Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2017 - 1 StR 226/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:241017U1STR226.17.0
bei uns veröffentlicht am24.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 226/17
vom
24. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
Alias:
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:241017U1STR226.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20. Februar 2017 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt.
2
Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.
3
Sein Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

4
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der seit dem Jahr 1983 als Berufskraftfahrer für eine albanische Firma im internationalen Fernverkehr tätig war, in Brüssel zwei Pkws und ein Quad auf den Sattelschlepper zum Transport nach Albanien verladen. Anschließend fuhr er mit diesem Lkw nach Amsterdam und übernahm dort 9.114,93 g Kokain (Wirkstoffgehalt zwischen 79 % und 89 %). Das Kokain sollte er gegen ein Entgelt von 400 Euro und Vergütung der Tankkosten nach Albanien zum Gewinn bringenden Weiterverkauf transportieren und dort als weitere Entlohnung die zum Erwerb des Sattelschleppers benötigten 35.000 Euro erhalten. Als er in Bad Feilnbach einer Kontrolle unterzogen wurde, wurde das Kokain aufgefunden.
5
Der Angeklagte war am 1. Juni 2005 vom Amtsgericht Struga (Republik Mazedonien) unter Aliaspersonalien in Abwesenheit wegen eines Betäubungsmitteldelikts zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Auf seinen am 19. Oktober 2012 gestellten Antrag wurde erneut, diesmal in seiner Anwesenheit, vor dem Amtsgericht Struga verhandelt. Mit Urteil vom 26. Juni 2013, rechtskräftig seit 18. Oktober 2013, wurde die erste Verurteilung bestätigt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 6. Dezember 2004 mit einem Mittäter in dem Anhänger eines Lkw-Gespanns 495,948 kg Haschisch von Albanien über die Grenze nach Mazedonien verbracht hatte. Bei der Vollstreckung der vom Amtsgericht Struga verhängten Freiheitsstrafe wurden die bezüglich dieser Straftat bereits im Ausland verbüßten Haftzeiten (vom 1. November 2005 bis zum 24. April 2009 in Albanien; Auslieferungshaft vom 15. April 2012 bis zum 10. Oktober 2012) angerechnet.

II.


6
Die Nachprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
7
1. Der Schuldspruch wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen getragen. Die Fest- stellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Dieser liegen die Aussagen der die Kontrolle durchführenden Beamten, die Auswertung der beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone, die Begutachtung der aufgefundenen Betäubungsmittel und das nach Vernehmung sämtlicher Zeugen im Rahmen einer Verteidigererklärung abgegebene Geständnis des Angeklagten zugrunde. Die Feststellungen zur Vorahndung stützen sich auf das verlesene Urteil des Amtsgerichts Struga vom 26. Juni 2013 sowie die Angaben des Angeklagten , der die Verurteilung unter der Aliaspersonalie „ D. “ bestä- tigt hatte.
8
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
9
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, BFH/NV 2016, 719; jeweils mwN). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, wistra 2017, 242 mwN). Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106).
10
b) Rechtsfehler in dem vorgenannten Sinn liegen nicht vor.
11
aa) Das Landgericht hat bei der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens das Vorliegen eines minder schweren Falls der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 2 BtMG) mit tragfähigen Erwägungen verneint und hierbei den Umstand, dass die in den 9.114,93 g Kokain enthaltene Wirkstoffmenge an Kokainhydrochlorid den Grenzwert zur nicht geringen Menge um das 1570-fache überschritt, als wesentlichen Gesichtspunkt in die Gesamtbetrachtung eingestellt.
12
bb) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht strafschärfend herangezogen, dass der Angeklagte durch die Verurteilung eines ausländischen Gerichts, die die Einfuhr einer großen Menge an Betäubungsmitteln in einem Lkw in die Republik Mazedonien zum Gegenstand hatte, einschlägig vorgeahndet war. Das Landgericht hat insoweit berücksichtigt, dass diese Tat zwar über elf Jahre zurücklag , aber erst drei Jahre vor der nun gegenständlichen Tat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, und weder diese Verurteilung noch die in dieser Sache in Albanien und Mazedonien verbüßte Haftzeit (UA S. 4, 12) den Angeklagten davon abhalten konnten, erneut mit seinem Lkw als Drogenkurier tätig zu werden und wieder eine ganz erhebliche Betäubungsmittelmenge – diesmal sogar eine „harte Droge“ – zu transportieren.
13
cc) Keinen Rechtsfehler stellt es dar, dass das Landgericht den Umstand , dass der Angeklagte bereits zuvor in der Republik Mazedonien zu einer langen und vom zeitlichen Ablauf nicht gesamtstrafenfähigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war und nun wieder zu einer langen Freiheitsstrafe, einer sol- chen von 12 Jahren, verurteilt wurde, nicht als strafmildernden Zumessungsgesichtspunkt berücksichtigt hat.
14
Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15, NStZ 2016, 605, 606 f. und vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 mwN; Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 414/16, StraFo 2017,

196).

15
Die Strafkammer hat festgestellt, dass bei der Vollstreckung der vom Amtsgericht Struga verhängten Freiheitsstrafe die in dieser Sache in Albanien verbüßten Haftzeiten (einschließlich Auslieferungshaft) vom 1. November 2005 bis zum 24. April 2009 und vom 15. April 2012 bis zum 10. Oktober 2012 angerechnet worden sind (UA S. 4). Nach den Urteilsgründen (UA S. 12: „… noch die in dieser Sache in Albanien und Mazedonien verbüßte Haftzeit …“) und den mitgeteilten Daten der Verurteilungen in Mazedonien hat der Angeklagte nach seiner Auslieferung an die Republik Mazedonien mindestens bis zum Erlass der in seiner Anwesenheit ergangenen Verurteilung vom 26. Juni 2013 (UA S. 3) weitere knapp neun Monate Haft verbüßt, so dass er bereits mehr als vier Jahre und sieben Monate der in Mazedonien verhängten Freiheitsstrafe von sieben Jahren verbüßt hatte. Angesichts dessen war eine ausdrückliche Erörterung des (möglicherweise) in der Republik Mazedonien noch zu verbüßenden Strafrests entbehrlich. Raum Bellay Fischer Bär Hohoff

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Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 525/11
vom
7. Februar 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung „in Millionenhöhe“
(Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR
416/08, BGHSt 53, 71).
BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11 - LG Augsburg
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. April 2011 im gesamten Strafausspruch aufgehoben, soweit es den Angeklagten G. betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft sachlich-rechtliche Fehler bei der Strafzumessung zum Vorteil des Angeklagten. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Den Urteilsfeststellungen liegen zwei Taten zugrunde: Die Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002 und von Lohnsteuer für den Mo- nat Oktober 2006. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002
4
Der Angeklagte war im Jahr 2001 Gesellschafter und Geschäftsführer der von ihm mitgegründeten P. (im Folgenden: P. GmbH). Am Stammkapital der Gesellschaft war der Angeklagte mit 25% beteiligt. DieP. GmbH hielt wiederum 49% der Anteile der P B. GmbH.
5
Die Geschäftsanteile an beiden Gesellschaften veräußerte der Angeklagte in den Jahren 2001 und 2002 für einen Kaufpreis von 80 Mio. DM an die in Luxemburg ansässige T. AG, wobei die Anteile auf deren Veranlassung auf zwei andere in Luxemburg und in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaften übertragen wurden. Aus diesem Veräußerungsgeschäft erhielt der Angeklagte von der T. AG und von Mitgesellschaftern der P. GmbH im Jahr 2002 folgende Zuwendungen: Für seine eigenen Gesellschaftsanteile erhielt er von der T. AG einen Kaufpreis von 28,8 Mio. DM. Daneben zahlten ihm zwei Mitgesellschafter der P. GmbH je 300.000 DM als „Auskehrung Kaufpreis“. Zusätzlich zum Kaufpreis wurden ihm vom „verantwortlichen“ Gesellschafter der T. AG Aktien dieser Ge- sellschaft im Wert von 7,2 Mio. DM als Gegenleistung dafür zugewendet, dass er der T. AG den Kauf auch der übrigen Gesellschaftsanteile der P. GmbH sowie der P. B. GmbH ermöglicht hatte; diese Gegenleistung liegt der ersten Tat zugrunde.
6
Um „in den Vorzugder Versteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren zu gelangen“, bezeichneteder Angeklagte im Februar 2004 in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 das ihm zugewendete Aktienpaket der T. AG als weiteres Kaufpreiselement für die Veräußerung der Geschäftsanteile neben dem „eigentlichen“ Veräußerungserlös und den Zuwendungen der Mitgesellschafter. Dabei unterließ er es bewusst, dem Finanzamt die der Übertragung des Aktienpakets zugrunde liegende Vereinbarung vom 24. Januar 2001 über die „Zahlung“ von 7,2 Mio. DM vorzulegen, um die Fi- nanzbehörden hierüber in Unkenntnis zu lassen. Die unrichtige Bezeichnung der Einkünfte als Teil des Veräußerungserlöses hatte zur Folge, dass auch diese Einkünfte (gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG aF i.V.m. § 17 Abs. 2 EStG) dem damals geltenden Halbeinkünfteverfahren unterworfen wurden. Tatsächlich handelte es sich bei der Übertragung der Aktien aber nicht um einen Veräußerungserlös gemäß § 17 EStG, sondern um Provisionszahlungen, die als Einkünfte aus sonstigen Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG in vollem Umfang zu versteuern gewesen wären. Aufgrund der unrichtigen Qualifizierung der Einkünfte als Veräußerungserlöse wurde die Einkommensteuer in dem im April 2004 erlassenen Einkommensteuerbescheid 2002 um einen Betrag von 892.715 € zu niedrig festgesetzt, der hierdurch verkürzt wurde.
7
b) Hinterziehung von Lohnsteuer für den Monat Oktober 2006
8
Auch nach der Veräußerung seiner Geschäftsanteile war der Angeklagte noch im Jahr 2006 Geschäftsführer der P. GmbH. Ihm standen aus seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag Tantiemenzahlungen zu. Diese Zahlungen hatte er in die Lohnsteueranmeldungen gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 1 EStG aufzunehmen, für deren Richtigkeit er als Geschäftsführer verantwortlich war.
9
Um der P. GmbH Lohnsteuer und sich selbst später Einkom- mensteuer „zu ersparen“, kam der Angeklagte auf die Idee, die Auszahlung dieser Tantiemen nicht direkt an sich vorzunehmen, sondern als angebliche Schenkungen der Gesellschaft an seine Söhne bzw. seine Ehefrau „zu kaschie- ren“. Hierzu ließ er sich von seinem- hierfür mittlerweile wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilten - Steuerberater beraten. Dieser stellte dem Angeklagten eine Übersicht über Freibeträge und Steuersätze bei der Schenkungsteuer zur Verfügung, woraus sich der Angeklagte eine Steuerbelastung von nur etwa 21,9% errechnete.
10
In der Folgezeit verhandelte der Angeklagte mit Vertretern der neuen Gesellschafterin der P. GmbH, der R. AG mit Sitz in Luxemburg, über „gesplittete Zahlungen“ an seine Ehefrau und seine beiden Söhne im Gegenzug zur Abgabe einer formalen Verzichtserklärung im Hinblick auf die Tantiemenansprüche. Nach einem Hinweis, dass die Verzichtserklärung „auf Januar 2005 zurückdatiert werden müsse“, legte der Steuerberater eine unzutreffend auf Januar 2005 datierte Verzichtserklärung vor. Gleichzeitig machte er in Absprache mit dem Angeklagten die Gegenzeichnung der Verzichtserklärung davon abhängig, dass der Geldeingang an die Söhne bzw. die Ehefrau erfolgte. Tatsächlich wurde die Verzichtserklärung erst im November 2006 unterzeichnet. Bereits im Oktober 2006 erhielten die Söhne des Angeklagten von der R. AG vereinbarungsgemäß Überweisungen von jeweils 260.000 € und die Ehefrau des Angeklagten eine solche in Höhe von 53.500 €. Sowohl die Söhne als auch die Ehefrau erklärten die ihnen zu- gewendeten Beträge als Schenkungen der R. AG, für die - später berichtigte - Schenkungsteuer von insgesamt 125.356 € entrichtet wurde.
11
Demgegenüber unterließ der Angeklagte in der Lohnsteueranmeldung für den Monat Oktober 2006, die ihm zugewendeten Tantiemenzahlungen in Höhe von 573.500 € zu erklären. Hierdurch wurde – mit der Absicht einer Hinterziehung auf Dauer – Lohnsteuer in Höhe von 240.870 € verkürzt. Der steuerlich beratene Angeklagte wusste hierbei, dass die Verzichtserklärung und die Gestaltung der Tantiemenzahlungen über das Konstrukt von Schenkungen lediglich dazu dienten, die mit der Tantiemenzahlung verbundene Steuerbelastung zu verringern und Steuern in entsprechender Höhe zu hinterziehen.
12
2. Das Landgericht hat gegen den geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten (Einkommensteuerhinterziehung 2002) sowie von zehn Monaten (Lohnsteuerhinterziehung Oktober 2006) verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren festgesetzt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil der Anspruch des Angeklagten auf Behandlung der Strafsache binnen angemessener Frist aus Art. 6 Abs.1 MRK dadurch verletzt worden sei, dass das Verfahren nach Eingang der Anklage und schriftlicher Stellungnahme des Angeklagten im Zeitraum zwischen November 2009 und Anfang Januar 2011 nicht gefördert worden sei.
13
Das Landgericht hat in beiden Fällen einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung angenommen, weil mit Verkürzungsbeträgen von 892.715 € und 240.870 € jeweils im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO Steuern in großem Ausmaß verkürzt worden seien, und hat deshalb die Einzelstrafen jeweils dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe entnommen.
14
Im Rahmen der Zumessung der Einzelstrafen hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten die hohen Steuerschäden und im Fall der Lohnsteuerhinterziehung die Vertuschung durch eine falsch datierte Verzichtserklärung gewertet. Zu seinen Gunsten hat es sein Geständnis, die von ihm ausgesprochene Entschuldigung, die vollständige Schadenswiedergutmachung, vorhandene psychische Belastungen des Angeklagten einschließlich der ihn belasten- den Verfahrensdauer von dreieinhalb Jahren und den Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Bei der Einkommensteuerhinterziehung hat das Landgericht darüber hinaus strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte „durch einen Steuerberater begleitet wurde und insofern nur von bedingtem Vorsatz auszugehen“ sei. Zu Gunsten des Angeklagten hat die Strafkammer auch gewertet, dass er die erhaltene Provision der steuerlichen Veranlagung nicht gänzlich entzogen hat und sie sich nicht geheim (z.B. im Ausland) hat auszahlen lassen. Bei der Lohnsteuerhinterziehung hat sie zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die geleisteten Zahlungen bei seinen Angehörigen der Schenkungsteuer unterworfen wurden.
15
Bei der Gesamtstrafenbildung hat das Landgericht insbesondere die „deutlich erkennbare Reue“ des Angeklagtenund den Umstand berücksichtigt, dass er durch das Verfahren „weit überdurchschnittlich beeindruckt und beeinflusst“ gewesen sei. Die „trotz des fehlenden zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs“ noch verhängte Bewährungsstrafe begründet das Landgerichtdamit , „dass eine höhere als die erkannte Gesamtfreiheitstrafe bei positiver Aus- setzungsprognose nicht mehr hätte ausgesetzt werden können“.

