Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2011 - 1 StR 114/11

bei uns veröffentlicht am10.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 114/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
die Nebenklägerin persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der sexuellen Nötigung u.a. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Eines näheren Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Aufklärungsrügen bedarf es somit nicht.

I.


2
1. In der (im Wesentlichen auf den Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren beruhenden) unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz vom 12. Juli 2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, dass er bei der Behandlung der Nebenklägerin in mindestens acht Fällen gegen deren Willen aus sexuellen Gründen mit seinem Finger in deren Vaginalbereich eingedrungen sei. Der Angeklagte hat die Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich nicht von seiner Schuld zu überzeugen vermocht. Hinsichtlich des Sachverhalts konnte es lediglich folgende Feststellungen treffen:
3
In der Zeit von August bis November 2009 begab sich die damals 18 Jahre alte Nebenklägerin wegen ihres Heuschnupfens mindestens fünf Mal in die Behandlung des als Heilpraktiker tätigen Angeklagten. Dieser war ihr persönlich bekannt, da sie bei dessen Tochter eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolvierte. Zur Behandlung des Heuschnupfens führte der Angeklagte bei der Nebenklägerin jeweils zunächst eine Eigenblutbehandlung durch, bei der er ihr das zuvor entnommene Blut in ihren Gesäßmuskel spritzte und die Einstichstelle mit einer schmerzstillenden Salbe massierte. Anschließend nahm er noch eine Lymphdrainage vor, bei der er die Lymphknoten mit einem Massagegerät abtastete.
4
Mitte bzw. Ende November 2009 kam es wegen häufiger Krankmeldungen zu einem Streit zwischen der Nebenklägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Tochter des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin ihren Ausbildungsplatz vorzeitig kündigte.
5
In einem Brief vom 13. Januar 2010 schrieb der Angeklagte der Nebenklägerin Folgendes: „Meine Liebe Jenni. Beginnend möchte ich dich bitten, dass dieser Brief nur uns beide betrifft !!!! Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht mehr hier haben kann. (…) Ich hoffe, dass die Zuneigung zu dir nicht der Grund deiner Kündi- gung gewesen ist. (…) Bitte (…) mach keine trotz Aktionen mit der A. (…). Ich grüße und küsse dich herzlich, bitte melde dich. PS: Wenn du mir schreiben willst, dann schreibe als Absender Apotheke R. “.
6
Dieser Brief veranlasste die Nebenklägerin, zur Polizei zu gehen und gegen den Angeklagten Anzeige zu erstatten.
7
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Nebenklägerin und die Zeugin G. , die einen (von der Staats- anwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten) „vergleichbaren Vorfall“ wie die Nebenklägerin geschildert habe, hätten auf die Strafkammer zwar „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht. Dennoch seien Zweifel an der Glaubhaf- tigkeit der Aussagen der beiden miteinander bekannten Zeuginnen verblieben. So habe es in der Aussage der Nebenklägerin „Unsicherheiten bzw. Abweichungen zu ihren polizeilichen Angaben, die auch den Kernbereich der Tatvor- würfe betreffen“, gegeben. Außerdem hätten beide Zeuginnen ein Belastungs- motiv, da sie beide mit der Tochter des Angeklagten Streit gehabt hätten.

II.


9
Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

12
2. Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
13
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. fehlt.
14
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist.
15
aa) Die Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin bei der Polizei und in der Hauptverhandlung beschränkt sich auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die das Landgericht als „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ bezeichnet, „die auch den Kernbereich der Tatvorwürfe betreffen“. Die Bekundungen der Ne- benklägerin zu den von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen, insbesondere konkrete Details zum unmittelbaren Tatgeschehen, werden dagegen nicht mitgeteilt. Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Nebenklägerin die vom Landgericht aufgezeigten Widersprüche im Aussageinhalt nachvollziehbar erklären konnte oder nicht. Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der - im Urteil nicht weiter mitgeteilten - Aussage der Nebenklägerin zum Kern- geschehen vorgenommen und die dabei von ihr aufgezeigten „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussage- konstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96).
16
bb) Eine zusammenhängende Schilderung der von der Zeugin G. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränken sich auf den Hinweis, die Zeugin habe einen „vergleichbaren Vorfall“ geschildert. Weitere Einzelheiten der Aussage werden nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher auch in Bezug auf die Aussage der Zeugin G. nicht überprüfen, ob das Landgericht die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wesentlichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, zumal das Landgericht seine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. mit einem Streit zwischen ihr und der Tochter des Angeklagten begründet hat, ohne hierüber nähere Einzelheiten, z.B. zur Ursache, zum genauen Zeitpunkt, zum Verlauf oder zur Intensität des Streits, mitzuteilen.
17
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Schuld des Angeklagten wesentlich auf „Abweichungen bzw. Unsicherheiten“ in der Aussage der Ne- benklägerin gestützt. So habe die Nebenklägerin unterschiedliche Angaben zum erstmaligen Einsatz eines Massagestabes - bei der ersten bzw. bei der zweiten Behandlung durch den Angeklagten - gemacht. Auch habe sie sich an die Anzahl der Behandlungstermine nur noch „grob“ erinnern können; zunächst habe sie von vier bis fünf, später dann von fünf bis acht Terminen gesprochen. Bei der Bewertung dieser ungenauen Gedächtnisleistungen der Nebenklägerin hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob diese derart schwerwiegend sind, dass sie Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Aussage erlauben. Denn nicht jede Inkonstanz stellt bereits einen Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Das Landgericht lässt dabei zudem auch die Einlassung des Angeklagten außer Acht, die in diesem Zusammenhang nicht wesentlich von den Angaben der Nebenklägerin abweicht. So hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er die Nebenklägerin fünfmal in seiner Praxis behandelt habe, sondern auch, dass er dabei regelmäßig das Massagegerät eingesetzt habe.
18
c) Aus dem Brief vom 13. Januar 2010, den der Angeklagte an die Nebenklägerin geschrieben hat und der letztlich nach den Feststellungen der Aus- löser für ihre Strafanzeige gewesen ist, konnte das Landgericht keine „zwingenden Schlüsse“ hinsichtlich der Tatvorwürfe ziehen. Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - 5 StR 358/03 mwN).
19
d) Bei der Bewertung des Briefes vom 13. Januar 2010 hat sich das Landgericht zudem lediglich mit den Textstellen auseinandergesetzt, in denen der Angeklagte von seiner Zuneigung zu der Nebenklägerin spricht, sie auffordert , Trotzreaktionen zu unterlassen, und sie bittet, bei Schreiben an ihn einen falschen Absender anzugeben. Dagegen bleibt die für ein Schreiben eines Therapeuten an seine Patientin ungewöhnliche Grußformel „ich küsse dich herzlich“ unerörtert. Für eine Erörterung auch dieser Textstelle hätte hier schon deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte an anderer Stelle des Briefes seine Zuneigung zur Nebenklägerin zum Ausdruck bringt, so dass die von ihm verwendete Grußformel darauf hindeuten könnte, dass es bei der Behandlung der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen war.
20
e) Die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt.
21
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH, Urteile vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 und 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 jew. mwN).
22
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt hier den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung schon deshalb nicht, weil die Nebenklägerin und die Zeugin G. - wie dies an mehreren Stellen des Urteils ausgeführt wird (UA S. 7, 13 und 14) - auf das Landgericht „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht haben. Der Senat kann daher nicht aus- schließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. ein geringe- res Gewicht beigemessen und sich nicht nur von der Richtigkeit ihrer Angaben, sondern letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
Nack Wahl Elf Graf Sander

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Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 231/08
vom
15. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juli 2008,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 23. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, die Nebenklägerin nach einem Diskobesuch in einem Waldstück vergewaltigt zu haben. Das Landgericht konnte sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die Nebenklägerin stützt ihre Revision auf Verfahrensbeschwerden und die Sachrüge. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte besuchte im Februar 2007 gemeinsam mit dem Zeugen W. eine Disko, um die „Weiberfastnacht“ zu feiern. Dort hielt sich auch die Nebenklägerin gemeinsam mit einer Freundin auf. Die Nebenklägerin trug ein Faschingskostüm, trank an diesem Abend mehr als üblich Alkohol und tanzte entgegen ihrer Gewohnheit „enthemmt“. Sie äußerte, sie wolle sich an diesem Abend „abschießen“. Sie nahm Kontakt zum Angeklagten auf, tauschte mit ihm Küsse – auch Zungenküsse – aus und ließ sich von ihm an den Busen und an den Po fassen. Gemeinsam mit dem Angeklagten begab sich die Nebenklägerin einmal zum Garderobenbereich des Lokals, wo sie miteinander „knutschten“. Bei den Mitarbeitern der Disko entstand der Eindruck, zwischen beiden bestehe ein freundschaftliches Verhältnis. Zweimal begab sich die Nebenklägerin mit ihrer Freundin vor das Lokal. Einmal folgte ihnen der Angeklagte und forderte die Freundin auf, sie solle ihn mit der Nebenklägerin allein lassen. Die Freundin forderte ihn auf, die Nebenklägerin in Ruhe zu lassen, sie würde, bedingt durch den Alkohol, nichts mehr „checken“. Gegen zwei Uhr dreißig versuchte ihre Freundin, die Nebenklägerin in ein Taxi zu schieben. Die Nebenklägerin wollte jedoch allein den 1,5 km langen Weg nach Hause gehen. Als die Freundin nach Hause fuhr, ging die Nebenklägerin in das Lokal zurück. Nach einer Viertelstunde teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie nach Hause gehen werde.
4
Der Angeklagte folgte ihr auf dem Radweg der Bundesstraße bis zu einem Waldstück, in dem es zu sexuellen Handlungen kam. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Nebenklägerin nicht gegen ihren Willen von ihrem zunächst eingeschlagenen Heimweg abgebracht wurde, sondern sich hat überreden lassen. Erst im Waldstück habe sie umkehren wollen und dies verbal geäußert.
5
2. Die Strafkammer hat sich überzeugt gezeigt, dass es in dem Waldstück zu sexuellen Handlungen gekommen ist. Darüber, welcher Art diese sexuellen Handlungen waren und ob diese gegen den erkennbaren und erkannten Willen der Nebenklägerin durchgeführt worden sind, konnte sie sich keine sichere Überzeugung bilden.
6
3. Die Nebenklägerin hat ausgesagt, sie sei mit dem Angeklagten nicht freiwillig in das Waldstück gegangen, wisse allerdings auch nicht mehr, weshalb sie dorthin gegangen sei. Sie sei von ihm möglicherweise geschubst worden, vielleicht sei sie auch alkoholbedingt gestolpert und gestürzt und sei auf den Knien aufgekommen. Sie habe auf dem Boden gelegen, mit dem Gesicht zur Erde. Sie habe gesagt, dass sie aus dem Wald wolle, habe auch geschrien. Er habe sie auf die Backe geschlagen und sie aufgefordert, ruhig zu sein. Er habe ihr auch den Mund zugehalten und gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht „die Klappe“ halte. Der Angeklagte habe ihre Hose heruntergezogen und habe mit seinem Körper auf ihrem Rücken gelegen. Er habe sein Glied in ihren „Hintern“ eingeführt und sich hin- und herbewegt. Er sei auch kurz vaginal „drin gewesen“. Plötzlich sei der Angeklagte aufgestanden und gegangen. Sie sei aufgestanden und habe begonnen, ihre Hose hochzuziehen. Der Angeklagte sei zurückgekommen, habe sie geschubst, so dass sie auf den Rücken gefallen sei. Er habe sich auf ihre Brust gesetzt und versucht, sein entblößtes Glied in ihren Mund zu schieben. Dies sei nicht gelungen, weil sie ihren Mund fest geschlossen gehalten habe. Sie sei dann wieder auf die Seite und schließlich auf dem Bauch zu liegen gekommen. Der Angeklagte habe ihre Hose wieder nach unten gezogen und sei erneut anal und vaginal in sie eingedrungen, allerdings nicht mehr so lange wie zuvor. Sie habe geschrien. Daraufhin sei W. gekommen ; allerdings sei der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Wald raus gegangen und sie sei schon angezogen gewesen.
7
4. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, hat sich aber im Ermittlungsverfahren – so das Landgericht – widersprüchlich eingelassen. Nach anfänglicher Berufung auf Erinnerungslücken habe er angegeben, er habe die ihm namentlich nicht bekannte Frau im Lokal kennen gelernt, wo diese ihn angemacht habe und sie sich geküsst hätten. Im Wald sei die Frau auf dem Rücken gelegen. Sie sei unten herum bis zu den Hüften nackt gewesen. Er habe versucht, sie anzuheben , was ihm nicht gelungen sei. Als die Frau angefangen habe zu weinen, sei er gegangen. Bei seiner zweiten Vernehmung habe er einen Oralverkehr auf freiwilliger Basis geschildert, bei dem er gestanden und die Frau gekniet habe. Sie sei umgefallen und er habe versucht, sie aufzuheben. Als sie zu weinen begonnen habe, habe er von ihr abgelassen. In seiner dritten Beschuldigtenvernehmung habe er angegeben, die Nebenklägerin habe den Mund für den Oralverkehr nicht geöffnet. Sie hätten miteinander schlafen wollen und hätten gemeinsam angefangen. Mit ihrem Einverständnis hätten sie ihre Hose herunter gezogen. Sie seien umgefallen. Als sie zu weinen angefangen und gefordert habe, er solle sie lassen, seien sie aufgestanden und gegangen. Schläge, Drohungen und erzwungene sexuelle Handlungen gegen ihren Willen stritt der Angeklagte ab.
8
5. Für die Zeit nach dem Geschehen im Waldstück ist folgendes festgestellt :
9
a) Der Zeuge W. , der in der Disko eingeschlafen war, war nach deren Schließung dem Angeklagten gefolgt und kam an das Waldstück „nach dem Geschehen hinzu“, als sich der Angeklagte schon entfernt hatte (UA S. 13). Er hörte auf dem Weg dorthin „einen kurzen Schrei“ aus dem Wald. Die Nebenklägerin rief in Anwesenheit des Zeugen W. mit ihrem Handy nach der Polizei, forderte – als die Verbindung stand – den Zeugen W. auf, sich zu entfernen, und verlangte, mit der Polizeibeamtin „C. “ verbunden zu werden. Als „C. “ nicht zu erreichen war, bat sie den das Gespräch annehmenden Beamten um Hilfe. Sie machte bei dem Telefongespräch „einen verängstigten Eindruck“, so dass der Polizeibeamte sofort einen Einsatzwagen zu dem Waldstück schickte. Die Beamten des Einsatzwagens erlebten „die Gemütslage der Nebenklägerin als sehr wechselhaft mit Wein- und Wutanfällen“. Sie musste immer wieder beruhigt werden. Sie roch leicht nach Alkohol, schwankte aber nicht. Während der Fahrt im Streifenwagen richtete die Nebenklägerin ihre Sitzhaltung so ein, dass „sie möglichst schräg saß oder auf dem Bauch lag und dabei über Schmerzen im Po klagte“. Die gegen 3.00 Uhr entnommenen Blutproben ergaben bei der Nebenklägerin eine Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von wahrscheinlich 2,06 o/oo, maximal 2,52 o/oo, beim Angeklagten eine solche von wahrscheinlich 1,56 o/oo und maximal 2,07 o/oo).
10
b) Bei der unmittelbar nach der Tat erfolgten rechtsmedizinischen Untersuchung fanden sich weder am Penisabstrich des Angeklagten DNA-Spuren der Nebenklägerin, noch fanden sich im Scheiden- und Anusabstrich der Nebenklägerin DNA-Spuren des Angeklagten.
11
c) Unter neun der zehn Fingernägel des Angeklagten wurden DNASpuren der Nebenklägerin sichergestellt. Der Sachverständige erklärte den DNA-Befund „am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen“, der Befund weise aber nicht auf ein Einführen eines oder mehrerer Finger in eine der Körperöffnungen hin. Im inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten wurden DNA-Spuren gesichert, die der Nebenklägerin zugeordnet werden konnten. Am Handrücken des Angeklagten wurden Blutspuren sichergestellt , die nach der DNA-Analyse Mischspuren darstellten, „wobei Verursacher sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin und mindestens eine weitere Person seien“. Die Jeans des Angeklagten wiesen Verschmutzungen im Bereich der Knie auf.
12
d) Im Schrittbereich der Unterhose und der Strumpfhose der Nebenklägerin befand sich Blut, das ihr nach den Ergebnissen der DNA-Analyse zugeordnet werden konnte. Ob das Blut aus einer frischen Verletzung oder aus der vorangegangenen Menstruationsblutung stammte, konnte nicht sicher festgestellt werden. Bei der Nebenklägerin wurde in der Scheide ein Tampon festgestellt , den sie nach dem Abklingen der Blutung noch aus Sicherheitsgründen trug.
13
6. Das Landgericht hat sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen können. Zwar sprächen die Aussageentstehung und das von der Nebenklägerin unmittelbar nach dem Vorfall gezeigte Verhalten dafür, dass im Waldstück ein Ereignis mit sexuellem Bezug vorgefallen sei, welches der Nebenklägerin sehr zugesetzt habe. Die Aussage der Nebenklägerin weise inhaltlich einige Auffälligkeiten auf, auf Grund derer die Kammer erhebliche Zweifel daran gehabt habe, dass die wiedergegebene Schilderung den Vorfall vollständig beschreibe und der Angeklagte in der gegebenen Situation Anlass zu der Annahme gehabt habe, dass die Nebenklägerin sexuelle Handlungen nicht wolle.

II.

14
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
16
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06 –; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.). Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 206; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 16, 24, Überzeugungsbildung 30; BGH NStZ 2000, 48).
17
2. Ist wie hier die Beweislage schwierig und hängt die Entscheidung im Wesentlichen davon ab, ob das Gericht den Angaben des potentiellen Opfers einer Vergewaltigung oder dem Angeklagten folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Diesem Maßstab wird die von der Strafkammer vorgenommene umfangreiche Beweiswürdigung nicht in jeder Hinsicht gerecht.
18
a) Zwar führt die Strafkammer aus, die von ihr vorgenommene „Gesamtschau“ der einerseits vorhandenen und der andererseits fehlenden Spuren sowie des Aussageverhaltens der Nebenklägerin ließen Zweifel an einem Geschehensablauf wie von der Nebenklägerin geschildert zu (UA S. 20). Eine solche „Gesamtschau“ ist aber dann keine lückenlose Gesamtwürdigung der Indizien , wenn die Strafkammer – wie hier – bereits vorher wichtige objektive Beweisanzeichen ohne umfassende Auseinandersetzung mit den Aussagen der Nebenklägerin und des Angeklagten isoliert bewertet, dabei insbesondere feststellt , die Herkunft wichtiger Spuren lasse sich nicht klären und im Ergebnis dem Indiz dann – der Sache nach – maßgeblichen Beweiswert aberkennt. Aus der Bewertung der Strafkammer in ihrer „Gesamtschau“, es lägen keine objektiven Umstände vor, welche die Schilderung der Nebenklägerin über die Ereignisse im Waldstück stützen würden und mit Gewissheit dem Geschehen im Waldstück zugeordnet werden könnten, folgt, dass die Strafkammer die Reichweite der Regel „in dubio pro reo“ verkannt hat. Dies ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag, und nicht auf jedes Indiz für sich anzuwenden ist. Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht hat, dass Indizien, auch wenn sie sie – einzeln für sich betrachtet – nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten.
19
So meint die Kammer, die unter neun Fingernägeln des Angeklagten gefundenen DNA-Spuren, die mit Sicherheit der Nebenklägerin zugeordnet wur- den, wiesen nicht auf Gewaltanwendung im Rahmen des Geschehens im Waldstück hin und spricht ihnen im Ergebnis Beweiswert ab, - obwohl die Nebenklägerin ausgesagt hat, der Angeklagte habe ihr zweimal die Hosen – u.a. eine eng anliegende schwarze Stretchhose – herunter gezogen, - obwohl der Sachverständige erläutert hat, der DNA-Befund sei am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen zu erklären, - sowie trotz der Feststellungen zu der Verspannung und den Schmerzen im Bereich des Afters der Nebenklägerin, wovon letztere nicht nur durch die Nebenklägerin vorgebracht wurden, sondern durch die Aussagen der Polizeibeamten und zweier Zeuginnen gestützt wurden. Einzig mit der Begründung, die Nebenklägerin habe in der Hauptverhandlung – ausweislich der Urteilsgründe anders als in der Anklageschrift – nicht von einem Zupacken, sondern von einer anderen Form der Gewalteinwirkung gesprochen , kommt die Kammer zu dem isolierten Schluss, „dieses Zupacken [könne] kann nicht mit ausreichender Sicherheit mit dem Geschehen im Waldstück in Verbindung gebracht werden“, ohne zu erörtern, woher diese objektiven Spuren denn ansonsten überhaupt herrühren könnten: „Wo die DNASpuren unter den Fingernägeln des Angeklagten ihre Ursache haben, bleibt für das Gericht offen“. Die Strafkammer hätte sich damit auseinandersetzen müssen , ob die Spuren unter den Fingernägeln mit dem zweimaligen Herunterziehen der Hose, welches ein festes Zupacken erfordert, in Einklang zu bringen ist. Damit erweist sich die Beweiswürdigung in diesem Punkt auch als lückenhaft.
20
Isoliert betrachtet die Kammer auch die Verschmutzung der Jeanshose des Angeklagten. Dieser Umstand weise (allein) darauf hin, dass er auf dem Waldboden gekniet haben dürfte. Ohne Auseinandersetzung mit dem von der Nebenklägerin behaupteten zweimaligen Analverkehr kommt die Kammer zu dem Ergebnis, ein Knien auf dem Boden lasse Schlussfolgerungen über einen bestimmten Geschehensablauf nicht zu.
21
Ebenso lässt die Kammer die Herkunft der aus dem inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten genommenen DNA-Spur, die der Nebenklägerin zugeordnet wurde, offen, ohne zu erörtern, welche andere Verursachung als durch das von der Nebenklägerin geschilderte Tatgeschehen in Betracht kommt. Der Sachverständige hat ausgeführt, eine Übertragung von DNA sei möglich bei Geschlechtsverkehr, bei einem Oralverkehr am Penis oder bei längeren und intensiven Manipulationen mit der Hand in der Unterhose. Jedenfalls hinterlasse ein weniger intensiver Kontakt, wie ein normales Anfassen der Unterhose, keine DNA-Spuren. Die Kammer setzt diese Spur nicht in Bezug zur Aussage der Nebenklägerin, es habe Anal- und Vaginalverkehr stattgefunden.
22
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Herkunft der Blutspuren in der Unterhose und an der Strumpfhose der Nebenklägerin sowie auf dem Handrücken des Angeklagten. Die positive Feststellung einer frischen Verletzung als Ursache für die Blutspur sei trotz der Aussagen einer Zeugin über die Reaktion der Nebenklägerin beim Entkleiden nicht möglich, so dass letztlich offen bleiben müsse, wo die Blutspur ihre Ursache habe und ob sie dem Geschehen zugeordnet werden könne. Eine sichere Feststellung, wie es zu der Antragung auf dem Handrücken gekommen sei, könne ebenfalls nicht getroffen werden, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich in der Unterhose der Nebenklägerin bereits vor dem Geschehen in dem Waldstück Blut befunden haben könne.
23
Selbst wenn im Übrigen keines dieser Indizien für sich genommen eine Ohrfeige oder Drohung beweist, so kann doch im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben, wenn die Spurenlage mit der Schilderung der Nebenklägerin ohne weiteres vereinbar ist, mit der Schilderung des Angeklagten dagegen nicht.
24
b) Die „Gesamtschau“ leidet auch daran, dass die Strafkammer ihre ernsthaften Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Geschehen im Waldstück überwiegend nicht mit konkreten Details begründet, die sich aus einer fachgerechten Analyse der Aussage zum Kerngeschehen ergeben haben. Die Zweifel werden vielmehr mit Feststellungen zur Person der Nebenklägerin – ihrer unreifen Persönlichkeit sowie ihrem durch Alkohol geprägten Gesamtverhalten in der Disko – und zum Rahmengeschehen, insbesondere aus ihrer Entscheidung, in ihrem Zustand, gegen den Rat der Freundin , den Heimweg zu Fuß anzutreten, begründet.
25
So sei es – so die Strafkammer – auffällig, dass die Nebenklägerin in dieser Nacht allein zu Fuß nach Hause gehen wollte und sich vehement gegen die Benutzung des Taxis gewehrt habe; dass sie, die doch ihrer Freundin erklärt hat, sich vom Angeklagten belästigt zu fühlen, ihm sogar noch Mitteilung über den Antritt des Heimwegs gemacht hat. Dass sie unter diesen Umständen den Weg zu Fuß nach Hause gehen wollte, sei „jedenfalls auffällig und nicht recht nachvollziehbar“. Unabhängig davon soll die Schilderung der Nebenklägerin auch deshalb „unlogisch und merkwürdig“ sein, weil sie keine nachvollziehbaren Erklärungen dafür abgeben konnte, dass sich der Angeklagte „während des Geschehens ohne Erklärung oder Anlass aufsteht, sich kurzzeitig entfernt und sodann zurück kommt, um erneut mit der Nebenklägerin sexuell zu verkehren“.
26
Die Kammer äußert auch Bedenken, ob auf die Angaben der Nebenklägerin „Verlass“ ist, nachdem sie in der Hauptverhandlung ausführlich zu ihren sexuellen Erfahrungen und zu ihren Sexualpartnern seit ihrem siebzehnten Lebensjahr befragt worden ist. Dabei habe sie zu „Zweifeln an der Vollständigkeit der Angaben“ Anlass gegeben. In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer ihre Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Tatgeschehen ersichtlich aus der Bewertung ihres bisherigen Lebenswandels gezogen. Es habe sich ergeben, dass die Nebenklägerin entgegen ihren Angaben ihren Slip schon länger getragen haben musste, weil sich im Bundbereich ihres Slips DNA-Spuren von drei Männern und im Bundbereich der Strumpfhose von vier verschiedenen Männern fanden. Schließlich habe die Nebenklägerin in einem eher nebensächlichen Punkt erst auf Vorhalt eingeräumt, dass sie bereits eine Woche nach dem Vorfall wieder in dem Lokal gewesen und dort als sehr vergnügt aufgefallen sei.
27
Ohne dass den Urteilsgründen und den darin geäußerten Zweifeln ein Motiv für eine bewusst falsche Beschuldigung des Angeklagten zu entnehmen ist, lassen diese Ausführungen der Strafkammer besorgen, dass sie die allgemeine , personale Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen hat (dagegen schon BGHSt 45, 164, 167 f.) und ihr dabei die genaue Analyse des Inhalts der Aussage zum Kerngeschehen und deren Vereinbarkeit mit den festgestellten Blutanhaftungen , den DNA-Spuren und Beschmutzungen aus dem Blick geraten ist.
28
c) Schließlich machen die geäußerten Zweifel an der Aussage der Nebenklägerin es für die Strafkammer nicht entbehrlich, sich auch mit den von ihr selbst als widersprüchlich angesehenen Einlassungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren in der gebotenen Gesamtwürdigung im Detail auseinanderzusetzen. Ohne näher darzulegen, ob und inwieweit der Angeklagte seine Ein- lassung dem jeweiligen Ermittlungsergebnis angepasst haben könnte, wird erst am Schluss der Urteilsgründe ausgeführt, der Umstand der widersprüchlichen Einlassung im Ermittlungsverfahren könne „auch in einer Zusammenschau mit den Zeugenaussagen keine taugliche Grundlage [bilden], um sich eine sichere Überzeugung vom Geschehen zu bilden“ (UA S. 28). Danach hätte der Angeklagte jeweils nur versucht, mit der Nebenklägerin einverständlich sexuell zu verkehren, sich dann aber jeweils sofort zurückgezogen, sobald die Nebenklägerin angefangen habe zu weinen.
29
Die Strafkammer hätte in ihre Erwägungen erkennbar einbeziehen müssen , dass der Angeklagte bei jeder der drei Einlassungen im Ermittlungsverfahren nach eigenen Angaben stets den entgegenstehenden Willen erkannte. Die Feststellung, möglicherweise habe der Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin nicht erkannt, ist ohne nähere Begründung nicht vereinbar mit der Angabe des Angeklagten, er habe den entgegenstehenden Willen zwar erkannt, ihn aber respektiert. Auch würde das behauptete vorsichtige und fürsorgliche Verhalten des Angeklagten nicht ohne weiteres erklären, weshalb die Nebenklägerin schrie, sofort die Polizei benachrichtigte und die der Anklageschrift zugrunde liegenden Beschuldigungen erhoben haben sollte, wonach der Angeklagte sie geschlagen, ihr den Mund zugehalten und gedroht habe, sie umzubringen. Die Beweiswürdigung zum Aussageverhalten des Angeklagten ist deshalb in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Sie lässt ferner besorgen, dass die Strafkammer die Anforderungen an eine für die Verurteilung des Angeklagten ausreichende Überzeugungsbildung überspannt hat. Die Zweifel der Strafkammer an der Aussage der Nebenklägerin rechtfertigen es nicht, sich nicht mit den Widersprüchen in den Einlassungen auseinanderzusetzen und sie nicht in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen.

