Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 382/10
vom
25. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. November
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der
Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der
Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. April 2010 im Strafausspruch und soweit das Landgericht von einer Maßregelanordnung abgesehen hat mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten und der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner bestimmt, dass wegen der überlangen Verfahrensdauer sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Obwohl die Beschwerdeführerin ausschließlich die unterbliebene Anordnung der Sicherungsverwahrung beanstandet, liegt keine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Maßregel vor, da die Strafkammer einen ausdrücklichen Bezug zwischen der Sicherungsverwahrung und der Höhe der verhängten Strafe hergestellt hat (BGH, Urteil vom 4. November 2009 - 2 StR 347/09, NStZ-RR 2010, 77, 78). Vom Rechtsmittelangriff nicht erfasst ist hingegen der von der Strafe und der Maßregelanordnung unabhängige Ausspruch über die Kompensation für eine verzögerte Verfahrensführung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135).
2
Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trat der zum Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils 64 Jahre alte Angeklagte seit seiner Jugend vielfach strafrechtlich in Erscheinung. Im Jahr 1972 wurde er wegen Mordes in Tateinheit mit Unzucht mit einem Kind sowie wegen zwei weiteren Sexualdelikten zu neun Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Opfer des Tötungsdelikts war sein 22 Monate alter Neffe. Nach Verbüßung der Strafhaft bis Ende 1979 fiel er bis zum Jahr 1997 nur wegen geringfügiger Straftaten auf, die mit Geldstrafen geahndet wurden. Ende 1997 erfolgte eine Verurteilung wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Diese Strafe wurde in ein Urteil aus dem Jahr 1999 einbezogen, in welchem gegen den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren erkannt wurde. Opfer der Taten war die damalige Lebensgefährtin des Angeklagten , die er seit 1995 kannte. Auch diese Strafe verbüßte der Angeklagte vollständig bis Mitte des Jahres 2002.
4
Am 7. Mai 2003 beging er die verfahrensgegenständliche Tat zum Nachteil einer Prostituierten. Der alkoholisierte Angeklagte, der mit dem Tatopfer die Durchführung des Oralverkehrs gegen Entgelt vereinbart hatte, wurde während Vornahme der sexuellen Handlungen zunehmend aggressiv und verlangte von der Geschädigten, mit ihm vaginal zu verkehren, was diese verweigerte. Daraufhin schlug er sie mehrfach mit der Hand und mit Fäusten u.a. wiederholt heftig in das Gesicht und bedrohte sie mit einer geladenen Gaspistole, um den vaginalen Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Unter dem Eindruck der Schläge und der Drohung mit der Waffe kam das Opfer dem Verlangen des Angeklagten nach und führte mit ihm erneut den Oral- sowie den vaginalen Verkehr aus. Der Angeklagte befand sich wegen dieser Tat bis August 2003 in Untersuchungshaft.
5
Zuletzt wurde er am 16. Juni 2006 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu der einbezogenen Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der damals 60jährige Angeklagte hatte am 9. November 2005 nach dem Genuss von Alkohol einen ihm unbekannten Mann unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt, wo er ihn mit Faustschlägen zum Oralverkehr zwang und die Durchführung des Analverkehrs versuchte. In dieser Sache befand sich der Angeklagte bei Erlass des angefochtenen Urteils in Strafhaft; die viereinhalbjährige Freiheitsstrafe hatte er zu diesem Zeitpunkt "fast vollständig" verbüßt.
