Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2014 - XII ZB 266/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung ihrer Berufung.
- 2
- Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin verworfen, weil das Rechtsmittel gemäß § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig sei. Zur Begründung wird auf einen Beschluss vom 20. März 2013 Bezug genommen, in dem das Oberlandesgericht die Parteien auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hin- gewiesen hatte. In diesem Beschluss wird ausgeführt, dass es nicht ganz deutlich sei, was die Klägerin mit ihrem Berufungsbegehren, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des vorliegenden Rechtsstreits freizuhalten, meine. Hinsichtlich der nach teilweiser Klagerücknahme aus dem Prozess ausgeschiedenen ehemaligen Beklagten zu 1 sei nicht ersichtlich, dass überhaupt Prozesskosten angefallen seien. Soweit die Klägerin Freihaltung von den Kosten des Rechtsstreits gegenüber den jetzigen Beklagten zu 1 und 2 begehre, bestünden wegen § 99 Abs. 1 ZPO Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Die Klägerin habe die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Hauptforderung und hilfsweise, d.h. ersichtlich für den Fall des Unterliegens, auf Freistellung von den Prozesskosten in Anspruch genommen. Die Geltendmachung von Prozesskosten als Hauptforderung in demselben Prozess komme aber nur dann in Betracht, wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch anstelle der bisherigen Hauptforderung geltend gemacht werde, nicht aber hilfsweise für den Fall des Unterliegens. Für einen derartigen Hilfsantrag sei prozessual kein Raum. Dieser könne dann nach § 99 Abs. 1 ZPO auch nicht Gegenstand einer isolierten Anfechtung sein.
- 3
- Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 5
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
- 6
- 2. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er, wie die Klägerin zu Recht beanstandet, nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
- 7
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt , über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen (vgl. etwa BGH Beschlüsse vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12 - NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4; vom 19. März 2013 - VI ZB 68/12 - NJW 2013, 1684 Rn. 6; vom 31. März 2011 - V ZB 1160/10 - Grundeigentum 2011, 686 Rn. 3 und vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09 - NJW-RR 2010, 1582 Rn. 5 jeweils mwN). Nach §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen hierzu, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Diese Anforderungen gelten auch für einen Beschluss, durch den die Berufung mit der Begründung verworfen wird, das Rechtsmittel sei nach § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig, weil damit in der Sache nur die erstinstanzliche Kostenentscheidung angegriffen werde.
- 8
- Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig , wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Danach greift diese Rechtsmittelsperre nur, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen und das Rechtsmittel auf den Kostenausspruch beschränkt ist. Ob das Berufungsgericht zu Recht vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen ist, kann das Rechtsbeschwerdegericht nur prüfen, wenn in dem Verwerfungsbeschluss neben dem wesentlichen Sachverhalt die von den Parteien in den beiden Instanzen gestellten Anträge mitgeteilt werden. Dies gilt insbesondere, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Form eines in der Hauptsache statthaften Rechtsmittels gewahrt ist, der Berufungsantrag aber nach Auffassung des Berufungsgerichts allein die Abänderung der Kostenentscheidung zum Gegenstand hat.
- 9
- Wird diesen Anforderungen nicht genügt, ist der Beschluss nicht mit den nach dem Gesetz (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits aus diesem Grund aufzuheben (vgl. BGH Beschluss vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12 - NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4 mwN).
- 10
- b) So liegt es hier. In dem angefochtenen Beschluss fehlt eine Sachdarstellung. Auf das Urteil der ersten Instanz wird nicht Bezug genommen. Ausreichende tatsächliche Angaben lassen sich dem Beschluss auch nicht im Übrigen entnehmen. Durch die Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 20. März 2013 genügt die angegriffene Entscheidung ebenfalls nicht den Anforderungen an eine ausreichende Begründung. Denn auch der Hinweisbeschluss enthält weder eine Sachdarstellung noch eine Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung. Zwar erwähnt er den Berufungsantrag der Klägerin, nicht aber die erstinstanzlichen Anträge der Parteien. Aus den weiteren Ausführungen ist lediglich erkennbar, dass die Klägerin die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Hauptforderung in Anspruch genommen und "hilfsweise" beantragt hat, die Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von den Prozesskosten freizustellen. Diese Angaben genügen auch unter Berücksichtigung der in dem Hinweisbeschluss enthaltenen rechtlichen Ausführungen nicht, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung der Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 ZPO zu ermöglichen.
- 11
- 3. Da der angefochtene Beschluss bereits aus diesem Grund aufzuheben ist, kommt es auf die weitere Rüge der Rechtsbeschwerde, die Klägerin sei in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden, weil sie von dem Hinweisbeschluss vom 20. März 2013 erst nach Erlass der angegriffenen Entscheidung zufällig erfahren habe, nicht an (zur Verpflichtung zur Anhörung des Rechtsmittelführers vor der Verwerfung eines unzulässigen Rechtsmittels vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08 - NJW-RR 2010, 1075 Rn. 7; vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - NJW-RR 2007, 1718; vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - NJW-RR 2006, 142 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06 - FamRZ 2007, 1725). Nach Zurückverweisung hat das Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den von der Klägerin in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgebrachten Erwägungen zur Zulässigkeit der Berufung zu befassen. Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Botur Guhling
LG Bremen, Entscheidung vom 03.12.2012 - 4 O 735/11 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 09.04.2013 - 5 U 2/13 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.
(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.
(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.
(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.
(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.
Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.
(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.