Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2017 - 1 StR 226/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt.
- 2
- Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.
- 3
- Sein Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
- 4
- Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der seit dem Jahr 1983 als Berufskraftfahrer für eine albanische Firma im internationalen Fernverkehr tätig war, in Brüssel zwei Pkws und ein Quad auf den Sattelschlepper zum Transport nach Albanien verladen. Anschließend fuhr er mit diesem Lkw nach Amsterdam und übernahm dort 9.114,93 g Kokain (Wirkstoffgehalt zwischen 79 % und 89 %). Das Kokain sollte er gegen ein Entgelt von 400 Euro und Vergütung der Tankkosten nach Albanien zum Gewinn bringenden Weiterverkauf transportieren und dort als weitere Entlohnung die zum Erwerb des Sattelschleppers benötigten 35.000 Euro erhalten. Als er in Bad Feilnbach einer Kontrolle unterzogen wurde, wurde das Kokain aufgefunden.
- 5
- Der Angeklagte war am 1. Juni 2005 vom Amtsgericht Struga (Republik Mazedonien) unter Aliaspersonalien in Abwesenheit wegen eines Betäubungsmitteldelikts zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Auf seinen am 19. Oktober 2012 gestellten Antrag wurde erneut, diesmal in seiner Anwesenheit, vor dem Amtsgericht Struga verhandelt. Mit Urteil vom 26. Juni 2013, rechtskräftig seit 18. Oktober 2013, wurde die erste Verurteilung bestätigt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 6. Dezember 2004 mit einem Mittäter in dem Anhänger eines Lkw-Gespanns 495,948 kg Haschisch von Albanien über die Grenze nach Mazedonien verbracht hatte. Bei der Vollstreckung der vom Amtsgericht Struga verhängten Freiheitsstrafe wurden die bezüglich dieser Straftat bereits im Ausland verbüßten Haftzeiten (vom 1. November 2005 bis zum 24. April 2009 in Albanien; Auslieferungshaft vom 15. April 2012 bis zum 10. Oktober 2012) angerechnet.
II.
- 6
- Die Nachprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
- 7
- 1. Der Schuldspruch wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen getragen. Die Fest- stellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Dieser liegen die Aussagen der die Kontrolle durchführenden Beamten, die Auswertung der beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone, die Begutachtung der aufgefundenen Betäubungsmittel und das nach Vernehmung sämtlicher Zeugen im Rahmen einer Verteidigererklärung abgegebene Geständnis des Angeklagten zugrunde. Die Feststellungen zur Vorahndung stützen sich auf das verlesene Urteil des Amtsgerichts Struga vom 26. Juni 2013 sowie die Angaben des Angeklagten , der die Verurteilung unter der Aliaspersonalie „ D. “ bestä- tigt hatte.
- 8
- 2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 9
- a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, BFH/NV 2016, 719; jeweils mwN). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, wistra 2017, 242 mwN). Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106).
- 10
- b) Rechtsfehler in dem vorgenannten Sinn liegen nicht vor.
- 11
- aa) Das Landgericht hat bei der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens das Vorliegen eines minder schweren Falls der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 2 BtMG) mit tragfähigen Erwägungen verneint und hierbei den Umstand, dass die in den 9.114,93 g Kokain enthaltene Wirkstoffmenge an Kokainhydrochlorid den Grenzwert zur nicht geringen Menge um das 1570-fache überschritt, als wesentlichen Gesichtspunkt in die Gesamtbetrachtung eingestellt.
- 12
- bb) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht strafschärfend herangezogen, dass der Angeklagte durch die Verurteilung eines ausländischen Gerichts, die die Einfuhr einer großen Menge an Betäubungsmitteln in einem Lkw in die Republik Mazedonien zum Gegenstand hatte, einschlägig vorgeahndet war. Das Landgericht hat insoweit berücksichtigt, dass diese Tat zwar über elf Jahre zurücklag , aber erst drei Jahre vor der nun gegenständlichen Tat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, und weder diese Verurteilung noch die in dieser Sache in Albanien und Mazedonien verbüßte Haftzeit (UA S. 4, 12) den Angeklagten davon abhalten konnten, erneut mit seinem Lkw als Drogenkurier tätig zu werden und wieder eine ganz erhebliche Betäubungsmittelmenge – diesmal sogar eine „harte Droge“ – zu transportieren.
- 13
- cc) Keinen Rechtsfehler stellt es dar, dass das Landgericht den Umstand , dass der Angeklagte bereits zuvor in der Republik Mazedonien zu einer langen und vom zeitlichen Ablauf nicht gesamtstrafenfähigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war und nun wieder zu einer langen Freiheitsstrafe, einer sol- chen von 12 Jahren, verurteilt wurde, nicht als strafmildernden Zumessungsgesichtspunkt berücksichtigt hat.
- 14
- Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15, NStZ 2016, 605, 606 f. und vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 mwN; Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 414/16, StraFo 2017,
196).
- 15
- Die Strafkammer hat festgestellt, dass bei der Vollstreckung der vom Amtsgericht Struga verhängten Freiheitsstrafe die in dieser Sache in Albanien verbüßten Haftzeiten (einschließlich Auslieferungshaft) vom 1. November 2005 bis zum 24. April 2009 und vom 15. April 2012 bis zum 10. Oktober 2012 angerechnet worden sind (UA S. 4). Nach den Urteilsgründen (UA S. 12: „… noch die in dieser Sache in Albanien und Mazedonien verbüßte Haftzeit …“) und den mitgeteilten Daten der Verurteilungen in Mazedonien hat der Angeklagte nach seiner Auslieferung an die Republik Mazedonien mindestens bis zum Erlass der in seiner Anwesenheit ergangenen Verurteilung vom 26. Juni 2013 (UA S. 3) weitere knapp neun Monate Haft verbüßt, so dass er bereits mehr als vier Jahre und sieben Monate der in Mazedonien verhängten Freiheitsstrafe von sieben Jahren verbüßt hatte. Angesichts dessen war eine ausdrückliche Erörterung des (möglicherweise) in der Republik Mazedonien noch zu verbüßenden Strafrests entbehrlich. Raum Bellay Fischer Bär Hohoff
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Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.