II.

16
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
17
Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verlet- zung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04).
18
Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor; sowohl die Einzelfreiheitsstrafen als auch die Gesamtfreiheitsstrafe können keinen Bestand haben. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen können demgegenüber bestehen bleiben , da hier lediglich Wertungsfehler vorliegen.
19
1. Das Landgericht hat bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen unzutreffende Maßstäbe angelegt; auch unter Zugrundelegung des dargelegten eingeschränkten Prüfungsmaßstabes halten die Einzelstrafaussprüche daher rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
20
a) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 2002 (der ersten Tat) zugunsten des Angeklagten gewertet hat, dass er seine Vermittlungsprovision der steuerlichen Veranlagung nicht gänzlich entzogen und sie sich nicht geheim (z.B. im Ausland) hat auszahlen lassen, zeigt es keinen Strafmilderungsgrund auf. Wäre der Angeklagte so wie vom Landgericht beschrieben vorgegangen, wäre der Steuerschaden deutlich höher gewesen. Bei der Bemessung der Strafe, der das Landgericht zutref- fend nur den tatsächlich angerichteten Steuerschaden zugrunde gelegt hat, kann nicht strafmildernd berücksichtigt werden, dass nicht mit noch höherer krimineller Energie ein noch höherer Schaden angerichtet wurde.
21
Die strafmildernde Wertung, der Angeklagte habe lediglich mit bedingtem Tatvorsatz gehandelt, steht - unbeschadet der Frage der generellen Eignung der Vorsatzform für die Strafzumessung (vgl. hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, 4. Aufl. Rn. 338) - im Widerspruch mit den Urteilsfeststellungen. Aus diesen ergibt sich, dass der Angeklagte mit der Angabe, es handele sich bei den Zahlungen um einen Teil des Veräußerungserlöses, dem Finanzamt bewusst einen unrichtigen Grund für die Übertragung des Aktienpaketes an ihn genannt hat, um in den Genuss des Halbeinkünfteverfahrens als für ihn steuerlich vorteilhafte Regelung zu gelangen, die auf Provisionen nicht anwendbar war. Sein Handeln zielte also darauf ab, die Provision in Höhe von 7,2 Mio. DM nur zur Hälfte der Besteuerung zu unterwerfen. Damit belegen die Urteilsgründe , dass der Angeklagte mit Hinterziehungsabsicht (dolus directus 1. Grades) handelte.
22
b) Es liegt nahe, dass bereits die aufgezeigten Mängel bei der Zumessung der Einzelstrafe für die Einkommensteuerhinterziehung auch die Aufhebung der weiteren Einzelstrafe für die Tat der Lohnsteuerhinterziehung bedingen.
23
Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs dann zur Aufhebung weiterer, für sich genommen sogar rechtsfehlerfreier Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1995 – 1 StR 117/95 mwN). Dies kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) handelt oder wenn die abgeurteilten Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Die rechtsfehlerhaft festgesetzte Strafe für die Einkommensteuerhinterziehung ist wesentlich höher als diejenige für die Lohnsteuerhinterziehung. Für einen inneren Zusammenhang der Taten spricht, dass sie demselben Motiv entsprangen und jeweils Einkünfte betrafen, die der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit bei der P. GmbH erzielt hatte.
24
c) Unabhängig davon ist die Strafe für die (zweite) Tat der Lohnsteuerhinterziehung aber auch für sich genommen nicht rechtsfehlerfrei zugemessen. Der Angeklagte hat nicht nur seinen Steuerberater zur „Steuerhinterziehungsberatung“ veranlasst, sondern auchseine Angehörigen als Empfänger von Zu- wendungen der P. GmbH vorgeschoben. Dies deutet darauf hin, dass der Angeklagte andere - sei es auch in unterschiedlicher Form - in seine Straftat hineingezogen hat; seinen Steuerberater hat er sogar in die Tatbegehung verstrickt. Diesen gewichtigen Gesichtspunkt hat das Landgericht nicht erkennbar erwogen; insbesondere ist er in der im Zusammenhang mit den Angehörigen allein angestellten Erwägung, dass bei diesen die „kaschierten“ Tantiemenzahlungen der Schenkungsteuer unterworfen wurden, nicht enthalten.
25
2. Mit der Aufhebung der Einzelstrafen entfällt auch die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Diese hält zudem schon deswegen revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie sich angesichts der vom Landgericht festgestellten Umstände nach unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Das Landgericht hat die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Hinterziehung in Millionenhöhe geltenden Maßstäbe für die Strafzumessung nicht zutreffend angewandt.
26
a) Für die Strafzumessung in Fällen der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Folgendes:
27
Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. In Fällen, in denen – wie hier – noch die vorherige Gesetzesfassung dieser Vorschrift Anwendung findet, weil die Tat vor dem 1. Januar 2008 begangen wurde , ist das Regelbeispiel nur dann erfüllt, wenn der Täter zudem aus grobem Eigennutz gehandelt hat.
28
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 (im Verfahren 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. zusammenfassend BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbei- spiels „in großem Ausmaß“ dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ bei 100.000 € (BGHSt 53, 71, 85).
29
Der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist bei besonders hohen Hinterziehungsbeträgen dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein kann. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (BGHSt 53, 71, 86 mwN).
30
b) Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem am 3. Mai 2011 (BGBl. I, 676) in Kraft getretenen Schwarzgeldbekämpfungsgesetz aufgegriffen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages heißt es dazu unter Bezugnahme auf das in BGHSt 53, 71 abgedruckte Senatsurteil (BT-Drucks. 17/5067 neu, S. 18): „Bei den Beratungen der geplanten Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerhinterziehung waren sich alle Fraktionen in der Bewertung einig, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei und entsprechend bekämpft werden müsse. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP haben dabei betont, … Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung bei Hinterzie- hung in Millionenhöhe sei nach einer Entscheidung des BGH nicht mehr mög- lich.“ Damit hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung gebilligt (vgl. dazube- reits BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 – 1 StR 116/11 Rn. 14, wistra 2011,

347).

31
c) Nach diesen Maßstäben stellt die vom Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren keinen gerechten Schuldausgleich mehr dar. Sie kann daher keinen Bestand haben.
32
aa) Zwar trifft die Feststellung des Landgerichts zu, dass sich im Rah- men der Gesamtstrafenbildung eine „schematische Betrachtung“ verbietet. Dies bedeutet aber nicht, dass das Tatgericht die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Strafzumessungsmaßstäben zusammengefassten Wertungen des Gesetzgebers übergehen dürfte, wenn sich damit nicht die vom Tatgericht für angemessen erachtete Strafe begründen lässt.
33
Das Tatgericht hat zwar bei der Strafzumessung einen Spielraum für die Festsetzung der schuldangemessenen Strafe. Ob es dabei von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist, obliegt aber der uneingeschränkten Rechtsüberprüfung durch das Revisionsgericht. In Fällen der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe , bei denen das Tatgericht – wie hier – gleichwohl keine höhere Freiheitsstrafe als zwei Jahre verhängt hat, prüft das Revisionsgericht daher auch, ob die hierfür vom Tatgericht angeführten schuldmindernden Umstände solche von besonderem Gewicht sind.
34
bb) Milderungsgründe von besonderem Gewicht hat das Landgericht nicht genannt; ihr Vorliegen ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
35
(1) Zwar durfte das Landgericht der Unbestraftheit des Angeklagten, seiner Entschuldigung, der Verfahrensdauer und den psychischen Belastungen , denen der Angeklagte angesichts einer drohenden Haftstrafe ausgesetzt war, strafmildernde Bedeutung beimessen. Auch stellen – ungeachtet der hier bestehenden Beweislage – das in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis sowie die vollständige Nachzahlung der von dem Angeklagten hinterzogenen Steuern bestimmende Strafmilderungsgründe dar.
36
(2) Allerdings sind diese Umstände hier keine besonders gewichtigen Milderungsgründe. Dies gilt auch für die Nachzahlung der geschuldeten und hinterzogenen Steuern. Durch die Nachentrichtung hat der Angeklagte diejenigen Steuern abgeführt, die von ihm nach dem Gesetz geschuldet waren und zu deren Zahlung er auch als ehrlicher Steuerpflichtiger ohnehin verpflichtet gewesen wäre. Das Gewicht dieser Schadenswiedergutmachung verliert hier dadurch an Gewicht, dass der Angeklagte diese angesichts seiner komfortablen Vermögensverhältnisse ohne erkennbare Einbuße seiner Lebensführung erbringen konnte. Hinzu kommt, dass sie – unbeschadet der naheliegenden Vollstreckungsmöglichkeiten der Finanzbehörden – offensichtlich keinen besonderen persönlichen Verzicht darstellte.
37
Die Gesamtverfahrensdauer von dreieinhalb Jahren bis zum erstinstanzlichen Urteil ist in einer Wirtschaftsstrafsache wie der hier vorliegenden ebenfalls regelmäßig kein besonders gewichtiger Milderungsgrund. Soweit das Landgericht auf die „erheblichen psychischen Belastungen“ angesichts einer drohenden Haftstrafe abstellt, die sich in einer „sehr angespannten emotionalen Verfassung des Angeklagten“ ausgedrückt habe, kommen darin keine beson- deren Umstände zum Ausdruck, die sich wesentlich von der Situation unterscheiden , in der sich jeder Beschuldigte befindet, dem eine nicht mehr zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe droht.
38
cc) Den festgestellten Milderungsgründen stehen zudem gewichtige Strafschärfungsgründe gegenüber.
39
Der Angeklagte täuschte die Finanzverwaltung in zwei Fällen durch falschen Tatsachenvortrag bewusst, ohne dass die eine Tat auf der anderen aufgebaut hätte oder deren Folge gewesen wäre. Bei der zweiten Tat verwendete er dabei ein nicht nur - worauf die Strafkammer abstellt - rückdatiertes, sondern insbesondere auch inhaltlich unrichtiges Schriftstück, das der Steuerberater eigens für die Verschleierungszwecke des Angeklagten erstellt hatte.
40
3. Das Landgericht hat darüber hinaus die Zumessung der Strafhöhe unzulässig mit Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermengt. Dies verstößt gegen die Grundsätze der Strafzumessung.
41
a) Der Tatrichter hat zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden; erst wenn sich ergibt, dass die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gegeben sind (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321; BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 65).
42
Zwar begründet der Umstand, dass die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen mitberücksichtigt worden ist, für sich allein noch keinen durchgreifenden Rechtsfehler (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 – 4 StR 363/01, wistra 2002, 137). Denn das Gericht hat auch die Wirkungen, die von einer Strafe ausgehen, in den Blick zu nehmen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Liegt daher die - schuldangemessene - Strafe in einem Spielraum, in dem grundsätzlich noch eine aussetzungsfähige Strafe in Betracht kommt, dürfen bereits bei der Strafzumessung die Wirkungen einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe berücksichtigt werden (sog. Spielraumtheorie; vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 32 sowie Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 461 ff. mwN).
43
Rechtsfehlerhaft sind solche Erwägungen bei der Strafzumessung aber dann, wenn - wie hier - eine zur Bewährung aussetzungsfähige Strafe nicht mehr innerhalb des Spielraums für eine schuldangemessene Strafe liegt. Denn die Grenzen dieses Spielraums dürfen nicht überschritten werden. Von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich darf sich die Strafe weder nach oben noch nach unten lösen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 32; BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Das Gericht darf auch nicht deshalb eine nicht mehr schuldangemessene Strafe festsetzen, um den Täter noch eine Strafaussetzung zu ermöglichen. Ebenso wenig wie die Anordnung einer Maßregel zur Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe führen darf, darf das Bestreben, dem Täter die Rechtswohltat der Strafaussetzung zur Bewährung zu verschaffen , dazu führen, dass die Strafe das Schuldmaß unterschreitet (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321 f.).
44
b) So verhält es sich aber hier. Das Landgericht hat eine zur Bewährung aussetzungsfähige Gesamtstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe gerade des- halb verhängt, weil „eine höhereals die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe bei po- sitiver Aussetzungsprognose nicht mehr zur Bewährung hätte ausgesetzt wer- den können“.
45
Das Landgericht hat damit Gesichtspunkte im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit solchen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) unzulässig vermengt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 – 4 StR 154/92, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; Urteil vom 14. Juli 1993 – 3 StR 251/93, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 19; Urteil vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, NStZ 2001, 311; Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248, 2254 f.; Urteil vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341; Beschluss vom 19. August 2008 – 5 StR 244/08, NStZ-RR 2008, 369). Es ist dabei auch zu besorgen, dass das Landgericht nicht nur die Bemessung der Gesamtstrafe, sondern auch bereits der Einzelstrafen so vorgenommen hat, dass die Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Bei der für die zweite Tat verhängten Einzelstrafe wird dies schon daraus deutlich, dass das Landgericht für diese Wiederholungstat , eine Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall, für die ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet war (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO), lediglich eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt hat, obwohl es selbst die bei dieser Tat mittels der Verzichtserklärung begangene Vertuschung strafschärfend berücksichtigt hat.
46
4. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall die Aussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung schon deshalb nicht mehr in Betracht gekommen wäre, weil die Verteidigung der Rechtsordnung deren Vollstreckung geboten hätte (vgl. § 56 Abs. 3 StGB). Der Senat sieht jedoch Anlass, nochmals darauf hinzuweisen, dass es bei Steuerhinterziehungen beträchtlichen Umfangs von Gewicht ist, die Rechtstreue der Bevölkerung auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu erhalten. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe kann sich daher zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen, wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Strafaussetzung vertraut (BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311, 320 mwN).
47
5. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass das Recht des Angeklag- ten „auf Behandlung der Strafsache binnen angemessener Frist aus Art. 6 Abs. 1 MRK verletzt“ worden sei, ist dem Senat mangels erhobener Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 19, und BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 2 StR 356/07, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 36) eine Überprüfung verwehrt. Die Ausführungen des Landgerichts zum Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung geben dem Senat jedoch Anlass, erneut (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1) auf die Besonderhei- ten beim Ablauf des gerichtlichen Verfahrens in Wirtschaftsstrafsachen hinzuweisen :
48
a) Die Annahme des Landgerichts, das Verfahren sei von November 2009 bis Anfang Januar 2011, also während des gesamten Zeitraums zwischen dem Eingang der Stellungnahme des Angeklagten nach Anklageerhebung und der Eröffnung des Hauptverfahrens und Terminierung der Hauptverhandlung rechtsstaatswidrig verzögert worden, ist nicht tragfähig.
49
Solches wäre allenfalls dann der Fall, wenn das Landgericht, wovon der Senat nicht ausgeht, die Eröffnung des Hauptverfahrens nur unzureichend vorbereitet hätte. Die zur sorgfältigen Vorbereitung und Terminierung – zumal einer Wirtschaftsstrafsache – erforderliche Zeit ist selbst dann nicht als Zeitraum einer (rechtsstaatswidrigen) Verfahrensverzögerung anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 1 StR 238/08, wistra 2009, 147), wenn nicht näher belegt ist, wie dieser Zeitraum vom Gericht genutzt wurde. Denn das gebotene gründliche Aktenstudium der Berufsrichter vor Eröffnung des Hauptverfahrens und Terminierung der Hauptverhandlung schlägt sich regelmäßig nicht in den Akten nieder (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn – wie hier – dem Angeklagten vom Gericht eine Verständigung gemäß § 257c StPO über eine Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung und die Zahlung von einer Mio. € als Bewährungsauflage vorgeschlagen wird. Die – auch hier zutreffende – Erwartung, der Angeklagte werde einer solchen Verständigung zustimmen, kann die hinreichende Befassung mit dem Verfahrensstoff nicht ersetzen, selbst wenn – anders als hier – auch mit der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu rechnen ist.
50
b) Beim gerichtlichen Verfahren in Wirtschaftsstrafsachen bestehen Besonderheiten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung 1), die regelmäßig einen Vorrang der Gründlichkeit vor der Schnelligkeit gebieten:
51
Der Eingang einer Anklageschrift ist auch bei Wirtschaftsstrafkammern nicht vorhersehbar. Denn die Zuteilung an die einzelnen Strafkammern muss so erfolgen, dass auch nur der Eindruck der Möglichkeit einer Manipulation des gesetzlichen Richters ausgeschlossen ist. Jede Strafkammer ist dann – und sollte dies auch sein – zunächst mit anderen Sachen ausgelastet. Bei komplexen und umfangreichen Strafsachen ist es unter diesen Umständen nicht möglich , dass sich der Vorsitzende und der Berichterstatter sofort mit der neu eingegangenen Anklageschrift intensiv befassen. In aller Regel ist das dann nur parallel zu bereits laufenden – oder anstehenden – Verhandlungen möglich, die im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot bei vorausschauender, auch größere Zeiträume umfassender Hauptverhandlungsplanung (vgl. BVerfG - KammerBeschlüsse vom 19. September 2007 – 2 BvR 1847/07 – und vom 23. Januar 2008 – 2 BvR 2652/07) langfristig im Voraus zu terminieren waren. In diesem frühen Stadium des gerichtlichen Verfahrens ist ein Ausblenden anderweitiger Belastungen der Strafkammer bei der Prüfung, ob der Pflicht zur Erledigung des Verfahrens in angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) genügt wurde , nicht möglich und deshalb auch nicht geboten.
52
Dem Zwischenverfahren kommt im Hinblick auf den Schutz des Angeklagten große Bedeutung zu. Zur Vorbereitung der Eröffnungsberatung bedarf es schon deshalb einer intensiven Einarbeitung des Vorsitzenden und des Berichterstatters in die Sache - parallel zur Förderung und Verhandlung anderer Verfahren. Diese Vorarbeit schlägt sich hinsichtlich des Umfangs naturgemäß nicht als verfahrensfördernd in den Akten nieder, wie auch andere Vorgänge der meist gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Verfahrensstoff in der Regel nicht. Am Ende einer intensiven Vorbereitung und der Eröffnungsberatung steht häufig nur ein Eröffnungsbeschluss, der aus einem Satz besteht (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07, BGHR StPO § 213 Terminierung

1).


III.

53
Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, die gemäß § 301 StPO eine Urteilsaufhebung auch zugunsten des Angeklagten nach sich ziehen würden, sind nicht vorhanden. Zwar erwähnt das Landgericht bei der Strafzumessung das zu den Tatzeitpunkten für die Annahme des Regelbeispiels gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF jeweils noch erforderliche Handeln aus grobem Eigennutz nicht ausdrücklich. Bei dem vorliegenden Tatbild war dieses Merkmal aber erkennbar erfüllt. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 414/15
vom
12. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:120116U1STR414.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 28. April 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 7. Mai 2014 verhängten Einzelstrafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen Steuerhinterziehung in sieben weiteren Fällen zu einer weiteren Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.

I.


2
Sämtliche Steuerhinterziehungen stehen im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit des Angeklagten, dem Handel mit Navigationsgeräten für PKWs. Für die - nun einbezogenen - sieben Steuerhinterziehungen hatte das Amtsgericht Braunschweig Einzelstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr verhängt, eine Gesamtstrafe von zwei Jahren gebildet und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafkammer hat für die ersten vier Steuerhinterziehungen Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr verhängt und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der Verurteilung des Amtsgerichts Braunschweig und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe auf eine solche von zwei Jahren erkannt. Aus den weiteren sieben Taten, für die sie Freiheitsstrafen zwischen zwei Monaten und einem Jahr und zwei Monaten verhängt hat, wurde eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gebildet. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet die Strafzumessung der Einzelstrafen, der Gesamtfreiheitsstrafen sowie deren Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung.

II.


3
Die Revision ist unbegründet. Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Überprüfung stand. Die Strafrahmenwahl ist fehlerfrei. Das Landgericht hat mit seiner Einzel- und Gesamtstrafbemessung sowie der Strafaussetzung zur Bewährung den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen des Vertretbaren nicht unterschritten.
4
1. Die Strafzumessung der angegriffenen Einzelstrafaussprüche ist ohne Rechtsfehler. Die Strafzumessungserwägungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
5
a) Die zu Gunsten des Angeklagten getroffene Strafzumessungserwä- gung der Strafkammer, der Angeklagte sei „aufgrund des im Falle einer zu voll- streckenden Freiheitsstrafe zu erwartenden Verlusts seines Arbeitsplatzes be- sonders strafempfindlich“ (UA S. 52), ist nicht rechtsfehlerhaft.
6
Zwar trifft es zu, dass nachteilige Folgen für den Täter in der Regel nicht strafmildernd berücksichtigt werden dürfen, wenn er bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst - zwar nicht gewollt, aber bewusst - auf sich genommen hat (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - 2 StR 168/05, wistra 2005, 458). Der Verlust seiner selbstständigen Tätigkeit, während deren Ausübung sich der Angeklagte der Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat, durfte daher nicht als Strafmilderungsgrund herangezogen werden. Die Aufgabe des Gewerbebetriebs aber hat die Strafkammer auch nicht herangezogen. Vielmehr hat sie den zu erwartenden Verlust seiner abhängigen Beschäftigung berücksichtigt, die er am 28. März 2015 und damit erst nach der Verhaftung im vorliegenden Verfahren bei einem Zulieferer der Automobilindustrie begonnen hat (UA S. 8, 57). Diese berufliche Folge durfte die Strafkammer strafmildernd berücksichtigen; denn dieser Nachteil war bei Begehung der Steuerstraftaten nicht absehbar.
7
b) Die von der Strafkammer als strafmildernd gewertete Erwägung, bei der Art und Weise der Begehung der Taten sei eine besonders geringe kriminelle Energie zum Ausdruck gekommen, weil der Angeklagte „in dem Wissen, dass Ermittlungen gegen ihn geführt wurden (Taten 1 - 4) bzw. er unmittelbar zuvor wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war und er im Falle der Nichtabgabe von Steuererklärungen mit einem Widerruf der Strafaussetzung aufgrund eines Verstoßes gegen die Weisung aus dem Bewährungsbeschluss zu rechnen hatte (Taten 5 - 11) sein eigen programmiertes Rechnungserstellungssystem , aus dem sämtliche Geschäftsvorfälle für die Steuerfahnder einfach abzulesen waren, weiterverwendet und gleichwohl keine Steuererklärun- gen abgegeben“ hat (UA S. 52), erweist sich unter keinem der Kontrolle der tatrichterlichen Strafzumessung durch das Revisionsgericht unterliegenden rechtlichen Gesichtspunkt als rechtfehlerhaft.
8
aa) Die Staatsanwaltschaft hat diese Erwägung mit der Begründung beanstandet , der Straftatbestand der Steuerhinterziehung in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO setze keine aktive Begehungsform voraus, sondern knüpfe an ein pflichtwidriges Unterlassen in Gestalt der Nichtabgabe der Steuererklärung an und nicht an eine diesem vorgelagerte Handlung. Deswegen sei in dieser strafmildernden Erwägung der Strafkammer eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots des § 46 Abs. 3 StGB zu sehen.
9
bb) Es kann dahinstehen, ob das in § 46 Abs. 3 StGB statuierte Doppelverwertungsverbot in Einzelfällen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 50 StGB auch einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründen kann. Die Anwendung von § 46 Abs. 3 StGB mag in den Fällen in Betracht zu ziehen sein, in denen Tatbestandsmerkmale eine mildernde Tendenz aufweisen. Ein solcher Rechtsfehler liegt hier aber nicht vor. Das Landgericht hat mit der von der Revision beanstandeten Strafzumessungserwägung nicht an Merkmale des verwirklichten Tatbestandes gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO angeknüpft. Die Strafkammer hat nämlich maßgeblich auf die nach ihrer Wertung bei der Art und Weise der Begehung der Taten zum Ausdruck gekommene besonders geringe kriminelle Energie abgestellt. Dabei handelt es sich nicht um ein „Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes“ im Sinne von § 46Abs. 3 StGB, sondern um die Berücksichtigung eines von § 46 Abs. 2 StGB gerade vorgesehenen Straf- zumessungsgesichtspunktes. Dessen Anwendung weist keinen der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegenden Fehler auf.
10
Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB bildet die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Aus § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB folgt das Gebot einer umfassenden Würdigung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände. Der bei der Tat aufgewendete Wille und die Art der Tatausführung sind in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB beispielhaft benannte Umstände zur Bemessung der Schuld. Beide Umstände kennzeichnen ggf. die große kriminelle Intensität, mit der ein Täter sein Ziel verfolgt. Diese der Tat regelmäßig vorgelagerten oder sie begleitenden Umstände können die Schuld des Täters charakterisieren (BGH, Urteil vom 14. Februar 1996 - 3 StR 445/95, BGHSt 42, 43, 44) und dürfen daher in der Strafzumessung verwendet werden. Das Doppelverwertungsverbot verbietet es dem Gericht nicht, bei der Strafzumessung die Modalitäten der Tatausführung im konkreten Fall, hier also die „Art der Ausführung“ und den „bei der Tat aufgewendete(n) Wille(n)“ (§ 46 Abs. 2 StGB) als Strafzumes- sungsgrund heranzuziehen. Die dem Unterlassen des Angeklagten vorgelagerten Umstände zieht die Strafkammer in ihren Strafzumessungserwägungen heran.
11
cc) Die durch die Strafkammer vorgenommene Wertung des Ausmaßes der aufgewendeten kriminellen Energie als gering und die dafür angeführte Begründung hält revisionsgerichtlicher Kontrolle stand.
12
Es ist Aufgabe des Tatgerichts, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 Rn. 17 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 Rn. 17 mwN).
13
Zu der dem Tatrichter aufgegebenen, lediglich der beschriebenen eingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegenden Strafzumessung gehört auch die Bewertung, ob ein einzelner Umstand zumessungserheblich ist und welche Bewertungsrichtung ihm gegeben wird (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350). Auch die Bestimmung der Bewertungsrichtung eines vom Tatrichter als zumessungserheblich betrachteten Umstands prüft das Revisionsgericht lediglich auf Vertretbarkeit. Bei diesem Maßstab ist die Annahme der Strafkammer, eine vollständige oder leicht zu vervollständigende Buchhaltung - wie vorliegend beim Angeklagten - deute auf eine geringere kriminelle Energie hin, nicht zu beanstanden.
14
2. Die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafen begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
15
a) Die Strafkammer durfte bei der Begründung der Gesamtfreiheitsstrafen auf die den Einzelstrafen zu Grunde liegenden Strafzumessungserwägungen Bezug nehmen. Zwar müssen bei diesem Zumessungsakt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) die hierfür maßgebenden Gesichtspunkte in einer Gesamtschau erneut berücksichtigt werden; jedoch ist nicht in jedem Fall eine ausdrückliche Wiederholung in den Urteilsgründen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1988 - 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und Beschluss vom 15. August 1989 - 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung

4).

16
Die Strafkammer hat es vorliegend nicht bei einer Bezugnahme bewenden lassen, sondern hat zusätzliche Strafzumessungserwägungen getroffen. Sie hat auf das Gesamtgewicht der Taten abgestellt und berücksichtigt, dass alle Taten in einem situativen Kontext standen, also alle im Zusammenhang mit der damaligen gewerblichen Tätigkeit des Angeklagten und in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum - sowie einzelne Taten unter laufender Bewährung - begangen wurden, und der Gesamtsteuerschaden bei den jeweiligen Gesamtstrafen beträchtlich ist. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine darüber hinausgehende „Begründungstiefe“ ist, anders als die Staatsanwaltschaft meint, nicht zu fordern.
17
b) Hinweise darauf, dass die Gesamtfreiheitsstrafen deshalb jeweils die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigen, um sie zur Bewährung aussetzen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321 f.), lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
18
c) Nach den Urteilsgründen ist auszuschließen, dass die Strafkammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbemessung bei Steuerschäden über einer Million übersehen haben könnte. Nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt „bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe“ eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 86).
19
Der Gesamtsteuerschaden betrug bei den beiden Gesamtstrafen 682.485 Euro bzw. 232.804 Euro. Die Kammer hat hierzu ausgeführt, dass sie sich bewusst sei, dass auch bei „unter der Millionengrenze liegenden Hinterzie- hungsbeträgen eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren in Betracht kommt, wenn die Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen“ (UA S. 56). Die Kammer habe, nachdem aufgrund der Zäsurwirkung der Vorverurteilung (UA S. 55) zwei Gesamtstrafen zu bilden waren, „ihren Blick auch auf die Schuldangemessen- heit des Gesamtstrafmaßes gerichtet und dabei insbesondere auch den Gesamtschaden von 915.289 Euro berücksichtigt“.
20
In Anbetracht dieser Umstände verfehlen die verhängten und durchaus milden Strafen ihre Funktion eines gerechten Schuldausgleichs nicht.
21
3. Der Revision bleibt der Erfolg auch versagt, soweit sie sich gegen die Aussetzung der erkannten Freiheitsstrafen zur Bewährung wendet.
22
Wie die Strafzumessung ist auch die Bewährungsentscheidung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung, dass die Strafaussetzung trotz des Unrechtsund Schuldgehalts der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderläuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - 4 StR 509/01, NStZ 2002, 312).
23
Die getroffene Bewährungsentscheidung wurde eingehend begründet und enthält keinen Rechtsfehler.
24
a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht dem Angeklagten eine positive Sozialprognose gestellt hat, sind rechtlich nicht zu beanstanden.
25
Das Landgericht hat diese Prognose wesentlich auf die geänderten Lebensverhältnisse des Angeklagten gestützt. Insbesondere der Aufgabe des Gewerbebetriebs, der die Grundlage für die Begehung der Steuerstraftaten war, kam erhebliches Gewicht zu. Mit den sozialen Bindungen des Angeklagten und seiner festen Arbeitsstelle bildete dies eine tragfähige Grundlage für eine günstige Prognose. Eine solche hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag (UA S. 58) trotz des Bewährungsbruchs ebenfalls bejaht.
26
b) Die Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2StGB hält ebenfalls revisionsrechtlicher Prüfung stand.
27
Besondere Umstände sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtfertigen, verlangt § 56 Abs. 2 StGB jedoch keine „ganz außergewöhnlichen“ Umstände.Vielmehr können dessen Voraussetzungen sich auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben (BGH, Beschluss vom 29. Juli 1988 - 2 StR 374/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 7). Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten vorzunehmen. Dabei sind die wesentlichen Umstände nachprüfbar darzulegen. Die ganz maßgeblich auf dem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 - 5 StR 95/01, StV 2001, 676 und vom 28. Mai 2008 - 2 StR 140/08, NStZ-RR 2008, 276 und Beschluss vom 27. Juni 2012 - 1 StR 201/12).
28
Diesem Prüfungsmaßstab genügen die Urteilsgründe. Das Landgericht hat über die im Rahmen der Prüfung des § 56 Abs. 1 StGB herangezogenen Umstände hinaus vor allem als besonderen Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht nur die für den Gewerbebetrieb eingesetzte betriebliche Abfindung in Höhe von 145.000 Euro verloren hat, sondern auch Schulden in sechsstelliger Höhe angehäuft hat, die ihn wirtschaftlich ruinieren, auch im Hinblick auf sein Alter und der Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern. Das pflichtgemäße Ermessen des Tatgerichts ist vorliegend auch nicht deshalb überschritten , weil die Strafkammer dem Angeklagten trotz seines Bewährungsversagens nochmals Bewährung gewährte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2012 - 1 StR 100/12, NStZ-RR 2012, 201 und vom 10. November 2004 - 1 StR 339/04, NStZ-RR 2005, 38).
29
Die Strafkammer hat gesehen, dass der Angeklagte zum Urteilszeitpunkt noch keine Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2014 abgegeben hatte (UA S. 57), musste dies aber nicht zu seinem Nachteil werten. Dass der Angeklagte gewillt ist, dies zu tun, hatte er bereits durch seine früheren Bemühungen gezeigt, unter Einbindung eines Steuerberaters Steuererklärungen fertigen zu lassen. Nach den Feststellungen ist dies allein durch die Unvollständigkeit der an den Steuerberater übergebenen Belege und die damalige Überforderung des Angeklagten mit seiner selbstständigen Tätigkeit gescheitert (UA S. 46). Diese Hindernisse bestanden für den Erklärungszeitpunkt 2014 nach den Urteilsgründen (UA S. 57) aber nicht. Raum Graf Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 606/16
vom
25. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2017:250417U1STR606.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. April 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay, Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger – in der Verhandlung –,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

1.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25. Januar 2016 werden verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Mit Urteil vom 9. Juli 2013 hatte das Landgericht den Angeklagten und zwei Mitangeklagte jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 69 Fällen verurteilt. Gegen den Angeklagten hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und zudem den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 30.000 Euro angeordnet. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat der Senat in einem ersten Revisionsverfahren die Verurteilung des Angeklagten im Strafausspruch und im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Urteil und Beschluss vom 27. Januar 2015 – 1 StR 142/14). Der Schuldspruch wurde rechtskräftig.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dieser Taten am 25. Januar 2016 (und nicht wie im Rubrum des angefochtenen Urteils angegeben am 29. Januar 2016) erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es gegen ihn den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 20.000 Euro angeordnet. Zudem hat es festgestellt, dass im Zeitraum vom 29. Mai 2015 bis zum 17. November 2015 eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist.
3
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte rügt mit seinem unbeschränkten Rechtsmittel allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Revision den Strafausspruch. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe den „Milderungsumständen“ einseitig zu hohes Gewicht beigemessen und insgesamt nicht mehr tat- und schuldangemessen niedrige Strafen verhängt. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