6
2. Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB vorliegen. Sachverständig beraten hat es vor dem Hintergrund einer auf einer dissozialen Persönlichkeitsstörung beruhenden charakterlichen Anlage zudem rechtsfehlerfrei einen Hang des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festgestellt, aufgrund dessen zu besorgen ist, dass er weitere erhebliche Straftaten, namentlich sexuell getönte Aggressionsdelikte begehen wird. Beanstandungsfrei hat die Strafkammer dabei für die von ihr bejahte Gefährlichkeit des Angeklagten auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung abgestellt (BGH, Beschluss vom 13. März 2007 - 5 StR 499/06, NStZ 2007, 401; Rissing-van Saan/Peglau in LK, 12. Aufl., § 66 Rn. 207 mwN).
8
b) Damit stand die Anordnung der Sicherungsverwahrung im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dies hat das Landgericht zwar nicht verkannt. Indes weist die Ermessensentscheidung, mit der es die Anordnung der Maßregel abgelehnt hat, durchgreifende rechtliche Mängel auf.
9
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es maßgeblich darauf abgestellt , dass der Angeklagte nach Verbüßung der langjährigen Freiheitsstrafe im Zeitpunkt seiner voraussichtlichen Haftentlassung nahezu das 70. Lebensjahr vollendet haben wird. Es ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass in diesem Alter erfahrungsgemäß die Antriebsdynamik und die Tendenz nachlasse , sich in Konfliktsituationen zu begeben. Zudem verhalte sich der Angeklagte in der Haft wenig auffällig, was - ebenso wie seine delinquenzfreie Zeit in den Jahren 1979 bis 1993 - dafür spreche, dass er unter stabilisierenden Lebensbedingungen in der Lage sei, sich rechtstreu zu verhalten. Ein "wichtiger Schritt" zu einer straffreien Lebensführung sei allerdings seine Alkoholabstinenz. Aufgrund dieser Umstände ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei einer sorgfältigen Entlassungsplanung und einer geeigneten Ausgestaltung der Führungsaufsicht, etwa bei Erteilung einer Therapieweisung zur Verhinderung eines Alkoholrückfalls, nach Ablauf der Haftzeit die Rückfallgefahr deutlich reduziert und deshalb die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht unerlässlich sei.
10
Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tatrichter bei seiner Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 StGB den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und dem Alter des Angeklagten nach der Strafverbüßung Bedeutung beimessen darf. Doch sind diese Umstände nur dann beachtlich, wenn zu erwarten ist, dass sie eine präventive Wirkung entfalten und beim Angeklagten zu einer Haltungsänderung führen werden. Diese Erwartung ist im Einzelfall in Bezug auf den Angeklagten und unter Berücksichtung aller Umstände , die seine Gefährlichkeit begründen, zu erörtern und für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 20. Juli 1988 - 2 StR 348/88 - und vom 28. Mai 1998 - 4 StR 17/98, BGHR StGB § 66 Abs. 2, Ermessensentscheidung 3 und 6; Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 140/04, NStZ 2005, 211 jew. mwN).
11
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil aber nicht gerecht; denn das Landgericht hat die Ablehnung der Maßregelanordnung nicht widerspruchsfrei begründet und sich mit einem wesentlichen Umstand, der eine andere Entscheidung nahe legen könnte, nicht auseinandergesetzt. Im Einzelnen:
12
