Bundesgerichtshof Urteil, 18. Feb. 2016 - RiSt (R) 1/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:180216URISTR1.15.0
bei uns veröffentlicht am18.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden - Dienstgerichtshof für Richter - vom 27. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, das Sächsische Staatsministerium der Justiz, führt gegen die Beklagte eine Disziplinarklage mit dem Ziel, deren monatliche Dienstbezüge für die Dauer von zwei Jahren um 1/10 zu kürzen.

2

Die im November 1957 geborene Beklagte ist seit 1992 als Richterin beim Arbeitsgericht C.      tätig und wurde im Jahr 1994 zur Richterin am Arbeitsgericht ernannt.

3

Mit Schreiben des Klägers vom 27. August 2004 wurde der Beklagten aufgegeben, in jedem künftigen Fall der Dienstunfähigkeit den Nachweis bereits am ersten Tag des Fernbleibens vom Dienst durch amtsärztliches Attest vom gleichen Tag zu führen. In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stellte das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. November 2005 - 3 BS 222/05 - fest, dass die Anordnung vor dem Hintergrund, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2005 noch Anhaltspunkte für eine fortdauernde Alkoholsucht der Beklagten anzunehmen waren, rechtmäßig sei. Die gegen diese Anordnung in der Hauptsache erhobene Klage nahm die Beklagte im Februar 2006 zurück. Die Anordnung ist bislang nicht aufgehoben worden.

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In einem Verfahren vor dem Dienstgerichtshof schlossen die Parteien am 18. August 2010 eine Vereinbarung, wonach sich die Beklagte verpflichtete, bis einschließlich August 2011 bei jeder Dienstunfähigkeit schon am ersten Tag den Amtsarzt aufzusuchen und die Dienstunfähigkeit bestätigen zu lassen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger bis einschließlich August 2011 aus den Fehlzeiten im Zeitraum von September 2008 bis August 2010 keine Sanktionen herzuleiten, solange die Beklagte jede Dienstunfähigkeit schon am ersten Tag vom Amtsarzt bestätigen lasse. Für diesen Fall hatte der Kläger sich zudem verpflichtet, die Anordnung vom 27. August 2004 aufzuheben.

5

Der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts informierte den Kläger mit Schreiben vom 8. und vom 14. Oktober 2010 sowie vom 7. Januar 2011 über Zeiten, in denen die Beklagte dem Dienst wiederum unter Hinweis auf das Bestehen einer krankheitsbedingten Verhinderung ferngeblieben sei, ohne zum Nachweis entsprechende amtsärztliche Atteste vorzulegen.

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Mit Verfügung vom 27. Januar 2011 leitete das Sächsische Staatsministerium der Justiz, nach einer entsprechenden Ankündigung vom 21. Oktober 2010, ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagte ein und zog dieses an sich. Der Beklagten wurde zur Last gelegt, im Zeitraum vom 12. September 2008 bis zum 11. Juni 2010 insgesamt achtmal vom Dienst ferngeblieben zu sein, ohne ein amtsärztliches Attest vorgelegt zu haben. Insoweit liege der Verdacht vor, sie habe gegen die Anordnung vom 27. August 2004 verstoßen. Aufgrund dieses Verhaltens habe sie sich verdächtig gemacht, gegen ihre Gehorsamspflicht und ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen zu haben. Die Einleitungsverfügung wurde von dem damaligen Abteilungsleiter I unterzeichnet; der damalige Staatssekretär erhielt die Verfügung vor deren Versendung mit der Bitte um Kenntnisnahme. Nachdem der vom Kläger bestimmte Ermittlungsführer seinen Abschlussbericht vorlegt hatte, wurde dieser der Beklagten zur Kenntnisnahme und mit der Gelegenheit zur abschließenden Äußerung übersandt.

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Des Weiteren kündigte der Kläger an, Disziplinarklage gegen die Beklagte erheben zu wollen. Er wies gleichzeitig darauf hin, dass der Direktor des Arbeitsgerichts C.      über weitere Fehlzeiten der Beklagten im Februar und März 2011 berichtet habe, bei denen die Dienstunfähigkeit ebenfalls nicht durch ein amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen worden sei. Das Disziplinarverfahren werde daher auf diese Pflichtverletzungen ausgedehnt. Das entsprechende Schreiben des Klägers an die Beklagte wurde ebenfalls vom Abteilungsleiter I unterzeichnet. Nach der Verfügungskette fand weder eine Beteiligung des Staatssekretärs noch des Ministers statt.

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Mit Schriftsatz vom 1. September 2011 wurde die vorliegende Disziplinarklage beim Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - eingereicht. Die Klageschrift wurde ebenfalls vom damaligen Abteilungsleiter I unterzeichnet. Eine Beteiligung des Ministers oder des Staatssekretärs bei der Erhebung der Disziplinarklage ist den Akten nicht zu entnehmen.

9

Mit der Disziplinarklage wurde der Beklagten zu Last gelegt, in insgesamt elf Fällen des krankheitsbedingten Fernbleibens vom Dienst in dem Zeitraum vom 12. September 2008 bis zum 30. März 2011 keine amtsärztliche Bestätigung vorgelegt zu haben und damit die Anordnung des Staatsministeriums der Justiz vom 27. August 2004 missachtet zu haben. Die Beklagte habe durch die Missachtung dieser Anordnung in den elf aufgeführten Fällen jeweils gegen ihre Gehorsamspflicht verstoßen. Darüber hinaus habe sie durch ihr Verhalten auch ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Diese Pflichtverletzungen würden ein Dienstvergehen darstellen, da die Beklagte es in allen Fällen vorsätzlich und damit schuldhaft unterlassen habe, ihre Dienstunfähigkeit durch ein am ersten Tag des Fernbleibens vom Dienst einzuholendes amtsärztliches Attest nachzuweisen. Der Verfolgbarkeit dieser Dienstpflichtverletzungen stünden keine rechtlichen Hindernisse entgegen, insbesondere nicht die in der Berufungsverhandlung vor dem Dienstgerichtshof für Richter am 18. August 2010 von den Parteien geschlossene Vereinbarung.

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Der Kläger hat beantragt,

die monatlichen Dienstbezüge der Beklagten für die Dauer von zwei Jahren um 1/10 zu kürzen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Disziplinarklage abzuweisen.

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Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht mehr auf die Fortgeltung der Anordnung vom 27. August 2004 berufen. Ein Beamter sei lediglich verpflichtet, wenn seine Dienstunfähigkeit länger als drei Tage andauere, spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag ein ärztliches Zeugnis vorzulegen. Weitergehende Pflichten bestünden im Falle einer Dienstunfähigkeit nicht, insbesondere sei kein Nachweis der Dienstunfähigkeit am ersten Tag durch amtsärztliches Attest erforderlich. Der Antrag sei darüber hinaus unangemessen.

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Das Landgericht - Dienstgericht für Richter - hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht - Dienstgerichtshof für Richter - hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Dienstgerichtshof zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an den Dienstgerichtshof. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Der Dienstgerichtshof hat zu Recht erkannt, dass die vorliegende Disziplinarklage aufgrund wesentlicher Mängel bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens abzuweisen ist.

