Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 351/14

bei uns veröffentlicht am14.01.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 5 1 / 1 4
vom
14. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14. Januar 2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizobersekretärin - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 7. März 2014 wird verworfen.
Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte war vom Landgericht zunächst wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in fünf Fällen, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in zehn Fällen, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in fünf Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Zudem war die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Auf die Revision des Angeklagten ist das Urteil durch Beschluss des Senats vom 23. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.
2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Nebenklägerin , die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat keinen Erfolg.

I.

3
1. Dem Angeklagten liegt mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage Folgendes zur Last:
4
Er soll als leiblicher Vater der am 6. März 1994 geborenen Nebenklägerin mit ihr im Mai 2007 in fünf Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt haben. Dies soll er zwischen dem 1. Juni 2007 und dem 24. November 2007 in weiteren zehn Fällen wiederholt haben, wobei er Versuche des Mädchens , ihn wegzustoßen, durch Kniffe in deren Schenkel vereitelte. Zwischen dem 6. März 2009 und Februar 2011 soll er in weiteren fünf Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr gegen den Willen des sich wehrenden Mädchens, das er dabei jeweils mit Gewalt niederdrückte, vollzogen haben. Zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 24. November 2011 soll er sie in das Gesicht gebissen haben, so dass dieses mit Hämatomen übersät war, und sie anschließend gezwungen haben, in der Badewanne zu schlafen, wobei er mit dem Duschkopf auf sie eingeschlagen haben soll, so dass diese eine Kopfplatzwunde und einen gebrochenen Finger erlitten haben soll.
5
2. Das Landgericht hat demgegenüber Folgendes festgestellt:
6
Der Angeklagte ist der leibliche Vater der Nebenklägerin, die seit Ende 2006 bei ihm lebte. Zwischen dem 7. und 8. Oktober 2007 erlitt die Nebenklägerin eine Nagelkranzfraktur und leichte Schürfwunden im Gesicht. Am 24. November 2007 schrien der Angeklagte und die Nebenklägerin in der Wohnung so laut herum, dass die Polizei verständigt wurde. Im Anschluss an den Polizeieinsatz verblieb die Nebenklägerin bis Anfang 2009 in einem Kinderheim, bis sie wieder zum Angeklagten zog, wo sie bis Mitte 2011 blieb.
7
3. Das Landgericht hat sich weder davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr ausgeübt hat, noch, dass er sie zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 24. November 2011 bzw. dem 7. und 8. Oktober 2007 mehrfach in das Gesicht gebissen und mit dem Duschkopf geschlagen hat. Dies gründet es auf Folgendes:
8
Die belastenden Angaben der einzigen unmittelbaren Tatzeugin, der Nebenklägerin , hätten für eine Überzeugungsbildung von der Täterschaft des Angeklagten keine Grundlage geboten. So seien diese insbesondere zu den Missbrauchsvorwürfen inhaltlich außerordentlich karg, was deswegen von Bedeutung sei, da die Nebenklägerin Streitereien zwischen sich und dem Angeklagten aus dem gleichen Zeitraum detailliert habe schildern können. Den Angaben fehle es zudem an Konstanz, sie wiesen eine erhebliche Zahl von nicht erklärbaren Widersprüchen und Unvereinbarkeiten auf, die auch auf das Kerngeschehen bezogen seien. Hinzu komme, dass manche Angaben der Nebenklägerin durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt worden seien. Dies wecke den Verdacht, dass die Nebenklägerin zu „maßlosen Übertreibungen“ neige. Schließlich begründeten auch die Umstände der Aussageentstehung – „erst nach ewigem, täglichen Stochern und stundenlangem Auf-sie-Einreden“ durch ihren Freund, demgegenüber sie dann gesagt habe, dass der Angeklagte „sie halt gefickt habe“ – Zweifelan der Erlebnisbasiertheit ihrer Angaben; zu- dem seien „naheliegende Falschbelastungsmotive“ nicht auszuschließen. Diese durchgreifenden Zweifel an der Erlebnisbasiertheit der Angaben fänden im Gutachten der aussagepsychologischen Sachverständigen, die die Möglichkeit bewusst falscher Angaben nicht auszuschließen vermochte, eine Stütze. Aus- reichende äußere Umstände, um dennoch eine Verurteilung des Angeklagten hierauf stützen zu können, hätten nicht vorgelegen.

II.

9
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler auf.
10
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
11
Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14). In der Beweiswürdigung selbst muss sich der Tatrichter mit den festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen (BGH, Urteile vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO§ 261 Beweiswürdigung 11 und vom 16. Januar 2013 – 2 StR 106/12). Dabei dürfen die Indizien nicht nur isoliert betrachtet werden, sie müssen vielmehr in eine umfassende Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände eingebracht werden (BGH, Urteile vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 und vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 33/12, wistra 2013, 195, 196 mwN). Der Tatrichter darf insoweit keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f.; vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303 und vom 2. Oktober 2013 – 1 StR 75/13).
12
b) Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat in einer umfassenden Beweiswürdigung die wesentlichen für die Entscheidungsfindung bedeutsamen Gesichtspunkte erörtert. Dies genügt den oben dargelegten revisionsrechtlichen Anforderungen an eine umfassende Gesamtwürdigung sämtlicher Indizien unter Zugrundelegung der rechtlich zutreffenden Maßstäbe.
13
aa) So hat es ausführlich die Besonderheiten und Auffälligkeiten im Aussageverhalten der Nebenklägerin dargelegt und gewürdigt; wieso es sich auf dieser Grundlage nicht von der Erlebnisbasiertheit der Angaben hat überzeugen können, hat es nachvollziehbar begründet. Dass es dabei überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat, ist nicht zu besorgen. Dies gilt nicht schon allein deswegen, weil es die zutreffenden Obersätze hierzu in seine Erörterungen aufgenommen hat, sondern weil der Inhalt derselben belegt , dass die Überzeugungsbildung daran ausgerichtet, insbesondere nicht von dem Erfordernis einer absoluten, das Gegenteil denknotwendig ausschließenden Gewissheit geleitet ist. Auch dem Umstand, dass bei der Schilderung gleichförmig verlaufender sexueller Missbrauchstaten über einen längeren Zeitraum keine überzogenen Anforderungen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten zu stellen sind, hat es erkennbar in seine Würdigung eingestellt. Es hat – sachverständig beraten – eine Zusammenziehung einzelner Situationen zu einem Schema in der Erinnerung als Erklärung für die Detailarmut der Schilderungen erwogen. Es hat aber angesichts der übrigen Auffälligkeiten, die nicht an die Detailarmut anknüpfen, eine solche Erklärung für das Aussageverhalten nicht für plausibel erachtet.
14
Soweit die Revision der Auffassung ist, die Annahme von Detailarmut und Widersprüchen im Aussageverhalten sei nicht zu rechtfertigen, handelt es sich um eine revisionsrechtlich unbeachtliche eigene Beweiswürdigung, teilweise unter Heranziehung urteilsfremder Gesichtspunkte.
15
bb) Zum Vorwurf des Körperverletzungsdelikts nimmt das Landgericht an mehreren Stellen ausdrücklich in den Blick, dass die Angaben der Nebenkläge- rin insoweit nicht „die gleiche inhaltliche Kargheit“ bzw. einen „höheren Detailgrad“ wie die Angaben zu den Missbrauchstaten aufweisen. Dasses darüber hinaus feststellt, es habe nichts „näheres über Anlass und Inhalt der Auseinandersetzung eruiert werden“ können, ist auch vor dem Hintergrund der Angaben der Nebenklägerin, „wieso der Angeklagte sie geschlagen habe, wisse sie nicht, … er habe halt wieder einen Ticker gehabt“, nicht zu beanstanden. Denn aus dem Zusammenhang der würdigenden Ausführungen ergibt sich, dass das Landgericht die fehlende situative Einbettung des Geschehens beschreibt und vergleichend feststellt, dass die Nebenklägerin bei der Schilderung anderer Geschehen, bei denen der Angeklagte „ausgetickt“ sein soll, einen zusammen- hängenden Geschehensstrang – wenn auch in unterschiedlichenVersionen – habe schildern können. Maßgeblich für die Überzeugungsbildung des Landgerichts wirkte sich insoweit aber aus, dass die Angaben der Nebenklägerin zu diesem Vorwurf in mehreren Bereichen durch das Ergebnis der Beweisaufnahme , so u.a. die Angaben des behandelnden Arztes, widerlegt worden sind.
16
cc) Das Landgericht hat auch die belastenden Indiztatsachen – sowohl im Hinblick auf Sexualdelikte als auch Körperverletzungsdelikte – in seine Überzeugungsbildung einbezogen und ausführlich gewürdigt. Dass es sich unter Berücksichtigung dieser Umstände angesichts der rechtsfehlerfrei begründeten , erheblichen Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin nicht von einem innerhalb des Verfahrensgegenstandes liegenden konkreten Tatgeschehen hat überzeugen können, ist eine tatrichterliche Wertung , die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Graf Jäger Cirener Radtke Mosbacher

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 351/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 351/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 351/14 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 351/14 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 351/14 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Aug. 2011 - 1 StR 114/11

bei uns veröffentlicht am 10.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 114/11 vom 10. August 2011 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August 2011, an der teilgenommen haben: Vorsi

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2012 - 4 StR 33/12

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 33/12 vom 13. Dezember 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Verletzung von Privatgeheimnissen u.a. zu 2.: Verdachts der Anstiftung zur Verletzung von Privatgeheimnissen u.a. Der 4.

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2014 - 4 StR 129/14

bei uns veröffentlicht am 17.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 129/14 vom 17. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Jan. 2011 - 1 StR 600/10

bei uns veröffentlicht am 18.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 600/10 vom 18. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Okt. 2013 - 1 StR 75/13

bei uns veröffentlicht am 02.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 75/13 vom 2. Oktober 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung v

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2013 - 2 StR 106/12

bei uns veröffentlicht am 16.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 106/12 vom 16. Januar 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Mordes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Januar 2013, an der teilgenommen haben: Vorsitzen
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2015 - 1 StR 351/14.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juli 2016 - 1 StR 607/15

bei uns veröffentlicht am 26.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 607/15 vom 26. Juli 2016 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2016:260716U1STR607.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2016, an der teilgenommen h

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Sept. 2017 - 1 StR 365/16

bei uns veröffentlicht am 05.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 365/16 vom 5. September 2017 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:050917U1STR365.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandl

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2017 - 1 StR 618/16

bei uns veröffentlicht am 21.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 618/16 vom 21. Februar 2017 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:210217U1STR618.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2017, an der teilgen

Referenzen

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 129/14
vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 26. Juni 2013 in den Fällen 2 und 3 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Halle vom 14. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen (Fälle 1 und 3 der Anklageschrift) und der gefährlichen Körperverletzung (Fall 2 der Anklageschrift) freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, beschränkt auf die Vorwürfe 2 und 3 der Anklageschrift, sowie – unbeschränkt – der Nebenklägerin. Beide Beschwerdeführer rügen die Verletzung materiellen Rechts, die Nebenklägerin beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an.

I.


2
1. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Halle vom 14. Januar 2013 warf dem Angeklagten Folgendes vor:
3
(1.) Am 16. März 2011 habe er vor der Arbeitsstelle der Nebenklägerin, seiner ehemaligen Lebensgefährtin, gewartet, diese beim Verlassen des Gebäudes zurückgedrängt, sie hochgehoben und in ein Büro getragen, wo er sie auf den Fußboden geworfen habe. Er habe sie mit einer Hand festgehalten, ihr Hose und Unterhose heruntergezogen und den ungeschützten Geschlechtsverkehr vollzogen. (2.) Am 21. Januar 2012 habe der Angeklagte der Nebenklägerin vor ihrem Wohnhaus aufgelauert, sie von hinten umklammert, zu Boden geworfen und ihr Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. (3.) Am 30. September 2012 sei der Angeklagte gegen 6.00 Uhr auf den Balkon der Nebenklägerin im 2. Obergeschoss geklettert, habe einen Blumenkübel ergriffen und damit die gläserne Balkontür eingeworfen. In der Wohnung habe er mit der völlig verschreckten Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt. Dies habe er gegen 10.00 Uhr erneut getan.
4
2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich von der Richtigkeit der Aussage der Nebenklägerin zu den eigentlichen Tatvorwürfen nicht überzeugen können. Es vermochte nicht auszuschließen, dass in den Fällen 1 und 3 der Anklageschrift ein Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgt sei und sich die Nebenklägerin im Fall 2 der Anklageschrift selbst Pfefferspray in die Augen gesprüht habe.