Die Strafkammer hat - den Sachverständigen folgend - eine Alkoholabstinenz als maßgebliches Prognosekriterium für eine straffreie Lebensführung des Angeklagten nach seiner Haftentlassung angesehen, eine Rückfallgefahr jedoch durch eine entsprechende Therapieweisung im Rahmen der Führungsaufsicht für beherrschbar erachtet. Letzteres widerspricht jedoch der Begründung , mit welcher das Landgericht die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat. Denn in diesem Zusam- menhang hat es - für sich genommen rechtsfehlerfrei - dargelegt, die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB sei "von vorneherein aussichtslos", da die Wurzel des vom Angeklagten langjährig betriebenen erheblichen Alkoholmissbrauchs dessen nicht behandel- und korrigierbare, verfestigte dissoziale Persönlichkeitsstörung sei. Zudem streite der Angeklagte eine Missbrauchsproblematik konsequent ab. Diese Ausführungen legen jedoch nahe, dass der Alkoholmissbrauch des Angeklagten einer therapeutischen Aufarbeitung nicht zugänglich ist. Sie stehen damit in einem nicht aufgelösten Widerspruch zu der bei der Prognoseentscheidung zur Sicherungsverwahrung vertretenen und nicht näher begründeten Auffassung der Strafkammer, dem Alkoholproblem des Angeklagten könne nach seiner Haftentlassung mit einer Therapieweisung ausreichend begegnet werden.
13
Darüber hinaus hat sich das Landgericht nicht erkennbar mit dem für die Prognose wesentlichen Gesichtspunkt auseinandergesetzt, dass weder der mehrfache, jeweils langjährige Strafvollzug in der Vergangenheit noch der Vollzug von nahezu der Hälfte der im angefochtenen Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe beim Angeklagten zu einer Haltungsänderung geführt hat. Vor dem Hintergrund, dass die Strafkammer noch bei Erlass des Urteils - mithin zu einem Zeitpunkt, als der Angeklagte schon viereinhalb Jahre der erkannten Strafe verbüßt und bereits das 64. Lebensjahr vollendet hatte - aufgrund der verfestigten Persönlichkeitsstörung eine fortdauernde Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht hat, war dies indes unerlässlich. Denn unter den hier gegebenen Umständen versteht es sich nicht von selbst, dass - anders als dies bei einem Täter, der erstmals eine langjährige Strafe zu verbüßen hat, der Fall sein kann (BGH, Urteil vom 20. Juli 1988 - 2 StR 348/88 und Beschluss vom 4. Januar 1994 - 4 StR 718/93, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3 und 5) - die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe und das fortschreitende Alter eine ausreichende Grundlage für die Erwartung sind, der Angeklagte werde sich nunmehr allein die weitere Strafverbüßung zur Warnung dienen lassen. Die Strafkammer hätte dies erwägen und in nachvollziehbarer Weise über die vorgenannten allgemeinen Prognosekriterien hinaus konkrete Umstände darlegen müssen, weshalb eine solche Erwartung hier gleichwohl gerechtfertigt ist. Hieran fehlt es.
14
3. Nach alledem muss über die Anordnung der Sicherungsverwahrung neu befunden werden. Da die Strafkammer einen Bezug zur Höhe der Strafe hergestellt hat und nicht auszuschließen ist, dass die Gesamtstrafe bei Anordnung der Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre, hebt der Senat - insoweit zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - auch den Strafausspruch auf. Der neue Tatrichter wird zudem erneut über die Frage einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB zu entscheiden haben.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2010 - 3 StR 382/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2010 - 3 StR 382/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2010 - 3 StR 382/10 zitiert 4 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2010 - 3 StR 382/10 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2010 - 3 StR 382/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Aug. 2009 - 3 StR 250/09