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I. Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 44a Sächsisches Richtergesetz (im Folgenden: SächsRiG) i.V.m. § 81 Abs. 1 DRiG statthaft. Der Dienstgerichtshof hat die Revision im angefochtenen Urteil zugelassen. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Sie wurde entsprechend § 82 Abs. 1 Satz 1 DRiG innerhalb zweier Wochen nach der am 3. März 2015 erfolgten Zustellung des angefochtenen Urteils schriftlich beim Oberlandesgericht - Dienstgerichtshof für Richter - am 11. März 2015 eingelegt und innerhalb zweier weiterer Wochen, gerechnet vom Ablauf der Einlegungsfrist, mit am 26. März 2015 beim Dienstgerichtshof eingegangenem Schriftsatz begründet. In der Revisionsbegründung ist nach § 82 Abs. 1 Satz 2 DRiG angegeben, inwieweit das Urteil angefochten wird, welche Änderung beantragt und wie der Antrag begründet wird. Darüber hinaus setzt sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Begründungen des angefochtenen Urteils ausreichend auseinander.

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II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Dienstgerichtshof hat die Berufung gegen die abweisende Entscheidung des Dienstgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Disziplinarklage ist zulässig, insbesondere ist das Sächsische Staatsministerium der Justiz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 28, 29 Abs. 1 Nr. 3 Sächsisches Justizgesetz (im Folgenden: SächsJG) oberste Dienst(aufsichts)behörde der Beklagten und nach § 41 Abs. 1 SächsRiG i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 1 Sächsisches Disziplinargesetz (im Folgenden: SächsDG) als oberste Dienstbehörde für die Erhebung einer Disziplinarklage gegen Richter zuständig. Die Disziplinarklage ist jedoch unbegründet. Die für Richter durch § 41 Abs. 1 SächsRiG bestimmte entsprechende Geltung des Sächsischen Disziplinargesetzes lässt die Einleitung des Disziplinarverfahrens durch die oberste Landesbehörde selbst nicht zu, wie die Auslegung der Vorschriften des Sächsischen Disziplinargesetzes und des Sächsischen Justizgesetzes ergibt. Dies stellt einen wesentlichen Mangel des Disziplinarverfahrens nach § 56 SächsDG dar.

17

1. Die Disziplinarklage ist zulässig. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz ist als oberste Dienstbehörde für die Erhebung der Disziplinarklage zuständig.

18

a) Nach § 83 DRiG sind durch den Landesgesetzgeber Disziplinarverfahren, Versetzungsverfahren und Prüfungsverfahren entsprechend § 63 Abs. 2, § 64 Abs. 1, §§ 65 bis 68 DRiG zu regeln. Der Landesgesetzgeber ist bei der Ausgestaltung des Disziplinarrechts frei. Er kann auf Richter das Verfahrensrecht für Beamte - unter Berücksichtigung der Abweichungen aus § 63 Abs. 2 DRiG und § 64 Abs. 1 DRiG - für entsprechend anwendbar erklären(Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl., § 83 Rn. 3). Diesen Weg hat der Sächsische Landesgesetzgeber gewählt. Denn § 41 Abs. 1 SächsRiG bestimmt, dass in Disziplinarsachen gegen Richter die Vorschriften des Sächsischen Disziplinargesetzes (SächsDG) vom 10. April 2007, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend gelten.

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b) Danach ist das Sächsische Staatsministerium der Justiz als gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 28, 29 Abs. 1 Nr. 3 SächsJG oberste Dienst(aufsichts)behörde für Richter in Sachsen nach § 41 Abs. 1 SächsRiG i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 1 SächsDG für die Erhebung einer Disziplinarklage gegen Arbeitsrichter zuständig und damit klage- und prozessführungsbefugt.

20

aa) Die von § 41 Abs. 1 SächsRiG angeordnete nur „entsprechende“ Geltung der Vorschriften des Sächsischen Disziplinargesetzes steht der Annahme nicht entgegen, dass für die Erhebung der Disziplinarklage nach § 34 Abs. 2 SächsDG die oberste Dienstbehörde zuständig ist. Mit der angeordneten nur „entsprechenden“ Geltung wird klargestellt, dass die Vorschriften des Sächsischen Disziplinargesetzes auf Richter nur insoweit und mit einem solchen Inhalt angewendet werden können, als sie der besonderen Rechtsstellung der Richter Rechnung tragen (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 63 Abs. 1 DRiG Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl., § 63 Rn. 3; vgl. für die entsprechende Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung nach § 45 Abs. 1 SächsRiG bzgl. des Prüfungsverfahrens BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteil vom 14. Oktober 2013 - RiZ (R) 5/12, BGHZ 198, 285 Rn. 16). Die besondere Rechtsstellung der Richter gebietet es jedoch nicht, eine andere Stelle als die oberste Dienstbehörde nach § 34 Abs. 2 Satz 1 SächsDG für zuständig zu erklären.

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bb) Es ist insoweit zu beachten, dass bereits die Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Richter eine schwerwiegende Maßnahme darstellt (aA Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter -, Zwischenurteil vom 17. Januar 2012 - 66 DG 21/09, juris Rn. 38 f.). Zwar kann eine Disziplinarmaßnahme oberhalb des Verweises nicht von der dienstaufsichtsführenden Stelle, sondern ausschließlich vom Dienstgericht verhängt werden (vgl. § 64 Abs. 1 DRiG, § 41 Abs. 2 SächsRiG). Die Erhebung der Disziplinarklage stellt insoweit eine notwendige Vorstufe zu einer möglichen weiteren Disziplinarmaßnahme nach § 5 Abs. 1 SächsDG (Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und Entfernung aus dem Richterverhältnis) und § 41 Abs. 3 SächsRiG (Versetzung in ein anderes Richteramt mit gleichem Endgrundgehalt) dar. Sie löst bereits unmittelbar Rechtsfolgen aus. Nach § 39 SächsRiG besteht für einen Richter von Gesetzes wegen ein Verbot der Amtsausübung, wenn er Mitglied eines Dienstgerichts ist. Dieses Amt kann er bereits mit der Erhebung der Disziplinarklage nicht mehr ausüben.

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cc) Trotz dieser nicht unbedeutenden Wirkungen einer Disziplinarklage ist eine ausschließliche Zuständigkeit des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz als oberste Dienstbehörde nach § 34 Abs. 2 Satz 1 SächsDG mit der besonderen Stellung der Richter vereinbar. § 41 Abs. 1 SächsRiG und die besondere Rechtsstellung der Richter schließen es nicht aus, dass der Gesetzgeber einzelne Aufgaben oder Befugnisse der Dienstaufsicht ausschließlich der obersten Dienstbehörde zuweist. Die damit letztlich verbundene Aufgabenteilung zwischen dem unmittelbaren, dem höheren und dem obersten Dienstvorgesetzten sichert die richterliche Unabhängigkeit. Der unmittelbare Dienstvorgesetzte entscheidet zunächst, ob er ein Disziplinarverfahren gegen einen Richter einleitet, und führt die erforderlichen Ermittlungen durch. Er trifft die Einstellungsverfügung oder erlässt die Disziplinarverfügung. Kommt er zum Entschluss, dass ein Verweis keine ausreichende Disziplinarmaßnahme darstellt, legt er das Verfahren der obersten Dienstbehörde vor, die dann über die Erhebung der Disziplinarklage entscheidet. Die oberste Dienstbehörde hat die gesamte Justiz des Landes im Blick und kann deshalb auf einer breiteren Erfahrungsbasis die Entscheidung darüber treffen, ob die Erhebung der Disziplinarklage tatsächlich erforderlich ist und das begangene Dienstvergehen nicht lediglich mit einem Verweis ausreichend geahndet ist.