4
Dem rechtskräftigen Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Energiesteuer durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 4 EnergieStG sowie § 23 Abs. 6 Satz 3 EnergieStG, § 27 Abs. 1 StGB) in 69 Fällen liegt im Wesentlichen folgender, im Urteil des Senats vom 27. Januar 2015 – 1 StR 142/14 näher ausgeführter, Sachverhalt zugrunde:
5
Die von den gesondert verfolgten G. und Ga. betriebene Firma Sy. Sp. (im Folgenden: Firma Sy. ) stellte aus mit behördlicher Erlaubnis steuerfrei bezogenem Dieselkraftstoff sowie Basisöl angeblich „Formenöl“ her. Das durch einfaches Vermischen von einem hohen Anteil an Dieselkraftstoff und einem geringen Anteil an Basisöl entstandene Gemisch war jedoch weiterhin als Kraftstoff verwendbar und somit Gasöl im Sinne der Kombinierten Nomenklatur (Verordnung [EG] Nr. 948/2009 der Kommission vom 30. September 2009 zur Änderung von Anhang I der Verordnung [EWG] Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EU Nr. L 287 vom 31. Oktober 2009, S. 1). Das im Gegensatz zu „Formenöl“ der Energiesteuer unterliegende Mischprodukt wurde gezielt zur Verwendung als Kraftstoff hergestellt, worauf sich die behördliche Erlaubnis aber nicht erstreckte. Zum Nachweis der Eignung dieses „Formenöls“ als Kraftstoff für die Abnehmer, zugleich aber zur Verschleierung und eigenen Absicherung, sollten die Produkteigenschaften durch ein für das Prüfgebiet Mineralöl akkreditiertes Labor bestätigt werden.
6
Die aufgrund der zweckwidrigen Verwendung des steuerfrei bezogenen Dieselkraftstoffs entstandene Energiesteuer wurde weder angemeldet noch entrichtet. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 5. August 2010 bis 12. Dezember 2011 in 69 Fällen insgesamt 32.483.922 Liter dieser Mischung ausgeliefert und mangels Abgabe von Steueranmeldungen Energiesteuer im Umfang von 15.280.436,91 Euro verkürzt.
7
Der Angeklagte war damit beauftragt worden, eine Betriebsstätte ausfindig zu machen und sodann in dem Betrieb als Vertrauensmann und Aufpasser vor Ort zu fungieren. Auf der Grundlage seiner Bemühungen konnte die Firma Sy. ein Biodieselwerk in Gr. als Betriebsstätte anmieten. Bei der Produktion fungierte der Angeklagte dann als Bindeglied zwischen G. und Ga. , die das hergestellte Gemisch als Kraftstoff insbesondere in Tschechien und Polen vermarkten wollten, und dem Mitangeklagten K. in seiner Funktion als Betriebsleiter der Firma Sy. in Gr. . Hierbei übermittelte er betriebsbezogene Informationen – etwa hinsichtlich des anzuwendenden Mischungsverhältnisses – in beide Richtungen. Dem Angeklagten kam zudem die Aufgabe zu, die Daten der Fahrer der Tankfahrzeuge, die das hergestellte Produkt abholten, zu überprüfen und dem Mitangeklagten K. die Freigabe der jeweiligen Lieferung mitzuteilen. Darüber hinaus übernahm er es, Proben zu einem Prüflabor zu bringen und für einen laufenden Bürobetrieb zu sorgen.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
9
1. Das Rechtsmittel ist – wie auch der Generalbundesanwalt ausgeführt hat – wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
10
Zwar hat die Beschwerdeführerin beantragt, das Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Die Verfallsanordnung und deren Umfang beanstandet sie jedoch nicht.
11
Widersprechen sich aber Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16, Rn. 10, mwN). Nach dem insoweit maß- geblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel den Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes (§ 73a StGB) auch in der Höhe nicht angreifen will.
12
2. Der den Angeklagten betreffende Strafausspruch hat Bestand.
13
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Januar 2015 – 1 StR 142/14, NStZ 2015, 466 und vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 sowie Beschluss vom 13. Juni 2013 – 1 StR 226/13, wistra 2013, 471, jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).
14
Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatgericht obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer oder ein besonders schwerer Fall vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, welches Gewicht es den einzelnen Milderungsgründen im Verhält- nis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. für das Vorliegen minder schwerer Fälle: BGH, Urteile vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16; vom 14. Dezember 2016 – 2 StR 338/16 und vom 29. August 2001 – 2 StR 276/01, StV 2002, 20).
15
b) Grundlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung – wie bei jeder anderen Straftat – die persönliche Schuld des Täters. Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB). § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt, dass bei der Zumessung der Strafe die Umstände gegeneinander abzuwägen sind, die für und gegen den Täter sprechen. Namentlich kommen die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstände in Betracht.
16
aa) Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der „verschuldeten Aus- wirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 21, BGHSt 53, 71, 80; vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 120 und vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 5; Beschluss vom 23. März 1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111 und Urteil vom 1. Februar 1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 102). Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 21, BGHSt 53, 71, 80 und Beschluss vom 18. März 1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270).
17
Dies gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl (vgl. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), sondern auch für die Strafzumessung innerhalb des vom Tatgericht zugrunde gelegten Strafrahmens. Dass der Hinterziehungsbetrag dann, wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung wichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zur Hinterziehung in großem Ausmaß als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 22, BGHSt 53, 71, 80). Das Merkmal in großem Ausmaß ist bereits erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28). Deshalb kommt bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 42, BGHSt 53, 71, 86 und vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, Rn. 29, BGHSt 57, 123, 130 f.). Unerheblich ist dabei, ob dieser Hinterziehungsumfang durch eine einzelne Tat oder durch mehrere Einzeltaten erreicht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – 1 StR 103/12, wistra 2012, 350).
18
bb) Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, der eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270), kann allein das Ausmaß der Steuerverkürzung nicht in dem Sinne ausschlaggebend für die Strafhöhenbemessung sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrages schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 1 StR 423/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 26 sowie die Beispiele für Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe in BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 44 ff., BGHSt 53, 71, 81).
19
cc) Bei Tatserien ist zudem nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Verkürzungsumfang maßgeblich für die Bemessung der Einzelstrafe ; vielmehr muss auch bei der Zumessung der Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamthinterziehungsumfang in den Blick genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08, Rn. 48, BGHSt 53, 221, 232 mwN und Beschluss vom 29. November 2011 – 1 StR 459/11, NZWiSt 2012, 112; vgl. auch Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 24). Kommt bei Serienstraftaten in der systematischen Vorgehensweise ein besonderes Maß an krimineller Energie zum Ausdruck, kann auch dieser Gesichtspunkt und nicht der konkrete Verkürzungsumfang bei der Bestimmung der Einzelstrafen im Vordergrund stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270).
20
dd) In Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist für die Strafrahmenwahl nicht entscheidend, ob sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr, ob sich die Beihilfe selbst – bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat – als besonders schwerer Fall darstellt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 575/15, NZWiSt 2016, 474 mwN und Beschluss vom 23. November 2000 – 3 StR 225/00, wistra 2001, 105). Dies gilt nicht nur in Fäl- len unbenannter besonders schwerer Fälle, sondern auch dann, wenn im Wege einer Gesamtwürdigung zu klären ist, ob die Indizwirkung eines oder mehrerer Regelbeispiele für besonders schwere Fälle widerlegt ist (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 1 StR 142/14, Rn. 6, wistra 2015, 235). Dabei kann bei Unterlassungstaten der Umstand, dass eine mangels eigener Erklärungspflicht nur als Gehilfe strafbare Person Tatherrschaft hatte, erheblich strafschärfend zu werten sein (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, Rn. 65, BGHSt 58, 218, 231). In Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls kann der Schuldgehalt (§ 29 StGB) der Beihilfetat sogar größer sein als der der Haupttat und trotz Strafrahmenverschiebung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB eine Strafe rechtfertigen, die derjenigen für den Haupttäter gleichkommt oder sie sogar übersteigt (vgl. Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 77 mwN).
21
c) Hieran gemessen haben sowohl die Einzelstrafen als auch der Gesamtstrafausspruch Bestand.
22
aa) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Einzelstrafen dem gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) entnommen.
23
Nach den Urteilsfeststellungen verwirklichte der Angeklagte in allen Fällen das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles der Verkürzung von Verbrauchsteuern als Mitglied einer Bande (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO). Zudem erfüllte er in den Fällen 2 bis 16 sowie 21 bis 68 der Urteilsgründe das Regelbeispiel der Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), weil in diesen Fällen der Hinterziehungsumfang die Schwelle von 50.000 Euro (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28) überstieg (UA S. 8). Der Umstand, dass das Landgericht insoweit trotz Anwendung zutreffender Maßstäbe die Fälle 2, 9 und 21 der Urteilsgründe nicht ausdrücklich genannt hat (UA S. 13), hat sich weder zum Vorteil noch zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.
24
Im Rahmen der jeweils vorzunehmenden Würdigung, ob ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) gegeben ist, hat das Landgericht neben dem vertypten Milderungsgrund der Beihilfe (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AO) in allen Fällen alle für die Wertung der Tat und des Täters wesentlichen Umstände berücksichtigt. Es hat dabei sowohl das „ganz erhebliche Gewicht der Beihilfehandlungen“ des Angeklagten in den Blick genommen als auch den Umstand, dass er „der Führungsebene der Bande zuzurechnen“ war, die sich zur fortgesetzten Hinterziehung von Energiesteuer verbunden hatte (UA S. 14).
25
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung rechtlicher Nachprüfung stand.
26
(1) Das Landgericht hat die Bemessung der Strafhöhen innerhalb des sich ergebenden Strafrahmens an den Grundsätzen des § 46 StGB ausgerichtet und dabei alle maßgebenden strafmildernden und strafschärfenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Die Zumessungserwägungen des Landgerichts sind weder lückenhaft noch verstoßen sie gegen anerkannte Strafzwecke.
27
Insbesondere hat das Landgericht nicht verkannt, dass die Höhe der Hinterziehungsbeträge in der Mehrzahl der Fälle „sechsstellig“ war (UA S. 16) und durch die Taten insgesamt Energiesteuer in Höhe von 15.280.436,91 Euro verkürzt wurde, der lediglich eine nachträgliche Tilgung der Steuerschuld im Umfang von 1.612.453,18 Euro gegenübersteht. Zu Lasten des Angeklagten hat das Landgericht auch gewertet, dass er gewerbsmäßig handelte und es sich bei den Taten um eine neue Erscheinungsform organisierter Kriminalität handelt, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang angelegt war und auch im konkreten Fall auf einem gut durchorganisierten und überaus profitablem Geschäftsmodell beruhte (vgl. zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung als Gewerbe: BGH, Urteil vom 29. November 2006 – 5 StR 324/06, wistra 2007, 145). Es hat dabei ebenfalls in den Blick genommen, dass aufgrund der grenzüberschreitenden Warenlieferungen und einer Bandenstruktur , bei der Hintermänner aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union heraus handelten, eine effektive Strafverfolgung deutlich erschwert war. Schließlich hat das Landgericht auch zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er der Führungsebene der Bande angehörte und zudem im laufenden Betrieb der Firma Sy. Beihilfehandlungen von erheblichem Gewicht vornahm.
28
Zu seinen Gunsten hat das Landgericht rechtsfehlerfrei neben der langen Verfahrensdauer berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft war, nach Beendigung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und einem Haftungsbescheid des Fiskus in Millionenhöhe ausgesetzt ist, der seine finanzielle Leistungsfähigkeit bei weitem überschreitet.
29
(2) Die 69 Einzelstrafen von sieben bzw. zehn Monaten Freiheitsstrafe wie auch die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sind zwar gemessen am Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sehr milde. Dies stellt jedoch im Hinblick auf den vom Revisionsgericht zu beachtenden Prüfungsmaßstab (s.o.) noch keinen Rechtsfehler dar. Insbesondere lösen sich die verhängten Strafen noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 – 1 StR 142/14, NStZ 2015, 466 mwN).
30
(3) Auch mit ihren Einzelangriffen gegen die Strafzumessung des Landgerichts dringt die Staatsanwaltschaft nicht durch.
31
(a) Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das Landgericht habe die durch die einzelnen Straftaten verursachten „Steuerschäden“ nicht in den Blick genommen, was darin zum Ausdruck komme, dass es die Einzelstrafen nicht näher abgestuft, sondern pauschal Einzelfreiheitsstrafen von sieben bzw. zehn Monaten verhängt habe. Hiermit zeigt sie jedoch keinen Rechtsfehler bei der Strafzumessung auf.
32
Zwar erfordert das Schuldmaßprinzip (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) regelmäßig eine differenzierende Zumessung der Einzelstrafen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2002 – 5 StR 361/02, NStZ-RR 2003, 72 und vom 29. Juni 2011 – 1 StR 136/11, wistra 2011, 423), die bei Steuerstraftaten eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270). Dies schließt jedoch nicht aus, dass bei Steuerstraftaten – wie auch sonst bei Vermögensstraftaten –, denen gleichgelagerte Begehungsformen zugrunde liegen, eine Kategorisierung nach der Schadenshöhe erfolgen kann. Zwar muss diese immer am Maß des der konkreten Tat immanenten Schuldumfangs orientiert sein (BGH aaO NStZ-RR 2003, 72). Allerdings kann bei Tatserien der durch die Einzeltat verursachte Verkürzungsumfang gegenüber der systematischen Vorgehensweise zur Erreichung einer Gesamthinterziehung dergestalt in den Hintergrund treten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270 sowie Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08, Rn. 48, BGHSt 53, 221, 232 und Beschluss vom 29. November 2011 – 1 StR 459/11, wistra 2012, 151), dass Schwankungen bei den Verkürzungsbeträgen im Rahmen der fortgesetzten Tatbegehung bei der Bemessung der Einzelstrafen keine erhebliche Bedeutung mehr zukommt. Soweit dies der Fall ist, dürfen auch Taten mit unterschiedlichem Hinterziehungsumfang für die Bemessung der Einzelstrafen zu Gruppen zusammengefasst werden.
33
So verhält es sich auch hier. Das Landgericht hat erkennbar die systematische Vorgehensweise im Rahmen eines fortgesetzt und bandenmäßig betriebenen Hinterziehungsmodells zur Verkürzung von Steuern in Millionenhöhe, die beim Angeklagten ein besonderes Maß krimineller Energie erkennen lässt, bei der Bemessung der Einzelstrafen in den Vordergrund gestellt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. März 1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270). Insbesondere angesichts der fortlaufenden Herstellung des „Formenöls“ im Zeitraum von August 2010 bis Dezember 2011, hinsichtlich deren lediglich die rechtlichen Besonderheiten des Straftatbestands der Steuerhinterziehung durch Unterlassen als Erklärungsdelikt zu insgesamt 69 Einzeltaten führten, ist es rechtlich noch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht für Taten mit Hinterziehungsbeträgen zwischen 13.878 Euro und 84.996 Euro ohne weitere Differenzierung Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sieben Monaten und für Steuerverkürzungen mit einem Ausmaß zwischen 110.105 Euro und 413.233 Euro jeweils Freiheitsstrafen von zehn Monaten verhängt hat. Im Hinblick darauf, dass das Landgericht sämtliche Taten als der organisierten Kriminalität zuzurechnen und insgesamt als besonders sozialschädlich gewertet hat, war es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht gehalten, in den Strafhöhen zwischen den Taten vor und denen nach der Beschlagnahme eines Tankfahrzeugs mit „Formenöl“ durch die Zolldirektion Prag (UA S. 9) zu differenzieren.
34
(b) Soweit die Staatsanwaltschaft rügt, das Landgericht habe (entgegen § 50 StGB) den vertypten Strafmilderungsgrund der Beihilfe (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) im Rahmen der konkreten Strafzumessung ein zweites Mal zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, zeigt sie keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
35
Zwar trifft es zu, dass der Angeklagte, der innerhalb der Bande eine Führungsrolle einnahm, nur deshalb nicht als Mittäter, sondern lediglich als Gehilfe zu bestrafen war, weil ihn keine eigene Erklärungspflicht für die entstandene Energiesteuer traf (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218). Das Landgericht hat jedoch den Umstand, dass der Angeklagte keine täterschaftlichen Tatbeiträge erbracht hat, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht innerhalb des gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens ein weiteres Mal strafmildernd berücksichtigt. Vielmehr hat es im Gegenteil den Umstand, dass die Tatbeiträge des Angeklagten „von ganz erheblichem Gewicht“ waren, strafschärfend berück- sichtigt. Es hat auch nicht, was rechtsfehlerhaft gewesen wäre (vgl. Jäger in Klein, AO, 13. Aufl., § 370 Rn. 61c mwN), den Umstand, dass der Angeklagte nicht in eigener Person zur Abgabe von Steueranmeldungen über die entstandene Energiesteuer verpflichtet war, als besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB angesehen.
36
(c) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft war das Landgericht trotz der Einbindung des Angeklagten in die Bandenstruktur nicht gehindert, den Umstand, dass der Angeklagte seit Beendigung der verfahrensgegenständlichen Taten im Jahr 2011 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, strafmildernd zu berücksichtigen. Zwar lässt dieser Umstand die Taten nicht in einem milderen Licht erscheinen; jedoch kommt hierin eine Stabilisierung der Lebensverhältnisse des Angeklagten zum Ausdruck, die das Landgericht unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention innerhalb des Schuldrahmens jedenfalls berücksichtigen durfte (vgl. Eschelbach in SSW-StGB, 3. Aufl., § 46 Rn. 145).
37
(d) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch den Umstand strafmildernd herangezogen, dass gegen den Angeklagten wegen der Beihilfetaten ein Haftungsbescheid über 13.667.389,73 Euro ergangen ist.
38
Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die strafmildernde Berücksichtigung einer Heranziehung gemäß § 71 AO nur dann in Betracht, wenn der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalls tatsächlich mit seiner Heranziehung rechnen muss und diese für ihn eine besondere Härte darstellen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 25). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht aber rechtsfehlerfrei festgestellt. Es hat dabei nicht verkannt, dass die Haftungssumme die finanzielle Leistungsfähigkeit des Angeklagten bei weitem übersteigt. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist daher nicht zu besorgen, das Landgericht könnte bei der Strafzumessung verkannt haben, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten einen Ausgleich des Steuerschadens nicht zulassen.
39
(e) Soweit die Staatsanwaltschaft den Strafausspruch im Hinblick darauf angreift, dass die vom Senat mit der ersten Revisionsentscheidung beanstandeten Strafzumessungserwägungen weggefallen und neue strafmildernde Umstände nicht festgestellt worden seien, deckt sie ebenfalls keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler in der Strafzumessung auf.
40
Zwar hat im Falle der Zurückverweisung einer Sache das neue Tatgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 358 Abs. 1 StPO). Nach einer Aufhebung des Strafausspruchs ist es jedoch nicht gehindert, die für die Strafzumessung bedeutsamen Umstände anders als das bisherige Tatgericht zu gewichten und sogar dieselben Strafen zu verhängen, sofern es nicht auf die vom Revisionsgericht beanstandeten Strafzumessungserwägungen zurückgreift. Es darf ohne Rückgriff auf neue Umstände lediglich dann nicht zur selben Strafhöhe gelangen, wenn – was hier nicht der Fall war – das Revisionsgericht bei Aufhebung des Strafausspruchs zum Ausdruck gebracht hatte, dass die Urteilsgründe des Tatgerichts nicht die Schuldangemessenheit der Strafe belegten (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1992 – 5 StR 367/92, StV 1993, 26 und Beschluss vom 13. Juli 1993 – 5 StR 396/93, NStZ 1993, 552).