III.



30
Auf diesen Beweiswürdigungsmängeln, insbesondere an der fehlenden bzw. fehlerhaften Gesamtwürdigung aller den Angeklagten belastenden und entlastenden Umstände kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte. Es mag dahinstehen, ob jeder einzelne der genannten Gesichtspunkte notwendigerweise zu einer Urteilsaufhebung hätte führen müssen. Insgesamt führen sie dazu, dass die Sache neu entschieden werden muss.
Wahl Boetticher Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander ist urlaubsabwesendunddeshalb anderUnterschriftgehindert. Elf Wahl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 392/06
vom
21. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. November 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Gefangenen in Tateinheit mit Vergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich nicht von seiner Schuld überzeugen konnte. Gegen diesen Freispruch richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft - vertreten von dem Generalbundesanwalt - und der Nebenklägerin.
2
Die Rechtsmittel haben Erfolg.
3
Dem Angeklagten - einem ehemaligen Polizeibeamten - war zur Last gelegt worden, die Nebenklägerin zwischen dem 29. und 30. Januar 2004 während seines Nachtdienstes in der Polizeihaftanstalt in N. sexuell miss- braucht zu haben. Die Nebenklägerin war damals in der Punkerszene verhaftet, von der sie sich - so das Landgericht - inzwischen gelöst hat.

I.

4
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Das Landgericht konnte sich von der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin R. nicht überzeugen.
5
1. Diese hat in der Hauptverhandlung bekundet, sie sei am Abend des Tattages, nach beleidigenden Äußerungen gegenüber Polizeibeamten aufgrund ihrer Trunkenheit in Gewahrsam genommen worden. Bei dem Vorfall sei ihr damaliger Freund, der Zeuge S. , mit seinem und ihrem Hund anwesend gewesen. Sie sei insgesamt dreimal in Gewahrsam genommen worden. Das Zusammentreffen mit dem Angeklagten sei jedenfalls nach der "Geschichte mit den Hunden" gewesen. Vor der Ausnüchterungszelle habe sie Hose und Stiefel ausziehen müssen. Als sie wiederholt eine Decke verlangt habe, sei der Angeklagte gekommen und habe sie - in seiner Begleitung - sich eine Decke von außerhalb ihrer Zelle holen lassen. Einige Zeit später sei sie wach geworden vom Geräusch des Schlüssels an der Zellentür. Der Angeklagte sei zu ihr in den Innenraum der Zelle gekommen und habe gesagt, er müsse sie durchsuchen bzw. untersuchen. Auf seine Weisung habe sie sich mit dem Gesicht zur Wand stellen und die Beine breit machen müssen. Der Angeklagte habe, den Slip beiseite schiebend, von hinten zwei Finger in die Scheide geschoben und "ein wenig hin- und hergemacht". Dann habe der Angeklagte eine kurze Bemerkung fallen lassen und sich aus ihrer Zelle entfernt. Nach ihrer Entlassung am nächsten Morgen habe sie ihrem damaligen Freund noch am gleichen Tag erzählt, dass es "schlimm war", sie sei "sexuell belästigt worden". Dabei habe sie "Rotz und Wasser geheult". Er habe gesagt, niemand werde ihr glauben. Deshalb habe sie niemandem davon erzählt. Ca. ein Jahr später habe sie "den Brief von der Kripo gekriegt" und nicht gewusst, worum es gehe. Deshalb habe sie ihn ihrer Bewährungshelferin gezeigt, die telefonisch nachgefragt habe, worum es gehe.
6
2. Die Zeugin KHK'in H. hat nach dem Urteil des Landgerichts geschildert , warum die Dienstzeiten des Angeklagten mit dem Aufenthalt weiblicher Gefangener in der Polizeihaftanstalt im Polizeipräsidium N. abgeglichen worden seien. Auf einen Musterbrief an alle entsprechenden Personen habe sich die Bewährungshelferin von R. telefonisch gemeldet. Nach Übergabe des Telefonhörers an die Nebenklägerin habe sie (KHK'in H. ) ihr "von Übergriffen durch einen Kollegen in der Haftanstalt" berichtet. R. habe "dann gleich mehr oder minder eine Personenbeschreibung gegeben und gefragt, ob der es denn wäre". Nachdem sie, die Zeugin, dies bejaht habe, sei von R. angegeben worden, sie habe "die Beine breit machen" müssen und sei "betatscht" worden.
7
3. Der Zeuge S. hat bestätigt, dass die Nebenklägerin nach einer "Nacht in der Ausnüchterungszelle fertig gewesen" sei, geheult und ihm erzählt habe, sie sei "mit Fingern im Genitalbereich betatscht" worden. Er meine allerdings, dass dies nach einer Ingewahrsamnahme im März 2004 nach einem anderen Vorfall gewesen sei.
8
4. Von den Polizeibeamten, die in der betreffenden Dienstschicht in der Polizeihaftanstalt anwesend waren, konnte sich nur eine Beamtin an die Nebenklägerin erinnern, aber auch keine konkreten Angaben zum verfahrensrelevanten Geschehen machen. Die übrigen vier Beamten konnten sich an die Nebenklägerin nicht erinnern, auch auf Vorhalt nicht an eine Gefangene, die sich in Begleitung eines Polizeibeamten selbst eine Decke holen musste oder an eine Frau im Slip im Zellentrakt.
9
5. Das Landgericht hat die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin u.a. damit begründet, dass nicht sicher geklärt werden konnte, ob sie sich tatsächlich ohne Überhose in ihrer Zelle befunden hat, weil keiner der diensthabenden Polizeibeamten sich an eine Frau ohne Überhose und an eine solche, die sich von außerhalb ihrer Zelle eine Decke holen musste, erinnern konnte. Letztlich meinte das Landgericht, eine Absprache zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen S. dahingehend, einen Polizeibeamten zu Unrecht zu belasten, nicht sicher ausschließen zu können, da beide schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hatten.

II.

10
Der Freispruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
1. Die Ausführungen des Landgerichts werden den Anforderungen an die Begründungspflicht eines freisprechenden Urteils nicht gerecht. Das Landgericht beschränkt sich darauf, nach Mitteilung des Anklagevorwurfs und der Einlassung des Angeklagten die Bekundungen von Zeugen wiederzugeben. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter jedoch zunächst darlegen, welchen Sachverhalt er als festgestellt erachtet (st. Rspr., BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7 m.w.N.). Derartige Feststellungen zum Tatgeschehen selbst und zur Vorgeschichte fehlen. Die Wiedergabe allein von Bekundungen der vernommenen Zeugen genügt der Begründungspflicht nicht (BGHR aaO m.w.N.).
12
2. Darüber hinaus hält die Beweiswürdigung der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
13
Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
14
a) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft.
15
aa) Das Landgericht teilt zwar im Rahmen der wiedergegebenen Zeugenaussage der KHK'in H. mit, diese habe geschildert, warum die Dienstzeiten des Angeklagten mit dem Aufenthalt weiblicher Gefangener in der Polizeihaftanstalt abgeglichen worden seien und dass ein Musterbrief an alle entsprechenden Personen ergangen sei, nennt aber den Grund des Abgleichs nicht und gibt auch den Inhalt des Musterbriefes nicht wieder. Hierbei könnte es sich um beweiserhebliche Indiztatsachen für die Täterschaft des Angeklagten handeln, wenn die Kommissarin der Nebenklägerin berichtete, dass es um Übergriffe durch einen Kollegen in der Haftanstalt gehe. Eine Auseinandersetzung mit dem Grund des Abgleichs und dem Inhalt des Musterbriefes hätte es schon deshalb bedurft, weil die Ermittlungen gegen den Angeklagten ersichtlich nicht auf die Nebenklägerin beschränkt waren und auf einer vorangegangenen Initiative beruhten.
16
bb) Die Entstehungsgeschichte der Aussage von R. wird vom Landgericht nicht gewürdigt.
17
Das Landgericht hätte die Tatsache, dass sie keine Eigeninitiative im Hinblick auf die Anzeige ergriffen hat, weil ihr niemand glauben werde, sondern erst der Musterbrief ca. ein Jahr später die Anzeige auslöste, erörtern und bewerten müssen. Denn die Aussageentstehung ist ein wesentliches Indiz im Rahmen der Glaubhaftigkeitsprüfung von belastenden Aussagen. Auch zu der spontanen Personenbeschreibung des Angeklagten am Telefon durch die Nebenklägerin gegenüber der KHK'in H. nach der bloßen Mitteilung, dass es um Übergriffe durch einen Kollegen in der Haftanstalt gehe, verhält sich die Beweiswürdigung nicht. Ebenso fehlt eine Auseinandersetzung mit der spontanen Beschreibung der Tathandlung am Telefon.
18
b) Die erforderliche Gesamtwürdigung enthält das Urteil nicht.
19
Das Landgericht hat einige den Angeklagten entlastende Indiztatsachen aufgeführt. Damit werden die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin begründet (UA S. 9). Belastende Indiztatsachen bleiben unerwähnt. Eine Abwägung enthält das Urteil nicht. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Überzeugung hinsichtlich einer Absprache zwischen der Nebenklägerin und ihrem damaligen Freund - den Angeklagten zu Unrecht zu belasten - gelangt wäre, wenn es die oben aufgezeigten unerwähnten Indiztatsachen in eine zusammenschauende Würdigung einbezogen hätte.
20
Nach alledem muss die Sache schon aufgrund der Sachrüge neu verhandelt werden.
21
3. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft zwar dem Wortlaut nach nur die Verletzung materiellen Rechts gerügt, der Sache nach aber auch eine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Damit hat sie ebenfalls Erfolg.
22
a) Wenn die Staatsanwaltschaft beanstandet, das Landgericht habe in der Beweiswürdigung unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte bereits eine fast identische Tat begangen hat, die durch Verlesen des Urteils des Amtsgerichts - Schöffengericht - N. vom 16. November 2004, rechtskräftig seit dem 22. März 2006, in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, so ist darin eine Formalrüge der Verletzung des § 261 StPO zu sehen. Dass die Beschwerdeführerin die Nichtverwertung einer gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesenen Urkunde im Zusammenhang mit ihren Darlegungen zur Sachrüge und ohne ausdrücklichen Hinweis auf § 261 StPO vorgetragen hat, ist unschädlich. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung der Rüge, sondern ihre wirkliche rechtliche Bedeutung, wie sie dem Sinn und Zweck des Vorbringens zu entnehmen ist (vgl. BGHSt 19, 273, 275; BGH StV 1993, 459; BGH, Urteil vom 23. Mai 2006 - 5 StR 62/06; zuletzt Urteil vom 16. Oktober 2006 - 1 StR 180/06). In der Revisionsbegründung werden die tatsächlichen Grundlagen zu dieser Rüge umfassend vorgetragen. Die Beschwerdeführerin legt den festgestellten Sachverhalt zum Tatgeschehen aus dem Strafurteil dar. Das auszugsweise Verlesen des Urteils im allgemeinen Einverständnis wird durch das Protokoll belegt (Sachakte Bd. III Bl. 541). Die Staatsanwältin hat in ihrem Schlussvortrag eine Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Strafe aus obigem Urteil beantragt (Sachakte Bd. III Bl. 551).
23
b) Nach dem dargelegten und im genannten Strafurteil festgestellten Sachverhalt ist der Angeklagte wegen einer der ihm hier vorgeworfenen sehr stark ähnelnden Tat, begangen ca. einen Monat später im Rahmen seines Dienstes in der betreffenden Haftanstalt zur Nachtzeit, rechtskräftig verurteilt worden. Eine aufgrund eines Vorführungsbefehls inhaftierte Frau verlangte ebenfalls Bettzeug und musste es sich in Begleitung des Angeklagten selbst aus dem Zellentrakt holen. Im Zelleninnenraum erklärte er ihr, er müsse sie für die Personenbeschreibung vermessen. Er forderte sie auf, "ihre Beine breit zu machen". Nachdem er ihr Hose und Unterhose ein Stück heruntergezogen hatte , streichelte er sie außen an der Scheide, schob ihren BH hoch und umfasste mit beiden Händen ihre Brüste.
24
Diese rechtskräftig abgeurteilte und in die Hauptverhandlung eingeführte Tat hätte das Landgericht schon deshalb in seinem Urteil verwerten und als beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen müssen, weil in Betracht kommen kann, dass die vorgeworfene Tat dem Angeklagten nicht wesensfremd ist, und sie zudem gravierende Parallelen im Tatablauf aufweist. Diese wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände sind durchaus geeignet, die Überzeugungsbildung des Tatrichters zu beeinflussen. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 231/08
vom
15. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juli 2008,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 23. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, die Nebenklägerin nach einem Diskobesuch in einem Waldstück vergewaltigt zu haben. Das Landgericht konnte sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die Nebenklägerin stützt ihre Revision auf Verfahrensbeschwerden und die Sachrüge. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
1. Der Angeklagte besuchte im Februar 2007 gemeinsam mit dem Zeugen W. eine Disko, um die „Weiberfastnacht“ zu feiern. Dort hielt sich auch die Nebenklägerin gemeinsam mit einer Freundin auf. Die Nebenklägerin trug ein Faschingskostüm, trank an diesem Abend mehr als üblich Alkohol und tanzte entgegen ihrer Gewohnheit „enthemmt“. Sie äußerte, sie wolle sich an diesem Abend „abschießen“. Sie nahm Kontakt zum Angeklagten auf, tauschte mit ihm Küsse – auch Zungenküsse – aus und ließ sich von ihm an den Busen und an den Po fassen. Gemeinsam mit dem Angeklagten begab sich die Nebenklägerin einmal zum Garderobenbereich des Lokals, wo sie miteinander „knutschten“. Bei den Mitarbeitern der Disko entstand der Eindruck, zwischen beiden bestehe ein freundschaftliches Verhältnis. Zweimal begab sich die Nebenklägerin mit ihrer Freundin vor das Lokal. Einmal folgte ihnen der Angeklagte und forderte die Freundin auf, sie solle ihn mit der Nebenklägerin allein lassen. Die Freundin forderte ihn auf, die Nebenklägerin in Ruhe zu lassen, sie würde, bedingt durch den Alkohol, nichts mehr „checken“. Gegen zwei Uhr dreißig versuchte ihre Freundin, die Nebenklägerin in ein Taxi zu schieben. Die Nebenklägerin wollte jedoch allein den 1,5 km langen Weg nach Hause gehen. Als die Freundin nach Hause fuhr, ging die Nebenklägerin in das Lokal zurück. Nach einer Viertelstunde teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie nach Hause gehen werde.
4
Der Angeklagte folgte ihr auf dem Radweg der Bundesstraße bis zu einem Waldstück, in dem es zu sexuellen Handlungen kam. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Nebenklägerin nicht gegen ihren Willen von ihrem zunächst eingeschlagenen Heimweg abgebracht wurde, sondern sich hat überreden lassen. Erst im Waldstück habe sie umkehren wollen und dies verbal geäußert.
5
2. Die Strafkammer hat sich überzeugt gezeigt, dass es in dem Waldstück zu sexuellen Handlungen gekommen ist. Darüber, welcher Art diese sexuellen Handlungen waren und ob diese gegen den erkennbaren und erkannten Willen der Nebenklägerin durchgeführt worden sind, konnte sie sich keine sichere Überzeugung bilden.
6
3. Die Nebenklägerin hat ausgesagt, sie sei mit dem Angeklagten nicht freiwillig in das Waldstück gegangen, wisse allerdings auch nicht mehr, weshalb sie dorthin gegangen sei. Sie sei von ihm möglicherweise geschubst worden, vielleicht sei sie auch alkoholbedingt gestolpert und gestürzt und sei auf den Knien aufgekommen. Sie habe auf dem Boden gelegen, mit dem Gesicht zur Erde. Sie habe gesagt, dass sie aus dem Wald wolle, habe auch geschrien. Er habe sie auf die Backe geschlagen und sie aufgefordert, ruhig zu sein. Er habe ihr auch den Mund zugehalten und gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht „die Klappe“ halte. Der Angeklagte habe ihre Hose heruntergezogen und habe mit seinem Körper auf ihrem Rücken gelegen. Er habe sein Glied in ihren „Hintern“ eingeführt und sich hin- und herbewegt. Er sei auch kurz vaginal „drin gewesen“. Plötzlich sei der Angeklagte aufgestanden und gegangen. Sie sei aufgestanden und habe begonnen, ihre Hose hochzuziehen. Der Angeklagte sei zurückgekommen, habe sie geschubst, so dass sie auf den Rücken gefallen sei. Er habe sich auf ihre Brust gesetzt und versucht, sein entblößtes Glied in ihren Mund zu schieben. Dies sei nicht gelungen, weil sie ihren Mund fest geschlossen gehalten habe. Sie sei dann wieder auf die Seite und schließlich auf dem Bauch zu liegen gekommen. Der Angeklagte habe ihre Hose wieder nach unten gezogen und sei erneut anal und vaginal in sie eingedrungen, allerdings nicht mehr so lange wie zuvor. Sie habe geschrien. Daraufhin sei W. gekommen ; allerdings sei der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Wald raus gegangen und sie sei schon angezogen gewesen.
7
4. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, hat sich aber im Ermittlungsverfahren – so das Landgericht – widersprüchlich eingelassen. Nach anfänglicher Berufung auf Erinnerungslücken habe er angegeben, er habe die ihm namentlich nicht bekannte Frau im Lokal kennen gelernt, wo diese ihn angemacht habe und sie sich geküsst hätten. Im Wald sei die Frau auf dem Rücken gelegen. Sie sei unten herum bis zu den Hüften nackt gewesen. Er habe versucht, sie anzuheben , was ihm nicht gelungen sei. Als die Frau angefangen habe zu weinen, sei er gegangen. Bei seiner zweiten Vernehmung habe er einen Oralverkehr auf freiwilliger Basis geschildert, bei dem er gestanden und die Frau gekniet habe. Sie sei umgefallen und er habe versucht, sie aufzuheben. Als sie zu weinen begonnen habe, habe er von ihr abgelassen. In seiner dritten Beschuldigtenvernehmung habe er angegeben, die Nebenklägerin habe den Mund für den Oralverkehr nicht geöffnet. Sie hätten miteinander schlafen wollen und hätten gemeinsam angefangen. Mit ihrem Einverständnis hätten sie ihre Hose herunter gezogen. Sie seien umgefallen. Als sie zu weinen angefangen und gefordert habe, er solle sie lassen, seien sie aufgestanden und gegangen. Schläge, Drohungen und erzwungene sexuelle Handlungen gegen ihren Willen stritt der Angeklagte ab.
8
5. Für die Zeit nach dem Geschehen im Waldstück ist folgendes festgestellt :
9
a) Der Zeuge W. , der in der Disko eingeschlafen war, war nach deren Schließung dem Angeklagten gefolgt und kam an das Waldstück „nach dem Geschehen hinzu“, als sich der Angeklagte schon entfernt hatte (UA S. 13). Er hörte auf dem Weg dorthin „einen kurzen Schrei“ aus dem Wald. Die Nebenklägerin rief in Anwesenheit des Zeugen W. mit ihrem Handy nach der Polizei, forderte – als die Verbindung stand – den Zeugen W. auf, sich zu entfernen, und verlangte, mit der Polizeibeamtin „C. “ verbunden zu werden. Als „C. “ nicht zu erreichen war, bat sie den das Gespräch annehmenden Beamten um Hilfe. Sie machte bei dem Telefongespräch „einen verängstigten Eindruck“, so dass der Polizeibeamte sofort einen Einsatzwagen zu dem Waldstück schickte. Die Beamten des Einsatzwagens erlebten „die Gemütslage der Nebenklägerin als sehr wechselhaft mit Wein- und Wutanfällen“. Sie musste immer wieder beruhigt werden. Sie roch leicht nach Alkohol, schwankte aber nicht. Während der Fahrt im Streifenwagen richtete die Nebenklägerin ihre Sitzhaltung so ein, dass „sie möglichst schräg saß oder auf dem Bauch lag und dabei über Schmerzen im Po klagte“. Die gegen 3.00 Uhr entnommenen Blutproben ergaben bei der Nebenklägerin eine Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von wahrscheinlich 2,06 o/oo, maximal 2,52 o/oo, beim Angeklagten eine solche von wahrscheinlich 1,56 o/oo und maximal 2,07 o/oo).
10
b) Bei der unmittelbar nach der Tat erfolgten rechtsmedizinischen Untersuchung fanden sich weder am Penisabstrich des Angeklagten DNA-Spuren der Nebenklägerin, noch fanden sich im Scheiden- und Anusabstrich der Nebenklägerin DNA-Spuren des Angeklagten.
11
c) Unter neun der zehn Fingernägel des Angeklagten wurden DNASpuren der Nebenklägerin sichergestellt. Der Sachverständige erklärte den DNA-Befund „am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen“, der Befund weise aber nicht auf ein Einführen eines oder mehrerer Finger in eine der Körperöffnungen hin. Im inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten wurden DNA-Spuren gesichert, die der Nebenklägerin zugeordnet werden konnten. Am Handrücken des Angeklagten wurden Blutspuren sichergestellt , die nach der DNA-Analyse Mischspuren darstellten, „wobei Verursacher sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin und mindestens eine weitere Person seien“. Die Jeans des Angeklagten wiesen Verschmutzungen im Bereich der Knie auf.
12
d) Im Schrittbereich der Unterhose und der Strumpfhose der Nebenklägerin befand sich Blut, das ihr nach den Ergebnissen der DNA-Analyse zugeordnet werden konnte. Ob das Blut aus einer frischen Verletzung oder aus der vorangegangenen Menstruationsblutung stammte, konnte nicht sicher festgestellt werden. Bei der Nebenklägerin wurde in der Scheide ein Tampon festgestellt , den sie nach dem Abklingen der Blutung noch aus Sicherheitsgründen trug.
13
6. Das Landgericht hat sich von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten nicht überzeugen können. Zwar sprächen die Aussageentstehung und das von der Nebenklägerin unmittelbar nach dem Vorfall gezeigte Verhalten dafür, dass im Waldstück ein Ereignis mit sexuellem Bezug vorgefallen sei, welches der Nebenklägerin sehr zugesetzt habe. Die Aussage der Nebenklägerin weise inhaltlich einige Auffälligkeiten auf, auf Grund derer die Kammer erhebliche Zweifel daran gehabt habe, dass die wiedergegebene Schilderung den Vorfall vollständig beschreibe und der Angeklagte in der gegebenen Situation Anlass zu der Annahme gehabt habe, dass die Nebenklägerin sexuelle Handlungen nicht wolle.

II.

14
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
16
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06 –; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.). Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 206; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 16, 24, Überzeugungsbildung 30; BGH NStZ 2000, 48).
17
2. Ist wie hier die Beweislage schwierig und hängt die Entscheidung im Wesentlichen davon ab, ob das Gericht den Angaben des potentiellen Opfers einer Vergewaltigung oder dem Angeklagten folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Diesem Maßstab wird die von der Strafkammer vorgenommene umfangreiche Beweiswürdigung nicht in jeder Hinsicht gerecht.
18
a) Zwar führt die Strafkammer aus, die von ihr vorgenommene „Gesamtschau“ der einerseits vorhandenen und der andererseits fehlenden Spuren sowie des Aussageverhaltens der Nebenklägerin ließen Zweifel an einem Geschehensablauf wie von der Nebenklägerin geschildert zu (UA S. 20). Eine solche „Gesamtschau“ ist aber dann keine lückenlose Gesamtwürdigung der Indizien , wenn die Strafkammer – wie hier – bereits vorher wichtige objektive Beweisanzeichen ohne umfassende Auseinandersetzung mit den Aussagen der Nebenklägerin und des Angeklagten isoliert bewertet, dabei insbesondere feststellt , die Herkunft wichtiger Spuren lasse sich nicht klären und im Ergebnis dem Indiz dann – der Sache nach – maßgeblichen Beweiswert aberkennt. Aus der Bewertung der Strafkammer in ihrer „Gesamtschau“, es lägen keine objektiven Umstände vor, welche die Schilderung der Nebenklägerin über die Ereignisse im Waldstück stützen würden und mit Gewissheit dem Geschehen im Waldstück zugeordnet werden könnten, folgt, dass die Strafkammer die Reichweite der Regel „in dubio pro reo“ verkannt hat. Dies ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag, und nicht auf jedes Indiz für sich anzuwenden ist. Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht hat, dass Indizien, auch wenn sie sie – einzeln für sich betrachtet – nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten.
19
So meint die Kammer, die unter neun Fingernägeln des Angeklagten gefundenen DNA-Spuren, die mit Sicherheit der Nebenklägerin zugeordnet wur- den, wiesen nicht auf Gewaltanwendung im Rahmen des Geschehens im Waldstück hin und spricht ihnen im Ergebnis Beweiswert ab, - obwohl die Nebenklägerin ausgesagt hat, der Angeklagte habe ihr zweimal die Hosen – u.a. eine eng anliegende schwarze Stretchhose – herunter gezogen, - obwohl der Sachverständige erläutert hat, der DNA-Befund sei am ehesten mit einem festen Zupacken mit beiden Händen zu erklären, - sowie trotz der Feststellungen zu der Verspannung und den Schmerzen im Bereich des Afters der Nebenklägerin, wovon letztere nicht nur durch die Nebenklägerin vorgebracht wurden, sondern durch die Aussagen der Polizeibeamten und zweier Zeuginnen gestützt wurden. Einzig mit der Begründung, die Nebenklägerin habe in der Hauptverhandlung – ausweislich der Urteilsgründe anders als in der Anklageschrift – nicht von einem Zupacken, sondern von einer anderen Form der Gewalteinwirkung gesprochen , kommt die Kammer zu dem isolierten Schluss, „dieses Zupacken [könne] kann nicht mit ausreichender Sicherheit mit dem Geschehen im Waldstück in Verbindung gebracht werden“, ohne zu erörtern, woher diese objektiven Spuren denn ansonsten überhaupt herrühren könnten: „Wo die DNASpuren unter den Fingernägeln des Angeklagten ihre Ursache haben, bleibt für das Gericht offen“. Die Strafkammer hätte sich damit auseinandersetzen müssen , ob die Spuren unter den Fingernägeln mit dem zweimaligen Herunterziehen der Hose, welches ein festes Zupacken erfordert, in Einklang zu bringen ist. Damit erweist sich die Beweiswürdigung in diesem Punkt auch als lückenhaft.
20
Isoliert betrachtet die Kammer auch die Verschmutzung der Jeanshose des Angeklagten. Dieser Umstand weise (allein) darauf hin, dass er auf dem Waldboden gekniet haben dürfte. Ohne Auseinandersetzung mit dem von der Nebenklägerin behaupteten zweimaligen Analverkehr kommt die Kammer zu dem Ergebnis, ein Knien auf dem Boden lasse Schlussfolgerungen über einen bestimmten Geschehensablauf nicht zu.
21
Ebenso lässt die Kammer die Herkunft der aus dem inneren Schrittbereich der Unterhose des Angeklagten genommenen DNA-Spur, die der Nebenklägerin zugeordnet wurde, offen, ohne zu erörtern, welche andere Verursachung als durch das von der Nebenklägerin geschilderte Tatgeschehen in Betracht kommt. Der Sachverständige hat ausgeführt, eine Übertragung von DNA sei möglich bei Geschlechtsverkehr, bei einem Oralverkehr am Penis oder bei längeren und intensiven Manipulationen mit der Hand in der Unterhose. Jedenfalls hinterlasse ein weniger intensiver Kontakt, wie ein normales Anfassen der Unterhose, keine DNA-Spuren. Die Kammer setzt diese Spur nicht in Bezug zur Aussage der Nebenklägerin, es habe Anal- und Vaginalverkehr stattgefunden.
22
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Herkunft der Blutspuren in der Unterhose und an der Strumpfhose der Nebenklägerin sowie auf dem Handrücken des Angeklagten. Die positive Feststellung einer frischen Verletzung als Ursache für die Blutspur sei trotz der Aussagen einer Zeugin über die Reaktion der Nebenklägerin beim Entkleiden nicht möglich, so dass letztlich offen bleiben müsse, wo die Blutspur ihre Ursache habe und ob sie dem Geschehen zugeordnet werden könne. Eine sichere Feststellung, wie es zu der Antragung auf dem Handrücken gekommen sei, könne ebenfalls nicht getroffen werden, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich in der Unterhose der Nebenklägerin bereits vor dem Geschehen in dem Waldstück Blut befunden haben könne.
23
Selbst wenn im Übrigen keines dieser Indizien für sich genommen eine Ohrfeige oder Drohung beweist, so kann doch im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben, wenn die Spurenlage mit der Schilderung der Nebenklägerin ohne weiteres vereinbar ist, mit der Schilderung des Angeklagten dagegen nicht.
24
b) Die „Gesamtschau“ leidet auch daran, dass die Strafkammer ihre ernsthaften Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Geschehen im Waldstück überwiegend nicht mit konkreten Details begründet, die sich aus einer fachgerechten Analyse der Aussage zum Kerngeschehen ergeben haben. Die Zweifel werden vielmehr mit Feststellungen zur Person der Nebenklägerin – ihrer unreifen Persönlichkeit sowie ihrem durch Alkohol geprägten Gesamtverhalten in der Disko – und zum Rahmengeschehen, insbesondere aus ihrer Entscheidung, in ihrem Zustand, gegen den Rat der Freundin , den Heimweg zu Fuß anzutreten, begründet.
25
So sei es – so die Strafkammer – auffällig, dass die Nebenklägerin in dieser Nacht allein zu Fuß nach Hause gehen wollte und sich vehement gegen die Benutzung des Taxis gewehrt habe; dass sie, die doch ihrer Freundin erklärt hat, sich vom Angeklagten belästigt zu fühlen, ihm sogar noch Mitteilung über den Antritt des Heimwegs gemacht hat. Dass sie unter diesen Umständen den Weg zu Fuß nach Hause gehen wollte, sei „jedenfalls auffällig und nicht recht nachvollziehbar“. Unabhängig davon soll die Schilderung der Nebenklägerin auch deshalb „unlogisch und merkwürdig“ sein, weil sie keine nachvollziehbaren Erklärungen dafür abgeben konnte, dass sich der Angeklagte „während des Geschehens ohne Erklärung oder Anlass aufsteht, sich kurzzeitig entfernt und sodann zurück kommt, um erneut mit der Nebenklägerin sexuell zu verkehren“.
26
Die Kammer äußert auch Bedenken, ob auf die Angaben der Nebenklägerin „Verlass“ ist, nachdem sie in der Hauptverhandlung ausführlich zu ihren sexuellen Erfahrungen und zu ihren Sexualpartnern seit ihrem siebzehnten Lebensjahr befragt worden ist. Dabei habe sie zu „Zweifeln an der Vollständigkeit der Angaben“ Anlass gegeben. In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer ihre Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zum Tatgeschehen ersichtlich aus der Bewertung ihres bisherigen Lebenswandels gezogen. Es habe sich ergeben, dass die Nebenklägerin entgegen ihren Angaben ihren Slip schon länger getragen haben musste, weil sich im Bundbereich ihres Slips DNA-Spuren von drei Männern und im Bundbereich der Strumpfhose von vier verschiedenen Männern fanden. Schließlich habe die Nebenklägerin in einem eher nebensächlichen Punkt erst auf Vorhalt eingeräumt, dass sie bereits eine Woche nach dem Vorfall wieder in dem Lokal gewesen und dort als sehr vergnügt aufgefallen sei.
27
Ohne dass den Urteilsgründen und den darin geäußerten Zweifeln ein Motiv für eine bewusst falsche Beschuldigung des Angeklagten zu entnehmen ist, lassen diese Ausführungen der Strafkammer besorgen, dass sie die allgemeine , personale Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen hat (dagegen schon BGHSt 45, 164, 167 f.) und ihr dabei die genaue Analyse des Inhalts der Aussage zum Kerngeschehen und deren Vereinbarkeit mit den festgestellten Blutanhaftungen , den DNA-Spuren und Beschmutzungen aus dem Blick geraten ist.
28
c) Schließlich machen die geäußerten Zweifel an der Aussage der Nebenklägerin es für die Strafkammer nicht entbehrlich, sich auch mit den von ihr selbst als widersprüchlich angesehenen Einlassungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren in der gebotenen Gesamtwürdigung im Detail auseinanderzusetzen. Ohne näher darzulegen, ob und inwieweit der Angeklagte seine Ein- lassung dem jeweiligen Ermittlungsergebnis angepasst haben könnte, wird erst am Schluss der Urteilsgründe ausgeführt, der Umstand der widersprüchlichen Einlassung im Ermittlungsverfahren könne „auch in einer Zusammenschau mit den Zeugenaussagen keine taugliche Grundlage [bilden], um sich eine sichere Überzeugung vom Geschehen zu bilden“ (UA S. 28). Danach hätte der Angeklagte jeweils nur versucht, mit der Nebenklägerin einverständlich sexuell zu verkehren, sich dann aber jeweils sofort zurückgezogen, sobald die Nebenklägerin angefangen habe zu weinen.
29
Die Strafkammer hätte in ihre Erwägungen erkennbar einbeziehen müssen , dass der Angeklagte bei jeder der drei Einlassungen im Ermittlungsverfahren nach eigenen Angaben stets den entgegenstehenden Willen erkannte. Die Feststellung, möglicherweise habe der Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin nicht erkannt, ist ohne nähere Begründung nicht vereinbar mit der Angabe des Angeklagten, er habe den entgegenstehenden Willen zwar erkannt, ihn aber respektiert. Auch würde das behauptete vorsichtige und fürsorgliche Verhalten des Angeklagten nicht ohne weiteres erklären, weshalb die Nebenklägerin schrie, sofort die Polizei benachrichtigte und die der Anklageschrift zugrunde liegenden Beschuldigungen erhoben haben sollte, wonach der Angeklagte sie geschlagen, ihr den Mund zugehalten und gedroht habe, sie umzubringen. Die Beweiswürdigung zum Aussageverhalten des Angeklagten ist deshalb in mehrfacher Hinsicht lückenhaft. Sie lässt ferner besorgen, dass die Strafkammer die Anforderungen an eine für die Verurteilung des Angeklagten ausreichende Überzeugungsbildung überspannt hat. Die Zweifel der Strafkammer an der Aussage der Nebenklägerin rechtfertigen es nicht, sich nicht mit den Widersprüchen in den Einlassungen auseinanderzusetzen und sie nicht in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen.

III.



30
Auf diesen Beweiswürdigungsmängeln, insbesondere an der fehlenden bzw. fehlerhaften Gesamtwürdigung aller den Angeklagten belastenden und entlastenden Umstände kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte. Es mag dahinstehen, ob jeder einzelne der genannten Gesichtspunkte notwendigerweise zu einer Urteilsaufhebung hätte führen müssen. Insgesamt führen sie dazu, dass die Sache neu entschieden werden muss.
Wahl Boetticher Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander ist urlaubsabwesendunddeshalb anderUnterschriftgehindert. Elf Wahl
5 StR 358/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 29. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Oktober
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 31. Januar 2003 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Von der Begehung zweier dem Angeklagten vorgeworfener Vergewaltigungen hat sich das Landgericht dagegen nicht überzeugen können; die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 4. August 2002 begab sich der Angeklagte in die Eschenstraße 4 in Dresden. Er traf dort im Hof auf mehrere Hausbewohner, die sich über die ebenfalls dort lebende Zeugin K – die spätere Geschädigte – unterhielten. Diese wurde von den Bewohnern des Hauses gemieden,
da sie häufig betrunken war und in diesem Zustand Nachbarn beleidigte und verleumdete. Zudem soll sie vielfach die Polizei und Rettungsdienste grundlos alarmiert und einen der Mieter zu Unrecht einer Vergewaltigung bezichtigt haben. Mit dem Angeklagten verstand sich K jedoch „verhältnismäßig gut“. Als diese – wiederum bereits angetrunken – im Hof erschien , erklärte sich der Angeklagte bereit, auf einem Spaziergang über die Probleme mit den Nachbarn zu sprechen. Nachdem sie unterwegs Bier gekauft und getrunken hatten, begann es zu regnen. Beide suchten eine nahegelegene Garage auf und stellten sich dort unter. Plötzlich und ohne erkennbaren Anlaß schlug der Angeklagte K mehrfach mit der Hand ins Gesicht, wodurch die Zeugin Prellungen erlitt.
Von einer dem Angeklagten zudem vorgeworfenen Vergewaltigung in der Garage hat sich die Strafkammer indes nicht überzeugen können. Gleiches gilt im Hinblick auf eine weitere Vergewaltigung, zu der es nach den Angaben der Geschädigten kurze Zeit später – nach weiterem gemeinsamen Alkoholkonsum und Heimweg – im Treppenhaus des Hauses Eschenstraße 4 gekommen sein soll; die Strafkammer hat den Angeklagten insoweit freigesprochen.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft, die die unterbliebene Verurteilung wegen der Vergewaltigungsvorwürfe rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.
1. Schon die Darstellung der dem Urteil zugrundeliegenden Beweiswürdigung begegnet erheblichen Bedenken. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen müssen in der Regel nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen bezeichnet werden, die der Tatrichter für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung beginnend mit
der Einlassung des Angeklagten dartut, aus welchen Gründen er die zur Verurteilung notwendigen (zusätzlichen) Feststellungen nicht treffen konnte (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 5, 8, 12). Dies gilt entsprechend, wenn der Tatrichter zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe nur einen Tatbestand erfüllt, weitere aus Sicht der Anklage tateinheitlich dazu stehende Delikte seien ihm hingegen aus tatsächlichen Gründen nicht nachzuweisen.
Auch die sehr knappe, über die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale kaum hinausgehende Wiedergabe der Vergewaltigungsvorwürfe ist problematisch. Vor allem aber fehlt es im Rahmen der dann folgenden Beweiswürdigung an einer hinreichend nachprüfbaren Darstellung der Einlassungen des Angeklagten einerseits und der Bekundungen der Geschädigten andererseits. Zwar genügt im allgemeinen eine geraffte Zusammenfassung der für die Beweiswürdigung wesentlichen Einzelheiten (BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 2 Einlassung 1; BGH NStZ-RR 1999, 272). Doch ist eine umfassende Darstellung der relevanten Aussagen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann geboten, wenn – wie hier – Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welcher Person das Gericht Glauben schenkt. Bei einer solchen Beweislage muß der Tatrichter erkennen lassen, daß er alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGHSt 44, 153, 159; BGHSt 44, 256, 257). Dies gilt auch dann, wenn das Gericht den Angeklagten nicht verurteilt, weil es sich von der Richtigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen nicht überzeugen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 174 m. w. N.).
Zum Geschehen in der Garage teilt die Strafkammer zur Einlassung des Angeklagten lediglich mit, daß die getroffenen Feststellungen „im wesentlichen auf dem Geständnis des Angeklagten“ beruhen, „soweit ihm gefolgt werden konnte“ und daß „die vom Angeklagten behauptete Erinnerungslücke“ zu seiner „plötzlichen Verhaltensänderung“ durch die Angaben der
Geschädigten „zumindest soweit ihren Angaben gefolgt werden konnte“ ausgefüllt werden konnten (UA S. 15). Im Rahmen der Strafzumessung (hinsichtlich des ausgeurteilten Körperverletzungsdelikts) wird dem Angeklagten dann aber zugute gehalten, daß er „von sich aus die Tat von Anfang an eingeräumt hat, ohne seine Handlung von sich aus beschönigend darzustellen“; seine fehlende „Detailerinnerung“ beruhe auf einem Verdrängungsmechanismus. Ungeachtet der offenkundigen Ungereimtheiten dieser wenigen bruchstückhaften und widersprüchlichen Mitteilungen fehlt sowohl die gebotene Wiedergabe von Einzelheiten der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung als auch Angaben zu seinem Aussageverhalten in vorhergehenden Verfahrensabschnitten. Gleiches gilt letztlich auch für die Darstellung der Angaben der Geschädigten. Statt deren Bekundungen zum Tatvorwurf zusammenhängend zu schildern (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 1 Sachdarstellung 12) und dann zu würdigen, beschränkt sich das Landgericht auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die aus Sicht des Landgerichts mit weiteren Beweisergebnissen nicht in Einklang stehen. Eine sorgfältige Erörterung all dieser Umstände war auch deswegen geboten, weil die Strafkammer die Aussage der Geschädigten hinsichtlich der ihr zugefügten Körperverletzung für glaubhaft befunden und insoweit den eigenen Feststellungen zugrundelegt hat.
Dies trifft in gleicher Weise auf die Beweiswürdigung zu der dem Angeklagten vorgeworfenen weiteren Vergewaltigung im Treppenhaus zu (UA S. 26 – 28). Zudem läßt die hier – aber auch an anderen Stellen der Beweiswürdigung – verwendete Formulierung, die Einlassung des Angeklagten habe nicht „zwingend“ widerlegt werden können, besorgen, daß die Strafkammer die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewißheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Si-
cherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen läßt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakttheoretischen Möglichkeit gründen (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 2, 22, 25).
2. Die Beweiswürdigung des Tatgerichts hält jedenfalls wegen Lückenhaftigkeit sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Sie läßt die gebotene Auseinandersetzung mit der wesentlichen Feststellung vermissen, daß bei der Untersuchung des Angeklagten kurz nach seiner Festnahme Kopfhaare der Geschädigten unter seiner Vorhaut gefunden worden waren (UA S. 19). Im Urteil wird dieses Indiz allein im Zusammenhang mit Gesichtspunkten erwähnt , die den Angeklagten aus Sicht des Landgerichts entlasten. So schließt es aus dem beschriebenen Fund, daß der Angeklagte sich nach der Trennung von der Geschädigten nicht gereinigt habe. Dies wie auch der Umstand , daß weder am Geschlechtsteil des Angeklagten noch bei der Geschädigten Spermien gefunden worden seien, lasse die dem Angeklagten vorgeworfenen Vergewaltigungen zweifelhaft erscheinen. Im übrigen begnügt sich das Tatgericht mit dem Hinweis, es habe nicht aufgeklärt werden können, wie die Haare dorthin gelangen konnten. Der jedenfalls sehr naheliegenden Erklärung, daß Ursache dafür ein – der Anklage zugrundegelegter – Oralverkehr gewesen war, geht die Strafkammer in keiner Weise nach. Eine Auseinandersetzung mit diesem den Angeklagten erheblich belastenden Indiz war aber unumgänglich, zumal angesichts der vorliegenden Beweislage ohnehin schon eine besonders sorgfältige Erörterung aller relevanten Beweistatsachen angezeigt war. Schließlich fehlt auch jedwede Darlegung, aus welchem Grund der Angeklagte gegen die Zeugin vorgegangen ist. Auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist kein einleuchtendes Motiv erkennbar , warum der Angeklagte die Zeugin „plötzlich“ mehrfach ins Gesicht geschlagen haben soll. Dies gilt umso mehr, als die weiteren – aus Sicht der Strafkammer – gegen eine Vergewaltigung sprechenden Gesichtspunkte, wie fehlende Beschädigungen an der Rückseite der Bluse des Opfers und die
(geringe) Größe der Kiste, auf der die Geschädigte bei der Tat gelegen haben soll, – wenn überhaupt – nur von geringer Indizwirkung sind.
3. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß bei der Berechnung der Blutalkoholkonzentration eines Angeklagten zu dessen Gunsten hinsichtlich des Nachtrunks von einem Resorptionsdefizit in Höhe von 30 % und nicht nur 20 % auszugehen ist (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 10).
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 354/03
vom
30. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 14. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten erneut vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin S. freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 29. September 1998 - 1 StR 416/98 - das erste in dieser Sache ergangene Urteil des Landgerichts vom 28. November 1997 auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hin aufgehoben, soweit der Angeklagte von dem jetzt noch in Rede stehenden Tatvorwurf freigesprochen worden war. In der ersten Hauptverhandlung hatte sich das Landgericht nicht davon überzeugt, daß der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter namens J. die Zeugin
S. am 19. August 1996 gegen 20.30 Uhr in der Parkanlage hinter dem Sch. -Gymnasium in Bad Sä. überfallen habe, wobei beide Täter abwechselnd jeweils den Oral- und Vaginalverkehr erzwungen hätten (Anklage vom 13. April 1997). In einer mit diesem Verfahren verbundenen weiteren Anklage war dem Angeklagten darüber hinaus vorgeworfen worden, an einem nicht näher feststellbaren Tag in der zweiten Augusthälfte 1996 wiederum mit einem unbekannten Mittäter namens J. und ebenfalls im Sch. park in Bad Sä. eine weitere, allerdings unbekannt gebliebene Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Diese hatte sich später anonym bei einer Frauenberatungsstelle gemeldet, war danach aber nicht mehr in Erscheinung getreten. Auch von diesem Tatvorwurf hat das Landgericht den Angeklagten mit seinem ersten Urteil vom 28. November 1997 freigesprochen. Insoweit ist jenes Urteil rechtskräftig.
Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin S. konnte das Landgericht seinerzeit Zweifel nicht überwinden, ob der Angeklagte bei seinem früheren, später widerrufenen Geständnis diejenige Tat geschildert habe, welche der Zeugin widerfahren sei. Auch die Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin sei nicht verläßlich genug, um Unstimmigkeiten zwischen den Tatschilderungen der Zeugin und des Angeklagten in seiner früheren geständigen Einlassung vernachlässigen zu können.
2. Das Landgericht hat sich auch in der erneuten Hauptverhandlung nicht davon zu überzeugen vermocht, daß es der Angeklagte war, der die Zeugin S. mit einem unbekannten Mittäter vergewaltigt hat. Zwar sei die Zeugin S. , wie von ihr geschildert, Opfer einer Vergewaltigung geworden ; es lasse sich jedoch nicht feststellen, daß der Angeklagte die Tat be-
gangen habe. Das später widerrufene Geständnis des Angeklagten im Ermittlungsverfahren beziehe sich zwar wahrscheinlich auf eine tatsächlich verübte Tat, obwohl dies nicht als völlig zwingend erscheine. Es bestünden aber erhebliche Zweifel an der Identität der von dem Angeklagten einerseits und der Zeugin andererseits jeweils geschilderten Tatabläufe. Unterschiede hätten sich bei den Angaben hinsichtlich des Ausgangspunkts der Tat und der Gehrichtung des Opfers, dessen Kleidung und Haarfarbe, der Kleidung der Täter, des Tattags und der Ausübung von Oralverkehr ergeben. Diese Abweichungen könnten auch nicht mit der Überlegung relativiert werden, daß die Begehung zweier vergleichbarer Vergewaltigungstaten durch jeweils zwei (andere) Täter in Bad Sä. in kurzem zeitlichem Abstand wenig wahrscheinlich sei. Die Strafkammer konnte sich von der Täterschaft des Angeklagten auch nicht aufgrund seiner Identifizierung als Täter durch dieZeugin S. überzeugen. Die Identifizierung bei der Wahllichtbildvorlage sei aufgrund von Unsicherheiten bei der Beschreibung der Barttracht des Angeklagten nicht sicher gewesen. Auch in der Hauptverhandlung hätten sich Unsicherheiten in bezug auf die Barttracht und die Lage der Narbe im Gesicht des Angeklagten ergeben.

II.


Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es weist im wesentlichen die gleichen rechtlichen Fehler bei der Beweiswürdigung auf wie das seinerzeit aufgehobene erste landgerichtliche Urteil. Die Beweiswürdigung leidet wiederum unter Erörterungsmängeln, beachtet nicht in jeder Hinsicht die für sie geltenden Maßgaben und überspannt die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; kann er die erforderliche Gewißheit nicht gewinnen und zieht er die hiernach gebotene Konsequenz und spricht frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die Beweisergebnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Ein Urteil kann indes dann keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlußfolgerungen nicht erörtert , wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1999, 338, 339; NJW 2002, 2188, 2189).
Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen , wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2002, 656, 657). Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Auf solche einzelnen Indizien ist der Grundsatz "in dubio pro reo" nicht isoliert anzuwenden. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglich-
keit, daß sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH NStZ-RR 2000, 45).
2. Die Strafkammer mußte ihrer Beweiswürdigung die Aussage der Zeugin S. zugrunde legen und prüfen, ob diese glaubhaft ist und ob die Zeugin den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert hat. Dabei hat die Kammer jedoch nicht hinreichend bedacht, daß der Zweifelssatz nicht schon auf das einzelne Indiz, sondern erst bei der abschließenden Überzeugungsbildung aufgrund der gesamten Beweislage anzuwenden ist. Bereits vor der Gesamtschau aller Beweise hat das Landgericht hier wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation - wie die Lage der Narbe, die Barttracht, den Geruch und weitere Identifizierungsmerkmale - jeweils einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als „nicht völlig zwingend“ und deshalb nicht überzeugend erachtet. Das läßt besorgen, daß es bei der Gesamtwürdigung solche Indizien nicht hinreichend einbezogen hat, denen es für sich gesehen keinen „zwingenden“ Beweiswert beigemessen hat. Darüber hinaus hat es einzelne Beweisanzeichen und naheliegende Möglichkeiten nicht erschöpfend oder überhaupt nicht erörtert.

a) Die Strafkammer hat sich zur Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin S. mit dem Beweisanzeichen der Narbe befaßt, dabei aber die Angaben der Zeugin zur Lage der Narbe im Gesicht eines der Täter und das tatsächliche Vorhandensein einer Narbe unter dem linken Auge des Angeklagten nicht erschöpfend gewürdigt.
Das Landgericht sieht in dem Umstand, daß ein Tatopfer einen Täter an einer Narbe wieder erkennt, grundsätzlich ein starkes Indiz für die Richtigkeit
der Identifizierung; das gelte unabhängig von etwaigen Abweichungen hinsichtlich deren genauer Lage. Es hält den Wert der Wiedererkennung hier aber deshalb für gemindert, weil die Zeugin auch nach der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten bei der fehlerhaften Beschreibung der Lage der Narbe geblieben ist und darauf beharrt hat, diese habe sich über dem linken Auge befunden. In diesem Zusammenhang läßt es allerdings unberücksichtigt, daß die Zeugin den Angeklagten in der Hauptverhandlung "zu 100 %" identifiziert hat. Zudem erörtert es nicht, welche Bedeutung der Aussage der Zeugin zur Lage der Narbe gerade vor dem Hintergrund zukommt, daß diese bei ihrer Beschreibung insoweit auch später blieb, obwohl sie spätestens nach der ersten Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung im November 1997 naheliegenderweise die tatsächliche Lage der Narbe unter dem linken Auge gekannt haben müßte. Wenn die Zeugin dennoch den Täter mit einer über dem Auge liegenden Narbe beschrieben hat, liegt die Erklärung nahe, daß sie diese aus ihrer Erinnerung beschrieben hat, die jedoch nicht in jeder Hinsicht verläßlich war. Dabei war zu bedenken, daß die beiden Täter die liegende Zeugin auch kopfseitig von oben festgehalten haben. Wie dem Senat aus der Befassung mit dem ersten, aufgehobenen Urteil des Landgerichts bekannt ist, war dort festgestellt , daß sich die Zeugin inzwischen (damals, in jener Hauptverhandlung) nicht mehr sicher war, wo am Auge des Täters sich die Narbe genau befunden habe. Diese Besonderheiten hätte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer in ihre Bewertung einbeziehen müssen.

b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch hinsichtlich des Beweisanzeichens der Barttracht unvollständig und wird den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht vollends gerecht.
Die ZeuginS. hat auch in der erneuten Beweisaufnahme gleichbleibend bestätigt, daß einer der Täter - ihres Erachtens der Angeklagte - keinen Bart getragen habe. Daneben hat sie aber den unbekannten Mittäter mit einem leicht an den Mundwinkeln herabwachsenden Schnurrbart beschrieben. Der Angeklagte hatte im Rahmen seines (später widerrufenen) Geständnisses angegeben, daß er zur Tatzeit zumindest einen Oberlippenbart getragen habe, welcher sicher an den Seiten etwas länger ausgeprägt gewesen sei. Danach hat die Zeugin einem der Täter einen Bart zugeordnet, der nach der Form der Barttracht des Angeklagten zur Tatzeit entsprechen konnte. Die Möglichkeit, daß die Zeugin den von ihr tatsächlich erwähnten Bart versehentlich dem falschen Täter zugeordnet haben könnte, wird vom Landgericht als spekulativ bezeichnet, ohne die besondere Anspannung der Zeugin in der Tatsituation und den Umstand zu würdigen, daß sie aus der Erinnerung zwei Täter zu beschreiben hatte, denen sie bestimmte Merkmale zuordnen mußte.

c) Darüber hinaus setzt sich das Landgericht wie im ersten Urteil mit dem besonderen Merkmal der Stimme des Angeklagten nicht hinreichend auseinander , obwohl die Zeugin die Stimme des entsprechenden Täters als näselnd beschrieben hat. Auch fehlt eine Erörterung der Sprache des Angeklagten im Hinblick auf den von der Zeugin beschriebenen „fehlenden Dialekt“. Gerade diese Umstände können nicht aufgrund einer nach Ansicht des Landgerichts methodisch unzulänglichen früheren Wahllichtbildvorlage wiedererkannt werden. Dies gilt auch für den von der Zeugin erstmals als Wiedererkennungsmerkmal erwähnten Geruch des Angeklagten. Das Urteil enthält keine Angaben zu den konkreten Abständen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin in der jetzigen Hauptverhandlung und damit den Geruchswahrnehmungsmöglichkeiten. Weiter fehlt eine Würdigung im Hinblick auf Alter, Größe
und Haarfarbe des Angeklagten. Schließlich wird nicht darauf eingegangen, inwieweit die Zeugin den Angeklagten anhand der Augen wiedererkannt haben will. In dem ersten, aufgehobenen Urteil ist von einem hängenden Augenlid die Rede, einem Merkmal, mit dem sich das Tatgericht damals fehlerhaft nicht auseinandergesetzt hatte. Nunmehr wird dieser Umstand vom Landgericht ebenso wie die Gesichtsform nicht einmal mehr erwähnt. Das Urteil läßt schließlich eine Auseinandersetzung mit der beschriebenen erheblichen Alkoholisierung des Täters vermissen, während im ersten Urteil immerhin noch die insoweit übereinstimmenden Angaben von Angeklagtem und Zeugin festgestellt worden waren. Auch dies wäre als Indiz im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen gewesen.

d) Überdies ist die Annahme des Landgerichts nicht tragfähig, die Identifizierungsleistung der Zeugin verliere deswegen an Wert, weil sich der Angeklagte seinerzeit aufgrund der von der Zeugin gegebenen, in der Zeitung abgedruckten Täterbeschreibung nach deren Lektüre gestellt habe. Es liegt nahe, daß ein Zeuge eine Person als Täter identifiziert, die er zuvor beschrieben hat und die der Beschreibung entspricht, und zwar unabhängig davon, ob diese sich selbst gestellt hat oder nicht. Dies kann sogar ein Hinweis auf die Verläßlichkeit der Identifizierung sein. Sollte die Strafkammer hingegen gemeint haben , ein etwaiges Wissen des Identifizierungszeugen um die Selbstgestellung könne die Identifizierungsleistung beeinflussen, hätte dies klar zum Ausdruck gebracht und begründet werden müssen.
3. Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten leidet unter Erörterungsmängeln und ist deshalb nicht tragfähig.

a) Der Senat hatte beanstandet, daß das Motiv des Angeklagten für den Widerruf seines bei mehreren Vernehmungen wiederholten Geständnisses nicht genügend gewürdigt worden sei. Die Schilderung der zeitlichen Abläufe und näheren Umstände des Widerrufs hat er als nicht ausreichend erachtet. Im ersten Urteil hatte das Landgericht als Grund für den Widerruf erwähnt, der Angeklagte habe mit einer Freiheitsstrafe von etwa drei Jahren gerechnet. Nachdem sein Anwalt ihm dann aber gesagt habe, daß ihn eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erwarte, sei ihm das doch zuviel gewesen. Das jetzige Urteil erwähnt diese Umstände nicht mehr. Die Strafkammer führt aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß sich der Angeklagte aufgrund seiner traumatischen sexuellen Erfahrungen mit seinem Vater in eine Opferrolle hineingesteigert haben könnte, aufgrund deren er dann ein solches Geständnis unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitsgehalt abgelegt haben könnte, um - wie er erklärt hat - seinem Vater „eins auszuwischen“.
Diese Erklärung des Angeklagten für sein widerrufenes Geständnis, dem "Vater eins auszuwischen", mag, auch wenn das eher fern liegt, möglicherweise geeignet sein, das - dann falsche - Geständnis gegenüber der Polizei zu erklären, nicht ohne weiteres jedoch das zuvor nach Lektüre des Presseartikels gegenüber der Zeugin St. abgegebene. Das hätte der Erörterung bedurft.

b) Das Landgericht würdigt bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts der früheren geständigen Einlassung des Angeklagten nicht ausreichend deren Aussagequalität.
Auch ein frei erfundenes Geständnis, um dem Vater „eins auszuwischen“ , birgt die Gefahr der fehlenden Konstanz insbesondere dann, wenn das
Tatgeschehen so genau wie hier beschrieben worden ist. Eine Erklärung dafür, warum das widerrufene Geständnis des Angeklagten durch Beständigkeit und Detailtreue auch in Nebensächlichkeiten gekennzeichnet ist, führt die Strafkammer nicht an. Sie geht daran vorbei, daß sich der Angeklagte das Geständnis sehr spontan überlegt haben muß, wenn er nach dem Lesen des Zeitungsartikels mit der Täterbeschreibung noch am selben Tag zunächst gegenüber der Zeugin St. die Tat eingestanden und sich in der Nacht der Polizei gestellt hat. Dies hätte der näheren Bewertung bedurft.
c) Die Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ist nicht tragfähig. Zwar nimmt das Landgericht nicht an, der Angeklagte habe ein Alibi nachweisen können, weil er am Spätnachmittag des 19. August 1996 persönlich bei seinem Arbeitgeber gekündigt habe. Das Landgericht hält es aber "für sehr unwahrscheinlich", daß sich der Angeklagte danach noch nach Bad Sä. begeben und dort die Vergewaltigung begangen habe (UA S. 19). Es konnte jedoch keine Feststellungen dazu treffen, wann genau und wo der ZeugeL. den Angeklagten nach dem Besuch des Arbeitgebers mit dem Fahrzeug abgesetzt hat. Dieser hat sich nur noch daran erinnert, daß die Fahrt zum Arbeitgeber zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr stattgefunden und der Angeklagte sich dort ca. ein- bis eineinhalb Stunden aufgehalten habe. Da die Tat gegen 20.30 Uhr geschehen sein soll, konnte aus diesen Angaben keine tragfähige Folgerung auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer anschließenden Vergewaltigung in Bad Sä. gezogen werden.

d) Indem das Landgericht es als nicht "völlig zwingend" erachtet, daß das Geständnis der Wahrheit entspreche und der Angeklagte auch an der Tat zum Nachteil der Zeugin S. beteiligt gewesen sei, hat es den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft angewandt: Für die Beantwortung
der Schuldfrage kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangen kann oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, daß sie sehr häufig objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Der Tatrichter ist aber nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen. Sie müssen allerdings tragfähig sein (BGHSt 10, 208, 209 f.; 41, 376, 380; BGH, Urt. v. 4. September 2003 - 3 StR 224/03). Da das Landgericht auch im Blick auf andere Beweisumstände an sich mögliche Schlüsse als „nicht völlig zwingend“ bewertet oder Beweisanzeichen als „kein zwingendes Indiz“ charakterisiert (etwa UA S. 19), steht angesichts der hier vorliegenden besonderen Umstände zu besorgen, daß es die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt haben könnte.
4. Das Landgericht hat eine naheliegende Möglichkeit nicht ausdrücklich gewürdigt, die sich aus der Zusammenschau des widerrufenen Geständnisses des Angeklagten und der Aussage der Zeugin S. ergibt. Diese erklärt möglicherweise die von der Strafkammer hervorgehobenen Differenzen zwischen den beiden Tatschilderungen und kann ihnen den beweismindernden Wert hinsichtlich der Bekundungen der Zeugin weitgehend nehmen.
Die Strafkammer hat offen gelassen, ob dem später widerrufenen Geständnis des Angeklagten ein wirkliches Ereignis zugrunde liegt. Einerseits hält sie es für wahrscheinlich, daß das Geständnis wegen der Detailliertheit und Konstanz der Angaben über einen längeren Zeitraum und mehrere Vernehmungen hinweg der Wahrheit entspreche. Sachverständig beraten führt sie andererseits aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß der Angeklagte ein
solches Geständnis „unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt abgelegt“ haben könnte. Wie bereits im ersten, aufgehobenen Urteil ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß das widerrufene Geständnis des Angeklagten deshalb fragwürdig sei, weil es in wesentlichen Punkten von den Angaben der Geschädigten abweiche. Insbesondere habe der Angeklagte den Ausgangspunkt, von dem aus und die Gehrichtung, in welcher er und sein Mittäter das Opfer verfolgten , anders als die Zeugin beschrieben. Differenzen bestünden darüber hinaus hinsichtlich der Schilderung der Kleidung des Opfers und der Täter sowie des Tathergangs in seinen Einzelheiten.
Das Geständnis des Angeklagten wäre jedoch nur dann ohne jeden Beweiswert , wenn davon auszugehen wäre, daß es erfunden war. Liegt ihm hingegen ein wahrer, wenn auch nicht der angeklagte Sachverhalt zugrunde, bestünde zwischen den Angaben der Zeugin hinsichtlich des Tathergangs und der geständigen Einlassung des Angeklagten möglicherweise kein wirklicher Widerspruch, weil beide dann verschiedene, aber reale Geschehensabläufe beschrieben haben könnten. Die vom Landgericht hervorgehobenen Differenzen hinsichtlich der Schilderungen etwa zur Kleidung des Opfers (Hose oder Rock, roter Slip) verlören dann weitgehend ihre Bedeutung für die Würdigung der Aussage der Zeugin S. und deren Wiedererkennung des Angeklagten. Das Landgericht hätte sich deshalb die Frage vorlegen müssen, ob das später widerrufene, aber detailreiche und von Konstanz gekennzeichnete Geständnis des Angeklagten zwar eine andere Tat betraf, er aber dennoch auch die - von ihm dann nicht gestandene - Tat zum Nachteil der Zeugin S. begangen hat. Es hätte in Betracht ziehen müssen, ob der Angeklagte aufgrund der veröffentlichten Täterbeschreibung nach Begehung einer zweiten Tat zunächst nach seiner Gestellung nur Anlaß sehen konnte, lediglich eine der
Taten zu gestehen. Auf diese Möglichkeit könnte hindeuten, daß innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums an demselben Ort zwei Vergewaltigungen mit derselben Vorgehensweise von jeweils zwei Tätern begangen worden sein könnten. Dabei hätte jeweils einer der Täter nach den insoweit übereinstimmenden Angaben sowohl der Zeugin als auch des Angeklagten eine Tätowierung mit dem Motiv einer Spinne aufgewiesen. Der zweite Täter, der die Tat zum Nachteil der Zeugin S. mit begangen hat, hätte dann ebenso wie der Angeklagte , der die Tat zum Nachteil des unbekannten Opfers gestanden und beschrieben hätte, eine Narbe am Auge. Würde das Landgericht also beide Schilderungen - das frühere Geständnis des Angeklagten, aber auch die Tatschilderung der Zeugin S. - unter diesen Umständen für nicht widersprüchlich und für glaubhaft halten, müßte es sich fragen, ob es sich auf solcher Grundlage davon überzeugen kann, daß der Angeklagte auch die von ihm nicht gestandene Tat zum Nachteil der Nebenklägerin begangen hat. Die Abweichungen in den Tatschilderungen könnten dann nicht mehr gegen eine solche Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Fall zum Nachteil der Nebenklägerin ins Feld geführt werden. Der Identifizierungsleistung der Zeugin käme dann für die Wiedererkennung in der Hauptverhandlung und auch in bezug auf die Wahllichtbildvorlage möglicherweise ein höherer Beweiswert zu.
Daß der Angeklagte von dem Vorwurf der zweiten Vergewaltigung zum Nachteil des unbekannten Opfers rechtskräftig freigesprochen ist, hindert nicht dessen Erörterung und etwaige indizielle Bewertung im Blick auf den noch in Rede stehenden Anklagevorwurf. Der rechtskräftige Freispruch verbraucht die Strafklage und steht fortan einer Sanktionierung wegen der nämlichen Tat ent-
gegen. Eine Tatsachenbindung gehört aber nicht zum Wesen der Rechtskraft (vgl. BGHSt 43, 106, 108 f.; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. Einl. Rdn. 170, 188).

III.


Auf diesen sachlich-rechtlich erheblichen Beweiswürdigungsmängeln kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.

IV.


Die Sache muß somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie an ein anderes Landgericht zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. im übrigen Bd. III Bl. 713 ff. der Strafakten).
Nack Boetticher Schluckebier Herr Richer am BGH Hebenstreit Elf ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack