Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2014 - XII ZB 503/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der 67jährige Betroffene leidet an Epilepsie mit Grand-mal-Anfällen bei allgemeiner Hirnschädigung und Entwicklungsstörung, wegen derer er vor allem nicht imstande ist, notwendige Behandlungsmaßnahmen an fortgeschrittenen Entzündungen beider Beine mit Ödembildung zu ergreifen. Das Amtsgericht hat im Jahre 2012 eine Betreuung für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung im Rahmen der Gesundheitssorge eingerichtet und den Beteiligten zu 2 als Berufstreuer bestimmt.
- 2
- Durch Beschluss vom 19. März 2013 hat das Amtsgericht den Aufgabenkreis um die Vertretung gegenüber Gerichten, Ämtern, Behörden sowie Kranken - und Pflegekassen erweitert. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt , die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Dieser beruht auf einem Verfahrensfehler.
- 4
- 1. Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG bestimmt sich das Beschwerdeverfahren nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das gilt auch für die nach §§ 278 Abs. 1 Satz 1, 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor der Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers grundsätzlich gebotenen persönlichen Anhörung des Betroffenen.
- 5
- Allerdings kann das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Das Beschwerdegericht hat aber - wie auch das erstinstanzliche Gericht - die Gründe, aus denen es von einer Anhörung ausnahmsweise absehen will, in den Entscheidungsgründen nachprüfbar darzulegen. Allerdings ist im Einzelfall eine Begründung entbehrlich, wenn aus den weiteren Entscheidungsgründen ersichtlich wird, dass das Beschwerdegericht in zulässiger Weise von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen konnte (Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 504/11 - FamRZ 2012, 968 Rn. 6 mwN).
- 6
- 2. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass es dem angefochtenen Beschluss an einer Begründung für das Unterbleiben der Anhörung des Betroffenen fehlt. Dass eine Anhörung des Betroffenen entbehrlich ist, ergibt sich auch nicht aus den übrigen Beschlussgründen und ist hier im Übrigen schon deshalb ausgeschlossen, weil bereits die vom Amtsgericht unter gewaltsamer Öffnung der Wohnung des Betroffenen durchgeführte Anhörung verfahrensfehlerhaft war (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2012 – XII ZB 181/12 – FamRZ 2013, 31 Rn. 11 ff.).
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- Zwar kann gemäß § 293 Abs. 2 Nr. 2 FamFG von einer erneuten persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn die beabsichtigte Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers nicht wesentlich ist. Das setzt aber zumindest voraus, dass der Betroffene vor der erstmaligen Betreuerbestellung verfahrensfehlerfrei angehört worden ist. Unter welchen Umständen und mit welchem Er- gebnis eine persönliche Anhörung des Betroffenen vor der erstmaligen Betreuerbestellung stattgefunden hat, lässt sich dem angefochtenen Beschluss aber nicht entnehmen. Daher ist die Anhörung nunmehr zwingend nachzuholen. Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
AG Itzehoe, Entscheidung vom 19.03.2013 - 81 XVII 592/11 -
LG Itzehoe, Entscheidung vom 19.08.2013 - 4 T 140/13 -
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(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers und die Erweiterung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen gelten die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.
(2) Einer persönlichen Anhörung nach § 278 Abs. 1 sowie der Einholung eines Gutachtens oder ärztlichen Zeugnisses (§§ 280 und 281) bedarf es nicht,
- 1.
wenn diese Verfahrenshandlungen nicht länger als sechs Monate zurückliegen oder - 2.
die beabsichtigte Erweiterung nach Absatz 1 nicht wesentlich ist.
(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann das Gericht von der Einholung eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses absehen, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers nicht aufgrund einer Änderung des Krankheits- oder Behinderungsbildes des Betroffenen, sondern aufgrund der Änderung seiner Lebensumstände oder einer unzureichenden Wirkung anderer Hilfen erweitert werden soll.
(4) Ist mit der Bestellung eines weiteren Betreuers nach § 1817 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden, gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.