III.


41
Der Revision des Angeklagten bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
42
Die Strafzumessung und die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes (§ 73a StGB) weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB stand hier einer Verfallsanordnung nicht entgegen, weil der Angeklagte die erlangten Vermögenswerte nicht aus den Taten, sondern als Entlohnung für seine Tatbeteiligung erhalten hatte (zur Unanwendbarkeit von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in diesen Fällen siehe BGH, Beschluss vom 13. März 2013 – 2 StR 275/12, wistra 2013, 347, 350 mwN). Aus dem von der Verteidigung angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. Novem- ber 2000 im Verfahren 5 StR 371/00 (BGHR StGB § 73 Verletzter 3) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

IV.


43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
Graf Jäger Bellay
Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 481/16
vom
2. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen“ und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 Euro angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am 30. Juli 2015 verkaufte der Angeklagte in B. für 5.000 Euro 100 Gramm Kokain an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Das Rauschgift hatte einen Kokainhydrochlorid-Anteil von mindestens 80 %, was einer Menge von mindestens 80 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht (Tat II.2.a).
4
Am 7. September 2015 lagerte der Angeklagte in seiner Garage in Re. in einem unverschlossenen Tresor 458,95 Gramm Kokain (412 Gramm Kokainhydrochlorid), das in einem Stoffbeutel verpackt war. Auf dem Tresor befanden sich mehrere „Bubbles“ mit insgesamt 51,27 Gramm Kokain (45,6 Gramm Kokainhydrochlorid). Das Rauschgift war zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt. Unmittelbar neben dem Stoffbeutel mit dem Kokain verwahrte der Angeklagte einen ungeladenen Revolver ERMA Ka. 357 Magnum/38 Spezial mit entsprechender Munition und eine umgebaute PTB-Schusswaffe Röhm RG 9 Kal. 8 mm, mit der „scharfe Munition“ verschossen werden konnte.In die PTB-Schusswaffe war ein Magazin mit drei Patronen Kaliber 6,22 eingeführt. Dem Angeklagten war bewusst, dass die beiden Waffen griffbereit in der Nähe des Rauschgifts lagerten und er jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten über sie verfügen konnte. Das Kokain und die Waffen wurden am 8. September 2015 sichergestellt (Tat II.2.b).
5
Der Angeklagte beabsichtigte, am 7. September 2015 in den Niederlanden zwei Kilogramm Kokain anzukaufen und am Folgetag in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf einzuschmuggeln. Weil er Grenzkontrollen befürchtete, bat er seinen Bruder R. , bei der Rückfahrt die Grenze zu beobachten. R. willigte ein. Der Angeklagte fuhr am Nachmittag des 7. September 2015 mit einem Pkw nach A. und erwarb dort zwei Kilogramm Kokain. Das Rauschgift versteckte er anschließend in einem hinter dem rückwärtigen Kennzeichen seines Fahrzeugs befindlichen Hohlraum. Am 8. September 2015 fuhr R. in Begleitung des Mitangeklagten D. mit einem Pkw in die Niederlande und traf sich in Ro. mit dem Angeklagten. Seit dem Grenzübertritt und während der weiteren Handlungen wurden der Angeklagte und R. von der Kriminalpolizei observiert. Ab 18.08 Uhr fuhren R. und der Mitangeklagte D. in Richtung deutscher Grenze, während der Angeklagte zunächst in Ro. verblieb. Nachdem R. in der verabredeten Zeit keine Meldung über Auffälligkeiten an der Grenze gemacht hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw über die niederländisch-deutsche Grenze und verbrachte so das in seinem Fahrzeug befindliche Kokain in das Bundesgebiet. Nach der Einreise wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Das in seinem Fahrzeug versteckte Kokain wurde sichergestellt. Es hatte ein Gesamtgewicht von 1.992,07 Gramm. Darin waren 1.817 Gramm Kokainhydrochloridenthalten (Tat II.2.c).
6
2. Die Strafkammer hat die Taten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.a), bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen (Tat II.2.b) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.c) bewertet. Die Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.a), fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.b) und zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.c) hat sie den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.a), § 30a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.b) sowie § 30 Abs. 1 BtMG (Tat II.2.c) entnommen. Minderschwere Fälle hat sie jeweils verneint. Die Gesamtstrafe hat das Landgericht unter „maßvoller Erhöhung“ der höchsten Einzelstrafe festgesetzt.

II.


7
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt.
9
a) Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 [zu § 318 StPO]; Beschluss vom 28. Januar 2004 – 2 StR 493/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 68). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wen- det. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, bei Cierniak/ Zimmermann, NStZ-RR 2011, 225, 234; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1 Nr. 18; Urteil vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210).
10
b) Die Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt hier unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge eindeutig, dass lediglich die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch angegriffen werden.
11
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung zunächst die Verletzung materiellen Rechts gerügt und im Anschluss daran ausgeführt, dass die durch die Strafkammer verhängten Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht standhielten. Die Revisionsbegründung erschöpft sich im Weiteren in Einzelangriffen gegen die Strafzumessung im engeren Sinn und gegen die Gesamtstrafe.
12
Der Senat entnimmt diesem Revisionsvorbringen, dass allein der Strafausspruch angefochten werden soll. Den Schuldspruch oder die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffende Einzelbeanstandungen werden nicht erhoben. Dem kommt hier besondere Bedeutung zu, denn die Staatsanwaltschaft ist nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1, 6). Gegen eine Anfechtung des Schuldspruchs spricht schließlich auch, dass dieser mit Ausnahme der Bewertung der Waffendelikte bei der Tat II.2.b (Besitz statt Führen, kein Besitz von Munition) mit der rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übereinstimmt. Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 5.000 Euro entspricht dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft.
13
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
14
Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich und in der Regel wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, NJW 1954, 441; RGSt 45, 149, 150, st. Rspr.). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.
15
Eine Erstreckung des Revisionsangriffs auf die Verfallsentscheidung ist nicht veranlasst. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist wie die Anordnung des Verfalls in der Regel kein Strafmilderungsgrund und deshalb von der Straffestsetzung unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 mwN). Eine ein Trennbarkeitshindernis begründende Verknüpfung wurde in den Urteilsgründen nicht hergestellt.
16
3. Im Rahmen ihres Anfechtungsumfangs bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil oder zum Vorteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
17
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN).
18
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
19
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe dem erst nach der Durchführung eines wesentlichen Teils der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des Angeklagten ein zu hohes Gewicht beigemessen, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgründen darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 193/07, NStZ-RR 2007, 232 [Ls]). Das Landgericht hat dem Geständnis des Angeklagten mit nachvollziehbaren Erwägungen zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese tatsächlich bereut. Dabei hat es die Beweislage in den Blick genommen und gewürdigt. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
20
bb) Die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 59, 28 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt]; Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100 mwN). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9 [insoweit in StV 2016, 611 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Von diesem Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Soweit es dabei in der Dauer der Untersu- chungshaft (acht Monate) und einer „erkennbaren“ Belastung für den Angeklag- ten als Erstverbüßer besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gesehen hat, liegt dies – auch mit Rücksicht auf § 121 Abs. 1 Satz 1 StPO – noch innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
21
cc) Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Tat II.2.b aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte über zwei Schusswaffen verfügte, zumal sie den tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz zu seinem Nachteil gewertet hat. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte bei der Tat II.2.c einen versteckten Hohlraum seines Fahrzeugs für den Rauschgifttransport nutzte, ist mit Rücksicht auf die sich aus § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ergebenden eingeschränkten Darlegungsanforderungen nicht rechtsfehlerhaft.
22
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
23
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, Rn. 3; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher , sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 [Ls]). Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1; Urteil vom 30. November1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 mwN). Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271).
24
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier (noch) nicht als rechtsfehlerhaft.
25
Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 6 3 8 / 1 4
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 5. August 2014 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.
2
Dem Rechtsmittel ist der Erfolg zu versagen. Dass das Landgericht einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 2 StGB angenommen und die Strafe diesem Sonderstrafrahmen entnommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision lässt auch die Strafzumessung im engeren Sinne einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Das gilt auch, soweit die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14, juris Rn. 4).
4
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337).
5
2. Daran gemessen ist weder die Annahme des Landgerichts, es liege ein sonst minder schwerer Fall im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB vor, noch die Bemessung der Strafhöhe als rechtsfehlerhaft zu beanstanden.

6
Zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles hat das Landgericht eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände vorgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; S/S-Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 213 Rn. 13 f. mwN). Bei seiner Würdigung hat es keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Es hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er sich "im Wesentlichen" geständig eingelassen hat, die dauerhaft beeinträchtigende Ehesituation zu einer psychischen Labilisierung und möglicherweise sogar zu einem Drogenrückfall geführt hatte, der Tatentschluss nach Enttäuschung über die Nichtrückkehr seiner Ehefrau spontan gefasst worden war und der Angeklagte nach der Tat, wenn auch auf Aufforderung seiner Ehefrau, einen Notruf getätigt hatte. Zu seinen Lasten hat es lediglich angeführt, dass der Angeklagte, wenn auch nicht einschlägig mit Delikten gegen Leib und Leben, mehrfach vorverurteilt ist. Auf dieser Grundlage ist die Bejahung eines minder schweren Falles revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
7
Die genannten Umstände hat das Landgericht auch bei der konkreten Strafzumessung gegeneinander abgewogen. Dass es insoweit in den Urteilsgründen die Strafzumessungskriterien nicht nochmals wiederholt, sondern auf die vorangegangene Aufzählung verwiesen hat, stellt keinen Rechtsmangel dar.
Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 487/15
vom
12. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120516U4STR487.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Mai 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Mutzbauer, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
der Angeklagte in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 28. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Vollstreckung der Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten werden verworfen. 4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung, versuchten Betrugs und falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wenden sich der Angeklagte und – zu seinen Ungunsten – die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen. Der Angeklagte erhebt zwei Verfahrensrügen und macht mit der ausgeführten Sachrüge Rechtsfehler in der Beweiswürdigung geltend. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel, dass der Angeklagte nicht auch wegen versuchter Brandstiftung und Sachbeschädigung verurteilt worden ist. Im Hin- blick auf die Sachbeschädigung hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamm das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung im Revisionsrechtszug bejaht. Außerdem wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Strafbemessung und die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Das Rechtsmittel des Angeklagten bleibt erfolglos. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am frühen Morgen des 23. Oktober 2013 brachte der Angeklagte in den Innenraum des seiner Mutter L. K. gehörenden Pkw der Marke VW, Typ Golf Kombi, den er am Vorabend im Doppelcarport auf seinem Anwesen in Ka. abgestellt hatte, mindestens einen Liter „Kraftstoff“ ein und entzündete diesen mit einer offenen Flamme. Ihm war dabei bewusst, dass das Feuer den Wagen seiner Mutter zerstören würde. Auch vermochte er nicht auszuschließen , dass der Brand von dem Fahrzeug auf seinen Carport und von dort auf die unmittelbar angebaute Garage der Familie T. und deren davor abgestellten Pkw übergreifen konnte. Er hoffte zwar, dass alles gut gehen würde, nahm aber auch diese Folgen billigend in Kauf. Nach der Tat wollte der Angeklagte den Tatverdacht gezielt auf seine frühere Ehefrau S. K. lenken, um sich auf diese Weise einen Vorteil in dem mit ihr ausgetragenen Streit um das Sorgerecht für das gemeinsame Kind zu verschaffen.
4
Als der Angeklagte gerade im Begriff war, die hintere rechte Tür wieder zu schließen, kam es im Innenraum des Pkw zu einer Verpuffung, durch die mehrere Scheiben herausgedrückt, drei Türen „aufgespreizt“ und die noch nicht vollständig ins Schloss gefallene hintere rechte Tür deformiert wurden. Zugleich entstand eine Stichflamme, die die Sitzflächen, Fußräume und Auskleidung des Pkw entzündete. Innerhalb weniger Minuten entwickelte sich ein Vollbrand, der sich schnell auf den Doppelcarport des Angeklagten ausbreitete. Der durch die Verpuffung und die Stichflamme überraschte Angeklagte erlitt eine flächige Versengung der Stirnhaare. Die von der Zeugin T. verständigte Feuerwehr konnte einen Übergriff des Brandes auf die angebaute Garage der Familie T. verhindern und den Brand zügig löschen. Den Pkw der Familie T. hatte der Zeuge T. bereits zuvor beiseite gefahren.
5
Der Pkw der L. K. brannte vollständig aus. Das Fahrzeug hatte einen Wiederbeschaffungswert von 1.600 Euro und einen Restwert von 150 Euro. Der Carport des Angeklagten wurde erheblich beschädigt. An der Garage der Familie T. kam es zu Verrußungen und hitzebedingten Betonabplatzungen an der rechten Wand. Zudem schmolzen Teile der Bitumenverkleidung im Bereich der Attika. Am Fahrzeug der Eheleute T. zerschmolz infolge der feuerbedingten Hitzeentwicklung das vordere rechte Blinklicht. An dem neben dem Doppelcarport stehenden Wohnhaus des Angeklagten wurde das im Erdgeschoss befindliche linke Fenster durch die brandbedingte Hitzeentwicklung an der Zarge und am Rahmen deformiert. Die Jalousie schmolz zu großen Teilen. Das rechts daneben liegende Fenster zeigte „gering- fügige Schäden“. Die Jalousie war hier durch Rauch und Feuer braun gefärbt und leicht verbogen. Beide Fenster wiesen, ebenso wie die neben ihnen befindliche Nebeneingangstür, leichte thermische Risse in den Scheiben auf.
6
Bei seiner polizeilichen Einvernahme am 23. Oktober 2013 gab der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig an, in den letzten Monaten wiederholt Anrufe seiner von ihm im März 2012 geschiedenen früheren Ehefrau S. K. erhalten zu haben. Diese habe ihn dabei beleidigt und damit gedroht, dass bei ihm alles in Flammen aufgehen werde. Drei dieser Anrufe könnten von den Zeugen Kr. und N. bestätigt werden. Damit wollte der Ange- klagte seine frühere Ehefrau „in den Focus der polizeilichen Ermittlungen bringen“. Tatsächlich geriet sie „in das Visier der Polizei“. Erst im Verlauf der weite- ren Ermittlungen konnte der Verdacht gegen sie entkräftet werden.
7
Am 28. Oktober 2013 erstatte der Angeklagte gegenüber dem Landwirtschaftlichen Versicherungsverein M. , bei dem er eine Wohngebäude- und Hausratversicherung unterhielt, eine Schadensanzeige. Dabei verschwieg er, dass er das Feuer selbst gelegt hatte, denn ihm war bewusst, dass er als Brandstifter keinen Anspruch auf Ersatz seiner Schäden hatte. Bei alledem ging er davon aus, dass die Versicherung aufgrund seines Verhaltens irrtümlich davon ausgehen würde, dass er berechtigte Ansprüche gegen sie habe. Gegenüber der Gebäudeversicherung machte der Angeklagte für die Wiederherstellung des Carports 27.000 Euro und die Schäden an seinem Haus weitere 3.200 Euro geltend. Von der Hausratversicherung forderte der Angeklagte für im Carport und in dem Pkw verbrannte Gegenstände Wertersatz in Höhe von 8.000 Euro. Zur Auszahlung von Versicherungsleistungen kam es aufgrund des vorliegenden Strafverfahrens nicht.
8
2. Das Landgericht hat die Inbrandsetzung des Pkw der Mutter des Angeklagten als Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB gewertet. In Bezug auf die Garage und den Pkw der Familie T. hat es die Annahme einer (vollendeten) Brandstiftung mit der Erwägung verneint, dass es nach den Feststellungen nicht zu einer teilweisen Zerstörung im Sinne des § 306 Abs. 1 StGB gekommen sei. Für eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB fehle der nach § 303c StGB erforderliche Strafantrag. Auch habe die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung insoweit nicht bejaht. Eine fahrlässige Brandstiftung am eigenen Wohnhaus gemäß § 306d i.V.m. § 306a StGB liege nicht vor, weil es nicht zu einer teilweisen Zerstörung des Wohnhauses gekommen sei. Bei seiner polizeilichen Aussage am 23. Oktober 2013 habe sich der Angeklagte der falschen Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Die Schadensmeldungen erfüllten die Voraussetzungen eines versuchten Betrugs gemäß § 263 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB, weil der Angeklagte dabei vorgetäuscht habe, dass es sich „um einen Versicherungsfall der Wohn- und Hausratversicherung handele“.