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2. Der Dienstgerichtshof hat die Disziplinarklage rechtsfehlerfrei wegen eines wesentlichen Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens im Sinne des § 56 SächsDG für unbegründet erachtet. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz war für die Einleitung des der vorliegenden Disziplinarklage zugrunde liegenden Disziplinarverfahrens gegen die Beklagte nicht zuständig.

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a) Nach § 56 Abs. 1 SächsDG hat der Beamte bei einer Disziplinarklage wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage geltend zu machen. Wesentliche Mängel, die nicht oder nicht innerhalb der Frist des Absatzes 1 geltend gemacht werden, kann das Gericht nach § 56 Abs. 2 SächsDG unberücksichtigt lassen, wenn ihre Berücksichtigung nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und der Beamte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist; dies gilt nicht, wenn der Beamte zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft macht. Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 SächsDG kann das Gericht dem Dienstherrn zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels, den der Beamte rechtzeitig geltend gemacht hat oder dessen Berücksichtigung es unabhängig davon für angezeigt hält, eine Frist setzen. Nach § 56 Abs. 3 Satz 3 SächsDG wird das Disziplinarverfahren durch Beschluss eingestellt, wenn der Mangel nicht innerhalb der Frist beseitigt wird.

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b) Der Dienstgerichtshof war an einer eigenen Prüfung, ob in der Einleitung des Disziplinarverfahrens durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 56 SächsDG liegt, nicht gemäß § 66 Abs. 2, § 56 Abs. 2 SächsDG gehindert, weil die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht gegeben sind.

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c) Die Einleitung des Disziplinarverfahrens durch eine unzuständige Stelle ist ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens im Sinne des § 56 Abs. 1 SächsDG.

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aa) Mangel i.S.v. § 56 Abs. 1 SächsDG erfasst Verletzungen von Verfahrensregeln, die im behördlichen Disziplinarverfahren von Bedeutung sind (zur vergleichbaren Vorschrift des § 55 Abs. 1 BDG etwa BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63/08, NVwZ 2009, 399 Rn. 14). Hierunter fallen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens bis zur abschließenden behördlichen Entscheidung, also bis zur Erhebung der Disziplinarklage oder bis zu dem Erlass einer Disziplinarverfügung, betreffen.

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bb) Das Sächsische Staatsministerium der Justiz als oberste Dienst(aufsichts)behörde ist grundsätzlich nicht berechtigt, im Einzelfall im Rahmen der Dienstaufsicht gegen einzelne Arbeitsrichter tätig zu werden, d.h. ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Dies gebietet die Auslegung des Sächsischen Disziplinargesetzes, von § 41 SächsRiG und § 29 Abs. 1 SächsJG unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten richterlichen Unabhängigkeit aus Art. 97 Abs. 1 GG.

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(1) Das Sächsische Staatsministerium der Justiz ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 28, 29 Abs. 1 Nr. 3 SächsJG oberste Dienst(aufsichts)behörde für Arbeitsrichter in Sachsen. Für die Dienstaufsicht über die Arbeitsrichter im Freistaat Sachsen ist in § 29 SächsJG ein Subsidiaritätsprinzip bestimmt. Dieses stellt sicher, dass vor der Erhebung der Disziplinarklage der besonderen Stellung der Richter ausreichend Rechnung getragen wird. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz ist deshalb zu dienstaufsichtsrechtlichem Vorgehen gegen einzelne Arbeitsrichter nur dann berechtigt, wenn der Präsident des Landesarbeitsgerichts als unmittelbar dienstaufsichtsführende Stelle den Vorgang nach Abschluss disziplinarer Ermittlungen der obersten Dienstbehörde vorlegt und die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme oberhalb eines Verweises für erforderlich hält.

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(2) Nach § 28 SächsJG ist das Staatsministerium der Justiz die zuständige oberste Landesbehörde i.S.d. Arbeitsgerichtsgesetzes. Damit nimmt das Sächsische Justizgesetz die nach § 15 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 ArbGG erforderliche Bestimmung der obersten Landesbehörde vor. § 29 Abs. 1 SächsJG regelt sodann, welche Stellen die Dienstaufsicht im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit ausüben. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 SächsJG übt der Präsident des Arbeitsgerichts die Dienstaufsicht über die beim Arbeitsgericht beschäftigten Richter aus. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG übt der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts u.a. über die beim Sächsischen Landesarbeitsgericht und bei den Arbeitsgerichten beschäftigten Richter und nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 SächsJG das Sächsische Staatsministerium der Justiz als oberste Dienstaufsichtsbehörde über die Richter der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit die Dienstaufsicht aus. § 29 Abs. 2 SächsJG regelt die generelle Vertretung des Präsidenten des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts in der Ausübung der Dienstaufsicht und schließlich befugt § 29 Abs. 3 SächsJG das Sächsische Staatsministerium der Justiz für den Fall der Nichtbestellung oder Verhinderung des ständigen Vertreters eine abweichende Regelung zu treffen.

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(3) Aus dem Wortlaut und der Systematik dieser Regelungen lässt sich unter Berücksichtigung der Gesetzeshistorie ableiten, dass die Dienstaufsicht durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz subsidiär ist, d.h. nur dann eine Zuständigkeit begründet ist, wenn der (in Ermangelung eines sächsischen Arbeitsgerichts, dem ein Präsident vorsteht) zuständige Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts als unmittelbare dienstaufsichtsführende Stelle verhindert ist, nicht tätig wird oder ein besonders eilbedürftiger Fall vorliegt. § 29 Abs. 1 SächsJG beinhaltet - entgegen der Auffassung der Revision - eine gestufte Zuständigkeit bei der Dienstaufsicht. Dafür spricht bereits der Aufbau der Norm, in der die Dienstaufsicht aufsteigend vom Präsidenten des Arbeitsgerichts über den Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts zum Sächsischen Staatsministerium der Justiz vorgesehen ist. Diese Reihenfolge ist - worauf der Dienstgerichtshof zu Recht hingewiesen hat - erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum Sächsischen Justizgesetz geschaffen worden. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung sah in § 29 Abs. 1 die umgekehrte Reihenfolge der dienstaufsichtsführenden Stellen vor, d.h. zunächst war das Sächsische Staatsministerium der Justiz genannt (Nr. 1), anschließend der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts (Nr. 2) und schließlich der Präsident des Arbeitsgerichts (Nr. 3 Satz 2). Diese Reihenfolge war im Gesetzentwurf nach dessen § 15 Abs. 1 ebenso für die ordentliche Justiz einschließlich der Staatsanwaltschaften, nach dessen § 23 Abs. 1 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, nach dessen § 32 Abs. 1 für die Sozialgerichtsbarkeit und nach dessen § 35 für die Finanzgerichtsbarkeit vorgesehen (vgl. LT-Drucks. 3/2192).

