Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2004 - 1 StR 140/04

bei uns veröffentlicht am22.10.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 140/04
vom
22. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
19. Oktober 2004 in der Sitzung am 22. Oktober 2004, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
- jeweils in der Verhandlung vom 19. Oktober 2004 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
- in der Sitzung am 22. Oktober 2004 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. November 2003 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und die durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten.

Von Rechts wegen

Gründe:

Den Angeklagten liegt zur Last, in der Zeit von Juni 1995 bis Oktober 2002 teilweise allein, überwiegend gemeinschaftlich und unter Drohung von Waffen Geldinstitute überfallen und dabei rund 1,8 Millionen Euro erbeutet zu haben. Bei den gemeinschaftlich begangenen Überfällen suchten sich die Angeklagten überwiegend ländliche Geldinstitute ohne Sicherheitsverglasung mit maximal vier bis sechs Angestellten sowie in Orten aus, in deren Nähe es keine Polizeidienststelle gibt. Der Angeklagte T. reiste eigens aus Griechenland zu den Überfällen an. Entsprechend ihrer Planung nutzten die Angeklagten das Überraschungsmoment aus, als einer von beiden die Angestellten oder Kunden mit einer ungeladenen Schreckschußwaffe bedrohte, während der andere sofort den Tresen überstieg, um das Auslösen der Alarmanlage zu verhindern. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in fünf
Fällen und wegen schwerer räuberischer Erpressung in fünfzehn Fällen, davon in sieben Fällen begangen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Dem Angeklagten T. hat es die Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist von drei Jahren entzogen und den Führerschein eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten , ausweislich der Revisionsbegründung auf den Strafausspruch und die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Beschwerdeführerin erstrebt die Verhängung höherer Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafen sowie die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Die Strafaussprüche sind rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf nur folgendes :
1. Die Strafkammer durfte beim Angeklagten T. strafmildernd berücksichtigen, daß er von seinem Mittäter in die Taten hineingezogen wurde. Die ausländerrechtlichen Folgen der Verurteilung T. die in s, der Regel kein bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt sind, waren erkennbar kein gewichtiger Milderungsgrund.
2. Auch die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe des Angeklagten B. weist keinen Rechtsfehler auf. Die von der Strafkammer angenommene Einsicht und Reue dieses Angeklagten ist noch tragfähig begründet.

II.


Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB sind hier gegeben.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat bei beiden Angeklagten zutreffend einen Hang i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht. Das versteht sich bei der hier vorliegenden Tatserie von selbst.
3. Die Strafkammer hat für beide Angeklagten, bezogen auf den Urteilszeitpunkt , angenommen, von ihnen seien keine weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten zu erwarten, so daß sie für die Allgemeinheit nicht gefährlich seien (UA S. 33/34). Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB darf der Tatrichter dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs Bedeutung beimessen, wenn sie - nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung - eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten lassen (vgl. BGH, Urt. vom 18. Oktober 1994 - 1 StR 576/94; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6).
Dies hat die Strafkammer bedacht. Die Erwägung der Strafkammer, die Angeklagten würden aufgrund ihrer Intelligenz "bei künftiger Risikoabwägung hinsichtlich neuer autonomer Tatentschlüsse unter dem Eindruck des Verfahrens erkennen, daß gleichartige oder ähnliche Taten in der Zukunft unweigerlich auf sie weisen und wegen der bei der Polizei gespeicherten Daten leichter
zu beweisen sein werden, daß sie damit praktisch kaum mehr eine Chance haben werden, unentdeckt zu bleiben" ist in diesem Zusammenhang allerdings mißverständlich. Darauf hat die Beschwerdeführerin zu Recht hingewiesen.
Die Strafkammer hat aber weiter - und ersichtlich tragend - darauf abgestellt , daß die beiden Angeklagten nicht nur bei der Polizei, sondern auch in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgegeben haben, in dem sie der Strafkammer ihre Distanzierung von ihrem bisher durch die Straftaten bestimmten Lebensstil und ihre Umkehr glaubhaft versichert haben. Dies ist ein rechtlich zutreffender Ansatz. Die Strafkammer hat sich bei ihrer Überzeugungsbildung nicht nur auf eine "bloße Hoffnung" sich künftig ändernder Lebensumstände gestützt. Sie hat vor dem Hintergrund der Herkunft beider Angeklagten , ihrer bisherigen persönlichen Entwicklung und der durch die Festnahme bewirkten Beendigung der Tatserie abgegebenen glaubhaften, mit den polizeilichen Ermittlungen übereinstimmenden Geständnisse eine einschneidende Änderung in den persönlichen Lebensbereichen der Angeklagten zwischen Tatbegehung und dem für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung angenommen. Auch sind beide Angeklagten vor ihren Taten noch nicht - der AngeklagteT. - oder jedenfalls nicht einschlägig bestraft worden - so der Angeklagte B. - und haben beide noch keine Freiheitsstrafen verbüßt.
Vor dem Hintergrund dieser vom Tatrichter als ernsthaft angesehenen Distanzierung von einer Tatserie und dem bekundeten ernsthaften Umkehrwillen stellt es hier keinen Rechtsfehler dar, daß die Strafkammer allein die langjährigen Freiheitsstrafen verhängt hat. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Tatrichter die Möglichkeit haben, sich auf die Verhängung einer Frei-
heitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, daß sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen läßt. Damit kann der Tatrichter dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 66 Abs. 2 StGB Rechnung tragen, der sich daraus ergibt, daß Absatz 2 - im Gegensatz zu Absatz 1 - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (vgl. Hanack in LK StGB 12. Aufl. § 66 Rdn. 173, 50 ff. unter Hinweis auf die Berichte des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform). Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind dabei wichtige Kriterien , die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen dieser Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind (BGH NStZ 1984, 309; 1996, 331; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 1). Die Strafkammer hat im einzelnen dargelegt, sie habe sich deshalb mit den Wirkungen der verhängten Freiheitsstrafen und den Auswirkungen des Strafvollzugs auf die Angeklagten auseinandergesetzt, weil sie hohe Freiheitsstrafen verhängt habe. Die Angeklagten würden nach Verbüßung von zwei Dritteln frühestens in rund achteinhalb Jahren wieder in Freiheit sein, die lange Verbüßungsdauer bringe Entwöhnung vom bisherigen Lebensstil und von der bisherigen Anspruchshaltung und sie rücke bei beiden Angeklagten andere Werte wie Freiheit und Kontakt mit der Familie in den Vordergrund.
Diese Entscheidung des Tatrichters ist (wie jede Prognose) vom Revisionsgericht nur in begrenztem Umfang nachprüfbar (BGH StV 2002, 479) und vom Senat hinzunehmen.

III.


Mit der Möglichkeit der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB setzt sich das angefochtene Urteil zu Recht nicht auseinander. Darin liegt kein Rechtsfehler. Die am 28. August 2002 (BGBl. I S. 3344) in Kraft getretene Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn zum einen ein Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festgestellt ist und wenn zum anderen eine erhebliche, naheliegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gefährlich ist und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung aus dem Strafvollzug sein wird. Diese zweite Voraussetzung liegt hier nicht vor.
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

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Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 66a Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn 1. jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,2. die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit diese

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Tenor 1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 27. August 2004 aufgehoben. 2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird der folgende dingliche Arrest erlassen: Z

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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.