bei uns veröffentlicht am 27.08.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 250/09 vom 27. August 2009 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja _________________________ MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1 Die Aufhebung eines t

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2004 - 1 StR 140/04

bei uns veröffentlicht am 22.10.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 140/04 vom 22. Oktober 2004 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schweren Raubes u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. Oktober 2004 in der Sitzung
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2010 - 3 StR 382/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - 3 StR 374/11

bei uns veröffentlicht am 20.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 374/11 vom 20. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - z

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2013 - 3 StR 148/13

bei uns veröffentlicht am 11.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 148/13 vom 11. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juli 2013, an der teilgenommen

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 250/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im
Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur
revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - LG Hannover
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten , auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe zu Unrecht einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Die angefochtene Kompensationsentscheidung kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in die- sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen Urteils vom 15. Februar 2008 entgegen.
3
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 MRK geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das Landgericht im Urteil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausgeführt , die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form erhoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Beschluss vom 7. August 2008 (3 StR 274/08) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben sowie die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision hatte er verworfen.
5
Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene Urteil erlassen.
Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des Ermittlungsverfahrens den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt hätten.
6
2. Das Landgericht durfte die angefochtene Kompensationsentscheidung nicht treffen. Hierzu gilt:
7
Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Wohlers in SK-StPO § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschränkung geltenden Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie Unterbringungsanordnungen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 1983 - 3 StR 215/83 Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im Urteilstenor bzw. der Beschlussformel der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten Rechts- folgen der Tat (vgl. Kuckein aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch BGHSt 14, 381, 382).
8
Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berücksichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Urteils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaatswidrigen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Jedoch hat der Große Senat für Strafsachen dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. Vollstreckungslösung ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen:
9
Enthält ein landgerichtliches Urteil - wie hier die ursprüngliche Entscheidung der Strafkammer vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentscheidung für eine bis zur Urteilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den Urteilsgründen ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden kann (vgl. BGHSt 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 MRK vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil neben dem Strafausspruch aufhebt, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine solche Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der Verfahrensverzögerung ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich ohne Belang.
10
Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines Urteils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des Revisionsgerichts liegenden Verstoßes gegen Art. 6 MRK eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Strafzumessung und den Maßregelausspruch zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Entschädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 MRK nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzögerung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BGHSt 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu gewähren ist.
11
Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur sog. Vollstreckungslösung ergangene teilweise Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch den Beschluss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der Zeit bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft eingetreten. Das Landgericht durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden.
12
3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 MRK zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht völlig untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von Verfahrensverzögerungen , die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhebung des tatgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. BGH NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständlichen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das Landgericht nicht festgestellt. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 140/04
vom
22. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
19. Oktober 2004 in der Sitzung am 22. Oktober 2004, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
- jeweils in der Verhandlung vom 19. Oktober 2004 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
- in der Sitzung am 22. Oktober 2004 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. November 2003 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und die durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten.

Von Rechts wegen

Gründe:

Den Angeklagten liegt zur Last, in der Zeit von Juni 1995 bis Oktober 2002 teilweise allein, überwiegend gemeinschaftlich und unter Drohung von Waffen Geldinstitute überfallen und dabei rund 1,8 Millionen Euro erbeutet zu haben. Bei den gemeinschaftlich begangenen Überfällen suchten sich die Angeklagten überwiegend ländliche Geldinstitute ohne Sicherheitsverglasung mit maximal vier bis sechs Angestellten sowie in Orten aus, in deren Nähe es keine Polizeidienststelle gibt. Der Angeklagte T. reiste eigens aus Griechenland zu den Überfällen an. Entsprechend ihrer Planung nutzten die Angeklagten das Überraschungsmoment aus, als einer von beiden die Angestellten oder Kunden mit einer ungeladenen Schreckschußwaffe bedrohte, während der andere sofort den Tresen überstieg, um das Auslösen der Alarmanlage zu verhindern. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in fünf
Fällen und wegen schwerer räuberischer Erpressung in fünfzehn Fällen, davon in sieben Fällen begangen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Dem Angeklagten T. hat es die Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist von drei Jahren entzogen und den Führerschein eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten , ausweislich der Revisionsbegründung auf den Strafausspruch und die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Beschwerdeführerin erstrebt die Verhängung höherer Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafen sowie die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Die Strafaussprüche sind rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf nur folgendes :
1. Die Strafkammer durfte beim Angeklagten T. strafmildernd berücksichtigen, daß er von seinem Mittäter in die Taten hineingezogen wurde. Die ausländerrechtlichen Folgen der Verurteilung T. die in s, der Regel kein bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt sind, waren erkennbar kein gewichtiger Milderungsgrund.
2. Auch die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe des Angeklagten B. weist keinen Rechtsfehler auf. Die von der Strafkammer angenommene Einsicht und Reue dieses Angeklagten ist noch tragfähig begründet.

II.


Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB sind hier gegeben.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat bei beiden Angeklagten zutreffend einen Hang i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht. Das versteht sich bei der hier vorliegenden Tatserie von selbst.
3. Die Strafkammer hat für beide Angeklagten, bezogen auf den Urteilszeitpunkt , angenommen, von ihnen seien keine weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten zu erwarten, so daß sie für die Allgemeinheit nicht gefährlich seien (UA S. 33/34). Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB darf der Tatrichter dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs Bedeutung beimessen, wenn sie - nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung - eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten lassen (vgl. BGH, Urt. vom 18. Oktober 1994 - 1 StR 576/94; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6).
Dies hat die Strafkammer bedacht. Die Erwägung der Strafkammer, die Angeklagten würden aufgrund ihrer Intelligenz "bei künftiger Risikoabwägung hinsichtlich neuer autonomer Tatentschlüsse unter dem Eindruck des Verfahrens erkennen, daß gleichartige oder ähnliche Taten in der Zukunft unweigerlich auf sie weisen und wegen der bei der Polizei gespeicherten Daten leichter
zu beweisen sein werden, daß sie damit praktisch kaum mehr eine Chance haben werden, unentdeckt zu bleiben" ist in diesem Zusammenhang allerdings mißverständlich. Darauf hat die Beschwerdeführerin zu Recht hingewiesen.
Die Strafkammer hat aber weiter - und ersichtlich tragend - darauf abgestellt , daß die beiden Angeklagten nicht nur bei der Polizei, sondern auch in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgegeben haben, in dem sie der Strafkammer ihre Distanzierung von ihrem bisher durch die Straftaten bestimmten Lebensstil und ihre Umkehr glaubhaft versichert haben. Dies ist ein rechtlich zutreffender Ansatz. Die Strafkammer hat sich bei ihrer Überzeugungsbildung nicht nur auf eine "bloße Hoffnung" sich künftig ändernder Lebensumstände gestützt. Sie hat vor dem Hintergrund der Herkunft beider Angeklagten , ihrer bisherigen persönlichen Entwicklung und der durch die Festnahme bewirkten Beendigung der Tatserie abgegebenen glaubhaften, mit den polizeilichen Ermittlungen übereinstimmenden Geständnisse eine einschneidende Änderung in den persönlichen Lebensbereichen der Angeklagten zwischen Tatbegehung und dem für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung angenommen. Auch sind beide Angeklagten vor ihren Taten noch nicht - der AngeklagteT. - oder jedenfalls nicht einschlägig bestraft worden - so der Angeklagte B. - und haben beide noch keine Freiheitsstrafen verbüßt.
Vor dem Hintergrund dieser vom Tatrichter als ernsthaft angesehenen Distanzierung von einer Tatserie und dem bekundeten ernsthaften Umkehrwillen stellt es hier keinen Rechtsfehler dar, daß die Strafkammer allein die langjährigen Freiheitsstrafen verhängt hat. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Tatrichter die Möglichkeit haben, sich auf die Verhängung einer Frei-
heitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, daß sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen läßt. Damit kann der Tatrichter dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 66 Abs. 2 StGB Rechnung tragen, der sich daraus ergibt, daß Absatz 2 - im Gegensatz zu Absatz 1 - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (vgl. Hanack in LK StGB 12. Aufl. § 66 Rdn. 173, 50 ff. unter Hinweis auf die Berichte des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform). Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind dabei wichtige Kriterien , die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen dieser Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind (BGH NStZ 1984, 309; 1996, 331; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 1). Die Strafkammer hat im einzelnen dargelegt, sie habe sich deshalb mit den Wirkungen der verhängten Freiheitsstrafen und den Auswirkungen des Strafvollzugs auf die Angeklagten auseinandergesetzt, weil sie hohe Freiheitsstrafen verhängt habe. Die Angeklagten würden nach Verbüßung von zwei Dritteln frühestens in rund achteinhalb Jahren wieder in Freiheit sein, die lange Verbüßungsdauer bringe Entwöhnung vom bisherigen Lebensstil und von der bisherigen Anspruchshaltung und sie rücke bei beiden Angeklagten andere Werte wie Freiheit und Kontakt mit der Familie in den Vordergrund.
Diese Entscheidung des Tatrichters ist (wie jede Prognose) vom Revisionsgericht nur in begrenztem Umfang nachprüfbar (BGH StV 2002, 479) und vom Senat hinzunehmen.

III.


Mit der Möglichkeit der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB setzt sich das angefochtene Urteil zu Recht nicht auseinander. Darin liegt kein Rechtsfehler. Die am 28. August 2002 (BGBl. I S. 3344) in Kraft getretene Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn zum einen ein Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festgestellt ist und wenn zum anderen eine erhebliche, naheliegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gefährlich ist und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung aus dem Strafvollzug sein wird. Diese zweite Voraussetzung liegt hier nicht vor.
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.