32

Aufgrund des Änderungsantrags der CDU-Fraktion wurde vom Landtag die jetzige Fassung des Sächsischen Justizgesetzes beschlossen. Zur Begründung der Änderung wurde ausgeführt, nach der derzeitigen Rechtslage habe das Staatsministerium der Justiz neben den jeweiligen Gerichtspräsidenten die unmittelbare Aufsicht über die Richter in den fünf Gerichtsbarkeiten. In der Anhörung vom 9. Oktober 2000 sei von Vertretern der Wissenschaft die Auffassung vertreten worden, diese Rechtslage sei mit § 38 VwGO und § 31 FGO nicht vereinbar, weil der Bundesgesetzgeber dort abschließende, den Landesgesetzgeber bindende Regelungen zur Aufsicht über die Richter in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit getroffen habe. Es sei allerdings mit Bundesrecht vereinbar, wenn das Staatsministerium der Justiz als oberste Dienstaufsichtsbehörde bestimmt werde. Dem werde mit der Änderung des § 15 Abs. 1 SächsJG sowie der weiteren einschlägigen Regelungen Rechnung getragen. Damit werde ein Subsidiaritätsprinzip in Bezug auf die Dienstaufsicht für die Gerichte und Staatsanwaltschaften gesetzlich verankert. Die Dienstaufsicht obliege künftig grundsätzlich den Präsidenten und Direktoren der Instanz- und Obergerichte sowie dem Generalstaatsanwalt und den Leitern der Staatsanwaltschaften. Das Staatsministerium der Justiz werde im Regelfall nur noch die Aufsicht über die Präsidenten der Obergerichte und den Generalstaatsanwalt ausüben. Auch in Zukunft werde das Staatsministerium der Justiz in begründeten Einzelfällen befugt sein, aufsichtsrechtliche Maßnahmen „im Durchgriff“ zu ergreifen. Ein solcher Fall läge beispielsweise vor, wenn Gefahr im Verzug gegeben sei oder wenn der zuständige Behördenleiter einer Anordnung zum dienstaufsichtsrechtlichen Einschreiten nicht nachkomme. Zur Hervorhebung der Subsidiarität der Dienstaufsicht durch das Staatsministerium der Justiz werde darüber hinaus die Reihenfolge der Nummerierungen in § 15 Abs. 1 SächsJG umgekehrt. Das Staatsministerium der Justiz stehe nunmehr auch optisch am Ende der Kette dienstaufsichtsführender Stellen. Zwar beträfen die bundesrechtlichen Vorgaben nur die Richter der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit. Dem bisherigen Konzept folgend, sollten aber für alle fünf Gerichtsbarkeiten und die Staatsanwaltschaften übereinstimmende Regelungen getroffen werden. Aus diesem Grund werde ein Subsidiaritätsprinzip auch dort übernommen, wo es bundesrechtlich nicht vorgegeben sei (LT-Drucks. 3/2842 Begründung zu Nr. 2 des Änderungsantrags der CDU-Fraktion). Dies entspricht auch der vom Dienstgerichtshof wiedergegebenen Erklärung des damaligen Staatsministers der Justiz anlässlich der Zweiten und Dritten Lesung des Sächsischen Justizgesetzes am 16. November 2000 (Plenarprotokoll 3/24 S. 1651 f.).

33

Durch die Gesetzesbegründung wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit § 29 Abs. 1 SächsJG auch für die Arbeitsrichter das Subsidiaritätsprinzip eingeführt hat und damit ein unmittelbares Einschreiten des Staatsministeriums der Justiz im Bereich der Dienstaufsicht auf Ausnahmefälle begrenzt hat.

34

(4) Dem steht auch § 41 Abs. 1 SächsRiG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 SächsDG nicht entgegen. Danach können der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde das Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen. Dieses Selbsteintrittsrecht der obersten Dienstbehörde ist bei Arbeitsrichtern aufgrund der u.a. in § 29 Abs. 1 SächsJG geregelten Subsidiarität aber auf Fälle beschränkt, in denen der unmittelbare Dienstvorgesetzte nicht tätig wird, verhindert ist oder Gefahr im Verzug besteht. Ansonsten würde das im Sächsischen Justizgesetz für die Dienstaufsicht über die Richter vorgesehene Subsidiaritätsprinzip durch § 17 Abs. 1 Satz 2 SächsDG gegenstandslos werden. Nicht ausreichend ist hingegen, dass das Sächsische Staatsministerium der Justiz bereits mit der Disziplinarsache vorbefasst war oder bereits eine Disziplinarklage gegen den betreffenden Richter geführt hat. Eine solche „Annexkompetenz“ ist mit einem nicht tätig werdenden unmittelbaren Dienstvorgesetzten oder einer bestehenden Gefahr im Verzug nicht zu vergleichen. Ihr lägen ausschließlich Zweckmäßigkeitserwägungen zu Grunde. Eine solche Annexkompetenz ist auch nicht zur effektiven Durchführung des Disziplinarrechts geboten.

35

(5) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Subsidiaritätsprinzip in der Dienstaufsicht auch nicht durch das Sächsische Disziplinargesetz aufgehoben worden. Zwar handelt es sich beim Sächsischen Disziplinargesetz im Verhältnis zum Sächsischen Richtergesetz um das jüngere Gesetz, das dem früheren Gesetz nach der sog. „lex-posterior-derogat-legi-priori“-Regel vorgeht. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber von seiner Regelung des Subsidiaritätsprinzips und der Gleichbehandlung der Richter aller Gerichtsbarkeiten und der Staatsanwälte mit der Neuregelung des Sächsischen Disziplinargesetzes Abstand nehmen wollte. Der Gesetzesbegründung zum Sächsischen Disziplinargesetz lassen sich für einen solchen gesetzgeberischen Willen keine Anhaltspunkte entnehmen (vgl. LT-Drucks. 4/5064 Begründung A. Allgemeines und B. Im Einzelnen zu Artikel 3 Änderungen des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen).

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Diesem Verständnis stehen auch die §§ 41 bis 44 SächsRiG nicht entgegen. Mit diesen im Zuge der Neufassung des Sächsischen Disziplinargesetzes überarbeiteten Bestimmungen hat der Sächsische Gesetzgeber lediglich solche Bestimmungen getroffen, die er für unabweisbar gesondert regelungsbedürftig gehalten hat. Anhaltspunkte dafür, dass dies die einzigen Abweichungen vom Sächsischen Disziplinargesetz sind, bestehen nicht, zumal § 41 Abs. 1 SächsRiG nur die entsprechende Anwendung des Sächsischen Disziplinargesetzes vorsieht. Die Verweisung auf das Sächsische Disziplinargesetz ist auch nur entsprechend erfolgt und nicht etwa einschränkend dahingehend, dass das Sächsische Disziplinargesetz gilt, soweit nicht nachstehend Abweichendes in den §§ 41 bis 44 SächsRiG bestimmt ist. Im Hinblick auf die für Verwaltungs- und Finanzrichter schwerlich in Betracht kommende Aufgabe des Subsidiaritätsprinzips aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben in § 38 VwGO und § 31 FGO müssten eindeutige Anhaltspunkte für einen solchen gesetzgeberischen Willen erkennbar sein.