II.


5
Die für den Freispruch tragenden Erwägungen halten der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, Rn. 5 mwN).
7
Der Tatrichter darf entlastende Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Er muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52, 71; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2008, 285). Der Zweifelssatz gebietet es nicht etwa, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jew. mwN).
8
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil zu den Anklagepunkten 2 und 3 in mehrfacher Hinsicht nicht. Denn das Landgericht hat den Beweiswert objektiver Tatspuren in diesen Fällen, die für die Richtigkeit der Darstellung der Nebenklägerin sprechen, mit Erwägungen verneint, für die es keinerlei Anhaltspunkte in den Feststellungen gibt und die sich daher als reine Spekulationen und Vermutungen zu Gunsten des Angeklagten erweisen.
9
a) Die nach dem Vorfall vom 21. Januar 2012 bei der Nebenklägerin festgestellten Hämatome sprechen aufgrund ihrer Lokalisation für das von ihr geschilderte Geschehen (UA S. 65). Außerdem hatte sie stark gerötete tränende Augen und eine gerötete Gesichts- und Halshaut (UA S. 19). Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts, dass die Nebenklägerin, die sich in der Nacht auf den 21. Januar 2012 im Haus ihrer Eltern aufgehalten hatte, bereits zuvor anderweit entstandene Hämatome gehabt haben und sich das Pfefferspray selbst ins Gesicht gesprüht haben könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht. Desgleichen ist kein Motiv dafür erkennbar, weshalb sich die Nebenklägerin selbst mit Pfefferspray verletzt haben sollte, um einen Überfall durch den Angeklagten vorzutäuschen. Die Nebenklägerin hat lediglich ihren Vater zu Hilfe gerufen, eine Anzeige erstattete sie erst Monate später nach dem Vorfall vom 30. September 2012. Soweit das Landgericht in anderem Zusam- menhang ausführt, Ziel der Nebenklägerin könne es gewesen sein, Aufmerksamkeit zu erlangen, benötigte sie gegenüber ihren Eltern, die sich intensiv um sie kümmerten (UA S. 64), ersichtlich nicht das Mittel einer falschen Anschuldigung. Gegenüber Dritten hat die Nebenklägerin den Vorfall nicht zum Anlass genommen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
10
b) Die Spurenlage im Wohnzimmer der Nebenklägerin nach dem Vorfall vom 30. September 2012 sprach für einen wuchtigen Wurf mit dem Blumenkübel und gegen eine nachträgliche Veränderung der Spurenlage (UA S. 44). Das Landgericht spricht dennoch dieser Spurenlage den Beweiswert für die Glaubhaftigkeit der Schilderung der Nebenklägerin ab. Die von ihm hierfür herangezogenen Begründungen erweisen sich jedoch allesamt als bloße Spekulationen bzw. denktheoretische Erwägungen zum Vorteil des Angeklagten. Dies gilt sowohl für einen zweiten, von der Nebenklägerin selbst ausgeführten Wurf des Blumenkübels durch die Glasscheibe als auch für die Möglichkeit, die Nebenklägerin habe den Angeklagten nach einem Streit auf dem Balkon ausgesperrt und er habe sich mit dem Wurf Zutritt zur Wohnung verschafft (UA S. 25/63). Ein Streit mit nachfolgendem Aussperren des Angeklagten auf dem Balkon findet weder in der Aussage der Nebenklägerin noch in der Darstellung des Angeklagten eine Grundlage. Soweit das Landgericht die Darstellung des Angeklagten , er sei beim Hineintragen des Blumenkübels in das Wohnzimmer gestolpert, für nicht widerlegbar hält (UA S. 44), stellt es darauf ab, dass die Nebenklägerin die Spurenlage durch einen Wurf mit dem Blumenkübel nachträglich verändert haben könnte. Dem steht aber die Feststellung entgegen, dass die Spurenlage gegen eine nachträgliche Veränderung spricht. Mit diesem Umstand setzt sich das Landgericht nicht auseinander. Im Übrigen ergeben sich aus den Feststellungen auch keinerlei Anhaltspunkte für ein solches Verhalten der Nebenkläge- rin zwischen dem Verlassen der Wohnung durch den Angeklagten und dem Eintreffen ihrer Eltern.
11
3. Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin verschiedentlich mit Erwägungen verneint, die von den Feststellungen nicht getragen werden; dies entzieht dem Freispruch auch im Fall 1 der Anklage die Grundlage.
12
a) Das Landgericht hat ein Motiv der Nebenklägerin für eine Falschaussage nicht positiv feststellen können (UA S. 63), sondern hält solche Motive lediglich für möglich. Ein mögliches Motiv der Nebenklägerin für eine Falschaussage sieht es etwa in dem Bestreben, Aufmerksamkeit ihrer Umgebung zu erfahren (UA S. 64). Dies lässt sich nicht mit den Feststellungen vereinbaren, nach denen die Nebenklägerin die angeklagten Vorwürfe zu 1 und 2 zunächst monatelang nicht anzeigte und Dritten und ihren Eltern gegenüber eine Sexualstraftat im Fall 1 nicht oder nur als Versuch berichtet hat. Auch nahm die Nebenklägerin, trotz der von der Kammer festgestellten massiven StalkingHandlungen des Angeklagten, nur ansatzweise professionelle Hilfe in Anspruch. Schließlich finden sich auch für die Annahme, Grund für die Falschbeschuldigungen könne sein, dass sich die Nebenklägerin durch das Verhalten des Angeklagten während des Geschlechtsverkehrs am 30. September 2012 und danach zurückgesetzt und gedemütigt gefühlt haben könnte (UA S. 63), keine entsprechenden Anhaltspunkte in den Urteilsgründen. Zuvor hatte die Nebenklägerin, als sie sich durch das Verhalten des Angeklagten verletzt und zurückgesetzt gefühlt hatte, Konsequenzen nur in der Form gezogen, dass sie sich von ihm getrennt hatte.
13
b) Auch soweit die Strafkammer darauf abstellt, dass die Nebenklägerin mit der späteren Schilderung des Übergriffs im Fall 1 der Anklage möglicherweise ihre psychische Befindlichkeit eindrücklicher habe erklären wollen (UA S. 57), erschließt sich der Sinn dieser Annahme angesichts der festgestellten fortwährenden Nachstellungshandlungen des Angeklagten, die ihre psychische Befindlichkeit ohne weiteres zu erklären vermochten, nicht.
14
c) Das Landgericht geht zum Anklagevorwurf 3 davon aus, dass der Nebenklägerin ein Zeitfenster von zwei Stunden für ein Telefonat mit dem Angeklagten zwischen 22.00 Uhr und dessen Aufbruch in W. gegen 0.00 Uhr zur Verfügung gestanden habe (UA S. 62). Dies widerspricht den Feststellungen auf UA S. 23, wonach die Nebenklägerin nach einem Telefonat mit ihrer Mutter um 23.00 Uhr mit dem Angeklagten telefonierte. Widersprüchlich sind auch die Feststellungen zu einer SMS an C. insoweit, als das Landgericht auf UA S. 42 und 47 feststellt, dass die Nebenklägerin Angaben zum zeitlichen Zusammenhang der mit C. in der Nacht vom 29. auf den 30. September 2012 gewechselten SMS sowie den mit ihm geführten Telefonaten gemacht habe, die durch die Anlage zu dem EDVUntersuchungsbericht vom 9. Oktober 2012 gestützt würden, während ihr auf UA S. 62 angelastet wird, sie habe die SMS an C. zeitlich nicht einordnen können oder wollen.
15
Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch bezüglich aller drei angeklagten Vorfälle auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 106/12
vom
16. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Januar
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten L. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für die Angeklagte S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. Juni 2011 wird verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. 3. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entschädigungsentscheidung wird kostenpflichtig verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, an der Tötung von J. W. am 3. Juni 1996 beteiligt gewesen zu sein. Darüber hinaus hat es für erlittene Untersuchungshaft eine Entschädigung zuerkannt. Die Staatsanwaltschaft greift den Freispruch mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde an; außerdem wendet sie sich gegen die Entschädigungsentscheidung des Landgerichts. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich die aus Polen stammende 20-jährige Geschädigte J. W. seit dem Jahreswechsel 1995/96 in Deutschland auf und ging dort der Prostitution nach. In der "Bar " in B. G. traf sie auf die ebenfalls aus Polen stammende Angeklagte S. , die zum damaligen Zeitpunkt mit dem ehemaligen Mitbeschuldigten Ka. liiert war. Über ihn und die Angeklagte lernte sie im Laufe des Jahres 1996 den Angeklagten L. kennen, zu dem sie alsbald eine intime Beziehung aufnahm, obwohl sie sich - J. W. sprach nur polnisch - nur schwer verständigen konnten. In der Folgezeit zog sie zu ihm in seine Wohnung. Dort kamen in den Wochen danach die Angeklagten, Ka. und das spätere Tatopfer häufiger zusammen, um vom Angeklagten L. besorgtes Kokain zu konsumieren. Weitere Feststellungen zum Verlauf der nur wenige Wochen dauernden Beziehung zwischen dem Angeklagten L. und J. W. konnten nicht getroffen werden.
3
Am Abend des 3. Juni 1996 hatten der Angeklagte L. und J. W. in der Wohnung des Angeklagten Geschlechtsverkehr; Anhaltspunkte dafür, dass dies gegen den Willen des späteren Tatopfers geschehen sein könnte, hat die Kammer nicht festgestellt. Später erschienen die Mitangeklagte S. sowie Ka. in der Wohnung des Angeklagten L. und konsumierten dort im Beisein der Geschädigten wie in der Vergangenheit gemeinsam Kokain. Im Verlauf des Abends äußerte der Angeklagte sinngemäß, dass es "Probleme mit dem Mädchen" gebe und es deshalb weg müsse. Den genauen Wortlaut der Äußerung konnte die Strafkammer ebenso wenig feststellen wie weitere Gesprächsinhalte. Das Landgericht ist nicht davon ausgegangen , dass der Angeklagte L. mit seinen Äußerungen der Mitangeklag- ten und Ka. einen Tötungsauftrag erteilen wollte, ebenso wenig davon , dass sie diese als einen solchen verstanden.
4
Am späten Abend des 3. Juni 1996 verließen die Angeklagte, Ka. und das spätere Tatopfer die Wohnung des Angeklagten L. , der dort zurückblieb, und fuhren von K. aus in die Niederlande. Anlass und Ziel der Fahrt konnte das Landgericht nicht feststellen. Gegen 0.00 Uhr am 4. Juni 1996 hielt die Angeklagte, die zuvor mitgeteilt hatte, austreten zu müssen, das von ihr gesteuerte Fahrzeug auf einem Seitenweg in einem Waldgebiet im niederländischen Lo. an. Nach kurzer Verständigung mit der Geschädigten in polnischer Sprache stiegen beide Frauen aus dem Fahrzeug aus. Die Angeklagte begab sich in den Wald und urinierte. J. W. suchte in der gleichen Absicht den Schutz nahe gelegener Bäume und zog sodann Hose und Unterhose herunter. Nicht ausschließbar fasste Ka. in dieser Situation spontan den Entschluss, J. zu töten. Er entnahm aus dem Kofferraum einen Hammer , folgte der Geschädigten und schlug der nicht mit einem Angriff rechnenden Geschädigten mit Tötungsabsicht mehrfach und mit großer Wucht mit dem Hammer auf den Kopf- und Halsbereich. J. W. verstarb am Tatort aufgrund einer Kombination von komprimierender Gewalteinwirkung gegen den Hals und starkem Blutverlust nach außen. Die Angeklagte beobachtete das - für sie überraschende - Tatgeschehen, ohne einzuschreiten. Gemeinsam mit Ka. fuhr sie wieder zurück in die Wohnung des Angeklagten L. nach K. . Was dabei zwischen ihnen gesprochen wurde, konnte die Strafkammer nicht feststellen. Dem Angeklagten L. berichteten sie, dass und wie J. W. zu Tode gekommen war. Wie dieser hierauf reagierte, konnte das Landgericht nicht feststellen. Keiner von ihnen benachrichtigte in der Folgezeit die Polizei.
5
J. W. wurde am Vormittag des 4. Juni 1996 tot aufgefunden. Ermittlungen der niederländischen Polizei zur Identität der Toten blieben erfolglos, auch konnte ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden. Im Jahre 2009 ergab ein Abgleich mit der beim BKA geführten DNA-Analysedatei, dass sich an Gegenständen des Tatopfers DNA-Spuren des Angeklagten L. befanden. Dies führte nach Übernahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Köln im Juni 2010 zu einem Haftbefehl gegen den Angeklagten, der zunächst angab , das Tatopfer nicht zu kennen, sich schließlich aber doch an sie erinnerte und im Zuge von Vernehmungen einräumte, von der Tötung des Opfers durch Ka. , der dieses im Beisein der Mitangeklagten in den Niederlanden erschlagen habe, zu wissen. Ka. räumte die Tat in seiner umfangreichen polizeilichen Vernehmung am 3. Juli 2010 ein, wobei seine Angaben, die das Landgericht wörtlich in den Urteilsgründen wiedergegeben hat, nicht widerspruchsfrei sind. Weitere Angaben zum Tathergang und zum Auslöser der Tat machte Ka. gegenüber seinem Verteidiger und gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen, bevor er am 8. Oktober 2010 in der JVA eines natürlichen Todes starb.
6
Die Angeklagten haben in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Das Landgericht hat sich bei seinen Feststellungen im Wesentlichen auf die Angaben des verstorbenen früheren Mitbeschuldigten Ka. sowie der Angeklagten in ihren polizeilichen Vernehmungen gestützt. Es hat sich die Überzeugung, die Angeklagten seien an der Tötung des Tatopfers durch Ka. beteiligt gewesen, nicht bilden können und hat sie freigesprochen. Eine Auftragserteilung an die Angeklagte S. und Ka. durch den Angeklagten L. sei nicht nachweisbar gewesen. Dass Ka. und die Angeklagte ausdrücklich oder konkludent den Plan gefasst oder verabredet hätten, J. W. (gemeinsam) zu töten, sei nicht anzunehmen. Die Tat stellte sich aus Sicht der Kammer als eine mit der Mitange- klagten unabgesprochene Spontantat des Ka. dar, zu deren Ausführung er zwar durch Äußerungen des Angeklagten L. veranlasst, aber nicht im Sinne des § 26 StGB vorsätzlich bestimmt worden sei (UA S. 182).

II.

7
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
8
1. Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. Mai 2012 dargelegten Gründen nicht durch.
9
2. Auch die Sachrüge deckt durchgreifende Rechtsmängel der landgerichtlichen Entscheidung nicht auf. Entgegen der Ansicht der Revision hält die angegriffene Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung stand.
10
Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind. Ein sachlich-rechtlicher Fehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar, lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. In der Beweiswürdigung selbst muss sich der Tatrichter mit den festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei dürfen die Indizien nicht nur isoliert betrachtet werden, sie müssen vielmehr in eine umfassende Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände eingebracht werden. Der Tatrichter darf insoweit keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen.
11
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Die Strafkammer hat in einer umfassenden Beweiswürdigung die wesentlichen für die Entscheidungsfindung bedeutsamen Gesichtspunkte erörtert und diese auch im Rahmen einer Gesamtschau abgewogen. Sie hat insoweit rechtsfehlerfrei dargelegt , weshalb sie sich von einer Tatbeteiligung der Angeklagten nicht hat überzeugen können. Die von der Revision geltend gemachten Rechtsmängel liegen - wie schon der Generalbundesanwalt im Einzelnen in seiner Antragsschrift dargelegt hat - nicht vor.
12
a) Zentraler Punkt der landgerichtlichen Würdigung sind die Angaben des früheren Mitbeschuldigten Ka. , die das Landgericht - der besonderen Beweisbedeutung entsprechend - in ihrem Wortlaut in den Urteilsgründen wiedergegeben hat. Dies ermöglicht es dem Senat, ohne Weiteres in allen Einzelheiten nachzuvollziehen, dass Ka. sich zu Tatvorgeschichte, Tathergang und Nachtatgeschehen nicht einheitlich und schlüssig, sondern vielmehr mit logischen Brüchen und Ungereimtheiten eingelassen hat. Soweit die Strafkammer - wie dies die Revision rügt - einigen Angaben des Ka. gefolgt ist, andere für widersprüchlich und andere als zu "schwammig" für ihre Überzeugungsbildung gehalten hat, begegnet dies deshalb keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Diese sorgfältige und eingehende Würdigung der die Angeklagten belastenden Angaben gebietet im Übrigen - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - der Umstand, dass die Angeklagten keine Gelegenheit hatten, ihr Recht auf Befragung des vor der Hauptverhandlung gestorbenen Ka. auszuüben (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d) MRK). Das Tatgericht war aus diesem Grund gehalten, den eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten Rechnung zu tragen und die in ihrem Beweiswert geminderten Angaben von Ka. einer besonders sorgfältigen und kritischen Beweiswürdigung zu unterziehen.
13
b) Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aus der einzig festgestellten Äußerung des Angeklagten L. vor der Tat, J. W. müsse weg, weil es mit ihr Probleme gebe, nicht als "strafbare" Anstiftung zu ihrer Tötung angesehen hat. Die Strafkammer hat im Einzelnen dargelegt, wie diese Mitteilung des Angeklagten L. zu verstehen gewesen sein könnte, und warum sie sich nicht von einer Beauftragung von Ka. und der Mitangeklagten überzeugen konnte. Diese Würdigung hat sie nicht isoliert , sondern unter weiterer Berücksichtigung für und gegen einen solchen Auftrag sprechender Umstände vorgenommen, wobei maßgeblich eingeflossen ist, dass Ka. mehrfach von seinem spontanen Tatentschluss und in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung davon gesprochen hat, es sei doch nicht geplant gewesen, "das Mädchen umzubringen". Die insoweit gezogenen Schlüsse sind durchweg möglich und beruhen auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Demgegenüber erweisen sich die von der Revision geltend gemachten Bedenken , etwa gegen die Annahme des Landgerichts, Anlass und Ziel der gemeinsamen Fahrt hätten nicht festgestellt werden können, im Kern als bloßer Versuch , anstelle des Tatrichters eigene Schlussfolgerungen anzustellen, ohne damit Rechtsfehler aufzuzeigen.
14
c) Es stellt auch keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht trotz der festgestellten Umstände, dass die Angeklagte die Tötung des Opfers durch Ka. beobachtete und mit diesem zurückfuhr, ohne dass Ka. von Vorwürfen ihm gegenüber berichtet habe, nicht von einer Beteiligung der Angeklagten an dessen Tat ausgegangen ist. Die Strafkammer hat in dem passiven Verhalten der Angeklagten zwar einen Hinweis auf ihr Einverständnis mit der Tötung gesehen, hat allerdings daraus nicht den Schluss ziehen wollen, die Tat sei mit Ka. vorab verabredet worden. Vor dem Hintergrund mehrfacher Angaben von Ka. , er habe die Tat spontan begangen, weil es "über ihn gekommen" sei, und weiterer Zeugenaussagen zum Verhältnis zwischen Ka. und der Angeklagten konnte das Landgericht Angst vor Ka. als eine (einer Verabredung oder Unterstützung der Tat entgegenstehende) Erklärungsmöglichkeit für ihr passives Verhalten nicht ausschließen. Diese mögliche Schlussfolgerung beruhte - entgegen der Ansicht der Revision, die auch an diese Stelle revisionsrechtlich unbeachtlich eine eigene Würdigung der Beweise vornimmt - auf einer tragfähigen Grundlage, ohne dass das Landgericht damit überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) gestellt hätte.

III.

15
Auch der nicht näher begründeten sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung über die Entschädigung erlittener Untersuchungshaft bleibt der Erfolg versagt. Es ist nicht ersichtlich, dass ein durchgreifender Ausschlussoder Versagungsgrund (§§ 5, 6 StrEG) gegeben ist. Becker Fischer Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 33/12
vom
13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Verletzung von Privatgeheimnissen u.a.
zu 2.: Verdachts der Anstiftung zur Verletzung von Privatgeheimnissen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt für die Angeklagte H. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten B.
als Verteidiger,
der Angeklagte B. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 22. September 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte S. H. , geb. B. , wegen Verletzung von Privatgeheimnissen verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € vorbehalten. Den Angeklagten M. B. hat es vom Vorwurf der Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und zur Verletzung von Privatgeheimnissen freigesprochen. Mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Angeklagten B. sowie dagegen, dass die Angeklagte H. nicht auch der Verletzung des Dienstgeheimnisses schuldig gesprochen worden ist; außerdem greift sie die Strafzumessung an. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht an.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte B. ist Landtagsabgeordneter und war Mitglied des am eingesetzten Unter- suchungsausschusses „N. “. Der Untersuchungsausschuss be- fasste sich mit dem – in den Medien seit langem intensiv begleiteten – gescheiterten Versuch der landespolitisch Verantwortlichen, privates Kapital für die Erweiterung der Rennstrecke um einen Vergnügungspark und den privaten Betrieb der Anlage zu gewinnen. Am 11. November 2009 fand zu diesem Thema im Rahmen einer Plenarsitzung des Landtags eine Aussprache statt, in der der Landesinnenminister dazu Stellung nahm, ob und inwieweit Erkenntnisse zum Vorleben der Projektentwickler Bö. und M. sowie des ebenfalls am Projekt Beteiligten R. vorlagen und ob entsprechende Abfragen in polizeilichen Datenbanken vorgenommen worden waren. Hintergrund der Erörterung waren Presseberichte, dass diese Geschäftspartner der N. bereits früher mit vergleichbaren Großprojekten gescheitert waren.
4
Die Aussprache war im Folgenden Gegenstand der Presseberichterstattung , so auch eines Artikels in der „R. “ vom 12. November 2009, in dem auch von einer früheren strafrechtlichen Verurteilung M. s wegen Insolvenzverschleppung berichtet wurde.
5
Am 16. November 2009 veranlasste die Angeklagte H. , Tochter des Angeklagten B. und als Polizeikommissarin bei der Polizeiinspektion beschäftigt, ihre Kollegen Sch. , D. und Ba.
ohne dienstlichen Anlass, zu den „Partnern “ Abfragen im Polizeilichen Informationssystem (POLIS) durchzuführen, woraufhin zunächst der Polizeibeamte Sch. um 12.39 Uhr erfolglos eine Abfrage nach M. M. (UA 27) ohne Angabe weiterer Kriterien wie das des Geburtsdatums vornahm; weitere Abfragen – nunmehr unter Angabe der Geburtsdaten, welche die Angeklagte H. zwischenzeitlich in Erfahrung gebracht hatte – wurden durch Sch. von 19.45 Uhr bis 19.47 Uhr (zu M. , R. und Bö. ), durch Ba. beginnend um 20.05 Uhr (zu R. und M. ) und durch D. um 20.23 Uhr (M. betreffend), außerdem – nur zur Person des Bö. – durch die Angeklagte selbst um 19.58 Uhr getätigt. Zum Beweggrund gab sie in einer polizeilichen Vernehmung an, sie sei politisch sehr interessiert und ärgere sich darüber, dass es offenbar möglich sei, auf einfachste Weise Steuergelder zu erschleichen; sie habe sich dazu „verleiten“ lassen, einmal herauszufinden, ob „diese Herren“ bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien (UA 14).
6
Die anlässlich der Datenabfrage zu M. und R. erstellten Computerausdrucke waren mit den POLIS-internen ID-Nummern versehen und ergaben für R. eine auf die Personalien beschränkte Registrierung im polizeilichen Informationssystem und für M. einen Eintrag aus dem Jahr 2007 wegen Unterschlagung. Diese Ausdrucke nahm die Angeklagte an sich und übergab drei Exemplare am 20. November 2009 dem Angeklagten B. bei dessen Besuch in ihrem Hause; nicht ausschließbar tat sie dies, um ihm – vor dem Hintergrund der von ihr in der Presse verfolgten Debatte vom 11. November 2009 – „Klarheit im Umgang mit dem politischen Gegner zu verschaf- fen“ (UA 8).
7
Am Montag, den 23. November 2009 erschienen in den Tageszeitungen „R. “ und „T. “ Artikel, die sich u.a. mit der Frage befassten, wann Vertreter der Landesregierung von polizeilichen Erkenntnissen zu ihren Geschäftspartnern Kenntnis hatten oder hätten haben können. In der „R. “ wurde unter Angabe der POLIS-internenID-Nummer die Vorbelastung M. s wegen Unterschlagung aufgeführt, im „T. “ – ebenfallsunter Angabe der ID-Nummer – die Tatsache, dass R. im POLIS-System registriert war.
8
2. Die Angeklagten haben in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Die Angeklagte H. hatte in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 24. November 2009 angegeben, die Abfragen aus eigener Neugier und eigenem politischen Interesse veranlasst und hierfür die Geburtsdaten der Betroffenen „gegoogelt“ zu haben. Später habe sie drei der insgesamt etwa sechs Ausdrucke ihrem Vater überlassen. In ihrer richterlichen Vernehmung vom 8. August 2011 als Zeugin in dem Strafverfahren gegen POK Ba. hat sie „den ihr zur Last gelegten Tatvorwurf“ erneut eingeräumt. Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass – so der Vorwurf nach Maßgabe der Beschwerdeentscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 16. Mai 2011 – die Initiative zu den durch die Angeklagte H. veranlassten Abfragen vom Angeklagten B. ausging und dass dieser seiner Tochter die für eine erfolgreiche Abfrage im POLIS-System notwendigen Geburtsdaten von Bö. , M. und R. mitteilte. Auch hat es sich die Gewissheit, dass der Angeklagte B. die ihm von seiner Tochter überlassenen Informationen an die Zeitungen weitergegeben hat, nicht verschaffen können. Ebenso hat es einen hierauf gerichteten Vorsatz der Angeklagten H. nicht feststellen können. Das Landgericht hat daher bei ihr die Voraussetzungen der Verletzung des Dienstgeheimnisses als nicht erfüllt angesehen; beim Angeklagten B. hat es eine Strafbarkeit insgesamt verneint.

II.


9
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben hinsichtlich beider Angeklagter Erfolg. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN). Insbesondere sind Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Be- weiswürdigung auch dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO, und vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten , zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vor- liegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02 aaO).
11
2. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.
12
a) Das Landgericht hat die Angaben der Angeklagten H. in ihrer polizeilichen Erstvernehmung als glaubhaft erachtet. Die Beweiswürdigung hierzu ist jedoch in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
13
aa) Die Würdigung der im Rahmen der polizeilichen Vernehmung getätigten Aussage der Angeklagten ist bereits lückenhaft: Das Landgericht hat jene Angaben als „voll und ganz geständig“ (UA 15) gewertet und ausgeführt, gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage spreche nicht, dass sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung nicht erklärt habe, zu welchem Zweck sie ihrem Vater die Daten überlassen habe (UA 16); das Protokoll über die polizeiliche Vernehmung sei nur rudimentär geführt worden und in diesem Punkt lückenhaft. Ausweislich der Urteilsgründe ist die Aussage der Angeklagten H. bei ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung jedoch durch die Vernehmung des damaligen Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden (UA 18). Ob und ggf. was dieser über Angaben der Angeklagten zu ihren Motiven für die Weitergabe der Daten an ihren Vater berichtet hat, teilt das Urteil nicht mit (s.a. UA 24 f.). Es ist zu besorgen, dass sich das Landgericht, indem es auf den Inhalt des Protokolls abhebt, den Blick dafür verstellt hat, dass hier nicht dieses, sondern der erwiesene Inhalt der Aussage zu würdigen war und zudem ein teilweises Schweigen der Angeklagten in ihrer Beschuldigtenvernehmung in die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage einzubeziehen gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 261 Rn. 17 mwN).
14
bb) Die Beweiswürdigung dazu, wie die Angeklagte H. an die für eine erfolgreiche POLIS-Abfrage erforderlichen Geburtsdaten M. s, R. s und Bö. s gelangt ist, begegnet auch für sich genommen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
15
(1) Das Landgericht ist den Angaben der Angeklagten gefolgt, sie habe die Geburtsdaten im Internet über die Suchmaschine Google recherchiert. Zwar konnte bei einer im Zuge der Ermittlungen vorgenommenen Auswertung der Dienstcomputer der Wache der Polizeiinspektion L. kein Aufruf entsprechender Internetseiten im relevanten Zeitraum festgestellt werden; diese Untersuchung hat das Landgericht jedoch als für Rückschlüsse auf den gegenüber dem Angeklagten B. erhobenen Vorwurf, seiner Tochter die Daten übermittelt zu haben, „völlig ungeeignet“ (UA 46) und zur Widerlegung der Angaben der Angeklagten H. „unbehelflich“ (UA 47) angesehen. Zum einen sei nicht sichergestellt, dass es sich bei den untersuchten Computern tatsächlich um diejenigen Geräte gehandelt habe, die auch am 16. November 2009 eingesetzt gewesen seien, weil es nach Angabe eines Zeugen „natürlich auch vorkomme, dass Geräteeinheiten ausgetauscht würden“; zum anderen lasse die durchgeführte Untersuchung der Geräte keine verlässliche Aussage dahin zu, dass dann, wenn Daten einer Recherche nicht gefunden würden, diese auch nicht stattgefunden habe, weil das Computersystem sukzessive für überflüssig erachtete alte Daten so lösche, dass sie mit der bei der Untersuchung verwendeten Software nicht mehr rekonstruierbar seien.
16
Soweit das Landgericht meint, die Auswertung der Computer auf der Wache der Polizeiinspektion wegen der möglichen Auswechslung einzelner Dienstcomputer zur Widerlegung der Angaben der Angeklagten H. nicht heranziehen zu können, hat es dem Ergebnis der Untersuchung den Beweis- wert rechtsfehlerhaft aufgrund lediglich theoretischer Erklärungsansätze abgesprochen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem 16. November 2009 und der Auswertung tatsächlich Geräteeinheiten im Bereich der Wache durch andere ersetzt worden sind, haben sich ausweislich der Urteilsgründe nicht ergeben. Nähere Feststellungen dazu, wie wahrscheinlich eine automatische Löschung von Daten der Google-Suche ist, hat das Landgericht ebenfalls nicht getroffen. Soweit es daher die Auswertung als „völlig ungeeignet“ bzw. „unbehelflich“ eingeordnet hat, hat es sich den Blick darauf verstellt, dass dem Ergebnis der Untersuchung nur deshalb, weil es für sich allein die Widerlegung der Angaben der Angeklagten H. nicht zuließ, ein Indizwert in der Zusammenschau mit anderen Beweisanzeichen nicht von vornherein abgesprochen werden durfte (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, StraFo 2012, 146).
17
(2) Hieran ändern die vom Landgericht angeführten Erwägungen nichts, dass es der Angeklagten H. auch möglich gewesen wäre, die Geburtsdaten von einem Dienstcomputer bei einem Kollegen außerhalb der Wache, von einem internetfähigen Mobiltelefon oder über eine für die Polizei zugäng- liche Datenbank wie „EWOIS“ zu ermitteln. Dass die Angeklagte die Informatio- nen aus einer solchen Datenbank abgerufen hat, hat sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung, bei der sie angegeben hat, die Daten bei Google recherchiert zu haben, nicht einmal selbst behauptet. Feststellungen dazu, dass die Angeklagte ein Mobiltelefon besaß, mit dem eine Suche über Google hätte erfolgen können und hinsichtlich aller drei Personen Erfolg gehabt hätte, hat das Landgericht nicht getroffen, und für eine Google-Recherche auf dem Computer eines Kollegen außerhalb des Bereichs der Wache fehlen nicht nur konkrete Anknüpfungspunkte ; bei Annahme einer solchen Vorgehensweise wäre die sich aufdrängende Frage zu erörtern gewesen, warum die Angeklagte den Computer zur Suche nach den Geburtsdaten, nicht aber auch zur Abfrage der Personen M. , R. und Bö. im POLIS-System nutzte.
18
cc) Feststellung und Beweiswürdigung zum Motiv der Angeklagten H. für die Datenabfrage sind widersprüchlich. Nach den Feststellungen handelte sie „aus politisch motivierter Neugier“ (UA 6). Hierzu referiert das Landgericht aus ihrer polizeilichen Vernehmung, sie habe „aus eigener Neugier und eigenem politischen Interesse“ gehandelt (UA 13; s.a. UA 11, 31). Andererseits teilt die Strafkammer mit, die Angeklagte habe in ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung am 8. August 2011 „den ihr zur Last gelegten Tatvorwurf“ eingeräumt (UA 14). Zu diesem Zeitpunkt ging nach der Beschwerdeentscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 16. Mai 2011 der Vorwurf dahin, dass sie vom Angeklagten B. zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und zur Verletzung von Privatgeheimnissen angestiftet worden sei (UA 12). Selbst wenn es sich insoweit um ein Fassungsversehen handeln sollte – wofür die Wendung, sie habe den Vorwurf „erneut“ eingeräumt, sprechen mag –, bleibt der Umstand, dass das Landgericht wiederholt hervorgehoben hat, die Angeklagte habe „zweifelsfrei bekundet“, die Unterlagen „für ihren Vater gefertigt“ und sie ihm später überlassen zu haben; diese Angaben bewertet das Landgericht ausdrücklich als glaubhaft (UA 18). Das ist mit dem von der Strafkammer angenommenen Beweggrund, dass die Tat auf politisch motivierter Neugier und eigenem politischen Interesse der Angeklagten H. beruhe (UA 17), nicht bzw. nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Jedenfalls in einem Fall wie dem hier zu entscheidenden, in dem es u.a. um die Frage geht, ob der Datenabfrage eine Anstiftung seitens des Angeklagten B. zugrunde liegt, begründet der aufgezeigte Widerspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler.
19
dd) Ebenso hält die Beweiswürdigung zur Vorstellung der Angeklagten H. bei Weitergabe der Daten an ihren Vater rechtlicher Überprüfung nicht stand.
20
(1) Das Landgericht hat festgestellt, die Angeklagte habe „nicht ausschließbar darauf vertraut, dass ihr Vater mit den über sie gewonnenen Informationen als Mitglied des Landtags und als Mitglied des Untersuchungsausschusses ‚N. ‛ vertrauens- und verantwortungsvoll umgehen“ (UA 36) und die Daten „keinesfalls auch noch unter Weitergabe von rückverfolgbaren POLIS-internen ID-Nummern zur Veröffentlichung bringen“ werde (UA 32).
21
(2) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist widersprüchlich und lückenhaft:
22
Sie findet bereits in der – vom Landgericht für glaubhaft erachteten (UA 15, 16, 18, 31) – Aussage der Angeklagten H. bei ihrer polizeilichen Vernehmung keine Stütze. Dort hatte sie sich dahin eingelassen, sie habe nicht gewusst, was ihr Vater mit den ihm überlassenen POLIS-Ausdrucken machen werde, ihr Vater habe sich diesbezüglich auch nicht geäußert. Aus dieser Einlassung lässt sich das vom Landgericht zugunsten der Angeklagten angenommene Vertrauen ebenso wenig ableiten wie aus der (Plausibilitäts-)Erwägung, der Vater werde seine eigene Tochter nicht in die aus der Rückverfolgbarkeit der POLIS-Auskünfte resultierende Gefahr der Strafverfolgung bringen; dass auch der Angeklagte B. um diese Gefahr wusste, ist nicht festgestellt und versteht sich auch nicht von selbst. Die Aussage der Angeklagten, sie habe die Unterlagen ihrem Vater überlassen, ohne gewusst zu haben, was dieser damit machen würde (UA 14), legt vielmehr jedenfalls im Hinblick auf die damals in der Öffentlichkeit geführte Diskussion nahe, dass ihr – was sogar für Vorsatz ausreichen würde – zumindest gleichgültig war, ob dieser die Informationen an die Presse weitergibt.
23
Darüber hinaus hat das Landgericht den – zu einer Abfrage aus eigener politischer Neugierde nicht passenden – Umstand, dass die Angeklagte H. die POLIS-Abfragen weitgehend nicht selbst durchgeführt, sondern drei Kollegen hierzu veranlasst hat, damit begründet, sie habe „zu den entspre- chenden Zeiten keinen eigenen Zugang zu einem PC“ gehabt (UA 6). Dies widerspricht zum einen der Feststellung, dass die Angeklagte ihre eigene Abfrage nach Bö. um 19.58 Uhr und damit zwischen denen ihrer Kollegen Sch. (ab 19.45 Uhr) und Ba. (ab 20.05 Uhr) sowie D. (20.23 Uhr) vornahm, zum anderen der vom Landgericht zur angeblichen Google-Recherche der Angeklagten nach den Geburtsdaten M. s, R. s und Bö. s angestellten Erwägung, diese könne sie von einem Dienstcomputer außerhalb der Wache vorgenommen haben. Aufgrund der nicht tragfähigen Begründung für die Einschaltung der Berufskollegen hat das Landgericht die gebotene Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Erklärung unterlassen, dass die Angeklagte ihre drei Kollegen zu der Abfrage veranlasste, weil sie von Anfang an um die beabsichtigte Veröffentlichung der so gewonnenen Informationen wusste: Da die Angeklagte selbst eine Abfrage tätigte, deren Entdeckung bei einer Auswertung der Logbänder nicht fern lag, konnte die Tatsache, dass auch weitere Personen Daten zu M. , R. und Bö. abgefragt hatten, die vorschriftswidrige Erhebung der Daten durch die Angeklagte nicht verschleiern, wohl aber eine anschließende Weitergabe,weil bei dann geführten Ermittlungen mehrere Abfragende in Betracht kommen würden. Gerade im Hinblick darauf, dass die Angeklagte H. im Unterschied zu ihren Kollegen eine POLIS-Abfrage nur hinsichtlich Bö. vornahm und anders als diese keinen Ausdruck fertigte, hätte das Landgericht diese nahe liegende Möglichkeit erörtern müssen.
24
b) Auch die Beweiswürdigung zu der dem Angeklagten B. mit der Anklage vorgeworfenen Weitergabe der POLIS-Daten an die Presse begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
25
aa) Das Landgericht hat Zweifel daran, dass der Angeklagte B. die Daten an „R. “ und „T. “ übermittelt hat, trotz des unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen der Landtagsdebatte am 11. November 2009, der von der Angeklagten H. veranlassten POLIS-Abfragen am 16. November 2009, der Weitergabe der Daten an den Angeklagten B. am 20. November 2009 (Freitag) und der Veröffentlichung in den Tageszeitungen am 23. November 2009 (Montag) sowie trotz weiterer Indizien nicht überwinden können. Es sei denkbar, dass statt des Angeklagten B. der Zeuge D. – zur Tatzeit ebenfalls Landtagsabgeordneter und stellvertretendes Mitglied des Untersuchungsausschusses – die Daten über den ihm bekannten KOK Bo. , einen anderen Polizeibediensteten oder aus den Unterlagen des Untersuchungsausschusses erlangt und weitergegeben habe; auch komme die Weitergabe von Daten aus den Ausschussakten durch unbekannte Dritte in Betracht. Schließlich sei denkbar, dass einer der 111 Polizeibediensteten in , die nach einer landesweiten Auswertung der Logbänder der Polizeicomputer zwischen dem 5. Januar 2008 und dem 23. November 2009 die Namen M. , R. oder Bö. im POLISSystem abgefragt haben, oder eine andere Person aus einem anderen Bundesland die Informationen an die Presse lanciert habe.
26
Die Erwägung einer möglichenWeitergabe durch D. hat es zum einen darauf gestützt, dass dieser im November 2009 versucht hatte, den ihm bekannten KOK Bo. und einen weiteren Polizeibediensteten, KHK Mü. , zu einer entsprechenden Datenabfrage zu bestimmen, und diesen gleichzeitig geraten hatte, eine solche von einem anderen Bundesland aus vorzunehmen, zum anderen darauf, dass eine Überprüfung, von welchen Polizeicomputern aus die Daten M. s, R. s und Bö. s aufgerufen worden sind, für , nicht aber bundesweit erfolgt ist. Wegen der unterbliebenen – und wegen Zeitablaufs nicht nachholbaren – bundesweiten Überprüfung hat das Landgericht auch eine Abfrage durch Unbekannte außerhalb von nicht ausschließen können. Schließlich seien die in der Presse veröffentlichten Informationen in den Akten des Untersuchungsausschusses enthalten gewesen, weshalb D. oder eine andere einsichtsberechtigte Person sie auf diesem Wege erlangt und an die Presse gegeben haben könne.
27
bb) Soweit die Strafkammer die Weitergabe der POLIS-Daten durch den Zeugen D. als nicht ausschließbares Alternativszenario angesehen hat, ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Der Zeuge D. ist in der Hauptverhandlung gehört worden und hat Versuche, über ehemalige Kollegen – u.a. KOK Bo. – an die POLIS-Daten zu gelangen, eingeräumt. Er hat aber auch bekundet , die Daten von den von ihm angesprochenen Kollegen nicht erhalten zu haben, was der Zeuge KOK Bo. und der ebenfalls von D. kontaktierte Zeuge KHK Mü. bestätigt haben. Auch hat der Zeuge D. die Weitergabe von Informationen an die Presse abgestritten. Dass der Zeuge die Daten dennoch von KOK Bo. erhalten und der Presse zugespielt haben könnte, begründet das Landgericht lediglich damit, dass eine bundesweite Auswertung der Polizeicomputer nicht erfolgt sei. Eine Würdigung der eher knapp mitgeteilten Aussagen der Zeugen D. , Bo. und Mü. hat es damit nicht vorge- nommen. Eine solche Würdigung wäre jedoch erforderlich gewesen: Ebenso wie der Beweiswert einer Aussage nicht maßgeblich davon abhängt, ob ein Zeuge oder ein Angeklagter sie getätigt hat (BGH, Urteil vom 5. Februar1963 – 1 StR 265/62, BGHSt 18, 283), ist er nicht von vornherein deshalb zu vernei- nen, weil der Zeuge ebenfalls als Täter der inmitten stehenden Tat in Betracht kommt.
28
Für die Weitergabe der Daten durch unbekannte Mitglieder des Untersuchungsausschusses oder andere Unbekannte auf Grund einer außerhalb von vorgenommenen POLIS-Abfrage fehlt jeder konkrete Anhaltspunkt. Dass die theoretische Möglichkeit einer solchen Abfrage mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht ausgeschlossen werden kann, reicht zur Begründung von Zweifeln nicht aus; dies stellt eine Überspannung der an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit dar.
29
Soweit das Landgericht meint, dass (irgend-)einer der „111 Abfragenden in “ (UA 56) die POLIS-Ausdrucke gefertigt und weitergegeben haben könnte, steht dies in Widerspruch zu den Feststellungen: Danach hatte die Auswertung der Logbänder der Polizeicomputer ergeben, dass im Überprüfungszeitraum 111 Beamte in Abfragen mit den Namen M. , R. und Bö. getätigt hatten. Abfragen unter – für eine erfolgreiche Recherche nach den Feststellungen erforderlicher – zusätzlicher Angabe des Vornamens oder des Geburtsdatums wurden jedoch lediglich von (höchstens) 36 Personen durchgeführt, kombinierte Abfragen zu M. s und R. – über die von der Angeklagten H. veranlassten hinaus – sogar nur von vier weiteren Personen: dem LKA-Beamten Boh. , dessen Abfrage nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dienstlich veranlasst war, der Polizeibediensteten Re. , welche die Abfrage auf Initiative des Zeugen D. bereits im Februar 2009 getätigt und diesem die Ergebnisse telefonisch mitgeteilt hatte (ob sie – was sich bei telefonischer Übermittlung jedenfalls nicht von selbst versteht – auch die dreizehnstelligen ID-Nummern weitergab, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen) und den Polizeibeamten Ber. und K. , zu deren Motivation für die Abfrage das Landgericht keine Feststellungen getroffen hat.
30
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler wirken sich hinsichtlich der Angeklagten H. auf die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB aus. Als (konkrete) Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen im Sinne dieser Vorschrift kann eine mittelbare Gefährdung ausreichen, die darin besteht, dass durch die Offenbarung der Weitergabe der polizeiinternen Daten das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität staatlicher Stellen beeinträchtigt ist (BGH, Urteile vom 19. Juni 1958 – 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, vom 22. Juni 2000 – 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596, und vom 9. Dezember 2002 – 5 StR 276/02, BGHSt 48, 126). Zur Klärung der Frage, ob eine solche Gefährdung gegeben ist, bedarf es einer Gesamtabwägung im Einzelfall, bei der Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 – 5 StR 268/99 aaO; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2011 – III-1 RVs 218/11 u.a., juris); so kann u.a. von Bedeutung sein, ob die Daten einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 – 5 StR 268/99 aaO; vgl. auch BGH, Urteile vom 19. Juni 1958 – 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404 f., und vom 15. November 2012 – 2 StR 388/12).
31
Hinsichtlich des Angeklagten B. haben die Fehler in der Beweiswürdigung Auswirkung auf die Beurteilung einer Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Haupttat seiner Tochter bzw. einer – in der Übermittlung der Geburtsdaten M. s, R. s und Bö. s oder auch in der vom Vorsatz seiner Tochter getragenen Weiterleitung der Daten an die Presse liegenden (vgl. BayObLG NStZ 1999, 568; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 353b Rn. 14a; s. ferner BVerfG NJW 2007, 1117, 1119) – Beihilfe hierzu. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

III.


32
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 StPO Gebrauch gemacht.
33
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird ggf. bei der Gesamtabwägung zu § 353b StGB – anders als im angefochtenen Urteil (UA 36, 40) – nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass die von der Angeklagten H. beschafften Informationen über M. M. bereits bekannt waren. Die in der Ausgabe der „R. “ vom 12. November 2009 erwähnte Insolvenzverschleppung beruhte auf einem Vorgang aus dem Jahr 1998, während der Ausdruck aus POLIS den dort am 31. August 2007 eingestellten Eintrag „Unterschlagung“ enthielt. Für eine Identität der zugrunde liegenden Vorgänge spricht auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nichts.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 114/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
die Nebenklägerin persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der sexuellen Nötigung u.a. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Eines näheren Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Aufklärungsrügen bedarf es somit nicht.

I.


2
1. In der (im Wesentlichen auf den Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren beruhenden) unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz vom 12. Juli 2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, dass er bei der Behandlung der Nebenklägerin in mindestens acht Fällen gegen deren Willen aus sexuellen Gründen mit seinem Finger in deren Vaginalbereich eingedrungen sei. Der Angeklagte hat die Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich nicht von seiner Schuld zu überzeugen vermocht. Hinsichtlich des Sachverhalts konnte es lediglich folgende Feststellungen treffen:
3
In der Zeit von August bis November 2009 begab sich die damals 18 Jahre alte Nebenklägerin wegen ihres Heuschnupfens mindestens fünf Mal in die Behandlung des als Heilpraktiker tätigen Angeklagten. Dieser war ihr persönlich bekannt, da sie bei dessen Tochter eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolvierte. Zur Behandlung des Heuschnupfens führte der Angeklagte bei der Nebenklägerin jeweils zunächst eine Eigenblutbehandlung durch, bei der er ihr das zuvor entnommene Blut in ihren Gesäßmuskel spritzte und die Einstichstelle mit einer schmerzstillenden Salbe massierte. Anschließend nahm er noch eine Lymphdrainage vor, bei der er die Lymphknoten mit einem Massagegerät abtastete.
4
Mitte bzw. Ende November 2009 kam es wegen häufiger Krankmeldungen zu einem Streit zwischen der Nebenklägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Tochter des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin ihren Ausbildungsplatz vorzeitig kündigte.
5
In einem Brief vom 13. Januar 2010 schrieb der Angeklagte der Nebenklägerin Folgendes: „Meine Liebe Jenni. Beginnend möchte ich dich bitten, dass dieser Brief nur uns beide betrifft !!!! Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht mehr hier haben kann. (…) Ich hoffe, dass die Zuneigung zu dir nicht der Grund deiner Kündi- gung gewesen ist. (…) Bitte (…) mach keine trotz Aktionen mit der A. (…). Ich grüße und küsse dich herzlich, bitte melde dich. PS: Wenn du mir schreiben willst, dann schreibe als Absender Apotheke R. “.
6
Dieser Brief veranlasste die Nebenklägerin, zur Polizei zu gehen und gegen den Angeklagten Anzeige zu erstatten.
7
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Nebenklägerin und die Zeugin G. , die einen (von der Staats- anwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten) „vergleichbaren Vorfall“ wie die Nebenklägerin geschildert habe, hätten auf die Strafkammer zwar „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht. Dennoch seien Zweifel an der Glaubhaf- tigkeit der Aussagen der beiden miteinander bekannten Zeuginnen verblieben. So habe es in der Aussage der Nebenklägerin „Unsicherheiten bzw. Abweichungen zu ihren polizeilichen Angaben, die auch den Kernbereich der Tatvor- würfe betreffen“, gegeben. Außerdem hätten beide Zeuginnen ein Belastungs- motiv, da sie beide mit der Tochter des Angeklagten Streit gehabt hätten.

II.


9
Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

12
2. Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
13
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. fehlt.
14
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist.
15
aa) Die Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin bei der Polizei und in der Hauptverhandlung beschränkt sich auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die das Landgericht als „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ bezeichnet, „die auch den Kernbereich der Tatvorwürfe betreffen“. Die Bekundungen der Ne- benklägerin zu den von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen, insbesondere konkrete Details zum unmittelbaren Tatgeschehen, werden dagegen nicht mitgeteilt. Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Nebenklägerin die vom Landgericht aufgezeigten Widersprüche im Aussageinhalt nachvollziehbar erklären konnte oder nicht. Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der - im Urteil nicht weiter mitgeteilten - Aussage der Nebenklägerin zum Kern- geschehen vorgenommen und die dabei von ihr aufgezeigten „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussage- konstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96).
16
bb) Eine zusammenhängende Schilderung der von der Zeugin G. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränken sich auf den Hinweis, die Zeugin habe einen „vergleichbaren Vorfall“ geschildert. Weitere Einzelheiten der Aussage werden nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher auch in Bezug auf die Aussage der Zeugin G. nicht überprüfen, ob das Landgericht die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wesentlichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, zumal das Landgericht seine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. mit einem Streit zwischen ihr und der Tochter des Angeklagten begründet hat, ohne hierüber nähere Einzelheiten, z.B. zur Ursache, zum genauen Zeitpunkt, zum Verlauf oder zur Intensität des Streits, mitzuteilen.
17
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Schuld des Angeklagten wesentlich auf „Abweichungen bzw. Unsicherheiten“ in der Aussage der Ne- benklägerin gestützt. So habe die Nebenklägerin unterschiedliche Angaben zum erstmaligen Einsatz eines Massagestabes - bei der ersten bzw. bei der zweiten Behandlung durch den Angeklagten - gemacht. Auch habe sie sich an die Anzahl der Behandlungstermine nur noch „grob“ erinnern können; zunächst habe sie von vier bis fünf, später dann von fünf bis acht Terminen gesprochen. Bei der Bewertung dieser ungenauen Gedächtnisleistungen der Nebenklägerin hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob diese derart schwerwiegend sind, dass sie Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Aussage erlauben. Denn nicht jede Inkonstanz stellt bereits einen Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Das Landgericht lässt dabei zudem auch die Einlassung des Angeklagten außer Acht, die in diesem Zusammenhang nicht wesentlich von den Angaben der Nebenklägerin abweicht. So hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er die Nebenklägerin fünfmal in seiner Praxis behandelt habe, sondern auch, dass er dabei regelmäßig das Massagegerät eingesetzt habe.
18
c) Aus dem Brief vom 13. Januar 2010, den der Angeklagte an die Nebenklägerin geschrieben hat und der letztlich nach den Feststellungen der Aus- löser für ihre Strafanzeige gewesen ist, konnte das Landgericht keine „zwingenden Schlüsse“ hinsichtlich der Tatvorwürfe ziehen. Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - 5 StR 358/03 mwN).
19
d) Bei der Bewertung des Briefes vom 13. Januar 2010 hat sich das Landgericht zudem lediglich mit den Textstellen auseinandergesetzt, in denen der Angeklagte von seiner Zuneigung zu der Nebenklägerin spricht, sie auffordert , Trotzreaktionen zu unterlassen, und sie bittet, bei Schreiben an ihn einen falschen Absender anzugeben. Dagegen bleibt die für ein Schreiben eines Therapeuten an seine Patientin ungewöhnliche Grußformel „ich küsse dich herzlich“ unerörtert. Für eine Erörterung auch dieser Textstelle hätte hier schon deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte an anderer Stelle des Briefes seine Zuneigung zur Nebenklägerin zum Ausdruck bringt, so dass die von ihm verwendete Grußformel darauf hindeuten könnte, dass es bei der Behandlung der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen war.
20
e) Die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt.
21
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH, Urteile vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 und 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 jew. mwN).
22
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt hier den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung schon deshalb nicht, weil die Nebenklägerin und die Zeugin G. - wie dies an mehreren Stellen des Urteils ausgeführt wird (UA S. 7, 13 und 14) - auf das Landgericht „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht haben. Der Senat kann daher nicht aus- schließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. ein geringe- res Gewicht beigemessen und sich nicht nur von der Richtigkeit ihrer Angaben, sondern letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
Nack Wahl Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 600/10
vom
18. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 29. Juli 2010, soweit es den Angeklagten B. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
B. und S. waren des mittäterschaftlichen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt. Mit Urteil vom 29. Juli 2010 hat das Landgericht den Angeklagten S. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; den Angeklagten B. hat das Landgericht freigesprochen und ihm Haftentschädigung zugesprochen. Die Revision des Angeklagten S. gegen seine Verurteilung hat der Senat mit Beschluss vom 18. November 2010 verworfen. Gegen den Freispruch des Angeklagten B. wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Formalrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

I.


2
1. Die Strafkammer hat Folgendes festgestellt:
3
S. nahm aus Geldnot das Angebot an, innerhalb Deutschlands Betäubungsmittel zu transportieren. Er sollte mit 1.500 € entlohnt werden. Am 3. Dezember 2009 traf er sich deshalb am Bahnhof in M. (Niederlande) mit einem Asiaten. Dieser erklärte ihm, es gehe um den Transport von einem Kilogramm Marihuana. Dazu übergab der Asiate S. Geld zum Erwerb eines Navigationsgeräts sowie für Benzin. Außerdem erhielt er einen Zettel, auf dem zwei Orte in Deutschland vermerkt waren, nämlich der Abholpunkt in H. in Sachsen sowie das Ziel der Fahrt, Sp. .
4
S. wollte es vermeiden, in Deutschland selbst mit dem Auto zu fahren. Er fragte deshalb den Angeklagten B. , ob er bereit sei, ihn nach Deutschland zu begleiten. Gemeinsam kauften sie ein Navigationsgerät. S. gab die Abholadresse ein.
5
Gegen Mittag des 3. Dezember 2009 machten sie sich mit einem zweitürigen VW Golf auf den Weg. Der Angeklagte B. steuerte das Fahrzeug in Deutschland bis nach H. . 400 bis 500 Meter vor dem eingegebenen Ziel ließ S. den Angeklagten B. aussteigen; er solle auf seine - des S. - Rückkehr warten. S. fuhr dann alleine weiter bis zur Zieladresse, nahe einer Marihuana-Indoorfarm. Am vereinbarten Treffpunkt wurde S. von einem Asiaten erwartet, der zustieg und den Weg zu einem nahe gelegenen Parkplatz wies. Dort trafen sie auf einen BMW mit einem weiteren Asiaten. Die beiden Asiaten, vermutlich die Vietnamesen T. und P. , luden vier große dunkle Müllsäcke in den PKW des S. , drei auf den Rücksitz der Beifahrerseite, einen hinter den Beifahrersitz. In diesen Säcken befanden sich insgesamt ca. zehn Kilogramm Marihuana. S. bemerkte, dass erheblich mehr Rauschgift eingeladen worden war, als das vereinbarte eine Kilogramm. Aus Angst widersprach er jedoch nicht. Er gab den Zielort Sp. ins Navigationsgerät ein, fuhr zurück zum Angeklagten B. und nahm ihn auf. Vor Erreichen der Autobahn übernahm dieser wieder das Steuer. Auf der Bundesautobahn A9 wurden sie im Bereich Mü. kontrolliert. Das Rauschgift wurde entdeckt und sichergestellt , insgesamt 9.420,80 Gramm Marihuana mit mindestens 1.110,90 Gramm Tetrahydrocannabinol. Bei der Kontrolle erklärte der Angeklagte B. auf die Frage, ob er etwas dabei habe: „ja Hundefutter“.
6
Dem Angeklagten B. war der Zweck der Fahrt, nämlich der Transport von Betäubungsmitteln, bis zum Zugriff der Polizei unbekannt.
7
2. Die Beweiswürdigung zum Freispruch des Angeklagten B. :
8
a) Die Feststellungen der Strafkammer beruhen insbesondere auf den Angaben des Verurteilten S. . Der Angeklagte B. habe, so die Strafkammer, die Einlassung des damaligen Mitangeklagten bestätigt. „Er hat die Geschehensabläufe detailliert geschildert.“
9
b) Die Strafkammer hat sich allerdings nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte B. Kenntnis vom Transport der Betäubungsmittel hatte.
10
aa) Der Angeklagte hat bestritten, den Grund der Fahrt nach Deutschland gekannt zu haben. Er habe nur S. helfen wollen, da dieser seinen Führerschein nicht habe finden können. Über das Angebot, mit nach Deutschland zu fahren, habe er sich sehr gefreut, da er auf diese Weise wieder einmal kostenlos habe dorthin reisen und dort Auto fahren können.
11
bb) Als Umstände, die gegen eine Kenntnis des Angeklagten B. vom Zweck der Reise sprechen, hat die Strafkammer angeführt: - Seine Abwesenheit bei der Übergabe der Betäubungsmittel, - Keine Entlohnung für die Fahrt, - Keine Kommunikation über die Betäubungsmittel während der Fahrt nach deren Übernahme, - Keine Wahrnehmung des Geruchs von Marihuana im Fahrzeug, - Die Müllsäcke habe der Angeklagte B. zwar irgendwann zur Kenntnis genommen, sich darüber aber keine Gedanken gemacht.
12
cc) Der Angeklagte B. ist allerdings durch den seinerzeit Mitangeklagten S. belastet worden. Er gab an, er habe dem Angeklagten B. - vor Antritt der Fahrt - gesagt, worum es gehe, nämlich um den Transport von einem Kilogramm Marihuana.
13
Dies stehe jedoch, so die sachverständig beratene Strafkammer, der Unkenntnis des Angeklagten B. vom wahren Zweck der Fahrt nicht ent- gegen. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass er aufgrund seiner Erkrankung diese Information nicht realisiert und verarbeitet habe. Der Angeklagte leide an einer hyperkinetischen Störung im Sinne der ICD 10 F 90.0 (Aufmerksamkeitsstörung [-defizit] mit Hyperaktivitätsstörung - ADHS). Dies führe bei ihm zu Konzentrationsstörungen mit „Gedankengedränge“. Der Angeklagte verfolge dann unter Umständen 10 bis 20 Gedanken gleichzeitig. Er nehme dann ihm gegenüber geäußerte Informationen zwar akustisch wahr. Diese würden jedoch wegen vieler anderer Gedanken verdrängt. Eine Abspeicherung der Informationen sei aufgrund dieser Denkstörung ausgeschlossen mit der Folge, dass sie innerhalb kürzester Zeit wieder verloren gingen.

II.


14
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils deckt durchgreifende Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung auf.
15
1. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen , ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechen- den Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07, Rn. 18; vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, Rn. 18 mwN).
16
Auch darf der Tatrichter entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, nicht ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen, nur, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden. Dies gilt umso mehr dann, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 416/08, Rn. 6 mwN).
17
2. Die Schilderung des Angeklagten B. über seine Motivation, S. auf der Fahrt nach Deutschland zu begleiten, nämlich nur touristisches Interesse und Freude am Autofahren, erscheint angesichts der näheren Umstände des „Ausflugs“ nicht nahe liegend. Dies kann für sich betrachtet den Bestand des Urteils allerdings noch nicht gefährden. Die Beweiswürdigung weist jedoch darüber hinaus Lücken auf und sie ist widersprüchlich.
18
a) Nach den Feststellungen der Strafkammer forderte S. den Angeklagten B. zur Mitfahrt auf, da er - S. - habe vermeiden wollen, in Deutschland Auto zu fahren, nach der Einlassung des Angeklagten B. , da S. seinen Führerschein nicht ge- funden habe. Tatsächlich setzte sich S. jedoch im Bereich von H. selbst ans Steuer. Mit diesem Widerspruch hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt, insbesondere nicht damit, wie B. auf diesen Fahrerwechsel reagierte.
19
b) Bei diesem Fahrerwechsel ließ sich der Angeklagte B. abends im Dezember in einem ihm unbekannten Ort an einem Parkplatz absetzen , um auf die Rückkehr von S. zu warten. Ob und gegebenenfalls wie dieses Ansinnen dem Angeklagten erläutert wurde, bleibt unerwähnt. Damit hätte sich die Strafkammer aber auseinandersetzen müssen. Denn nahm der Angeklagte B. dies kommentarlos hin, könnte es nahe liegen, dass er von vorneherein darin eingeweiht und es ihm bewusst war, was während der Wartezeit geschehen sollte.
20
c) Das Landgericht hat einerseits festgestellt, das ADHS-bedingte „Gedankengedränge“ habe dazu führen können, dass der Angeklagte die entscheidende Mitteilung, wonach die Fahrt dem Transport von Betäubungsmitteln dienen sollte, nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hat. Andererseits habe er jedoch die Geschehensabläufe - im Übrigen - glaubhaft detailliert geschildert. Dies ist widersprüchlich. Jedenfalls hätte es näherer Erörterung bedurft, auch mit dem Sachverständigen, weshalb die Konzentrationsschwäche des Angeklagten zwar die Information über den Zweck der Fahrt habe in Vergessenheit geraten lassen können, die Zuverlässigkeit der Erinnerung an Details der Reise der Strafkammer aber gleichwohl nicht fraglich erschienen ist.
21
d) Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Strafkammer sollen die durch das ADHS-Syndrom verursachten Konzentrationsstörungen bei der gleichzeitigen Verarbeitung mehrerer Informationen zu Verdrängungen und Erinnerungsverlust führen. Da dies nicht substantiiert tatsachenfundiert belegt ist, bleibt auch unerörtert, inwieweit bei der Informationsverarbeitung dem Gewicht einer Mitteilung Bedeutung zukommt. Die Aufforderung, sich an einer Drogenkurierfahrt als Fahrer zu beteiligen, ist brisant. Eine Person, die mit dem Drogenmilieu bislang nichts zu tun hatte - davon ist beim Angeklagten B. nach den Urteilsgründen auszugehen -, muss dies geradezu „elektrisieren“. Es wäre einleuchtend, wenn dann alle anderen Gedanken in den Hintergrund träten. Dass aber die Euphorie des Angeklagten über die Gelegenheit eines kurzen, weitgehend nächtlichen Ausflugs nach Deutschland sowie die Erwartung des Autofahrens dort das „Gedankengedränge“ so sehr beherrschen und verstärken konnten, dass deshalb die Aufforderung zur Beihilfe zu einer Betäubungsmittelstraftat - die eigentlich dominante Information - vom Angeklagten zwar akustisch wahrgenommen, aber nicht ins Bewusstsein aufgenommen wurde, hätte näherer Erörterung bedurft.
22
e) Die Strafkammer folgt den Angaben des Angeklagten B. , wonach er die auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs befindlichen Säcke während der Fahrt zwar irgendwann bemerkt habe, er jedoch nicht mit Sicherheit sagen könne, ob sich die Säcke bereits bei der Abfahrt in Holland im Fahrzeug befunden hätten. Er habe sich über die Säcke keine Gedanken gemacht, da bei S. auf der Rückbank des Fahrzeugs öfters Säcke und Beutel gelegen hätten. Der damalige Mitangeklagte S. habe dazu angegeben, so die Strafkammer, er habe zu jener Zeit mit seinem gesamten Hab und Gut in seinem Fahrzeug gelebt. Die Behauptung des Angeklagten B. , er habe die in H. eingeladenen vier Müllsäcke nicht bemerkt, als er wieder abgeholt wurde, klingt wenig plausibel. Die Strafkammer hätte diese Einlassung daher nicht ohne weiteres hinnehmen und so ungeprüft ihren Feststellungen zugrunde legen dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 416/08, Rn. 6). Die Strafkammer hätte sich - nach entsprechenden Feststellungen - mit dem tatsächlichen Beladungszustand des Fahrzeugs auf der Rückbank am Tattag auseinandersetzen müssen, wie auch mit der Größe der gefüllten Säcke und deren Positionierung in Beziehung zum Sichtfeld des Fahrers bei einem Blick nach hinten, sei es mittels des Innenrückspiegels oder durch Drehen des Kopfes. Oder das Landgericht hätte darlegen müssen, weshalb es Feststellungen hierzu nicht mehr hat treffen können.
23
3. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Vermeidung der aufgezeigten Rechtsfehler zu teilweise anderen oder zusätzlichen Feststellungen gekommen wäre und dann in der gebotenen Gesamtbetrachtung die Einlassung des Angeklagten über seine Unkenntnis des Zwecks der Fahrt nach Deutschland anders bewertet, in der Folge dann auch anders entschieden und den Angeklagten B. einer Betäubungsmittelstraftat für schuldig befunden hätte.

III.


24
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Haftentschädigung ist damit gegenstandslos.
Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 75/13
vom
2. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt aus Nürnberg - in der Verhandlung -
als Verteidiger für die Angeklagte Ma. H. ,
Rechtsanwalt aus Nürnberg - in der Verhandlung -
als Verteidiger für den Angeklagten M. H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten Ma. H. gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. August 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Revision des Angeklagten M. H. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil betreffend Ma. H. wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der versuchten unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Verabredung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil betreffend M. H. wird verworfen.
Die Angeklagten haben jeweils die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte Ma. H. wegen „unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen in Tatmehrheit mit versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum versuchten unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Verabredung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten M. H. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten (aus tatsächlichen Gründen) freigesprochen.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Angeklagte Ma. H. beantragt die Aufhe- bung des Urteils mit den Feststellungen und die Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Sie beanstandet, dass zu Unrecht von ihrer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden sei. Das Urteil könne daher „in dieser Hinsicht“ keinen Bestand haben.
3
Der Angeklagte M. H. beanstandet die Strafzumessung.
4
Die Staatsanwaltschaft beantragt mit ihren mittels der Sachrüge geführten Revisionen die Aufhebung des Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen im Hinblick auf beide Angeklagte. Sie beanstandet die Beweiswürdigung , nämlich dass die Angeklagten nicht wie angeklagt wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden seien. Es sei rechtsfehlerhaft, dass die Angeklagten entsprechend ihrer Einlassung und entgegen den sie weitergehend belastenden Angaben des gesondert Verfolgten C. nur wegen einer untergeordneten Tatbeteiligung an dessen Betäubungsmittelgeschäften und die Angeklagte Ma. H. auch nur in sieben, der Angeklagte M. H. nur in zwei statt der angeklagten elf Fälle verurteilt worden seien. Außerdem rügt die Staatsanwaltschaft, dass selbst auf der Basis der vom Landgericht getroffenen Feststellungen der Schuldspruch gegen die Angeklagte Ma. H. den Unrechtsgehalt nur unzureichend erfasse.
5
Die Revisionen der Angeklagten und die gegen M. H. gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft waren zu verwerfen. Die zu Lasten der Angeklagten Ma. H. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung.

A.


6
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
7
1. bis 7. Im Tatzeitraum zwischen Februar und dem 20. November 2011 hatte die Angeklagte Ma. H. in sieben Fällen vor, für den gesondert Verfolgten C. Methamphetamin von der Tschechischen Republik nach Deutschland zu transportieren. Dabei wusste sie, dass es sich um hochwertiges Methamphetamin handelte, welches C. gewinnbringend verkaufen wollte. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Taten:
8
1. Ende Februar 2011 händigte C. der Angeklagten Ma. H. an einer Tankstelle in der Tschechischen Republik 170 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 60 Prozent aus. Die in Einzelportionstüten verpackten Drogen brachte sie mit ihrem Fahrzeug nach Deutschland. Dort übergab sie das Methamphetamin in S. an C. . Dieser nahm die Menge an sich, bestimmte jedoch, dass die Angeklagte davon fünf Gramm Methamphetamin als Lohn erhalten solle. Diese Menge und die von der Angeklagten zum Vorzugspreis von 90 € erworbenen weiteren drei Gramm gab er an die Angeklagte. Diese wollte die Drogen selbst konsumieren.
9
2. Nachdem die Angeklagte längere Zeit einen Gipsverband getragen hatte, unternahm sie die nächste Kurierfahrt für C. zu einem Zeitpunkt Mitte bis Ende Mai 2011. Sie erhielt in Tschechien abermals 170 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 60 Prozent von C. . Dasin einem Erste-Hilfe-Handschuh verpackte Rauschgift transportierte sie in ihrem Fahrzeug zu ihrem Haus in F. . Dort übergab sie es C. . Dieser gab ihr fünf Gramm aus der Menge als Kurierlohn. Zudem überließ er ihr weitere zehn Gramm, die die Angeklagte zum Vorzugspreis von 70 € erwarb. Die Angeklagte hatte diese Drogen zum Eigenkonsum vorgesehen.
10
3. Am 10. August 2011 fuhr die Angeklagte mit ihrem Bekannten Sc. mit dessen Fahrzeug nach E. in Tschechien. Wie verabredet übernahm sie dort auf einem Supermarktparkplatz 80 Gramm Crystal mit einem Wirkstoffgehalt von 60 Prozent Methamphetaminbase von C. . Die Drogen waren in einer Windel verpackt. Die Angeklagte entnahm die in zwei Cliptüten befindlichen Substanzen und verbarg sie in ihrem BH. Als Beifahrerin des Sc. kehrte sie sodann zu dessen Wohnsitz in Deutschland zurück. Da ihr C. bei der Übergabe in Tschechien gereizt erschienen war, hatte sie von unterwegs ihren Ehemann, den Angeklagten M. H. , gebeten, sie bei Sc. abzuholen und sodann mit ihr gemeinsam zum Wohnsitz des C. in B. zu fahren. Wunschgemäß holte dieser sie ab und fuhr mit ihr zu C. . Dort übergab die Angeklagte die Drogen. Im Beisein des Angeklagten M. H. überließ C. der Angeklagten Ma. H. acht Gramm als Kurierlohn und weitere von ihr zum Vorzugspreis von 50 € erworbene zwölf Gramm aus der Gesamtmenge. Diese Menge wollte die Angeklagte Ma. H. selbst konsumieren. In Kenntnis der von seiner Frau mitgeführten Drogen und deren Qualität und mit dem Willen, sie zu unterstützen, fuhr der Angeklagte M. H. seine Frau nach Hause.
11
4. Am 6. September 2011 fuhr die Angeklagte Ma. H. erneutals Beifahrerin im Fahrzeug des Sc. nach E. in Tschechien. Dort übergab ihr C. eine in zwei schwarze Cliptüten verstaute Menge, die C. zuvor von seiner Rauschgiftquelle erworben hatte und von der beide annahmen, es sei Methamphetamin mit dem üblichen Wirkstoffgehalt. Die Angeklagte verbarg die Cliptüten im Futter einer präparierten Strandtasche. Sie fuhr mit Sc. zu dessen Wohnsitz und von dort mit ihrem Fahrzeug zu sich nach Hause. Dort holte C. die Cliptüten ab. Dabei stellten sie fest, dass es sich bei den Substanzen in den Cliptüten nicht um Betäubungsmittel handelte.
12
5. Etwa eine Woche später ließ sich die Angeklagte Ma. H. abermals von Sc. an eine Tankstelle in der Tschechischen Republik fahren. Wie verabredet übernahm sie dort 108 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 60 Prozent von C. . Diese Menge verbarg sie in der präparierten Strandtasche und verbrachte sie so in ihr Haus in F. . Dorthin kam C. , dem sie die Drogen übergab. Aus der erhaltenen Menge gab C. ihr acht Gramm Methamphetamin als Lohn für ihre Kurierdienste. Diese Menge übernahm die Angeklagte zum Eigenkonsum. Weiterhin erwarb sie preisgünstig eine kleinere Menge, die ebenfalls zum Eigenkonsum bestimmt war.
13
6. In dem Zeitraum vor dem 15. Oktober 2011 verabredete die Angeklagte Ma. H. mit C. , eine weitere Transportfahrt für Methamphetamin nach der bisher praktizierten Methode von der Tschechischen Republik nach Deutschland zu unternehmen. Dabei sollte mindestens eine so große Menge wie bei der Fahrt zu 5. transportiert werden, die auch in der Wirkstoffkonzentration dieser Menge entsprach. Dementsprechend fuhr die Angeklagte am 15. November 2011 mit ihrem Fahrzeug nach Tschechien. C. konnte ihr jedoch kein Rauschgift übergeben, weil sein Lieferant nichts hatte.
14
7. Am 20. November 2011 fand die nächste Einfuhrfahrt statt. Gegen 13 Uhr dieses Tages rief C. bei den Angeklagten an. Er bat den das Telefonat entgegennehmenden Angeklagten M. H. , seiner Frau auszurichten, „es“ werde „voluminös mehr“, was der Angeklagte M. H. der Angeklagten Ma. H. ausrichtete. Die Angeklagte Ma. H. fuhr allein mit ihrem Fahrzeug in die Tschechische Republik. Wie verabredet übernahm sie dort auf dem Parkplatz eines Supermarktes von C. 979,8 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 73 und 77,1 Prozent. Die übergebene Substanz enthielt 733 Gramm Methamphetaminbase. Sie verbarg diese Menge in einer eigens für diese Fahrt angeschafften und präparierten Kopfstütze. Diese hatte der Angeklagte M. H. zuvor auf Bitten der Angeklagten Ma. H. und in Kenntnis des Zwecks als Versteck für durch seine Frau aus Tschechien nach Deutschland zu transportierendes Methamphetamin von innen mit Gips ausgekleidet. Auch nahm er billigend in Kauf, dass Methamphetamin in der tatsächlichen Menge und mit dieser Wirkstoffkonzentration nach Deutschland verbracht und dort gehandelt werden sollte. Er handelte, um die Angeklagte Ma. H. und C. bei der Einfuhr des zu Handelszwecken bestimmten Methamphetamin zu unterstützen. Zudem hatte der Angeklagte M. H. die bereits aufgebrochene Angeklagte Ma. H. per Telefon daran erinnert, dass sie die Kopfstütze vergessen hatte, weswegen sie umgekehrt war und diese geholt hatte. Bei der Einfuhrfahrt wurde die Angeklagte Ma. H. in Deutschland kontrolliert und das Methamphetamin in der Kopfstütze fest- und sichergestellt.
15
8. Am 20. November 2011 bewahrte die Angeklagte Ma. H. 23 Gramm Haschisch und 24 Gramm Marihuana in ihrem Haus in F. auf. Zudem lagerte sie 72 Gramm Haschisch und 48 Gramm Marihuana in ihrer Wohnung in F. . Die Cannabisprodukte hatten zusammen ein Trockengewicht von 159 Gramm und eine Gesamtwirkstoffmenge von 8,5 Gramm Tetrahydrocannabinol. In Kenntnis dieser Umstände hatte die Angeklagte sie zum Eigenkonsum bestimmt.
16
II. Das Landgericht hat die Taten der Angeklagten Ma. H. zu A. I. 1. bis 3., 5. und 7. jeweils als unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt. Die Tat zu A. I. 4. hat es als versuchte unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Tat zu A. I. 6. als Verabredung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Die Tat zu A. I. 8. hat es als unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geahndet. Es hat gegen die Angeklagte Ma. H. unter Verneinung möglicher minder schwerer Fälle nach § 30 Abs. 2 BtMG bzw. § 29a Abs. 2 BtMG, jedoch unter Verschiebung des Strafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG im Fall A. I. 4. nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und im Fall A. I. 6. nach § 30 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB auf Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und sechs Jahren erkannt.
17
Die Tat des Angeklagten M. H. im Fall A. I. 3. hat esals Beihilfe zum unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Ausgehend vom Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG, den es gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, hat es auf eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt. Seine Tat zu A. I. 7. hat es als Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt. Es hat die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG verneint und den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt, diesen aber gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert und auf eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren erkannt.
18
III. Dem psychiatrischen Sachverständigen folgend, hat das Landgericht ausgeschlossen, dass sich die Neigung der Angeklagten zum Konsum berauschender Mittel als handlungsleitend darstelle.

B.


19
I. Revision der Angeklagten Ma. H.
20
Das Rechtsmittel ist unzulässig. Entgegen dem umfassenden Aufhebungsantrag ergibt sich aus der Revisionsbegründung, dass allein die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angefochten ist. Dementsprechend wird auch nur die Aufhebung des Urteils in diesem Punkt begehrt („kann das Urteil - in dieser Hinsicht - keinen Bestand haben“).
21
Eine allein auf die Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB gestützte Revision ist jedoch mangels Beschwer unzulässig (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 7; Beschluss vom 13. Juni 1991 - 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363; Beschluss vom 14. September 2000 - 4 StR 314/00, BGHR StPO § 349 Abs. 1 Unzulässigkeit 2; Beschluss vom 10. Januar 2008 - 4 StR 665/07 Rn. 2, NStZ-RR 2008, 142; Beschluss vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08 Rn. 6; Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09 Rn. 29; Beschluss vom 2. Dezember 2010 - 4 StR 459/10 mwN, NStZ-RR 2011, 255; Beschluss vom 5. April 2011 - 3 StR 102/11).
22
II. Die Revision des Angeklagten M. H.
23
Die Revision beanstandet ungeachtet des umfassenden Aufhebungsantrags allein die fehlerhafte Strafzumessung. Die Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB wird von ihm nicht gerügt. Da innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs nur der Strafausspruch angefochten wird, ist das Rechtsmittel wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Die Revision bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargestellten Gründen ohne Erfolg.
24
III. Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil betreffend die Angeklagte Ma. H.
25
Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung wendet, auf deren Grundlage das Landgericht zum Freispruch und im Übrigen zur Annahme nur untergeordneter Tatbeiträge zum Handeltreiben bzw. nur zur Besitzstrafbarkeit im Fall A. I. 8. gelangt ist, bleibt sie ohne Erfolg (1.). Sie führt jedoch zur Ergänzung des Schuldspruchs (2.).
26
1. Eingedenk des nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als nicht rechtsfehlerhaft. Insbesondere hat das Landgericht an seine Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt.
27
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind. Ein sachlich-rechtlicher Fehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar, lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN). In der Beweiswürdigung selbst muss sich der Tatrichter mit den festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11; vom 16. Januar 2013 - 2 StR 106/12). Dabei dürfen die Indizien nicht nur isoliert betrachtet werden, sie müssen vielmehr in eine umfassende Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände eingebracht werden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793; vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 33/12 mwN). Der Tatrichter darf insoweit keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f.; vom 18. Januar 2011 - 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303; vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 177/12).
28
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat in einer umfassenden Beweiswürdigung die wesentlichen für die Entscheidungsfindung bedeutsamen Gesichtspunkte erörtert und diese auch im Rahmen einer Gesamtschau abgewogen. Es hat ausgehend von den dargestellten Anklagevorwürfen des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in elf Fällen und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nachvollziehbar dargelegt, weshalb es sich von einer derartigen Einbindung der Angeklagten in die Drogengeschäfte des C. nicht überzeugen konnte.
29
Von ausschlaggebender Bedeutung war hierfür die Würdigung der umfassend dargelegten Angaben des gesondert verfolgten Zeugen C. , der die Angeklagten im Sinne der Anklage belastet hat. Das Landgericht hat Widersprüche in dessen Aussage selbst und zu Angaben von weiteren, vom Landgericht für glaubhaft erachteten Zeugen schlüssig dargelegt. Dabei hat es in seine Überlegungen miteinbezogen, dass die AngeklagteMa. H. anderweitige Drogengeschäfte abgewickelt hat. Dennoch begegnet es auf dieser Grundlage revisionsrechtlich keinen Bedenken, dass es sich von der Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben des C. nicht zu überzeugen vermochte und die Angeklagte Ma. H. auf der Grundlage ihrer Einlassung verurteilt hat.
30
Die Revision zeigt auch keine lückenhafte oder widersprüchliche Beweiswürdigung durch das Landgericht auf. Ein Wechsel des Einlassungsverhaltens der Angeklagten, mit dem sich das Landgericht hätte auseinander- setzen müssen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 4 StR 270/03, NStZ-RR 2004, 88), ist nach den Urteilsgründen nicht belegt. Soweit die Revision der Ansicht ist, das Landgericht hätte sich mit einer Geldübergabe von der Angeklagten Ma. H. an C. vor der Beschaffungsfahrt auseinandersetzen müssen, geht dies schon deswegen fehl, weil eine solche Übergabe gerade nicht festgestellt ist. Die Strafkammer stellt lediglich dar, dass der Zeuge Sc. bekundet habe, die Angeklagte habe vor der Fahrt Geld abgehoben - nach polizeilichen Ermittlungen habe es sich um 1.000 € gehandelt -, welches sie an C. habe übergeben wollen. Vor dem Hintergrund, dass nach den Feststellungen die Angeklagte nach der Fahrt für 600 € Methamphetamin von C. kaufte und C. angegeben hat, er habe von der Angeklagten 12.000 € erhalten, bedurfte dies keiner vertieften Auseinandersetzung. DieAn- nahme von vier weiteren Beschaffungsfahrten durch die Angeklagte Ma. H. , wegen derer sie allein durch C. belastet wurde, hat dasLandgericht mit nachvollziehbaren Erwägungen ausgeschlossen. Daher musste es sich mit der Frage, ob die Angeklagte durch den von ihr getragenen Gipsverband dazu überhaupt objektiv in der Lage war, nicht mehr auseinandersetzen.
31
Soweit die Revision sich gegen die Verurteilung nur wegen unerlaubten Besitzes der Drogenmenge und nicht wegen unerlaubten Handeltreibens mit derselben im Fall A. I. 8. wendet, zeigt sie ebenfalls keinen revisionsrechtlich beachtlichen Mangel der Beweiswürdigung auf. Insbesondere besorgt der Senat nicht, dass das Landgericht das dargestellte Telefonat betreffend ein Ha- schischgeschäft über 10 € aus dem Blick verloren haben könnte.
32
2. Jedoch war der Schuldspruch entsprechend der Urteilsformel abzuändern.
33
Dass die Angeklagte Ma. H. aus der eingeführtenund sodann an C. übergebenen Menge etwas zum Eigenkonsum erwarb, sei es als Auszahlung des Kurierlohns oder durch Ankauf, kommt im bisherigen Schuldspruch nicht zum Ausdruck. Dies ist aber erforderlich, da es nicht notwendig von der Einfuhrhandlung umfasst ist. Da diese Mengen in den Fällen A. I. 1. und A. I. 5. die nicht geringe Menge nicht überschritten, hat sich die Angeklagte Ma. H. tateinheitlich - da es sich um im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgende Teilakte handelte (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 1981 - 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28) - zu den bereits ausgeurteilten Delikten auch des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht. Bei geringen Mengen tritt der Besitz als Auffangtatbestand hinter dem Erwerb zurück (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1987 - 3 StR 115/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 2; vom 18. März 2004 - 3 StR 468/03, StraFo 2004, 252). In den Fällen A. I. 2. und A. I. 3. ist die nicht geringe Menge überschritten, so dass sich die Angeklagte Ma. H. insoweit ebenfalls tateinheitlich mit den bereits ausgeurteilten Delikten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat. Da die Einfuhr und der mit ihr notwendigerweise verbundene Besitz durch die Übergabe an C. bereits abgeschlossen war, bevor die Angeklagte Ma. H. die zum Eigenkonsum bestimmte Menge wieder in Besitz nahm, tritt der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausnahmsweise nicht gegenüber der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück. Jedoch tritt in diesen Fällen der unerlaubte Erwerb gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG hinter dem Verbrechenstatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zurück (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 60/08, NStZ 2008, 471; Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 280/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 10).
34
Zudem war der Schuldspruch im Fall A. I. 4. zu berichtigen, da die Beschaffung des vermeintlichen Methamphetamins durch den gesondert Verfolgten C. sich als eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252; vom 15. Februar 2011 - 3 StR 491/10, NJW 2011, 1461), mithin als vollendetes Handeltreiben darstellt. Für die Annahme vollendeten Handeltreibens reicht es schon aus, dass der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer eintritt (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252). Dass er dabei entgegen seiner Vorstellung kein Betäubungsmittel erhalten hat, ist unschädlich. Denn es kommt nicht darauf an, dass der Umsatz durch die Tathandlung tatsächlich gefördert wird oder dazu überhaupt geeignet war (BGH, Urteil vom 20. Januar 1982 - 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 361). Dementsprechend hat die Angeklagte Ma. H. Beihilfe zur Haupttat des vollendeten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet.
35
Der Senat kann den Schuldspruch umstellen, da auszuschließen ist, dass die Angeklagte Ma. H. sich anders - insbesondere erfolgreicher - als geschehen hätte verteidigen können. Angesichts des Umstands, dass das Landgericht die Erwerbsvorgänge der Angeklagten Ma. H. im Anschluss an die Übergabe der Betäubungsmittel an C. darstellt und erörtert, ist ebenfalls auszuschließen, dass es bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf eine andere (geringere oder höhere) Strafe erkannt hätte.
36
3. Die Verneinung der Voraussetzungen des § 64 StGB ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
37
IV. Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil betreffend den Angeklagten M. H.
38
Aus den oben unter III. 1. dargelegten Gründen erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerfrei. Dies gilt auch, soweit das Landgericht im Fall A. I. 3. keine Beteiligung des Angeklagten M. H. an dem Handeltreiben durch C. , sondern nur an dem Besitz der Angeklagten Ma. H. angenommen hat.
39
Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere ist nicht zu besorgen, dass das Landgericht das behauptete Nichtwissen dieses Angeklagten um die Größenordnung der einzuführenden Menge im Fall A. I. 7. aus dem Blick verloren haben könnte. Dies kann auch aus der Formulierung , „sein Geständnis“ sei zu seinen Gunsten zu werten, nicht entnommen werden.
40
Auch bezüglich dieses Angeklagten ist die Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB rechtsfehlerfrei. Raum Rothfuß Graf Cirener Radtke