Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2018 - 2 StR 168/18

published on 26/09/2018 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Sept. 2018 - 2 StR 168/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 168/18
vom
26. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer sexueller Nötigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:260918U2STR168.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. September 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Zeng, Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung, Amtsinspektorin bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin V. wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 6. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe freigesprochen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin V. insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer sexueller Nötigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin, die den Freispruch angreifen, haben Erfolg.
2
1. Dem Angeklagten ist betreffend Fall II. 1 der Urteilsgründe zur Last gelegt worden, durch dieselbe Handlung einen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit Vergewaltigung begangen zu haben. Die zum Tatzeitpunkt 12-jährige Zeugin habe im Herbst 2000 den Angeklagten, der bei seinen Eltern in G. wohnte, aufgesucht. Dieser sei allein in der Wohnung gewesen. Nachdem beide in dessen Zimmer gegangen seien, habe der Angeklagte eine Hantelstange vor die Tür gelegt, um zu verhindern, dass sie das Zimmer verlasse. Zunächst hätten beide auf einem Sofa gesessen, er habe sie überall, auch zwischen den Beinen berührt, was sie nicht gewollt und ihm auch gesagt habe. Kurze Zeit später habe er sie, die inzwischen auf seinem Bett gesessen habe, aufgefordert, den Oralverkehr an ihm auszuführen, eine Stoppuhr auf fünf Minuten eingestellt und ihr gedroht, sie zu vergewaltigen, wenn sie es bis zu diesem Zeitpunkt nicht geschafft haben würde, ihn zu befriedigen. Als die Stoppuhr abgelaufen gewesen sei und der Oralverkehr nicht zur Befriedigung des Angeklagten geführt habe, habe er ihr die Hose heruntergezogen und sich auf sie gelegt, um vaginal in sie einzudringen. Sie habe sich gewehrt und ihm gesagt, es tue „höllisch weh“. Es sei ihm gelungen, ein Stück in die Scheide einzudringen. Dann seien seine Eltern nach Hause gekommen. Die Nebenklägerin habe dann gegen eine Heizung getreten, um auf sich aufmerksam zu machen. Deshalb habe der Angeklagte sodann von ihr abgelassen.
3
2. a) Das Landgericht hat Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen nicht zu treffen vermocht.
4
Es hat dargelegt, dass der Angeklagte im Juni 2000 aus der Haft entlassen worden war und anschließend ein Zimmer in der Wohnung seiner Eltern bezogen hatte, dessen Lage sich aus einem in Bezug genommenen Grundriss ergebe. Nach weiterer Strafhaft aus verschiedenen Verurteilungen zwischen 2001 und 2008 lebte der Angeklagte mit seiner Freundin und jetzigen Ehefrau in G. in einer eigenen Wohnung. Ab dem Jahre 2012 kam es zu einer Reihe von nicht zur Anklage gelangten Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Verdachts sexueller Gewalttaten. Dies brachte dem Angeklagten den Ruf ein, er sei ein Vergewaltiger und auch sonst gewalttätig, wovon auch die Nebenklägerin V. hörte.
5
So endete unter anderem auch ein Verfahren zum Nachteil der Zeugin K. im Jahr 2015 mit einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, nachdem ein dort eingeholtes aussagepsychologisches Gutachten ergeben hatte, dass die Hypothese einer teilweise autosuggestiven falschen Erinnerung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zurückgewiesen werden könne. Der Anzeige durch die Zeugin K. war ein von der Nebenklägerin initiiertes Treffenmit ihr vorausgegangen, in dessen Folge die Zeugin nach Hinweisen der Nebenklägerin , auch ihr sei von dem Angeklagten Gewalt angetan worden, Anzeige erstattete und im Übrigen mitteilte, dass es noch ein weiteres Opfer gebe.
6
Dies führte im April 2014 zu einer ersten Vernehmung der Nebenklägerin , bei der sie den sexuellen Übergriff durch den Angeklagten beschrieb. Eine richterliche Vernehmung im August 2014 folgte, schließlich kam es im Rahmen der Exploration zur Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens zu weiteren Angaben der Nebenklägerin, die das Landgericht wie auch ihre Aussage in der Hauptverhandlung im Einzelnen mitteilt.
7
b) Das Landgericht hat sich nicht in der Lage gesehen, die Einlassung des Angeklagten, „es sei nichts gewesen“, zu widerlegen und ernstliche Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten zu überwinden. Zwar hätten „weite Teile des aussagepsychologischen Gutachtens der Sachverständigen“ für den Tat- nachweis gesprochen. Gegen den Nachweis der angeklagten Tat sprächen hingegen die Angaben der Nebenklägerin zur Möblierung des Tatzimmers. Aufgrund entgegenstehender Aussagen des Bruders und der Mutter des Angeklagten zur Ausstattung des Zimmers des Angeklagten (und auch des Bruders) stelle sich die Frage, ob hier „eine faktische Unmöglichkeit zu verzeichnen sei, als deren Folge die Aussage endgültig abzuwerten sei“. Diese Frage könne jedoch – auch vor dem Hintergrund, dass die Nebenklägerin in derersten polizeilichen Vernehmung anders als bei späteren Aussagen die Unwahrheit gesagt habe, als sie angab, „mit dem Angeklagten sei ihr erstes Mal gewesen“ – nicht hinreichend sicher entschieden werden. Die Aufklärung der Widersprüche sei nämlich nicht möglich gewesen, da die Nebenklägerin nicht hätte nachvernommen werden können. Auch sei zu berücksichtigen gewesen, dass mögliche Auswirkung einer bei der Nebenklägerin anzunehmenden Borderline-Störung eine Scheinerinnerung sein könne. Vor diesem Hintergrund könne es mit Blick auf Angaben der Zeugin F. , die berichtet habe, dass die Nebenklägerinnach eigenen Angaben mit dem Angeklagten „zusammen“ gewesen sei, sein, dass die Nebenklägerin mit diesem ein wie auch immer geartetes Verhältnis gehabt habe, in deren Verlauf es zu einer von ihr als gegen ihren Willen erfolgt wahrgenommenen sexuellen Begegnung gekommen sei. Es sei nicht bloße Spekulation , sondern normpsychologisch erklärbar, dass sie dabei eine Kränkung durch den sieben Jahre älteren Angeklagten erlebt und deshalb das sexuelle Erlebnis im Nachhinein als gewaltsam definiert habe.
8
3. Die auf den Freispruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat wie auch das Rechtsmittel der Nebenklägerin mit der Sachrüge Erfolg.
9
a) Zwar liegt der gerügte Verstoß gegen die Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht vor. Es bestand für das Landgericht kein Anlass, sich mit einer möglichen Strafbarkeit des Angeklagten nach den §§ 176, 176a StGB zu befas- sen. Das Landgericht hat zwar einen einvernehmlichen Sexualkontakt der 12 Jahre alten Nebenklägerin mit dem Angeklagten als „wirklichkeitsnah“ bezeichnet. Aus der an anderer Stelle getroffenen Feststellung, es könne sein, dass die Nebenklägerin ein wie auch immer geartetes Verhältnis mit dem Angeklagten gehabt habe, in dessen Verlauf es zu einer sexuellen Begegnung gekommen sei, ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass es sich die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung von einem freiwilligen Sexualkontakt zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten nicht zu verschaffen vermochte. Aus diesem Grund brauchte sich das Landgericht auch nicht ausdrücklich mit der Frage auseinander zu setzen, ob bei dieser Sachlage eine Strafbarkeit wegen (schweren) sexuellen Missbrauchs in Betracht käme.
10
b) Die angefochtene Entscheidung genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Begründung eines freisprechenden Urteils (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO). Danach muss der Tatrichter bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen im Anschluss an die Mitteilung des Anklagevorwurfs zunächst diejenigen Feststellungen anführen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss dabei so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt worden ist (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 267, Rn. 33 m.N. zur Rspr.).
11
Gemessen daran fehlt es jedenfalls an Feststellungen zur Ausstattung des Tatzimmers. Sie wären möglich und auch notwendig gewesen, um die Beweiswürdigung des Landgerichts überprüfen zu können. Denn die Möblierungsverhältnisse dieses Zimmers, die nach Ansicht des Landgerichts mit den Angaben der Nebenklägerin nicht in Einklang zu bringen waren, waren für die Strafkammer der maßgebliche Umstand, der trotz der an sich glaubhaften Angaben der Nebenklägerin der Überzeugung von einer Täterschaft des Angeklagten entgegenstand.
12
c) Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
13
aa) Das Revisionsgericht hat es zwar grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Tatbegehung nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner , ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 5 StR 181/16, NStZ 2017, 600 mwN).
14
bb) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, soweit die Jugendkammer Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Nebenklägerin insbesondere darauf gestützt hat, dass deren Beschreibung des Tatzimmers mit den tatsächlichen Möblierungsverhältnissen der von dem Angeklagten (bzw. seinem Bruder) bewohnten Zimmer(n) unvereinbar sei. Die von dem Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen beruhen nämlich allein auf den – durch eine Polizeibeamtin – vermittelten Angaben zweier Angehöriger des Angeklagten, nämlich seiner Mutter sowie seines Bruders. Dabei hat es das Landgericht in rechtlich fehlerhafter Weise unterlassen, deren Angaben einer Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen und dies in den Urteilsgründen darzulegen. Dies gilt schon mit Blick darauf, dass die Möblierungsverhältnisse den zentralen Punkt in der Beweiswürdigung des Landgerichts darstellen, der ausschlaggebend dafür ist, den Angaben der im Übrigen nach dem aussagepsychologischen Gutachten glaubwürdigen Nebenklägerin V. nicht zu folgen.
16
Dass dazu im konkreten Fall besonderer Anlass bestanden hätte, ergibt sich zudem aus dem – insoweit von dem Landgericht nicht in den Blick genommenen – Umstand, dass die Mutter des Angeklagten hinsichtlich der abgeurteilten zweiten Tat Anstrengungen unternommen hat, die Nebenklägerin S. zur Rücknahme ihrer Anzeige zu bewegen, weil „ihr Sohn das nicht gewesen sei“. Dieser Versuchbelegt – was bei einer Mutter ohnehin regelmäßig nahe liegen dürfte – ihr deutliches Interesse, ihren Sohn vor einer Strafverfolgung zu schützen. Angesichts dessen war das Landgericht gehalten, sich in den Urteilsgründen mit der Frage auseinander zu setzen, ob ein solches Interesse ein Motiv gewesen sein könnte, unzutreffende oder – bezogen auf den Zeitpunkt der Möblierung – unklare Angaben zu machen.
17
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei gebotener Auseinandersetzung mit den dargelegten Umständen die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin überwunden und sich die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten verschafft hätte.
Appl Krehl Zeng Grube Schmidt
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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d
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published on 11/10/2016 00:00

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Annotations

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.