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(6) Bei der entsprechenden Anwendung des Sächsischen Disziplinargesetzes auf Richter muss die vom Sächsischen Landesgesetzgeber selbst bestimmte Subsidiarität der Dienstaufsicht durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz deshalb auch beachtet werden. Daran ändert nichts, dass andere Landesrechte das Selbsteintrittsrecht des zuständigen Ministeriums und auch die Möglichkeit der Einleitung des Disziplinarverfahrens durch das zuständige Ministerium ausdrücklich geregelt haben. Wegen des Zusammenspiels des Sächsischen Justizgesetzes und des Sächsischen Disziplinargesetzes ist vorliegend eine andere Rechtslage maßgeblich. Der Senat hat auch nicht zu prüfen, ob der Freistaat Sachsen eine andere gesetzliche Regelung hätte treffen können.

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d) Die Auffassung des Dienstgerichtshofs, dass es sich bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens durch das unzuständige Staatsministerium für Justiz um einen wesentlichen Verfahrensmangel handelt, der sich auch auf das gerichtliche Verfahren auswirkt, ist frei von Rechtsfehlern.

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aa) Ob ein wesentlicher oder ein unwesentlicher Mangel vorliegt, ist nach dem Zweck der Regelung zu bestimmen. Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 56 SächsDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts, BT-Drucks 14/4659 S. 49 zur Abgrenzung wesentlicher Mängel i.S.d. § 55 BDG von der Verletzung „bloßer Ordnungsbestimmungen“). Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist, noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 56 Abs. 3 Satz 3 SächsDG, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnten. Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. zu § 55 BDG etwa BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2013 - 2 B 76/12, Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 5; Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 C 15.09 , BVerwGE 137, 192 Rn. 19).

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bb) Danach liegt bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen einen Richter im Sächsischen Landesdienst unmittelbar durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz ein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens vor. Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das Disziplinarverfahren bei einer Einleitung durch den zuständigen Dienstvorgesetzen, den Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts, ein anderes Ergebnis als die Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Besoldungskürzung im Umfang von einem Zehntel für die Dauer von zwei Jahren gehabt hätte.

41

e) Die Annahme des Dienstgerichtshofs, dass jedenfalls im Zeitpunkt seiner Entscheidung eine Heilung des Mangels ausscheide und folglich für eine Fristsetzung nach § 56 Abs. 3 SächsDG zur Heilung keine Veranlassung mehr bestehe, ist im Revisionsverfahren nicht mit einer Verfahrensrüge entsprechend § 137 Abs. 3 Satz 1 VwGO angegriffen worden.

42

3. Es kann dahinstehen, ob die Disziplinarklage auch deshalb unbegründet ist, weil sie nicht vom Staatsminister der Justiz oder seinem Vertreter im Amt erhoben wurde, sondern vom Abteilungsleiter I im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und ob es sich hierbei um einen wesentlichen Mangel der Disziplinarklage handelt. Der Senat hat in älteren Entscheidungen in Prüfungsverfahren angenommen, dass die Dienstaufsicht über Richter nicht von einem Beamten des Ministeriums kraft seiner Dienststellung, sondern nur vom Minister selbst oder in seinem Namen ausgeübt werden könne (BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteil vom 9. März 1967 - RiZ (R) 2/66, BGHZ 47, 275, 283 f.; Urteil vom 11. Februar 1969 - RiZ (R) 5/68, BGHZ 51, 363, 370; Urteil vom 21. Oktober 1982 - RiZ (R) 6/81, BGHZ 85, 145, 151 f.; Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 4/83, BGHZ 90, 34, 40 f.). Anderen Amtsträgern im Ministerium stehe kraft ihrer Dienststellung die Befugnis zu irgendwelchen Maßnahmen der Dienstaufsicht gegen Richter nicht zu. Ob der besonderen Rechtsstellung der Richter aus Art. 97 Abs. 1 GG auch dann ausreichend Rechnung getragen ist, wenn der Minister mit der Erhebung der Disziplinarklage befasst wird und eine von den Beamten seines Ministeriums vorbereitete Entscheidung gutheißt, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden.

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4. Der Senat hat ferner nicht zu entscheiden, ob die der Beklagten vorgeworfenen Dienstpflichtvergehen die vom Kläger beantragte Disziplinarmaßnahme zu rechtfertigen vermögen.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 SächsRiG i.V.m. § 78 Abs. 4 SächsDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Bergmann                          Drescher                        Menges

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ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Feb. 2016 - RiSt (R) 1/15

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Bundesgerichtshof Urteil, 18. Feb. 2016 - RiSt (R) 1/15 zitiert 20 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 137


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung1.von Bundesrecht oder2.einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 144


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwa

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 97


(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen. (2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Ge

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 55 Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift


(1) Bei einer Disziplinarklage hat der Beamte wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift innerhalb zweier Monate nach Zustellung der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage geltend zu machen. (2) Wesentliche Män

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 34 Verwaltung und Dienstaufsicht


(1) Die Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht führt die zuständige oberste Landesbehörde. § 15 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. (2) Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht dem Präsidenten des

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 15 Verwaltung und Dienstaufsicht


(1) Die Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht führt die zuständige oberste Landesbehörde. Vor Erlaß allgemeiner Anordnungen, die die Verwaltung und Dienstaufsicht betreffen, soweit sie nicht rein technischer Art sind, sind die in § 14 Abs. 5 ge

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 63 Disziplinarverfahren


(1) Für das Verfahren in Disziplinarsachen gelten die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes sinngemäß. (2) Über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sowie über die Aufhebung dieser Maßnahmen entscheidet auf Antrag

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 38


(1) Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus. (2) Übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde für das Verwaltungsgericht ist der Präsident des Oberverwaltungsgerichts.

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 81 Zulässigkeit der Revision im Disziplinarverfahren


(1) Soweit die Landesgesetzgebung im Disziplinarverfahren die Revision an das Dienstgericht des Bundes vorgesehen hat (§ 79 Abs. 3), kann die Revision vorbehaltlich des Absatzes 3 nur eingelegt werden, wenn sie von dem Dienstgericht des Landes zugela

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 83 Verfahrensvorschriften


Disziplinarverfahren, Versetzungsverfahren und Prüfungsverfahren sind entsprechend § 63 Abs. 2, § 64 Abs. 1, §§ 65 bis 68 zu regeln. Die Landesgesetzgebung kann Bestimmungen über die Gerichtskosten in Disziplinarsachen der Richter im Landesdienst tre

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 82 Revisionsverfahren im Disziplinarverfahren


(1) Die Revision ist bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, innerhalb zweier Wochen nach Zustellung des Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich oder durch schriftlich aufzunehmende Erklärung

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 65 Versetzungsverfahren


(1) Für das Verfahren bei Versetzung im Interesse der Rechtspflege (Versetzungsverfahren) gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. (2) Das Verfahren wird durch einen Antrag der obersten Dienstbehörde eingeleitet. Ein Vorv

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 64 Disziplinarmaßnahmen


(1) Durch Disziplinarverfügung kann nur ein Verweis ausgesprochen werden. (2) Gegen einen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes kann nur Verweis, Geldbuße oder Entfernung aus dem Dienst verhängt werden.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 31


Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.

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Bundesgerichtshof Urteil, 18. Feb. 2016 - RiSt (R) 1/15 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 04. Juli 2013 - 2 B 76/12

bei uns veröffentlicht am 04.07.2013

Tenor Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 2. August 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurü

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(1) Soweit die Landesgesetzgebung im Disziplinarverfahren die Revision an das Dienstgericht des Bundes vorgesehen hat (§ 79 Abs. 3), kann die Revision vorbehaltlich des Absatzes 3 nur eingelegt werden, wenn sie von dem Dienstgericht des Landes zugelassen worden ist. Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Dienstgerichts des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

(2) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde innerhalb zweier Wochen nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten werden soll. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Dienstgerichts des Bundes, von dem das angefochtene Urteil abweicht, bezeichnet werden. Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, so entscheidet das Dienstgericht des Bundes durch Beschluß. Der Beschluß bedarf keiner Begründung, wenn die Beschwerde einstimmig verworfen oder zurückgewiesen wird. Mit Ablehnung der Beschwerde durch das Dienstgericht des Bundes wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit Zustellung des Beschwerdebescheides die Revisionsfrist.

(3) Einer Zulassung bedarf es nicht, wenn als wesentliche Mängel des Verfahrens gerügt werden, daß

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, oder
3.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Revision ist bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, innerhalb zweier Wochen nach Zustellung des Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich oder durch schriftlich aufzunehmende Erklärung vor der Geschäftsstelle einzulegen und spätestens innerhalb zweier weiterer Wochen zu begründen. In der Begründung ist anzugeben, inwieweit das Urteil angefochten wird, welche Änderungen des Urteils beantragt und wie diese Anträge begründet werden. § 80 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Das Dienstgericht des Bundes ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß zulässige und begründete Revisionsgründe gegen diese Feststellungen vorgebracht sind.

(3) § 144 Abs. 1 und § 158 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung gelten sinngemäß. Das Urteil kann nur auf Zurückweisung der Revision oder auf Aufhebung des angefochtenen Urteils lauten.

(1) Die Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht führt die zuständige oberste Landesbehörde. Vor Erlaß allgemeiner Anordnungen, die die Verwaltung und Dienstaufsicht betreffen, soweit sie nicht rein technischer Art sind, sind die in § 14 Abs. 5 genannten Verbände zu hören.

(2) Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts oder dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts oder, wenn mehrere Vorsitzende vorhanden sind, einem von ihnen übertragen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung nach Satz 1 durch Rechtsverordnung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.

Disziplinarverfahren, Versetzungsverfahren und Prüfungsverfahren sind entsprechend § 63 Abs. 2, § 64 Abs. 1, §§ 65 bis 68 zu regeln. Die Landesgesetzgebung kann Bestimmungen über die Gerichtskosten in Disziplinarsachen der Richter im Landesdienst treffen.

(1) Für das Verfahren in Disziplinarsachen gelten die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes sinngemäß.

(2) Über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sowie über die Aufhebung dieser Maßnahmen entscheidet auf Antrag der obersten Dienstbehörde das Dienstgericht durch Beschluss. Der Beschluß ist der obersten Dienstbehörde und dem Richter zuzustellen.

(3) § 78 des Bundesdisziplinargesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass in Disziplinarverfahren vor dem Dienstgericht des Bundes die für das Verfahren über die Berufung getroffenen gebührenrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind. Dem Verfahren über die Auferlegung einer Geldbuße durch das Dienstgericht steht hinsichtlich der Kosten das Verfahren über die Klage gegen eine entsprechende Disziplinarverfügung des Dienstvorgesetzten gleich. In Verfahren über den Antrag auf Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen gelten die für das Verfahren über den Antrag auf Aussetzung dieser Maßnahmen getroffenen gebührenrechtlichen Bestimmungen entsprechend.

(1) Durch Disziplinarverfügung kann nur ein Verweis ausgesprochen werden.

(2) Gegen einen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes kann nur Verweis, Geldbuße oder Entfernung aus dem Dienst verhängt werden.

(1) Für das Verfahren in Disziplinarsachen gelten die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes sinngemäß.

(2) Über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sowie über die Aufhebung dieser Maßnahmen entscheidet auf Antrag der obersten Dienstbehörde das Dienstgericht durch Beschluss. Der Beschluß ist der obersten Dienstbehörde und dem Richter zuzustellen.

(3) § 78 des Bundesdisziplinargesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass in Disziplinarverfahren vor dem Dienstgericht des Bundes die für das Verfahren über die Berufung getroffenen gebührenrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind. Dem Verfahren über die Auferlegung einer Geldbuße durch das Dienstgericht steht hinsichtlich der Kosten das Verfahren über die Klage gegen eine entsprechende Disziplinarverfügung des Dienstvorgesetzten gleich. In Verfahren über den Antrag auf Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen gelten die für das Verfahren über den Antrag auf Aussetzung dieser Maßnahmen getroffenen gebührenrechtlichen Bestimmungen entsprechend.

(1) Durch Disziplinarverfügung kann nur ein Verweis ausgesprochen werden.

(2) Gegen einen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes kann nur Verweis, Geldbuße oder Entfernung aus dem Dienst verhängt werden.

(1) Die Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht führt die zuständige oberste Landesbehörde. Vor Erlaß allgemeiner Anordnungen, die die Verwaltung und Dienstaufsicht betreffen, soweit sie nicht rein technischer Art sind, sind die in § 14 Abs. 5 genannten Verbände zu hören.

(2) Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts oder dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts oder, wenn mehrere Vorsitzende vorhanden sind, einem von ihnen übertragen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung nach Satz 1 durch Rechtsverordnung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.

(1) Für das Verfahren in Disziplinarsachen gelten die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes sinngemäß.

(2) Über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sowie über die Aufhebung dieser Maßnahmen entscheidet auf Antrag der obersten Dienstbehörde das Dienstgericht durch Beschluss. Der Beschluß ist der obersten Dienstbehörde und dem Richter zuzustellen.

(3) § 78 des Bundesdisziplinargesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass in Disziplinarverfahren vor dem Dienstgericht des Bundes die für das Verfahren über die Berufung getroffenen gebührenrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind. Dem Verfahren über die Auferlegung einer Geldbuße durch das Dienstgericht steht hinsichtlich der Kosten das Verfahren über die Klage gegen eine entsprechende Disziplinarverfügung des Dienstvorgesetzten gleich. In Verfahren über den Antrag auf Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen gelten die für das Verfahren über den Antrag auf Aussetzung dieser Maßnahmen getroffenen gebührenrechtlichen Bestimmungen entsprechend.

(1) Durch Disziplinarverfügung kann nur ein Verweis ausgesprochen werden.

(2) Gegen einen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes kann nur Verweis, Geldbuße oder Entfernung aus dem Dienst verhängt werden.

(1) Bei einer Disziplinarklage hat der Beamte wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift innerhalb zweier Monate nach Zustellung der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage geltend zu machen.

(2) Wesentliche Mängel, die nicht oder nicht innerhalb der Frist des Absatzes 1 geltend gemacht werden, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn ihre Berücksichtigung nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und der Beamte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist; dies gilt nicht, wenn der Beamte zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft macht.

(3) Das Gericht kann dem Dienstherrn zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels, den der Beamte rechtzeitig geltend gemacht hat oder dessen Berücksichtigung es unabhängig davon für angezeigt hält, eine Frist setzen. § 53 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Wird der Mangel innerhalb der Frist nicht beseitigt, wird das Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts eingestellt.

(4) Die rechtskräftige Einstellung nach Absatz 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich.

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.

(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.

(1) Die Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht führt die zuständige oberste Landesbehörde. Vor Erlaß allgemeiner Anordnungen, die die Verwaltung und Dienstaufsicht betreffen, soweit sie nicht rein technischer Art sind, sind die in § 14 Abs. 5 genannten Verbände zu hören.

(2) Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts oder dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts oder, wenn mehrere Vorsitzende vorhanden sind, einem von ihnen übertragen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung nach Satz 1 durch Rechtsverordnung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.

(1) Die Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht führt die zuständige oberste Landesbehörde. § 15 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts übertragen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung nach Satz 1 durch Rechtsverordnung auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen.

(1) Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.

(2) Übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde für das Verwaltungsgericht ist der Präsident des Oberverwaltungsgerichts.

Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.

(1) Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.

(2) Übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde für das Verwaltungsgericht ist der Präsident des Oberverwaltungsgerichts.

Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.

(1) Bei einer Disziplinarklage hat der Beamte wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift innerhalb zweier Monate nach Zustellung der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage geltend zu machen.

(2) Wesentliche Mängel, die nicht oder nicht innerhalb der Frist des Absatzes 1 geltend gemacht werden, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn ihre Berücksichtigung nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und der Beamte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist; dies gilt nicht, wenn der Beamte zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft macht.

(3) Das Gericht kann dem Dienstherrn zur Beseitigung eines wesentlichen Mangels, den der Beamte rechtzeitig geltend gemacht hat oder dessen Berücksichtigung es unabhängig davon für angezeigt hält, eine Frist setzen. § 53 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Wird der Mangel innerhalb der Frist nicht beseitigt, wird das Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts eingestellt.

(4) Die rechtskräftige Einstellung nach Absatz 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich.

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 2. August 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO, § 41 DiszG und § 69 BDG an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil beruht auf vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängeln.

2

1. Der Beklagte steht als Polizeihauptmeister im Dienst des Klägers. Im Jahr 2006 wurde er wegen Diebstahls verurteilt. Er hatte während seines Nachtdienstes in den Diensträumen aus einem Dienstanorak Gebührenmarken im Wert von 250 € entnommen und durch Umtausch in Bargeld unberechtigt seinem Vermögen zugeführt. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, ihn aber von dem weiteren disziplinarrechtlichen Vorwurf der ungeordneten Wirtschaftsführung freigestellt. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt:

3

Das Dienstvergehen erfordere unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Die strafrechtlich geahndete Entwendung der Marken, die sich aus disziplinarrechtlicher Sicht als (versuchter) Kollegendiebstahl und als Zugriff auf das durch Umtausch der Marken erlangte Bargeld darstelle, habe derart erhebliches Gewicht, dass allein die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht komme. Wegen des Betrages von 250 € sei die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich überschritten. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines anerkannten Milderungsgrundes seien nicht gegeben. Da der Sachverhalt hierzu keinen hinreichenden Anlass biete, sei auch eine Beweiserhebung hinsichtlich der Minderung der Schuldfähigkeit nicht erforderlich.

4

2. Die Verfahrensrüge hat Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht geprüft, ob die Disziplinarklage in Einklang mit § 34 Abs. 2 DiszG erhoben wurde, weil es sich rechtsfehlerhaft an dieser Prüfung gehindert gesehen hat. Das beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des § 144 Abs. 6 VwGO.

5

Leidet die Disziplinarklageschrift an einem wesentlichen Mangel im Sinne von § 41 DiszG und § 55 Abs. 1 BDG, so sind die Verwaltungsgerichte gehalten, im Disziplinarklageverfahren auf ihre Beseitigung nach § 55 Abs. 3 BDG hinzuwirken, wenn der Mangel noch heilbar ist. Ein Mangel ist wesentlich im Sinne des § 55 Abs. 1 BDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Berufungsurteil ausgewirkt haben kann (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6). Wird der Mangel nicht beseitigt, leidet das Urteil an einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Urteile vom 24. Juni 2010 a.a.O. und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 57 ; Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3).

6

Die Disziplinarklageschrift weist einen wesentlichen Mangel auf, wenn sie von einer unzuständigen Behörde oder einem Beamten erhoben wird, der nicht befugt ist, für die zuständige Behörde tätig zu werden (Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 58; Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 2 B 113.07 - juris Rn. 7 § 69 bdg nr. 3 nicht abgedruckt> und vom 26. Februar 2008 a.a.O. Rn. 15).

7

§ 34 Abs. 2 DiszG bestimmt, dass die Disziplinarklage bei Beamtinnen und Beamten durch die oberste Dienstbehörde erhoben wird. Sie kann ihre Befugnis nach Satz 1 durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen; diese Anordnung ist im Amtsblatt für Berlin zu veröffentlichen. Die oberste Dienstbehörde kann das Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat sich an der ihm auch nach der Zurückverweisung grundsätzlich obliegenden Prüfung, ob die Disziplinarklage von der zuständigen Stelle erhoben worden ist, zu Unrecht durch den zurückverweisenden Beschluss des Senats gehindert gesehen. Es hat diesem Beschluss eine Bindungswirkung im Sinne von § 144 Abs. 6 VwGO beigemessen, die ihm nicht zukommt.

9

Nach § 144 Abs. 6 VwGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Diese Bindungswirkung umfasst die für die Aufhebungsentscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe. Dies schließt die den unmittelbaren Zurückverweisungsgründen vorausgehenden Erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren (Urteile vom 30. Mai 1973 - BVerwG 8 C 159.72 - BVerwGE 42, 243 <247> = Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 26 und vom 28. November 2012 - BVerwG 8 C 21.11 - Rn. 22 < zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>; Beschluss vom 21. August 1997 – BverwG 8 B 151.97 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65).

10

Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO gilt auch für zurückverweisende Beschlüsse nach § 133 Abs. 6 VwGO (Beschluss vom 11. Juli 2000 – BverwG 8 B 154.00 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 68). Bei der Bestimmung der Reichweite der Bindungswirkung des Beschlusses nach § 133 Abs. 6 VwGO ist aber dessen beschränkter Gegenstand zu berücksichtigen.

11

Aus § 133 Abs. 3 VwGO ergibt sich, dass das Gericht, sofern die Beschwerde auf Verfahrensmängel gestützt wird, nur prüfen kann, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen. Ob das Berufungsurteil an sonstigen Verfahrensfehlern leidet, ist nicht von Amts wegen zu prüfen. Dementsprechend kann einem wegen eines Verfahrensfehlers nach § 133 Abs. 6 VwGO zurückverweisenden Beschlusses nicht entnommen werden, das Berufungsurteil sei im Übrigen frei von Verfahrensmängeln.

12

Erwirkt ein Beteiligter mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 133 Abs. 6 VwGO mit der Rüge der unzureichenden Sachaufklärung, so ist die Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO auf die Beurteilung der gerügten Sachaufklärung und anderer nicht durchgreifender Rügen durch das Bundesverwaltungsgericht beschränkt. Diesem ist es aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verwehrt, sich mit Gesichtspunkten zu befassen, die der Beschwerdeführer nicht gerügt hat.

13

Der Beklagte hat die Verletzung des § 34 Abs. 2 DiszG bei der Erhebung der Disziplinarklage mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ersten Berufungsurteil nicht gerügt.

14

Die Frage, ob die Disziplinarklage entgegen § 34 Abs. 2 DiszG von einer unzuständigen Behörde oder von einem hierzu nicht befugten Beamten erhoben worden ist, betrifft keine von Amts wegen zu prüfende, unverzichtbare Prozessvoraussetzung einer Disziplinarklage. Die Konstellation ist nicht mit der Fallgestaltung zu vergleichen, in der das Revisionsgericht im zurückverweisenden Beschluss Ausführungen zur Begründetheit einer Klage gemacht hat, so dass es denknotwendig von ihrer Zulässigkeit ausgegangen ist (Beschluss vom 21. August 1997 a.a.O. Rn. 3). Vielmehr stellt es einen vom Beschwerdeführer nach § 133 Abs. 3 VwGO selbstständig zu rügenden Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, wenn das Oberverwaltungsgericht diesen Mangel der Disziplinarklageerhebung nicht behebt.

15

Stellt das Oberverwaltungsgericht nach der Zurückverweisung im Berufungsverfahren fest, dass, wie selbst vom Kläger angenommen, die Vorgaben des § 34 Abs. 2 DiszG bei der Erhebung der Disziplinarklage vom 28. April 2008 nicht eingehalten worden sind, so hat es die Vorgaben des § 41 DiszG und § 55 Abs. 2 und 3 BDG zu beachten. Ein etwaiger Mangel könnte im erneuten Berufungsverfahren durch Einreichen einer neuen Disziplinarklageschrift geheilt werden, wenn keine schutzwürdigen Interessen des Beklagten entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass diese Klageschrift keine neuen belastenden Tatsachen und Beweismittel enthält (Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 63).

16

3. Auch die weitere Verfahrensrüge des Verstoßes gegen die aus § 41 DiszG, § 58 Abs. 1 BDG und § 86 Abs. 1 VwGO folgende Pflicht zur Erhebung der erforderlichen Beweise ist begründet.

17

Nach diesen Vorschriften obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies nach ihrem materiellrechtlichen Rechtsstandpunkt für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. Urteile vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1 S. 2 und vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 1).

18

Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beamten bei Begehung der Tat wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erheblich gemindert war, so darf das Verwaltungsgericht diesen Aspekt nicht ohne Sachaufklärung zu Gunsten des Beamten unterstellen, ihm aber bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme kein Gewicht beimessen. Vielmehr muss es die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären.

19

Hat der Beamte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten oder kann eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden und ist die Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten erheblich, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Bei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 jeweils Rn. 29 ff.; Beschluss vom 20. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 61.10 - juris Rn. 9).

20

Hierzu muss geklärt werden, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Hierzu bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde. Erst wenn die seelische Störung und ihr Schweregrad feststehen oder nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Denn von den Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ab. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise (stRspr, vgl. zum Ganzen: Urteil vom 29. Mai 2008 – BverwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3).

21

Aufgrund des Vorbringens des Beklagten auch im Berufungsverfahren bestand hinreichender Anlass, der entscheidungserheblichen Frage der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt (24./25. August 2005) nachzugehen. Auch hat der Beklagte für den Fall, dass das Oberverwaltungsgericht seine Dienstentfernung für geboten halten würde, in der Berufungsverhandlung beantragt, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass er sich zumindest seit Ende 2003 in einem Zustand von depressiven Phasen befand und zum Zeitpunkt der Tat zumindest vermindert schuldfähig war.

22

Das Oberverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil (UA S. 29 f.) eingehend mit den verschiedenen von ihm eingeholten schriftlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärztin L. befasst und diesen mit umfangreichen Darlegungen eine Bedeutung für die entscheidungserhebliche Frage der Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt abgesprochen. Es hat die Ärztin nicht vernommen. Damit hat es gegen § 96 Abs. 1 VwGO verstoßen:

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Diese Regelung soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zu Grunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Es hängt von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel wie die Bewertung einer schriftlichen Stellungnahme eines Zeugen ausreicht oder nach dem Grundsatz der unmittelbaren Beweiserhebung dessen Vernehmung geboten ist (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 = Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 60 jeweils Rn. 17).

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Angesichts der Bedeutung der Aussage der behandelnden Ärztin für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt musste es sich dem Oberverwaltungsgericht aufdrängen, nicht nur deren schriftliche Stellungnahmen auszuwerten, sondern diese in der Berufungsverhandlung als sachverständige Zeugin zu vernehmen. Bei einer persönlichen Vernehmung der Ärztin in Anwesenheit des Beklagten hätte auch geklärt werden können, aus welchen Gründen sie auf die Anfragen und Bitten des Beklagten aus dem Jahr 2009 um weitere Substantiierung ihrer ärztlichen Einschätzung nicht reagiert und welche Angaben der Beklagte ihr gegenüber im Rahmen der Sozialanamnese zu den Umständen sowohl der ersten als auch der zweiten Trennung von seiner Ehefrau gemacht hat.

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Das Oberverwaltungsgericht hat ferner den zahlreichen Feststellungen zum seelischen Zustand des Beklagten im unmittelbaren Anschluss an die Tat jede rechtliche Bedeutung für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt abgesprochen. Dies gilt etwa für die Einschätzung des zuständigen Beamten der Disziplinarabteilung vom 1. September 2005, der den seelischen Zustand des Beklagten als "kritisch" eingestuft hat. Nach seiner Vernehmung wurde der Beklagte wegen seines Zustandes einem Kriseninterventionszentrum vorgestellt, ohne dass es allerdings zu einer sofortigen Einweisung kam. Sechs Tage nach der Tat wurde der Beklagte für acht Tage in einer Kriseneinrichtung stationär aufgenommen. Anschließend war der Beklagte bis Anfang Oktober 2005 krankgeschrieben.

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Seine Annahme, diese Vorfälle beträfen allein das Befinden des Beklagten nach Aufdecken der Tat und nach Konfrontation mit den Vorwürfen, hat das Oberverwaltungsgericht ohne die hierfür erforderliche medizinische Sachkunde getroffen. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dargelegt, dass es selbst über die notwendigen medizinischen Kenntnisse verfügt.

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4. Im Übrigen greift die Beschwerde lediglich die Richtigkeit der Zumessungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts an, ohne einen Zulassungsgrund darzulegen. Denn die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht hätte auf der Grundlage aller be- und entlastenden Gesichtspunkte eine positive prognostische Gesamtwürdigung vornehmen müssen.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht

1.
in der Sache selbst entscheiden,
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der im Revisionsverfahren nach § 142 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.

(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.

(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.