II.


9
Entgegen der Auffassung des Angeklagten wird die unter II. 3 der Urteilsgründe abgeurteilte Tat (Betrug zum Nachteil der Versicherung) in der unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Detmold vom 27. November 2014 hinreichend klar umgrenzt. Denn im Anklagesatz (§ 201 Abs. 1 Satz 1 StPO) sind sowohl die am 23. Oktober 2013 erfolgte Brandlegung, als auch die spätere Geltendmachung von Schäden gegenüber dem Landwirtschaftlichen Versicherungsverein M. aufgeführt. Damit hat die Staatsanwaltschaft ohne weiteres den Willen zum Ausdruck gebracht, beide Geschehnisse zur Aburteilung zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1998 – 2 StR 76/98, NStZ 1999, 206 f.). Der Umstand, dass dabei das genaue Datum der Schadensmeldung nicht benannt wird, ist unschädlich, denn der Verfahrensgegenstand wird durch die Benennung der jeweiligen Versicherungen, der geltend gemachten Summen und des Schadensfalles in sachlicher Hinsicht zuverlässig bezeichnet (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 – 2 StR 459/10, Rn. 2 mwN).

III.


10
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
11
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
12
a) Die Rüge, das Landgericht habe es unterlassen, Akten aus Sorgerechts - und Ehestreitigkeiten sowie Akten aus früheren Ermittlungsverfahren beizuziehen und dadurch seine Aufklärungspflicht verletzt, ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht zulässig erhoben.
13
b) Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht aufgeklärt, warum der Brandsachverständige in der Hauptverhandlung davon ausgegangen sei, dass die Zündquelle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die linke Hintertür eingebracht wurde, während er dies in seinem vorbereitenden Gutachten nur vermutet habe, fehlt es ebenfalls an einem den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Sachvortrag. Die Entscheidung über Verfahrensrügen , die auf Unterschiede zwischen einem vorbereitenden und dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten gestützt sind, erfordert regelmäßig einen inhaltlichen Vergleich zwischen den beiden Gutachten. Nur so ist zuverlässig feststellbar, ob beide Gutachten auf identischer tatsächlicher Grundlage erstattet sind oder ob sich die Differenzen aus unterschiedlichen tatsächlichen Grundlagen ohne weiteres von selbst erklären. Während sich jedoch die Grundlagen des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens regelmäßig aus den Urteilsgründen ergeben, ist dies hinsichtlich einer durch den weiteren Verfahrensablauf überholten Grundlage eines früheren Gutachtens nicht notwendig der Fall. Der Revisionsführer hat daher regelmäßig jedenfalls den wesentlichen Kern des ursprünglichen Gutachtens vorzutragen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98, 99 mwN) und kann sich nicht – wie hier – darauf beschränken, die abweichende Passage zu zitieren.
14
2. Die von der Revision im Rahmen der Sachrüge vorgebrachten Angriffe gegen die Beweiswürdigung zeigen keinen Rechtsfehler auf (zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 199/15, juris Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 mwN). Die Einwände der Revision erschöpfen sich darin, festgestellte Beweisanzeichen anders zu gewichten und ihre eigene Beurteilung an die Stelle der Wertung des Tatrichters zu setzen. Dem Urteil ist auch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien vorgenommen hat. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
15
a) Soweit die Revision ausführt, das Landgericht habe nicht geprüft, ob das „Entlastungsindiz“, dass der Angeklagte des Öfteren mit Brandlegungen bedroht wurde, mit der These, der Angeklagte sei unschuldig, in Übereinstimmung gebracht werden könne, vermag sie keine revisionsrechtlich relevante Lücke in der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Die Revision verkennt, dass das Landgericht – gestützt auf die Angaben der früheren Ehefrau und die Auswertung der Telefonverbindungsdaten – zu der Überzeugung gelangt ist, dass es diese Anrufe nicht gab. Dass die Strafkammer dabei den Aussagen der Zeugen Kr. und N. keinen Beweiswert beigemessen hat, liegt im Rahmen tatrichterlicher Beweiswürdigung. Die an die Zurückweisung der Aussagen geknüpfte Folgerung, dass sich der Angeklagte beider Zeugen bedient habe, um die vermeintlichen Drohanrufe von ihnen bekunden zu lassen, ist ein möglicher Schluss und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN).
16
b) Die auf die Ausführungen des Brandsachverständigen gestützte Annahme der Strafkammer, das Haupthaar des Angeklagten sei durch die Stichflamme versengt worden, als er noch unmittelbar neben dem Fahrzeug stand und gerade im Begriff war, die Tür zu schließen, beruht ebenfalls auf möglichen Schlüssen, die das Revisionsgericht hinzunehmen hat. Gleiches gilt, soweit das Landgericht das Fehlen von weiteren Verletzungen beim Angeklagten für erklärbar hält und annimmt, dass der Täter zur Brandlegung mit dem Fahrzeugschlüssel die hintere Tür der Beifahrerseite öffnete. Davon, dass der Angeklagte zur Tatzeit die einzigen Fahrzeugschlüssel besaß, hat sich die Strafkammer rechtsfehlerfrei überzeugt.
17
c) Der von der Revision geltend gemachte Widerspruch zwischen der Feststellung, der Angeklagte sei im Zeitpunkt der Verpuffung gerade im Begriff gewesen, die hintere rechte Tür wieder zu verschließen und der festgestellten Druckwirkung liegt nicht vor. Der Auffassung der Revision, die Strafkammer habe mit dieser Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass die Tür noch unverschlossen gewesen sei, steht die weitere Feststellung entgegen, dass die Tür im Zeitpunkt der Verpuffung lediglich „noch nicht wieder vollständig ins Schloss gefallen war“.
18
d) Der Umstand, dass die Strafkammer von der Revision für möglich gehaltene nachträgliche Veränderungen am ausgebrannten Fahrzeug, etwa durch Polizeibeamte oder Feuerwehrleute, nicht erwogen hat, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Hierbei handelt es sich nicht um einen naheliegenden und deshalb ohne weiteres zu erörternden Geschehensverlauf (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 3 StR 564/09, NStZ 2010, 183). Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf Aktenbestandteile Bezug nimmt, fehlt es an der erforderlichen Verfahrensrüge.
19
3. Die weiter gehende Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

IV.


