ungeeignet, da es an Anknüpfungstatsachen, die eine sachverständige Begutachtung ermöglichen , fehle, weil lediglich die vom Zeugen Tr. übergebenen Blätter vorlägen. Allein aus diesen Dokumenten könne auch ein Sachverständiger nicht die unter Beweis gestellten Rückschlüsse ziehen. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei dem Schreibfehler im Header um eine softwarebedingte fehlerhafte Umsetzung handelte, habe es ferner an den Anknüpfungstatsachen, nämlich welche Software und welche Rechner verwendet worden seien, gefehlt.
41
b) Die Aufklärungsrüge, dass eine Beiziehung und Inaugenscheinnahme der vom Zeugen Tr. übergebenen Dokumente im Original hätte stattfinden müssen, dringt ebenfalls nicht durch. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Landgericht betonte, dass es aus dem Schreibfehler keinerlei Rückschlüsse auf die Authentizität des vom Zeugen Tr. vorgelegten E-Mail-Verkehrs ziehe und, selbst wenn die Dokumente keinerlei Schreibfehler oder Auffälligkeiten enthalten hätten, aufgrund der ungeklärten Hintergründe dieser Schriftstücke oder Kopien nicht davon ausgegangen wäre, dass die E-Mails authentisch und nicht nachträglich erstellt sind, ergibt sich, dass es sich dem Landgericht nicht aufdrängen musste, diese Dokumente in Augenschein zu nehmen.
42
c) Auch die Aufklärungsrüge, mit der die Revision die mangelnde Vernehmung der Zeugin Th. zu übergebenen E-Mail-Ausdrucken beanstandet , greift nicht durch.
43
Diese Rüge ist bereits unzulässig, da der Inhalt der betreffenden E-Mails nicht in der Revisionsbegründung selber wiedergegeben ist, sondern insoweit auf ein – nicht paginiertes – Anlagenkonvolut Bezug genommen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2010 – 2 StR 42/10 und vom 24. Juni 2008 – 3 StR 515/07; Cirener, NStZ-RR 2011, 134).
44
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt bezüglich dieser Tatvorwürfe ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
45
a) Soweit der Generalbundesanwalt beanstandet, dass in der mangelnden Einvernahme der Zeugin Th. eine lückenhafte Beweiswürdigung zu sehen sei, bleibt dies erfolglos. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Erhalt einer beruflichen E-Mail vor über zehn Jahren für die damalige Assistentin des Angeklagten um einen Routinevorgang handelte, drängte sich eine nähere Erörterung eines möglichen Wissens der Zeugin Th. nicht auf. Fehler der Beweiswürdigung können sich grundsätzlich nur hinsichtlich erhobener Beweismittel ergeben. Die mangelnde Einvernahme der Zeugin Th. hätte daher nur aufgrund einer (hier aber nicht zulässig erhobenen) Aufklärungsrüge Berücksichtigung finden können. Die sachlich-rechtliche Beanstandung hat keinen Einfluss auf die fehlende Zulässigkeit der Aufklärungsrüge.
46
b) Auch bedurfte es keiner alle Tatkomplexe umspannenden Gesamtabwägung , da bezüglich der übrigen Tatvorwürfe der Untreue kein relevanter Zusammenhang mit der schwarzen Kasse im Fall III. gegeben ist. Raum Graf Radtke Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 11. September 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

Auf die Revision der Nebenklägerin wird das genannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall Ziffer 4 der Anklage freigesprochen wurde.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Mit Urteil vom 24. Januar 2012 hatte das Landgericht den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Senat hob das Urteil auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 12. September 2012 (2 StR 219/12) wegen der Verletzung formellen Rechts auf.

2

Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete und auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg; ebenso die gegen den Freispruch im Fall Ziffer 4 der Anklage gerichtete Revision der Nebenklägerin.

I.

3

1. Nach den Feststellungen verbrachte die zur Tatzeit 10jährige Geschädigte die Herbstferien 2001 mit dem Angeklagten in dessen Wohnung, nachdem ihre Mutter, die sie zunächst begleitet hatte, eines Morgens unerwartet abreisen musste. Den Tag der Abreise verbrachte die Geschädigte sodann mit dem Angeklagten und dessen 11jährigem Sohn, der gegen Abend ebenfalls die Wohnung verließ. Der Angeklagte sah sich mit der Geschädigten zunächst einen Videofilm an, bevor er ihr einen Zungenkuss gab, sie anschließend auszog und mit ihr den Vaginalverkehr vollzog (Fall II. 1. der Urteilsgründe - Ziff. 1 der Anklage). Einige Wochen später übernachtete die Geschädigte zusammen mit ihrer Mutter erneut in der Wohnung des Angeklagten. Am frühen Morgen betrat der Angeklagte das Zimmer, in dem die Geschädigte alleine schlief. Er streichelte sie an der unbedeckten Brust. Als er Geräusche der Mutter aus dem Nebenzimmer hörte, hielt er inne und verließ das Zimmer (Fall II. 2. der Urteilsgründe - Ziff. 3 der Anklage).

4

2. Der Angeklagte hat die Taten bestritten. Das Landgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Aussage der Geschädigten gestützt und sich dabei unter anderem auf die Konstanz ihrer Angaben im Hinblick auf den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt gestützt.

5

Von dem Tatvorwurf, während des Ferienaufenthalts im Oktober 2001 mit der Geschädigten einen weiteren Vaginalverkehr vollzogen (Ziff. 2 der Anklage) sowie dem weiteren Vorwurf, an einem Nachmittag Anfang 2002 versucht zu haben, die Geschädigte in seinem Ladengeschäft zu küssen (Ziff. 4 der Anklage), hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Die Geschädigte konnte sich - anders als bei früheren Vernehmungen - nur noch an einen mit dem Angeklagten vollzogenen Geschlechtsverkehr erinnern. Darüber hinaus schilderte sie einen Besuch im Ladengeschäft des Angeklagten, bei dem er sie geküsst, an der Brust gestreichelt und ihr den Finger in die Scheide eingeführt habe, wobei sie einräumte, dass dieser erstmals von ihr geschilderte Vorfall auch zu einem anderem Zeitpunkt passiert sein könne.

II.

6

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die erhobenen Verfahrensrügen, denen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts in der Sache kein Erfolg beschieden wäre, nicht ankommt.

7

Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8

1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt nur, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238 f.; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928).

9

2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil es jedenfalls an einer geschlossenen Darstellung der früheren Aussagen der Nebenklägerin fehlt, so dass die vom Landgericht erfolgte Konstanzanalyse revisionsgerichtlich nicht überprüft werden kann.

10

Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - die Verurteilung im Wesentlichen auf der Aussage einer Belastungszeugin beruht und diese sich entgegen früheren Vernehmungen teilweise abweichend erinnert, müssen aber jedenfalls die entscheidenden Teile ihrer bisherigen Aussagen in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111).

11

Zwar hat das Landgericht die von der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung erfolgte Aussage ausführlich geschildert. Es fehlt jedoch an einer zusammenhängenden Darstellung ihrer davon abweichenden früheren Angaben bei der Polizei. In den Urteilsgründen wird insoweit lediglich mitgeteilt, dass der Nebenklägerin Teile ihrer früheren Aussage vorgehalten wurden und dass sich die beiden Vernehmungsbeamtinnen auch auf Vorhalt nicht an Einzelheiten erinnern konnten. Gar nicht dargestellt wird, was die Geschädigte im Rahmen der vorangegangenen Hauptverhandlung, aufgrund derer der Angeklagte vollumfänglich verurteilt worden war, ausgesagt hat.

12

Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der Aussage der Nebenklägerin zum Kerngeschehen vorgenommen und die dabei aufgezeigten abweichenden Erinnerungen zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussagekonstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96, NStZ-RR 1997, 172).

III.

13

Die Revision der Nebenklägerin, die sich allein gegen den Freispruch des Angeklagten im Fall Ziff. 4 der Anklage richtet, hat ebenfalls Erfolg.

14

Die Beweiswürdigung des Landgerichts wird den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nicht gerecht, denn auch insoweit fehlt es an einer geschlossenen Darstellung der früheren Aussagen der Nebenklägerin.

Fischer     

Schmitt     

RiBGH Dr. Eschelbach
ist aus tatsächlichen Gründen
an der Unterschriftsleistung
gehindert.

Fischer

Ott     

Zeng     

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 565/11
vom
7. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der sexuellen Nötigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom
7. März 2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof und
Staatsanwältin
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin ,
der Angeklagte in Person,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 2. März 2011 werden verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten hierdurch und durch die Revision der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihrer Revision zu tragen. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen haben die Staatskasse und die Nebenklägerin je zur Hälfte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach der Anklage wurde dem Angeklagten, der Bewerber um ein Mandat als Abgeordneter des Deutschen Bundestages war, vorgeworfen, er habe am 6. April 2009 die Nebenklägerin, seine damalige Wahlkampfhelferin, sexuell genötigt. Diese sei gegen 14.15 Uhr in sein Haus gekommen. Nach 90 Minuten gemeinsamer Arbeit sei eine Auseinandersetzung entstanden, worauf die Nebenklägerin das Haus verlassen wollte. Als sie ihre Tasche holte, habe der Angeklagte ihr in die Hose gegriffen. Darauf sei es zu einem Gerangel gekommen, in dessen Verlauf der Angeklagte die Nebenklägerin mit seinem rechten Unterarm an ihrem Brustbein so an die Wand gedrückt habe, dass sie keine Luft mehr bekommen habe. Seine Frage, ob sie mit ihm schlafen wolle, habe die Nebenklägerin mit dem Hinweis verneint, "ihre Tage" zu haben, worauf er Oralverkehr verlangt habe. Nach Ablehnung dieses Ansinnens habe der Angeklagte begonnen, die Nebenklägerin zu küssen. Er habe sie unter dem Pullover sowie am Hals angefasst. Aus Angst vor Gewalt habe sie seinen Hosengürtel geöffnet, um ihre Bereitschaft vorzutäuschen, bei ihm Oralverkehr auszuüben. Dann habe sie ihn weggestoßen und sei geflohen.
3
2. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Nebenklägerin den Angeklagten bewusst zu Unrecht belastet habe. Der Angeklagte und die verheiratete Nebenklägerin, die ihre erste juristische Staatsprüfung bestanden hatte und halbtags wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Lehrstuhl war, hatten von Mai bis Oktober 2008 eine intime Beziehung gehabt, bis die Lebensgefährtin des Angeklagten davon erfahren hatte. Diese hatte sich nach kurzer Trennung wieder dem Angeklagten angenähert, aber verlangt, dass die Nebenklägerin nicht mehr für ihn tätig werden dürfe. Gleichwohl setzte der Angeklagte die Zusammenarbeit mit der Nebenklägerin fort. Diese erhoffte sich für den Fall seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten eine Stellung als wissenschaftliche Mitar- beiterin. Für ihre bisherige Arbeit forderte sie 42.000 Euro und verlangte am 6. April 2009 die Unterzeichnung eines entsprechenden schriftlichen Schuldanerkenntnisses , was der Angeklagte ablehnte. Ende April 2009 stellte dieser den Zeugen S. als seinen künftigen Mitarbeiter vor, wodurch sich die Hoffnung der Nebenklägerin auf diese Position zerschlug. Auch gegenüber ihrem Ehemann , der nichts von der zeitweiligen Intimbeziehung gewusst und ebenso wie die Nebenklägerin selbst eine Bezahlung ihrer Tätigkeit als Wahlkampfhelferin erwartet hatte, geriet sie in Erklärungsnot. Daraufhin entschloss sie sich, den Angeklagten zu Unrecht einer Sexualstraftat zu bezichtigen. Sie informierte die Parteiverantwortlichen über den Vorwurf, worauf der Angeklagte seine Kandidatur zurückzog. Am folgenden Tag erstattete sie Strafanzeige.
4
Die Strafkammer hat den Angaben der Nebenklägerin nicht geglaubt. Ihre Überzeugung von deren Unrichtigkeit folgerte sie aus der Detailarmut der Zeugenaussage zum eigentlichen Tatgeschehen, aus einer Inkonstanz gegenüber früheren Angaben, aus der unzutreffenden Behauptung einer posttraumatischen Belastungsstörung, aus dem Einsatz vorgetäuschten Weinens bei Vernehmungen und aus der Herstellung einer Informationskette zu Parteiverantwortlichen mit nachteiligen Folgen für den Angeklagten. Zudem habe die Nebenklägerin ein Motiv für eine Rachehandlung gehabt. Schließlich entspreche das von ihr behauptete Verhalten bei dem sexuellen Übergriff nicht der früheren Vorgehensweise des Angeklagten gegenüber anderen Frauen, denen er sich zwar sexuell genähert, deren Ablehnung er aber stets akzeptiert habe.

II.


5
Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.
6
1. Die Formalrügen, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Ein- holung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt, sind aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 2. Dezember 2011 unbegründet.
7
2. Auch die Sachbeschwerden zeigen keinen Rechtsfehler auf.
8
a) Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung gebildet, die Nebenklägerin habe den Angeklagten zu Unrecht belastet. Dies ist nur in einer Gesamtschau aller Umstände möglich. Die Urteilsgründe lassen nicht besorgen , dass die Strafkammer die erforderliche Gesamtwürdigung (BGH, Urteil vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111) versäumt hat.
9
b) Die Rechtsprechung stellt besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung in Konstellationen, in denen "Aussage gegen Aussage" steht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.). Erforderlich sind insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage (BGH, Beschluss vom 21. April 2005 - 4 StR 89/05), eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2003 - 4 StR 73/03), sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben. Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Erörterungslücken hinsichtlich wesentlicher Aspekte, Unklarheiten oder Widersprüche liegen nicht vor. Hervorzuheben ist nur Folgendes:
10
aa) Zwar wäre die Annahme fehlender "Detailliertheit" der Zeugenaussage zum eigentlichen Tatgeschehen für sich genommen zweifelhaft. Das Landgericht hat aber erläutert, dass das Kerngeschehen im Verhältnis zu den Hintergründen und dem Randgeschehen innerhalb der breiten Sachdarstellung der Nebenklägerin, die das Landgericht - unnötigerweise in sämtlichen Einzelheiten - im Urteilstext mitgeteilt hat, geringen Raum eingenommen hat. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
11
bb) Es ist auch nicht zu besorgen, dass das Landgericht frühere sexuelle Übergriffe des Angeklagten gegenüber anderen Frauen nicht ausreichend berücksichtigt hat. Diese sind im Urteil erwähnt. Einer breiteren Darstellung bedurfte es von Rechts wegen nicht (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO). Das Landgericht hat bedacht, dass sich der Angeklagte bei früheren Vorfällen anders verhalten hat, als es ihm nun vorgeworfen wird; so hat er keine Gewalt angewendet und den seinen sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen der Frauen stets respektiert, sobald dieser geäußert wurde.
12
cc) Es war nicht erforderlich, weitergehende Feststellungen zum Vorleben und zur Persönlichkeit des Angeklagten zu treffen. Es ist nicht ersichtlich, dass hieraus ein aussagekräftiges Indiz für die Richtigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu gewinnen gewesen wäre.
13
dd) Auch soweit die Strafkammer darauf hingewiesen hat, dass die Nebenklägerin ein Rachemotiv für eine Falschbelastung des Angeklagten gehabt habe, liegt kein Rechtsfehler vor. Die Existenz eines solchen Motivs besagt zwar für sich genommen noch nicht, dass die Nebenklägerin aus diesem Rachegedanken heraus tatsächlich einen unwahren Vorwurf erhoben hat. In der Zusammenschau mit weiteren Umständen, wie dem auffälligen Verhalten der Nebenklägerin nach dem 6. April 2009, die anfangs noch unbeeinträchtigt weiter mit dem Angeklagten zusammengearbeitet hatte, später aber angeblich schwer traumatisiert war, gewinnt das Vorhandensein eines Falschbelastungsmotivs jedoch an Beweisbedeutung.

III.

14
Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch das Rechtsmittel der Nebenklägerin erfolglos geblieben ist, hat die Nebenklägerin außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen im Revisionsverfahren zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 1 und 2 StPO; vgl. Senat, Urteil vom 9. März 2011 - 2 StR 467/10; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10).
Appl Berger Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 431/17
vom
21. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210218U2STR431.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 30. Mai 2017 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
2
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich zunächst gegen den Teilfreispruch, wobei die Staatsanwaltschaft den Freispruch im Fall 2 der Anklage (Tatvorwurf zum Nachteil der Zeugin T. ) von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat. Zudem richtet sich ihr Rechtsmittel gegen den Gesamtstrafenausspruch. Die sich mit der Sachrüge gegen die Verurteilung richtende Revision des Angeklagten wie auch das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen bleiben beide Rechtsmittel ohne Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der Angeklagte ist der leibliche Großvater mütterlicherseits der am 29. November 1989 geborenen R. , der am 31. März 1989 geborenen T. und der am 13. April 1997 geborenen H. .
5
1. Zwischen August 1996 und April 2000 nahmen R. und T. ein Bad im großelterlichen Haus. Als sie die Badewanne verlassen hatten und sich abtrockneten, betrat der Angeklagte das Badezimmer. Er forderte die Zeugin R. auf, sich auf den geschlossenen Toilettendeckel zu setzen. Dort betastete er das Mädchen für kurze Zeit im Vaginal - und Analbereich, ohne hierbei in die Zeugin einzudringen. T. war während des Vorfalls ebenfalls im Badezimmer. Einen Übergriff des Angeklagten zu deren Nachteil hat die Strafkammer nicht festzustellen vermocht und ihn insoweit freigesprochen.
6
2. In der Küche des großelterlichen Wohnhauses kam es zwischen 1996 und Mai 2000 mindestens zu drei sexuellen Übergriffen auf R. . Dabei zog der Angeklagte die Zeugin zu sich. Er setzte sie auf seinen Schoß, um sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen. Dabei hat die Strafkammer folgende drei Taten festgestellt:
7
Der Anklagte griff der Zeugin unter der Kleidung an den Schambereich. Er streichelte sie mit den Fingern an der Vaginalöffnung ohne dabei in die Zeugin einzudringen. Sodann öffnete er Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Die Zeugin kam der Aufforderung nach und manipulierte am erigierten Glied des Angeklagten. Zu einem Samenerguss kam es nicht.
8
In einem anderen Fall griff der Angeklagte der Zeugin in die Hose und Unterhose und streichelte die Zeugin ohne Einzudringen mit den Fingern an der Scheidenöffnung. Nach einigen Minuten ließ er von der Zeugin ab.
9
In einem weiteren Fall öffnete der Angeklagte Knopf und Reißverschluss seiner Hose und forderte die Zeugin sinngemäß auf, an seinem Glied zu reiben. Diese kam der Aufforderung nach und manipulierte zunächst auf der Unterhose und dann in der Unterhose das erigierte Glied des Angeklagten. Zu einem Samenerguss kam es nicht. Nach einigen Minuten ließ der Angeklagte von der Zeugin ab.
10
Die Taten fanden ein Ende, nachdem die Zeugin R. im Sexualkundeunterricht aufgeklärt worden war. Hiernach setzte sie sich gegen die Handlungen des Angeklagten zur Wehr.
11
Das Landgericht hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten aufgrund der Angaben der Zeugin R. als überführt angesehen. Es hat ihn von weiteren 86 angeklagten Missbrauchsfällen zum Nachteil dieser Zeugin freigesprochen, da insoweit eine Eingrenzung bzw. Konkretisierung weiterer Übergriffe anhand individueller Umstände wie einem abweichenden Tatort, abweichenden Tatmodalitäten oder sonstigen konkreten individuellen Bezugsmerkmalen nicht möglich gewesen sei. Die Strafkammer hat sich auch außerstande gesehen, anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien eine Frequenz der Übergriffe festzustellen, um Gewissheit für eine weitergehende Mindestzahl von Übergriffen zu gewinnen.
12
3. Hinsichtlich der Taten zum Nachteil der H. hat das Landgericht festgestellt, dass die Zeugin seit ihrer Einschulung im Jahr 2003 bereits vor der Schule von dem Angeklagten und seiner Ehefrau betreut wurde. Dabei kam es vor, dass sich H. zu dem mit Unterhose und Unterhemd bekleideten Angeklagten unter dessen Bettdecke legte. In dieser Situation kam es zwischen August 2003 und August 2006 zu folgenden Vorfällen:
13
Nachdem der Angeklagte H. zunächst den Rücken, dann ihren Bauch gestreichelt hatte, zog er die von ihr getragene Unterbekleidung ein Stück nach unten. Er streichelte sie im Intimbereich und drang schließlich mit dem Finger in die Scheide der Zeugin ein, wobei er diesen hin und her bewegte. Während des Geschehens forderte er die Zeugin auf, mit ihrer Hand an sei- nen Penis „herumzuspielen“. Hierzu führte er die Hand des Kindes an sein nacktes erigiertes Glied und demonstrierte hierbei reibende Bewegungen. Die Zeugin leistete der Anweisung Folge und manipulierte am Glied des Angeklagten. Das sich über mehrere Minuten erstreckende Geschehen endete, als die Großmutter nach H. rief.
14
Zudem ereignete sich ein im Wesentlichen inhaltsgleicher Übergriff, wobei es in diesem Fall ausschließlich zu einer Manipulation samt mehrfachen Eindringens mit dem Finger durch den Angeklagten kam, während H. nicht an seinem Glied manipulieren sollte bzw. musste.
15
Überdies kam es zu einem im Wesentlichen identischen Vorfall, wobei der Angeklagte jedoch nicht mit dem Finger in die Vagina der Zeugin eindrang, sondern diese lediglich streichelte.
16
Darüber hinaus zog der Angeklagte in einem weiteren Fall in der eingangs beschriebenen Situation die von der Zeugin getragene Unterbekleidung nach unten und streichelte die Zeugin sodann ohne Einzudringen mit dem Finger an der Vagina.
17
Schließlich kam es zu einem mit dem vorstehenden Vorfall identischen Geschehen, wobei der Angeklagte die Geschädigte im Rahmen dieses Vorfalls zusätzlich dazu aufforderte, an seinem Glied zu manipulieren. Hierzu führte er die Hand der Zeugin an sein Glied. Er unterwies sie unter Führen der Hand, welche Bewegungen sie ausführen solle. Die Zeugin leistete dem Folge, bis es beim Angeklagten zu einem Samenerguss kam.
18
Das Landgericht hat den den Tatvorwurf bestreitenden Angeklagten aufgrund der Angaben der Zeugin H. verurteilt. Soweit dem Angeklagten darüber hinaus mit der Anklageschrift vom 19. Juli 2016 vorgeworfen worden war, die Zeugin H. in seinem Bett und weiteren 17 Fällen missbraucht zu haben, hat es den Angeklagten freigesprochen. Auch insoweit ist die Strafkammer , wie bei der Zeugin R. davon ausgegangen, dass sich mehr als die konkret festgestellten Übergriffe zu Lasten der Zeugin ereigneten. Allerdings hat sich das Landgericht auch hier zu einer Eingrenzung bzw. Konkretisierung weiterer Übergriffe außer Stande gesehen.
19
Das Landgericht hat den Angeklagten ferner von dem weitergehenden Vorwurf freigesprochen, die Zeugin H. in mindestens zehn Fällen im Zeitraum zwischen August 2003 und August 2006 nachmittags in der Küche oder im Wohnzimmer missbraucht zu haben. Die Strafkammer hat insoweit nicht auszuschließen vermocht, dass es aufgrund des Kontakts zwischen der Zeugin H. und der Zeugin R. nach deren jeweils erster polizeilichen Vernehmung zu einer Vermengung der Erinnerungen der Zeugin H. mitden Schilderungen der Zeugin R. gekommen sei.
II. Revision des Angeklagten
20
Die auf die Sachrüge vorzunehmende umfassende materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs ; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. November 2017 als unbegründet.
21
1. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, juris Rn. 3). Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und die Begehungsweise sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, aaO).
22
Das Revisionsgericht darf nur bei Rechtsfehlern in diesen Strafzumessungsakt eingreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens bewegt, die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht , der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16, juris).
23
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Strafkammer hat zwar die gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen hinreichend begründet, jedoch ihre Überlegungen zur Gesamtstrafe nicht dargestellt. Mangels jeglicher Ausführungen zur Begründung des Gesamtstrafenausspruchs ist nicht nachvollziehbar, welche für sowie gegen den Angeklagten sprechenden Kriterien für die Strafkammer bei der Bestimmung des Gesamtstrafenausspruchs leitend gewesen sind. Insofern bleibt offen, wie sie die insgesamt neun Einzelstrafen mit einer Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und einer Summe der Einzelstrafen von sechs Jahren und vier Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten zusammengeführt hat. Dem Senat ist daher eine Überprüfung verwehrt.
24
3. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
III. Revision der Staatsanwaltschaft
25
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs auf die aus Sicht der Staatsanwaltschaft als zu gering empfundene Gesamtfreiheitsstrafe sowie auf die Teilfreisprüche hinsichtlich der angeklagten Taten zum Nachteil der Zeuginnen R. und H. beschränkt.
26
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Urteil vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17, juris Rn. 11; Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201; BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16, juris Rn. 10, jew. mwN). Dies führt zu der genannten Beschränkung. Ungeachtet der in der Revisionsbegründung enthaltenen Formulierung, die Revision sei, „soweit der An- geklagte verurteilt wurde, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt“, liegt kein umfassender Angriff gegen den Rechtsfolgenausspruch vor. Denn die Begründung des Rechtsmittels enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft auch die Festsetzung der Einzelstrafen anfechten wollte. Sie wendet sich in der Sache vielmehr ausschließlich gegen die aus ihrer Ansicht zu gering bemessene Gesamtfreiheitsstrafe.
27
2. Die unterbliebene Begründung der Gesamtstrafe führt aus den bei der Revision des Angeklagten dargestellten Erwägungen auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten zu deren Aufhebung.
28
3. Soweit die Kammer den Angeklagten wegen des Vorwurfs weiterer Taten zum Nachteil der Zeuginnen R. und H. freigesprochen hat, ist das Rechtsmittel unbegründet.
29
a) Die Urteilsgründe genügen den formellen Anforderungen an einen Teilfreispruch (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO).
30
aa) Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen dargestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, NStZ-RR 2014, 220 (Ls.); Urteil vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13, jew. mwN). Hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13, aaO; Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106, jew. mwN).
31
bb) Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht. Die Strafkammer hat zunächst die Feststellungen geschlossen dargestellt, die sie für erwiesen gehalten hat (UA S. 5-12). Sie hat sodann über 40 Seiten eine umfangreiche Beweiswürdigung vorgenommen. Dabei hat sie im Rahmen der Beweiswürdigung zum jeweiligen Aussageinhalt im Ermittlungsverfahren, zu Entstehung und Konstanz der Aussagen, zu möglichen Falschbelastungsmotiven und zu der Aussage in der Hauptverhandlung der beiden Geschädigten umfassende Ausführungen gemacht. Sie hat sich auch mit den unterschiedlichen Tatörtlichkeiten auseinandergesetzt. Diese sowie die weitergehenden Ausführungen im Rahmen der Teilfreisprüche versetzen das Revisionsgericht hinreichend in die Lage , nachprüfen zu können, ob die Teilfreisprüche auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruhen. Vor diesem Hintergrund ist eine Wiederholung der Ausführungen , die nicht zur Überzeugungsbildung des Landgerichts ausgereicht haben, nicht erforderlich gewesen.
32
b) Das Urteil genügt auch den inhaltlichen Anforderungen an einen Freispruch bei Sexualdelikten.
33
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15, juris Rn. 33, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgesetze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, aaO). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512,

513).

34
Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2016 – 1 StR 607/15, juris Rn. 12). Im Hinblick auf die Probleme der Stofffülle und der Beweisschwierigkeiten bei vielen sexuellen Übergriffen auf ein allein als Beweismittel zur Verfügung stehendes Kind dürfen an die Indi- vidualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 10. Mai 1994 – 5 StR 239/94, NStZ 1994, 502). Der Tatrichter muss sich aber, möglichst unter Konkretisierung der einzelnen Handlungsabläufe (BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, aaO; Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 166/01, StV 2002, 523; Beschluss vom 24. August 1994 – 1 StR 432/94, NStZ 1995, 78), wie bei jeder anderen Verurteilung auch die Überzeugung verschaffen, dass es im gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestanzahl von Straftaten gekommen ist (BGH, Beschluss vom 27. März 1996 – 3 StR 518/95, BGHSt 42, 107, 110). Dabei muss das Tatgericht darlegen, aus welchen Gründen es die Überzeugung gerade von dieser Mindestzahl von Straftaten gewonnen hat (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 – 5 StR 611/07, BGHSt 42, 107,109; Beschluss vom 25. März 2010 – 5 StR 83/10, aaO). Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer der Tatrichter den Tatzeitraum eingrenzt und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Mißbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 166/01, aaO; Beschluss vom 12. November 1997 – 3 StR 559/97, NStZ 1998, 208).
35
bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass das Landgericht einen überzogenen Maßstab an die Überzeugungsbildung angelegt hat.
36
(1) Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aufgrund der Schilderung der Zeugin R. einerseits davon ausgegangen ist, dass es zu mehr als den vier konkret festgestellten Übergriffen zu Lasten der Zeugin gekommen ist, es sich andererseits aber außerstande gesehen hat, eine höhere Mindestanzahl von Missbrauchsfällen auf der Basis der schwankenden und nicht objektivierbaren Angaben der Zeugin zur Tathäufigkeit festzustellen. Die Strafkammer hat dies damit begründet, dass die Zeugin im Rahmen der ersten polizeilichen Ver- nehmung nur davon gesprochen habe, dass die Übergriffe „öfters“ vorgekom- men seien. Im Rahmen einer weiteren Vernehmung habe sie von mindestens drei Übergriffen im Monat gesprochen und schließlich in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass es zu zwei Übergriffen in der Woche gekommen sei. Der hieraus von dem Landgericht gezogene Schluss, die Zeugin spekuliere letztlich über die Häufigkeit der Übergriffe, ist nicht nur möglich, sondern naheliegend. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich damit ausei- nandergesetzt, warum die von der Staatsanwaltschaft erstrebte „Hochrechnung“ der Anzahl der Taten nicht möglich gewesen ist. Sie hat ihre Schlussfol- gerung zusätzlich damit begründet, dass es zum einen auch Zeiträume gegeben haben müsse, in denen es durch den Angeklagten nicht zu Übergriffen auf die Zeugin gekommen sein könne (Schlaganfall des Angeklagten; Urlaub /Krankheit der Großmutter; unterschiedliche Arbeitszeiten der Großmutter im Schichtbetrieb). Zum anderen sei es der Zeugin nicht möglich gewesen, den Beginn oder das Ende der Übergriffe verlässlich einzuordnen.
37
Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang ebenfalls rechtsfehlerfrei begründet, warum es keine sichere Überzeugung dahingehend hat gewinnen können, dass es auch im Wohnzimmer zu einem Übergriff auf die Geschädigte R. gekommen ist. Zwar hatte die Zeugin im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung einen derartigen Übergriff geschildert, sich an diesen aber im Rahmen der Hauptverhandlung auch auf Vorhalt nicht zu erinnern vermocht. Dass die Strafkammer sich bei diesem Beweisergebnis außerstande gesehen hat, eine sichere Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs zu gewinnen , ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
38
(2) Auch der Teilfreispruch hinsichtlich der 27 weiteren angeklagten Taten zum Nachteil der Geschädigten H. ist rechtsfehlerfrei. Die Zeugin hat einerseits dargestellt, eine Quantifizierung falle ihr sehr schwer. Auf Befragen hat sie in der Hauptverhandlung hinsichtlich der Häufigkeit von einer schwankenden Zahl von Übergriffen berichtet (20-mal, eher mehr; mindestens zehnmal). Angesichts dieser divergierenden Angaben ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden , dass sich die Strafkammer zur Schätzung einer Mindestzahl außerstande gesehen hat.
39
Soweit das Landgericht sich ebenfalls nicht davon hat überzeugen können , dass weitere Übergriffe in der Küche der Großeltern stattfanden, hat es dies ausreichend damit begründet, dass aufgrund des Kontakts zwischen der Zeugin H. und der Zeugin R. nach deren jeweiliger erster polizeilicher Vernehmung eine Vermengung der Erinnerungen bei der Zeugin H. mit den Schilderungen der Zeugin R. nicht auszuschließen sei. Denn die Zeugin H. habe in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung keine Vorfälle in der Küche geschildert, sondern als Tatort das Bett und ganz selten das Wohnzimmer beschrieben, wohingegen es an anderen Orten zu keinen Übergriffen gekommen sei. Schäfer Eschelbach Bartel Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR427/14
vom
19. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. November 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 23. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestrafte Angeklagte an einem Tag zwi- schen dem 1. Februar 2013 und dem 30. Juni 2013 den sechsjährigen M. D. und die fünfjährige L. D. im Badezimmer auf den heruntergeklappten Toilettendeckel gestellt, beiden Kindern Hose und Unterhose heruntergezogen und sie mit den nackten Unterleibern zusammengedrückt, so dass sie im Bereich der Geschlechtsteile aneinander rieben (Fall 4 der Anklage).
3
Zur Aufdeckung dieser Tat kam es am Morgen des 6. Dezember 2013, als sich die älteren Kinder T. S. und A. D. in Gegenwart der Mutter der Geschwister D. über das Verhalten des Angeklagten unterhielten. T. S. , der Neffe des Angeklagten, äußerte, dieser mache Sachen mit M. . Auf Nachfrage der Mutter berichtete M. , derAngeklagte habe verlangt, dass er seinen Penis anfasse und habe den Penis in seinen Po gesteckt. Auch habe der Angeklagte ihn und L. im Bad zusammengedrückt. Die Mutter holte daraufhin L. aus dem Kindergarten und befragte sie. L. er- zählte, dass der Angeklagte ihr den Penis in die „Mumu“ und in den Po gesteckt habe. Auf der Rückfahrt äußerte sie spontan, dass der Angeklagte M. und sie im Bad zusammengedrückt habe.
4
2. Die zugelassene Anklage warf dem Angeklagten darüber hinaus vor, an unterschiedlichen Tagen zwischen dem 1. Februar 2013 und dem 22. November 2013 in fünf weiteren Fällen sexuelle Übergriffe gegen M. undL. D. und T. S. begangen zu haben. Der Angeklagte soll zweimal im Wohnzimmer bis zum Samenerguss onaniert haben, davon einmal vor den Augen von M. D. und das andere Mal in Gegenwart des neunoder zehnjährigen T. S. (Fälle 1 und 3 der Anklage). Er soll weiterhin L. s Hand genommen und sie in Richtung seines Penis geführt haben, das Mädchen habe die Hand immer wieder weggezogen (Fall 2 der Anklage). Schließlich soll der Angeklagte in zwei Fällen Analverkehr bis zum Samen- erguss durchgeführt haben, einmal mit L. nach Manipulation an deren Scheide (Fall 5 der Anklage) und einmal mit M. (Fall 6 der Anklage). Von diesen Vorwürfen hat die Strafkammer den Angeklagten freigesprochen, weil die Zeugen T. S. , M. , L. und A. D. , die bei einer ersten Ver- nehmung in der Hauptverhandlung entsprechende Taten „im Ansatz“ bekundet hatten, bei einer weiteren Vernehmung eingeräumt haben, insoweit die Unwahrheit gesagt zu haben. Zu derartigen Taten des Angeklagten sei es nicht gekommen. Diese hätten sich A. D. und T. S. ausgedacht und M. und L. D. überredet, entsprechende unwahre Angaben zu machen.
5
3. Hinsichtlich der ausgeurteilten Tat hält das Landgericht die Aussage von M. D. trotz der eingeräumten Lügen für glaubhaft. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge wahrheitswidrig einen Tatvorwurf aufrecht erhalten haben sollte. L. D. habe den Vorfall in der Hauptverhandlung zwar nicht bestätigt, sie habe ihn aber ihrer Mutter unmittelbar vor der Anzeigeerstattung spontan geschildert. T. S. und A. D. hätten ausgesagt, L. und M. nicht zu dieser Schilderung überredet zu haben. Über den Vorfall im Badezimmer sei nicht gesprochen worden.

II.


6
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Anfechtung Erfolg, so dass es auf die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge nicht ankommt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält aus sachlichrechtlichen Gründen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
In einer Konstellation, in der „Aussage gegen Aussage“ steht und außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weiteren belastenden Indizien vorliegen, muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände , die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 StR 700/13 Rn. 3; Beschluss vom 12. September 2012 – 5 StR 401/12 Rn. 8; Beschluss vom 19. August 2008 – 5 StR 259/08, NStZ-RR 2008, 349 f. jeweils mwN). Allein auf Angaben des einzigen Belastungszeugen, dessen Aussage in einem wesentlichen Detail als b e w u s s t falsch anzusehen ist, kann eine Verurteilung nicht gestützt werden (BGH, Urteil vom 19. April 2007 – 4 StR 23/07 Rn. 11; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158; Urteil vom 17. November 1998 – 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256, 257 jeweils mwN). Dann muss der Tatrichter jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben.
8
1. Der Zeuge M. D. hat eingeräumt, bei der Polizei und im ersten Hauptverhandlungstermin „gelogen“ zu haben und „Sachen erzählt“ zu haben , „die der Angeklagte nicht gemacht habe“. Das Landgericht hat seine Angaben zu der ausgeurteilten Tat dennoch als glaubhaft bewertet. Es hat dabei die Glaubhaftigkeit der auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen nicht grundlegend von der Nullhypothese ausgehend bewertet, sondern nur unter wenigen Aspekten, was bereits Bedenken begegnet. Aber auch die vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkte vermögen seine Wertung der Aussage als glaubhaft nicht zu tragen.
9
Das Landgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Zeuge den ausgeurteilten Vorfall konstant gegenüber seiner Mutter, bei der Polizei und in beiden Hauptverhandlungsterminen geschildert habe. Dies greift bereits deshalb zu kurz, weil der Zeuge auch die übrigen Vorfälle, die nicht der Wahrheit entsprachen, zuvor konstant geschildert hat. Soweit das Landgericht insoweit bei der Vernehmung im ersten Hauptverhandlungstermin bei den erlogenen Vorfällen „auffällige Unsicherheiten“ bemerkt haben will, sind diese in den Urteilsgründen nicht belegt. Darüber hinaus hat der Zeuge hinsichtlich des ausgeurteilten Vorfalls nunmehr eine Mehrbelastung des Angeklagten zum Kerngeschehen nicht aufrecht erhalten. Die Erklärung des Landgerichts, dass nicht jederzeit jede Einzelheit im Gedächtnis abrufbar sei, begegnet Bedenken, wenn der Zeuge – wie offenbar hier – die Mehrbelastung früher mehrfach geäußert hat. Auch dass kein Grund ersichtlich sei, der den Zeugen veranlasst haben sollte, bei seiner nunmehr den Angeklagten entlastenden Aussage wahrheitswidrig doch einen Vorfall aufrecht zu erhalten, kann die Glaubhaftigkeit der Angaben nicht belegen. Denn das Landgericht hat auch kein Motiv für die umfassende Falschbeschuldigung des Angeklagten durch alle vier Kinder aufzudecken vermocht.
10
Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass eine suggestive Beeinflussung durch die älteren Kinder T. S. und A. D. vorgelegen haben könnte, schließt dies aber für die ausgeurteilte Tat unter Hinweis auf die zeugenschaftlichen Angaben der beiden älteren Kinder aus. Über den Vorfall im Badezimmer sei nicht gesprochen worden. Da die Zeugen ansonsten im zweiten Hauptverhandlungstermin eingeräumt hätten, die Unwahrheit gesagt zu haben , sei kein Grund ersichtlich, warum sie nicht auch einräumen sollten,M. und L. den Vorfall im Badezimmer eingeredet zu haben, wenn es denn so gewesen wäre. Diese Bewertung der Angaben der beiden älteren Kinder lässt sich ohne nähere Darstellung ihrer früheren Angaben nicht nachvollziehen. Sollten sich die beiden älteren Kinder bereits bei der Polizei oder gegenüber ihrer Mutter zu dem Vorfall im Bad geäußert haben, könnte dies ein Beleg dafür sein, dass doch mit den beiden jüngeren Kindern darüber gesprochen worden ist.
11
2. Wird die Aussage des einzigen Belastungszeugen hinsichtlich einzelner Taten und Tatmodalitäten widerlegt, so ist damit seine Glaubwürdigkeit in schwerwiegender Weise in Frage gestellt. Seinen übrigen Angaben kann dann nur gefolgt werden, wenn außerhalb der Aussage Gründe von Gewicht für ihre Glaubhaftigkeit vorliegen. Solche zeigt das Landgericht nicht auf.
12
Der Aussage der vermeintlich ebenfalls bei dem ausgeurteilten Vorfall Geschädigten L. im zweiten Hauptverhandlungstermin misst dieStrafkammer keinerlei Bedeutung bei, allerdings sieht sie in ihrer „Spontanäußerung“ gegen- über ihrer Mutter am 6. Dezember 2013 eine Bestätigung der Aussage des M. D. . Dass Abstellen auf die Spontaneität der Äußerung greift jedoch zu kurz, denn ihre Mutter ist zum Kindergarten gefahren, um L. abzuholen und zu den Vorwürfen zu befragen. Danach hat L. dann auf der Fahrt den weiteren Vorfall erzählt. Es liegt nahe, dass ursächlich auch hierfür die voran- gegangene Befragung war. Da die Strafkammer auf die „Spontanäußerung“ der Zeugin abstellt, während sie in beiden Hauptverhandlungsterminen widersprüchliche Angaben gemacht hat, hätte in den Urteilsgründen auch dargelegt werden müssen, was im Einzelnen die Zeugin ihrer Mutter und bei der Polizei zu dem Vorfall im Bad erzählt hat. Auffällig ist insoweit jedenfalls, dass die „Spontanäußerung“ frühestens fünf Monate nach dem Vorfall erfolgte, als auch die Falschbelastungen durch T. S. und A. D. initiiert wurden. Bei der Vernehmung im zweiten Hauptverhandlungstermin hatte L. zunächst bekundet, sie – die Kinder – hätten bei ihren Aussagen gelogen.
T. und A. hätten ihnen alles vorgesagt. Auf Nachfrage hat sie dann den Vorfall im Bad bestätigt, wobei sie nach Überzeugung der Strafkammer allerdings nahezu jede Frage ohne Nachdenken zustimmend beantwortet hat. Auch dies lässt den Beweiswert ihrer „Spontanäußerung“ fraglich erscheinen.
13
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Das sehr junge Alter der beiden Opferzeugen der ausgeurteilten Tat und die bewussten Falschbelastungen legen es nahe, die Glaubhaftigkeit der Angaben beider Zeugen durch ein aussagepsychologisches Gutachten näher zu untersuchen.
15
Der neue Tatrichter wird auch eingehender als bisher zu belegen haben, dass bei der Tat eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit sicher vorgelegen hat. Bei den beiden einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten war eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit lediglich nicht auszuschließen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 412/07
vom
2. Oktober 2007
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2007 gemäß § 349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. Juni 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete der Beschuldigte im März 2005 in einem Supermarkt ein Päckchen Tabak im Wert von 4,15 € und führte dabei ein Klappmesser mit feststellbarer Klinge und ein SchweizerMesser bei sich. Anfang November 2005 hinderte er eine Bekannte daran, seine Wohnung zu verlassen. Außerdem schlug er auf sie ein und verletzte sie erheblich.
3
Die Unterbringungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes voraus, der zumin- dest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 63 Rdn. 6). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat weder ausreichend dargelegt, dass der Beschuldigte zu den Tatzeiten schuldunfähig war (nachstehend 1.), noch ausreichend dessen Gefährlichkeit begründet (nachstehend 2.).
4
1. Wenn sich der Tatrichter - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH NStZ 2003, 307; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m. w. N.). Daran fehlt es hier. Zum Beleg dafür, dass der Beschuldigte nicht fähig war, seiner vorhandenen Unrechtseinsicht gemäß zu handeln, hat die Strafkammer lediglich ausgeführt, bei dem Beschuldigten bestehe "neben einer dissozialen Störung und einer Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit eine chronifizierte schwere schizophrene Psychose mit ausgeprägten Störungen der Handlungsübersicht, der Kritikfähigkeit, der adäquaten Selbsteinschätzung, des verinnerlichten Wertgefühles und der Impulskontrolle". Es fehlt eine Darlegung, wie dieses Störungsbild auf den Beschuldigten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn bei dem Täter eine Schizophrenie diagnostiziert worden ist. Die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich allein genommen nicht zur Feststellung einer - generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden - Schuldunfähigkeit (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S.151). Dass sich der Beschuldigte bei beiden Taten jeweils in einem akuten Schub der Krankheit befunden hätte (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 16. Mai 2007 - 2 StR 96/07), ist nicht erkennbar. Zu dem Diebstahl mit Waffen sind über die den Tatbestand erfüllende Handlung hinaus weitere Umstände nicht festgestellt. Bei der gefährlichen Körperverletzung nebst Freiheitsberaubung hat der Beschuldigte sich vor und nach der Tat situationsangepasst verhalten.
5
2. Vergleichbar knapp und damit angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, ebenfalls nicht ausreichend hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten begründet. Auch hier ist es dem Sachverständigen gefolgt und hat lediglich ausgeführt, es bestehe "ein erhebliches Risiko der Begehung weiterer ähnlicher Straftaten", es sei "jederzeit mit schwersten Gewalttaten aufgrund der psychotischen Situationsverkennung zu rechnen". Es fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der Beschuldigte nach den getroffenen Feststellungen letztmals Anfang 1998 bestraft worden und auch in den 15 Monaten zwischen der Tat und der vorläufigen Unterbringung nicht wieder auffällig geworden ist.
6
3. Über die Voraussetzungen der Unterbringung des Beschuldigten muss deshalb - sinnvollerweise auch unter Auswertung der Erkenntnisse im Zusammenhang mit dessen mehrfachen Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken - erneut entschieden werden.
7
4. Der neue Tatrichter wird im Hinblick darauf, dass das Opfer (und einzige Beweismittel) bezüglich der gefährlichen Körperverletzung selbst erheblich alkoholisiert war, auch der Darstellung der Beweiswürdigung größere Aufmerksamkeit zu widmen haben.
8
5. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer
5 StR 52/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 5. Oktober 2011 mit den Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Einziehungs- und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Der Angeklagte wendet sich gegen dieses Urteil mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen veranlasste der homosexuell orientierte Angeklagte den damals 22 Jahre alten, an dem Williams-Beuren-Syndrom – einhergehendmit einer geistigen Behinderung vom Grade der Debilität – leidenden Geschädigten, den er am selben Tag erst kennengelernt hatte, in seine Wohnung zu kommen. Beide setzten sich nebeneinander auf das Bett. Der Angeklagte hielt auf seinen Oberschenkeln einen Laptop, auf dem er einen pornographischen Film abspielte. Er fasste dem Geschädigten in den Schritt. „Der Geschädigte zeigteeine deutlich ablehnende Reaktion und äußerte diese auch gegenüber dem Angeklagten, änderte jedoch nicht seine Sitzposition und bekundete auch nicht die Absicht, jetzt die Wohnung des Angeklagten verlassen zu wollen.“ Er war „zu diesem Zeitpunkt aufgrund sei- ner speziellen geistigen Konstitution nicht in der Lage, adäquat auf das An- sinnen des Angeklagten zu reagieren.“ Nunmehr „befahl“ der Angeklagte dem Geschädigten aufzustehen, zog diesem die Hose aus, setzte sich wieder auf das Bett, zog den Geschädigten auf seinen Schoß und führte sein Glied in dessen After ein. Der Geschädigte äußerte, dass er das nicht wolle und dass es ihm sehr wehtue (UA S. 11 f.).
3
2. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil weist rechtlich erhebliche Mängel auf (§ 337 StPO). Sie ist zwar Sache des Tatgerichts und das Revisionsgericht hat sie grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt aber nicht, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft oder unklar ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2005 – 5 StR 284/05, NStZ-RR 2005, 373; Beschluss vom 23. August 2007 – 4 StR 253/07). Dies ist hier hinsichtlich der Erwägungen der Fall, mit denen das Landgericht die subjektive Tatseite des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht hat. Der Rechtsfehler erstreckt sich auf die Beurteilung der Schuldfähigkeit.
4
a) Es bestehen schon gewisse Bedenken, ob eine objektive Erkennbarkeit der Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten ausreichend festgestellt ist. Der Geschädigte wirkt bei einer Körpergröße von 1,64 m wie ein zwölf- bis dreizehnjähriger Junge und hat intellektuelle Fähigkeiten wie ein Kindergarten- oder Vorschulkind (UA S. 10). Trotz seiner geistigen Behinderung ist er in der Lage, einen eigenständigen Willen zu bilden und in einfacher Form auch zu artikulieren, vermag diesen aber gegen den bestimmt vorgetragenen Willen eines anderen nicht durchzusetzen (UA S. 21). Bei diesem Erscheinungsbild versteht es sich nicht ohne weiteres von selbst, dass sich die Widerstandsunfähigkeit nach außen hin hinreichend deutlich ausgeprägt hat.
5
b) Jedenfalls ist nicht ausreichend erörtert, ob der Angeklagte, der den Geschädigten erst am Nachmittag des Tattages kennengelernt hatte, trotz seiner eigenen psychischen Auffälligkeiten auch die – erst aufgrund eines Sachverständigengutachtens festgestellte – Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten erkannt oder für möglich gehalten hat.
6
Der Angeklagte besuchte nach der Grundschule die Förderschule für Lernbehinderte, auf der er den Abschluss der 8. Klasse erreichte. Seit dem Tod seiner Mutter lebte er in einem Kinderheim. Wegen aggressiver Verhaltensauffälligkeiten und Anpassungsstörungen wurden sowohl Maßnahmen der Jugendhilfe – darunter auch ein längerer Aufenthalt in Rumänien – wie auch ambulante und stationäre jugendpsychiatrische Behandlungen erforderlich. Zudem befand er sich für mehrere Wochen in psychiatrischer Behandlung in einem Fachkrankenhaus (UA S. 3). Schließlich wurde er unter anderem im Jahr 2006 zu einer Geldstrafe verurteilt, wobei eine erhebliche Verminderung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen wurde; Gründe hierfür teilt das Urteil nicht mit (UA S. 5). Eine psychische Erkrankung wurde beim Angeklagten bislang nicht festgestellt; sein Intelligenzniveau liegt jedoch „im unteren Bereich der normalen Intelligenz“ (UA S. 2).
7
Zu der hier mit der Frage des Vorsatzes des Angeklagten eng verknüpften Frage seiner Schuldfähigkeit hat das Landgericht lediglich ausge- führt: „Der Angeklagte hatte sich geweigert, an der Untersuchung und Begut- achtung mitzuwirken. Der Sachverständige konnte nach seinen Ausführungen keine Feststellungen zum Merkmal nach §§ 20, 21 StGB treffen, auch liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Angeklagte nicht in der Lage gewesen ist, im Rahmen seiner geistigen Fähigkeiten einen entgegenstehenden Willen des Zeugen zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten“ (UA S. 21 f.).
8
Dies reicht hier nicht aus. Wenn sich das Tatgericht darauf beschränkt , sich der Beurteilung eines Sachverständigen anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 31, und vom 15. Januar 2003 – 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307; Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39). Hier fehlt es schon an der Darlegung der die gutachterlichen Wertungen tragenden Befunde. Ausführungen dazu, wie sich früher festgestellte beträchtliche psychische Auffälligkeiten in der konkreten Tatsituation auf das Erkenntnisvermögen und die Hemmungsfähigkeit des Angeklagten ausgewirkt haben, fehlen völlig.
9
3. Die Sache bedarf umfassender neuer tatgerichtlicher Aufklärung. Für den Fall erneuter Verurteilung des Angeklagten wird die Frage seiner uneingeschränkten Schuldfähigkeit besonders genau zu prüfen sein. Eine Einziehungsentscheidung wie die bislang getroffene erscheint außerordentlich fernliegend.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 173/00
URTEIL
vom 20. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni
2000, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Tepperwien als Vorsitzende,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof und
Richterin am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin B
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin M
als Beistand der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht Frankfurt/Oder zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte den Angeklagten am 23. Februar 1997 – unter Freisprechung im übrigen – wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 90 Fällen sowie wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen (jeweils begangen zum Nachteil seiner am 7. September 1979 geborenen Tochter M ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dieses Urteil hatte der Senat auf Revision des Angeklagten durch Beschluß vom 25. November 1997 – 5 StR 458/97 – wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg.
1. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, seine Tochter, die Nebenklägerin , zu keiner Zeit in der ihm vorgeworfenen Weise sexuell mißbraucht zu haben. Dies war ihm nach Auffassung des Tatrichters in der erneuten Hauptverhandlung nicht zu widerlegen. Die Aussage der Nebenklägerin , die der Sachverständige – ein Kinder- und Jugendpsychiater – für glaubhaft befunden hat, konnte der Strafkammer nicht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten verschaffen.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin sind teilweise widersprüchlich, es fehlt in wesentlichen Punkten an der erforderlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen und die Urteilsgründe lassen nicht ausreichend erkennen, daß das Gericht alle Umstände , die Schlüsse auch zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, in die Gesamtwürdigung einbezogen hat.

a) Zunächst führt das Landgericht bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin aus, daß ihre Aussage keine vordergründige Belastungstendenz aufweise. Es spreche auch nicht gegen ihre Aussage, daß sie erst nach Jahren – die Zeugin war inzwischen 16 Jahre alt – angefangen habe, den Angeklagten zu belasten. Insoweit folge es dem Gutachter, daß das Pubertätsalter für die Nebenklägerin ein günstiger Zeitpunkt gewesen sein könnte, eventuell über Jahre Aufgestautes auszusprechen (UA S. 13). Demgegenüber wird die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin an anderer Stelle (UA S. 15) gerade mit der Erwägung in Zweifel gezogen, es sei unverständlich, daß sie sich trotz der jahrelang andauernden Vorfälle erst so spät jemandem offenbart habe. Hinzu komme, daß die Nebenklägerin mit den Beschuldigungen erst begonnen habe, als sie sich längst nach Beendigung der sexuellen Übergriffe in einem auf der allgemeinen Erziehungssituation beruhenden Konflikt mit dem Angeklagten befunden habe. Zur Begründung nimmt das Landgericht auch den Sachverständigen mit dem allgemeinen Erfahrungssatz in Anspruch, in Mißbrauchsfällen seien belastende Angaben, die aus einem Spontankonflikt erwachsen seien, grundsätzlich eher glaubhaft als solche, die im Zusammenhang mit einer allgemeinen Konfliktsituation stünden (UA S. 16). Hierbei läßt die Strafkammer jedoch die relativierende Ä ußerung des Sachverständigen unerörtert, daß bei langanhaltenden Übergriffen auch eine Aussage in allgemeinen Konfliktsituationen glaubhaft und daß der Nebenklägerin die Aussage dadurch erleichtert worden sei, daß sie zum Zeitpunkt ihrer ersten Anschuldigungen nicht mehr bei dem Angeklagten gewohnt habe (UA S.13).

b) Das Landgericht hat sich auch deshalb nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht, weil die Aussagen der Zeugin gewisse Abweichungen und Unstimmigkeiten enthielten, die den Wahrheitsgehalt ihrer Bekundungen in Frage stellten. So habe die Zeugin in der erneuten Hauptverhandlung erstmals angegeben, daß ihr Vater bei der ersten Mißbrauchshandlung „total betrunken“ gewesen sei. Die zeitliche Einordnung dieser ersten Tat stehe teilweise im Widerspruch zu anderen Beweisergebnissen (UA S. 14). Zweifel seien auch deshalb angebracht, weil die Nebenklägerin hinsichtlich einer sexuellen Beziehung zu dem Zeugen W unterschiedliche Angaben gemacht habe (UA S. 15).
Auch vor dem Hintergrund dieser von dem Landgericht angenommenen Unstimmigkeiten war eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten unerläßlich. Zwar ist der Tatrichter nicht gehindert, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders zu beurteilen als der Sachverständige, da dessen Gutachten stets nur eine Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung sein kann. Jedoch muß er, sofern er in einer schwierigen Frage den Rat eines Sachverständigen in Anspruch genommen hat und diese Frage dann im Widerspruch zu dem Gutachten lösen will, die Darlegungen im einzelnen wiedergeben, insbesondere dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten, auf welche der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt. Anderenfalls ist dem Revisionsgericht die Prüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat (vgl. BGH NStZ–RR 1997, 172; BGHR StPO § 261 – Sachverständiger 1 und 5). Denn Abweichungen des Aussageinhalts erlauben nicht ohne weiteres den Schluß auf die Unglaubhaftigkeit; jedenfalls darf das Kriterium der Widerspruchsfreiheit und Konstanz einer Aussage nicht überbewertet werden (BGH NStZ–RR 1997, 172). Gerade deshalb hätte es einer Erörterung der Frage bedurft, welches Gewicht den vom Landgericht im einzelnen dargestellten Abweichungen und Unstimmigkeiten in der Aussage der Nebenklägerin , die im übrigen das Kerngeschehen nicht oder nur unwesentlich berühren, nach Auffassung des Sachverständigen sowie in Bezug auf die Beurteilung der speziellen Glaubwürdigkeit dieser Zeugin zukommt.

c) Die Beweiswürdigung begegnet schließlich insofern durchgreifenden Bedenken, als das Landgericht es versäumt hat, alle aus dem Urteil ersichtlichen wesentlichen Umstände, die Schlüsse auch zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen (vgl. BGHSt 25, 285, 286; BGH NStZ–RR 1997, 172, 173). Dies gilt namentlich für die im Urteil ausführlich dargestellte Entstehungsgeschichte der Aussage der Nebenklägerin (UA S. 7 bis 9). Nach den Feststellungen hat sie sich zunächst eher zögerlich und z urückhaltend gegenüber ihrer Freundin und später gegenüber professionellen Helfern geäußert, wobei sie erst allgemeine Andeutungen machte und erst auf näheres Befragen der Zeugin G , einer Psychologin des Jugendnotdienstes, von konkreten sexuellen Übergriffen ihres Vaters berichtete. In diesem Zusammenhang hätte auch berücksichtigt werden müssen, in welcher Verfassung sich die Nebenklägerin bei diesen ersten Angaben befand und in welcher Weise sie sich im einzelnen äußerte. Für die Glaubhaftigkeit sprechende Gesichtspunkte hätten auch darin gefunden werden können, daß die Zeugin nach den Urteilsfeststellungen zum Kerngeschehen identische Aussagen gemacht hat wie im Vorverfahren und daß Belastungstendenzen nicht erkennbar waren (UA S. 13). Schließlich hätte es einer vertieften Erörterung bedurft, daß der Angeklagte einen Tag, nachdem er von den Anschuldigungen seiner Tochter erfahren hatte, dieser gegenüber als erste Reaktion erklärte, es tue ihm leid, was zwischen ihnen geschehen sei (UA S. 9). Das Landgericht hält es für möglich, daß sich diese Entschuldigung auf andere Fehler des Angeklagten im Umgang mit seiner Tochter bezogen habe (UA S. 16), wobei es den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Mitteilung über die Anschuldigungen und dem Gespräch außer Acht läßt. Gerade dieser zeitliche Aspekt läßt die Erwägung des Landgerichts eher als fernliegend erscheinen. Daß das Landgericht auf die genannten Umstände nicht oder nur unvollständig eingeht, gibt Anlaß zu der Annahme, daß es die erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände, die für und gegen die Zuverlässigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechen, nicht vorgenommen hat.
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Tepperwien Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 114/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
die Nebenklägerin persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der sexuellen Nötigung u.a. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Eines näheren Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Aufklärungsrügen bedarf es somit nicht.

I.


2
1. In der (im Wesentlichen auf den Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren beruhenden) unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz vom 12. Juli 2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, dass er bei der Behandlung der Nebenklägerin in mindestens acht Fällen gegen deren Willen aus sexuellen Gründen mit seinem Finger in deren Vaginalbereich eingedrungen sei. Der Angeklagte hat die Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich nicht von seiner Schuld zu überzeugen vermocht. Hinsichtlich des Sachverhalts konnte es lediglich folgende Feststellungen treffen:
3
In der Zeit von August bis November 2009 begab sich die damals 18 Jahre alte Nebenklägerin wegen ihres Heuschnupfens mindestens fünf Mal in die Behandlung des als Heilpraktiker tätigen Angeklagten. Dieser war ihr persönlich bekannt, da sie bei dessen Tochter eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolvierte. Zur Behandlung des Heuschnupfens führte der Angeklagte bei der Nebenklägerin jeweils zunächst eine Eigenblutbehandlung durch, bei der er ihr das zuvor entnommene Blut in ihren Gesäßmuskel spritzte und die Einstichstelle mit einer schmerzstillenden Salbe massierte. Anschließend nahm er noch eine Lymphdrainage vor, bei der er die Lymphknoten mit einem Massagegerät abtastete.
4
Mitte bzw. Ende November 2009 kam es wegen häufiger Krankmeldungen zu einem Streit zwischen der Nebenklägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Tochter des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin ihren Ausbildungsplatz vorzeitig kündigte.
5
In einem Brief vom 13. Januar 2010 schrieb der Angeklagte der Nebenklägerin Folgendes: „Meine Liebe Jenni. Beginnend möchte ich dich bitten, dass dieser Brief nur uns beide betrifft !!!! Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht mehr hier haben kann. (…) Ich hoffe, dass die Zuneigung zu dir nicht der Grund deiner Kündi- gung gewesen ist. (…) Bitte (…) mach keine trotz Aktionen mit der A. (…). Ich grüße und küsse dich herzlich, bitte melde dich. PS: Wenn du mir schreiben willst, dann schreibe als Absender Apotheke R. “.
6
Dieser Brief veranlasste die Nebenklägerin, zur Polizei zu gehen und gegen den Angeklagten Anzeige zu erstatten.
7
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Nebenklägerin und die Zeugin G. , die einen (von der Staats- anwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten) „vergleichbaren Vorfall“ wie die Nebenklägerin geschildert habe, hätten auf die Strafkammer zwar „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht. Dennoch seien Zweifel an der Glaubhaf- tigkeit der Aussagen der beiden miteinander bekannten Zeuginnen verblieben. So habe es in der Aussage der Nebenklägerin „Unsicherheiten bzw. Abweichungen zu ihren polizeilichen Angaben, die auch den Kernbereich der Tatvor- würfe betreffen“, gegeben. Außerdem hätten beide Zeuginnen ein Belastungs- motiv, da sie beide mit der Tochter des Angeklagten Streit gehabt hätten.

II.


9
Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

12
2. Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
13
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. fehlt.
14
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist.
15
aa) Die Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin bei der Polizei und in der Hauptverhandlung beschränkt sich auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die das Landgericht als „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ bezeichnet, „die auch den Kernbereich der Tatvorwürfe betreffen“. Die Bekundungen der Ne- benklägerin zu den von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen, insbesondere konkrete Details zum unmittelbaren Tatgeschehen, werden dagegen nicht mitgeteilt. Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Nebenklägerin die vom Landgericht aufgezeigten Widersprüche im Aussageinhalt nachvollziehbar erklären konnte oder nicht. Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der - im Urteil nicht weiter mitgeteilten - Aussage der Nebenklägerin zum Kern- geschehen vorgenommen und die dabei von ihr aufgezeigten „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussage- konstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96).
16
bb) Eine zusammenhängende Schilderung der von der Zeugin G. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränken sich auf den Hinweis, die Zeugin habe einen „vergleichbaren Vorfall“ geschildert. Weitere Einzelheiten der Aussage werden nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher auch in Bezug auf die Aussage der Zeugin G. nicht überprüfen, ob das Landgericht die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wesentlichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, zumal das Landgericht seine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. mit einem Streit zwischen ihr und der Tochter des Angeklagten begründet hat, ohne hierüber nähere Einzelheiten, z.B. zur Ursache, zum genauen Zeitpunkt, zum Verlauf oder zur Intensität des Streits, mitzuteilen.
17
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Schuld des Angeklagten wesentlich auf „Abweichungen bzw. Unsicherheiten“ in der Aussage der Ne- benklägerin gestützt. So habe die Nebenklägerin unterschiedliche Angaben zum erstmaligen Einsatz eines Massagestabes - bei der ersten bzw. bei der zweiten Behandlung durch den Angeklagten - gemacht. Auch habe sie sich an die Anzahl der Behandlungstermine nur noch „grob“ erinnern können; zunächst habe sie von vier bis fünf, später dann von fünf bis acht Terminen gesprochen. Bei der Bewertung dieser ungenauen Gedächtnisleistungen der Nebenklägerin hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob diese derart schwerwiegend sind, dass sie Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Aussage erlauben. Denn nicht jede Inkonstanz stellt bereits einen Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Das Landgericht lässt dabei zudem auch die Einlassung des Angeklagten außer Acht, die in diesem Zusammenhang nicht wesentlich von den Angaben der Nebenklägerin abweicht. So hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er die Nebenklägerin fünfmal in seiner Praxis behandelt habe, sondern auch, dass er dabei regelmäßig das Massagegerät eingesetzt habe.
18
c) Aus dem Brief vom 13. Januar 2010, den der Angeklagte an die Nebenklägerin geschrieben hat und der letztlich nach den Feststellungen der Aus- löser für ihre Strafanzeige gewesen ist, konnte das Landgericht keine „zwingenden Schlüsse“ hinsichtlich der Tatvorwürfe ziehen. Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - 5 StR 358/03 mwN).
19
d) Bei der Bewertung des Briefes vom 13. Januar 2010 hat sich das Landgericht zudem lediglich mit den Textstellen auseinandergesetzt, in denen der Angeklagte von seiner Zuneigung zu der Nebenklägerin spricht, sie auffordert , Trotzreaktionen zu unterlassen, und sie bittet, bei Schreiben an ihn einen falschen Absender anzugeben. Dagegen bleibt die für ein Schreiben eines Therapeuten an seine Patientin ungewöhnliche Grußformel „ich küsse dich herzlich“ unerörtert. Für eine Erörterung auch dieser Textstelle hätte hier schon deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte an anderer Stelle des Briefes seine Zuneigung zur Nebenklägerin zum Ausdruck bringt, so dass die von ihm verwendete Grußformel darauf hindeuten könnte, dass es bei der Behandlung der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen war.
20
e) Die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt.
21
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH, Urteile vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 und 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 jew. mwN).
22
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt hier den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung schon deshalb nicht, weil die Nebenklägerin und die Zeugin G. - wie dies an mehreren Stellen des Urteils ausgeführt wird (UA S. 7, 13 und 14) - auf das Landgericht „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht haben. Der Senat kann daher nicht aus- schließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. ein geringe- res Gewicht beigemessen und sich nicht nur von der Richtigkeit ihrer Angaben, sondern letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
Nack Wahl Elf Graf Sander