20
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt, soweit sie zu Ungunsten des Angeklagten eingelegt worden ist, zu einer Aufhebung der Entscheidung über die Bewährung. Im Übrigen zeigt sie keinen den Angeklagten begünstigenden oder beschwerenden (§ 301 StPO) Rechtsfehler auf.
21
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
22
a) Das Landgericht hat zu Recht davon abgesehen, den Angeklagten neben vollendeter Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB) auch wegen einer hierzu in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) stehenden versuchten Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 und 4, §§ 23 Abs. 1, 22 StGB zu verurteilen, obgleich er bei dem erfolgreichen Inbrandsetzen des Pkw seiner Mutter auch damit gerechnet und billigend in Kauf genommen hat, dass das von ihm gelegte Feuer auf die Garage der Eheleute T. und deren Pkw übergreifen konnte.
23
aa) § 52 Abs. 1 StGB erfasst zwar auch den Fall, dass dasselbe Strafgesetz durch eine Handlung mehrfach verletzt wird (sog. gleichartige Idealkonkurrenz ). Ob eine mehrere taugliche Tatobjekte beeinträchtigende Handlung zu einer mehrmaligen oder lediglich zu einer in ihrem Gewicht gesteigerten einmaligen Gesetzesverletzung geführt hat, hängt aber von dem in Rede stehenden Tatbestand ab. Stellt dieser auf die Verletzung von Gesamtheiten ab und wer- den keine höchstpersönlichen Rechtsgüter geschützt, so führt eine handlungseinheitliche Beeinträchtigung mehrerer Tatobjekte selbst dann nicht zu einer mehrfachen Verwirklichung des Tatbestands, wenn verschiedene Rechtsgutsträger geschädigt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2003 – 1 StR 474/02; BGHR StGB § 306 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 10. Februar 2009 – 3 StR 3/09, NStZ-RR 2009, 278, 279 [nur ein Diebstahl bei Wegnahme mehrerer Sachen verschiedener Eigentümer im Zuge einer Tatausführung ]; Beschluss vom 14. März 1969 – 2 StR 64/69, BGHSt 22, 350, 351; Sternberg-Lieben/Bosch in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 52 Rn. 24; von Heintschel-Heinegg in: MünchKommStGB, 2. Aufl., § 52 Rn. 105, Puppe in: NK-StGB, 3. Aufl., § 52 Rn. 22; Rissing-van Saan in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., 2007, § 52 Rn. 37; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 32. Abschnitt, Rn. 16 ff.; Jescheck, ZStW 67 [1955], 541, 547). So verhält es sich auch bei der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2003 – 1 StR 474/02; BGHR StGB § 306 Konkurrenzen 1; Wolf in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 306 Rn. 51), die als „quali- fiziertes Sachbeschädigungsdelikt”,dem auch ein Element der Gemeingefährlichkeit anhaftet (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2000 – 1 StR 438/00, NStZ 2001, 196, 197 mwN; weiterführend: Radtke, Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte , 1998, S. 382 f.) keine höchstpersönlichen Rechtsgüter schützt.
24
bb) Danach hat sich der Angeklagte durch das Inbrandsetzen des Pkw seiner Mutter auch mit Rücksicht auf das gleichzeitig für möglich gehaltene Übergreifen des Feuers auf die Garage und den Pkw der Eheleute T. nur einer (vollendeten) Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Dass hierbei mit der Garage auch ein Tatobjekt betroffen war, das § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Gebäude) unterfällt, ändert daran nichts. Unter den hier gegebenen Umständen liegt jedenfalls kein Fall vor, in dem das Unrecht der Tat nur als mehrfache Gesetzesverletzung erschöpfend gekennzeichnet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2003 – 1 StR 474/02; BGHR StGB § 306 Konkurrenzen 1). Ohne Bedeutung ist auch, dass die Brandstiftung insoweit im Versuchsstadium stecken geblieben ist. Wird ein zum Schutzgut gehörendes Tatobjekt beschädigt und die Schädigung weiterer Objekte nur versucht, ist der Tatbestand ebenfalls nur einmal verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2011 – 2 StR 272/11, zitiert nach juris; Beschluss vom 10. Februar 2009 – 3 StR 3/09, NStZ-RR 2009, 278, 279 [nur ein Diebstahl bei Wegnahme mehrerer Sachen und versuchter Wegnahme weiterer Sachen]; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Mai 2011 – 4 StR 659/10, BGHR StGB § 306 Abs. 1 Konkurrenzen 3 [Tateinheit bei Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB und versuchter schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB]).
25
b) Im Hinblick auf die brandbedingten Schäden an der Garage und dem Pkw der Eheleute T. kommt – entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft – auch nach der zwischenzeitlich erfolgten Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (§ 303c StGB) durch die Generalstaatsanwaltschaft Hamm eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB nicht in Betracht.
26
Grundsätzlich geht die vollendete Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB einer durch dieselbe Handlung verwirklichten Sachbeschädigung nach § 303 StGB als das speziellere Gesetz vor (Wolters in: SSW-StGB, 2. Aufl., § 306 Rn. 22 mwN). Das gilt auch hier, denn die in Bezug auf die Garage und den Pkw der Eheleute T. verursachten Schäden sind Bestandteile des durch die Inbrandsetzung des Pkw der Mutter des Angeklagten ausgelösten Rechtsgutsangriffs, der einheitlich als vollendete Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB zu bewerten ist.
27
Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse nach § 303c StGB noch in der Revisionsinstanz bejahen konnte, nachdem das Tatgericht seine Entscheidung, den Angeklagten nicht nach § 303 StGB zu verurteilen , auf das Fehlen eines Strafantrags und die unterbliebene Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses im ersten Rechtszug gestützt hatte, kann daher offenbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1975 – 3 StR 312/74, Rn. 2 zitiert nach juris; Urteil vom 3. Juni 1964 – 2 StR 208/64, BGHSt 19, 377, 379).
28
c) Schließlich ist der Angeklagte in Bezug auf die an seinem Wohnhaus entstandenen Schäden auch zu Recht nicht wegen fahrlässiger Brandstiftung gemäß § 306d Abs. 1 i.V.m. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt worden. Inso- weit fehlt es bereits an einem „teilweisen Zerstören“ im Sinne des § 306 Abs. 1 StGB, denn die festgestellten Beschädigungen an den Fenstern und der Tür im Erdgeschoss haben ersichtlich nicht dazu geführt, dass einzelne wesentliche Teile des Hauses, die seiner tatbestandlich geschützten Zweckbestimmung (Wohnen als Mittelpunkt menschlichen Lebens) entsprechen, unbrauchbar geworden sind oder seine tatbestandlich geschützte Zweckbestimmung brandbedingt aufgehoben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 1 StR 628/13, NJW 2014, 1123, Rn. 10; Urteil vom 12. September 2002 – 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20).
29
2. Auch der Strafausspruch enthält keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
30
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenwahl, konkrete Strafzumessung und Bestimmung der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, so dass das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 540; Urteil vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, NStZ 2008, 343, 344 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 mwN).
31
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten sowohl die Strafrahmenwahl, die konkrete Strafzumessung in Bezug auf die Einzelstrafen und die Bestimmung der Gesamtstrafe revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
32
Das Landgericht hat die Strafe für die Brandlegung dem durch § 306 Abs. 2 StGB (minder schwerer Fall) vorgegebenen Strafrahmen entnommen. Dabei hat es den zutreffenden Maßstab (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1975 – 2 StR 53/75, BGHSt 26, 97; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 85 mwN) ange- legt und mit dem geringen wirtschaftlichen Wert des zerstörten Fahrzeugs und dem Umstand, dass der Angeklagte selbst dessen alleiniger Nutzer war, gewichtige Milderungsgründe angeführt. Da die Strafkammer ausdrücklich auf das gesamte Tatbild abgestellt und auch strafschärfende Gesichtspunkte (vollständige Zerstörung des Pkw) erwogen hat, ist auch die Vornahme der gebotenen Gesamtabwägung noch hinreichend belegt. Soweit die Staatsanwaltschaft darauf abhebt, dass das Landgericht das Tatmotiv des Angeklagten (Ermöglichung einer Falschbezichtigung seiner früheren Ehefrau) nicht ausdrücklich als erschwerenden Umstand benannt hat, zeigt sie – auch mit Rücksicht auf die Tatsache, dass eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägun- gen weder vorgeschrieben noch möglich ist – keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Angesichts der ausführlichen Darstellung des Tatmotivs bei den Feststellungen zur Sache und im Rahmen der Beweiswürdigung sowie der tatmehrheitlichen Verurteilung wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB ist nicht zu besorgen, dass der Tatrichter dessen Bedeutung bei der Strafrahmenwahl nicht bedacht haben könnte.
33
3. Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung war hingegen aufzuheben, weil die Begründung dem Revisionsgericht die Nachprüfung nicht ermöglicht, ob das Landgericht zu Recht vom Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB ausgegangen ist.
34
Nicht anders als die Strafzumessung ist auch die Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, grundsätzlich Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 2007 – 4 StR 557/06, NStZ-RR 2007, 232, 233; Urteil vom 23. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367). Wird eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, müssen die Urteilsgründe in einer der revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Weise die dafür maßgebenden Gründe angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO). Dabei reichen formelhafte Wendungen oder die Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht aus (vgl. Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 110 mwN).
35
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Bewährungsentscheidung lediglich ausgeführt, dass es nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten die Erwartung hegt, dass dieser sich bereits die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dem hat es noch angefügt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft und erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Damit hat die Strafkammer im Wesentlichen nur den Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 StPO (positive Kriminalprognose) wiedergegeben. Welche besonderen Umstände vorliegen, die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 StPO die Strafaussetzung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren rechtfertigen, hat es nicht mitgeteilt. Hierzu bestand umso mehr Anlass, als bei einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren diese besonderen Umstände gewichtig sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1986 – 3 StR 265/86, NStZ 1987, 21; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 63. Aufl., § 56 Rn. 24).
36
Über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung muss daher erneut tatrichterlich verhandelt werden.
Sost-Scheible Franke Mutzbauer RiBGH Bender ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 132/12
vom
2. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. August 2012 an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 22. Dezember 2011 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 Alt. 1 StGB angenommen und diesen Sonderstrafrahmen nochmals gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten. Entgegen der Ansicht der Revision und des Generalbundesanwalts lässt aber auch die Strafzumessung im engeren Sinne im Ergebnis einen durchgreifenden, den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat insoweit zu Gunsten des Angeklag- ten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft, als Erstverbüßer und nicht Deutsch sprechender Ausländer besonders strafempfindlich sei und dass er sich bereits mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft befinde. Mildernd habe sich zudem ausgewirkt, dass er sich geständig eingelassen habe und durch die Tat auch selbst körperlich und psychisch verletzt worden sei. Das Landgericht hat "besondere Umstände, die sich zu seinen Lasten ausgewirkt hätten, nicht festgestellt". Dass es dennoch innerhalb des von ihm zugrunde gelegten Strafrahmens von drei Monaten bis sieben Jahre und sechs Monaten Freiheitsstrafe eine solche von fünf Jahren zugemessen hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
3
1. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, so dass das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen darf. Ein solcher kann etwa dann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind oder sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, nach oben oder unten löst (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 20 ff.; KKEngelhardt , 6. Aufl., § 267 Rn. 25 mwN). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entschei- den (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 - 3 StR 311/94, NStE Nr. 42 zu § 267 StPO mwN; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 18).
4
2. Nach diesen Maßstäben ist ein revisionsrechtlich bedeutsamer Fehler der Strafbemessung hier nicht ersichtlich.
5
a) Zunächst ist mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu besorgen, dass das Landgericht innerhalb des nach zweifacher Milderung gewählten Strafrahmens ausschließlich für den Angeklagten sprechende Gesichtspunkte erwogen und gleichwohl eine im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Strafe verhängt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23). Vielmehr hat das Landgericht auch gegen den Angeklagten sprechende Umstände festgestellt, diese aber ersichtlich lediglich nicht als bestimmend im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO angesehen und daher in den schriftlichen Urteilsgründen bei der Strafzumessung nicht angeführt. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung, es habe besondere Umstände zu seinen Lasten nicht feststellen können. Hinzuweisen ist etwa auf folgende Gesichtspunkte, die im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB gegen den Angeklagten sprechen: So nahm das Opfer den Angeklagten unmittelbar nach dessen Einreise aus Brasilien in seine Wohnung auf, gewährte ihm mehrere Wochen lang Unterkunft und führte mit ihm eine Liebesbeziehung. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer stach der Angeklagte mehrfach auf dieses ein, brachte ihm dabei (mindestens ) drei Stichverletzungen in den Hals bei und fügte dem nunmehr am Boden Liegenden mit einem Zimmermannshammer fünfzehn Kopfverletzungen zu, die zu trümmerartigen Brüchen des Hirnschädels und zum Tode führten. Diese besonderen Tatmodalitäten zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen , begegnet hier keinen rechtlichen Bedenken, da auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich ist, so dass für eine strafschärfende Verwertung der Handlungsintensität Raum bleibt, wenn auch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 - 1 StR 223/00, StV 2001, 615, 616).
6
b) Danach besteht entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kein Widerspruch zwischen der verhängten Freiheitsstrafe und der tatrichterlichen Bewertung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Namentlich kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass Strafschärfungsgründe gänzlich fehlten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar2003 - 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23) oder diese dem Landgericht bei der Strafzumessung völlig aus dem Blick geraten wären. Deshalb liegt auch eine rechtsfehlerhafte Lücke in der Begründung der Strafbemessung nicht vor. Die vom Generalbundesanwalt für seine gegenteilige Ansicht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2009 - 5 StR 241/09, NStZ-RR 2009, 336) hatte die Verhängung einer Strafe zum Gegenstand, die innerhalb des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB als "eine beträchtliche Übersetzung der erheblichen Mindeststrafe" unbegründet geblieben war. Hier ist dagegen die Strafe einem Strafrahmen entnommen, der sich infolge zweifacher Milderung des Regelstrafrahmens ergeben hatte. In diesen Fällen kann das Gewicht, das den Milderungsgründen zukommt, schon durch die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens so weit relativiert sein, dass es innerhalb dieses Strafrahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermag und die gegen den Täter sprechenden Umstände, insbesondere die Schwere der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1987 - 1 StR 77/87, BGHSt 34, 355, 359 ff.).
Becker Hubert Schäfer
Mayer Ri'in BGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 414/16
vom
13. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:130417B4STR414.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 27. April 2016 wird dieses im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch die in dem Zeitraum vom 17. Juli bis 31. Dezember 2014 von ihm begangenen verfahrensgegenständlichen Straftaten entstehen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen; im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch die verfahrensgegenständlichen Straftaten entstanden sind oder noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Adhäsionsentscheidung.
2
1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich das Folgende:
3
a) Die erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO dadurch , dass das Landgericht sich mit dem verlesenen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder auf deren Mutter im Urteil nicht auseinandergesetzt hat, greift nicht durch. Das Landgericht hat die Mutter der Geschädigten, die Verfasserin des Antragsschreibens war, in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommen. Dass sie in einem wesentlichen Punkt etwas anderes bekundet hat, als sich aus dem Antragsschreiben ergibt, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Der Senat schließt aus, dass die Beweiswürdigung auf der von der Revision geltend gemachten unterbliebenen Erörterung des Schreibens beruht.
4
Auch soweit die Revision die Erörterung von in dem Antragsschreiben angeführten Umständen bei der Strafzumessung vermisst, liegt ein Rechtsfehler nicht vor. Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240). Gemessen hieran sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht zu beanstanden.
5
b) Die Rüge, mit der eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung geltend gemacht wird, ist schon nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision versäumt es, wesentliche Verfahrensvorgänge mitzuteilen: Die Anklage vom 18. Februar 2015 wurde zunächst zum Jugendschöffengericht Soest erhoben, dessen Vorsitzender nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten unter dem 2. April 2015 die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens angeordnet hat. Das schriftliche Gutachten ging am 22. Juni 2015 bei dem Schöffengericht ein, das am 15. Juli 2015 die Akten mit der Bitte an die Staatsanwaltschaft übersandte, sie gemäß § 209 Abs. 2 StPO dem Landgericht Arnsberg vorzulegen. Durch eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans am 7. Oktober 2015 ging beim Landgericht die Zuständigkeit für das Verfahren auf eine andere Strafkammer über. Im Übrigen steht bereits die Gesamtdauer des Verfahrens – Tatzeiten zwischen dem 7. Juli 2014 und dem 31. Dezember 2014, Anzeigeerstattung am 2. Januar 2015, Urteil vom 27. April 2016 – der Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung entgegen.
6
2. Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
7
Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die weiteren bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten. Insofern hat die Adhäsionsklägerin weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sind und warum sie nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher insoweit am Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2016 – 4 StR 330/16, NStZ-RR 2017, 23, 24; vom 15. Dezember 2016 – 2 StR 380/16, jeweils mwN), zumal eine Fallgestaltung derart, dass bereits ein Feststellungsurteil – etwa wegen Beteiligung einer Versicherung oder der öffentlichen Hand auf Schuldnerseite – zu endgültiger Streitbeilegung führen würde (vgl. Zöller/ Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 8 mwN), im vorliegenden Fall weder dargetan noch sonst ersichtlich ist.
8
3. Der Senat hat im Hinblick auf den nur geringen Erfolg der Revision keinen Anlass, den Angeklagten teilweise von den Kosten und Auslagen des Rechtsmittels zu entlasten (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke