Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2010 - XII ZB 117/10

bei uns veröffentlicht am22.09.2010
vorgehend
Amtsgericht Gifhorn, 16 F 1056/08, 20.10.2009
Oberlandesgericht Celle, 15 UF 250/09, 02.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 117/10
vom
22. September 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze bei Anweisung einer Übersendung
per Telefax.
BGH, Beschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 117/10 - OLG Celle
AG Gifhorn
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2010 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin
Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 2. März 2010 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen. Beschwerdewert: 2.000 €

Gründe:

I.

1
Die Antragsgegnerin hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 4. November 2009 zugestellte Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 20. Oktober 2009, durch das die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt worden ist, mit am 3. Dezember 2009 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs eingelegt. Die Beschwerdebegründung ging dort am 5. Januar 2010, einem Dienstag, ein. Nachdem das Oberlandesgericht auf den verspäteten Eingang der Beschwerdebegründung hingewiesen hatte, beantragte die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 28. Januar 2010, der am gleichen Tag beim Oberlandesgericht eingegangen ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trug zur Begründung u.a. vor, sie habe nach Unterzeichnung des Beschwerdebegründungsschriftsatzes gegenüber ihrer ansonsten zuverlässigen Fachangestellten L. klargestellt, dass dieser Schriftsatz an das Oberlandesgericht zu faxen sei. Frau L. habe am Ende ihrer Arbeitszeit den Schriftsatz in die zentrale Poststelle zum Versand mitgenommen und habe sodann in der festen Annahme, diesen Schriftsatz an das Oberlandesgericht per Fax versandt zu haben, die Beschwerdebegründungsfrist gelöscht. Da der Versand erst nach Dienstschluss bei Gericht um 18.00 Uhr erfolgt sei, sei die Einholung einer telefonischen Bestätigung des Empfangs nicht mehr möglich gewesen.
2
Ihr Bürobetrieb sei nach dem in einem Handbuch niedergelegten Qualitätsmanagementsystem DIN EN ISO 9001: 2008 organisiert. Die Fachangestellte L. sei auf der Grundlage dieses Handbuchs, welches ihr auch übergeben worden sei, mündlich instruiert worden. Das Handbuch enthalte zur Versendung fristgebundener Schriftsätze per Fax folgende Anweisungen:
3
"Fristgebundene Schriftsätze an auswärtige Gerichte müssen unter Umständen per Fax vorab geschickt werden. Das jeweilige Sekretariat sollte sich den vollständigen Eingang des lesbaren Fax-Schreibens fernmündlich bestätigen lassen und darüber einen Vermerk anfertigen". Weiter heißt es in dem Handbuch: "Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Fax bietet der "o.k.-Vermerk" im Sendeprotokoll keine sichere Gewähr dafür, dass das Fax vollständig beim Empfänger angekommen ist. Deshalb sollte sich das Sekretariat durch telefonische Nachfrage beim Empfänger den rechtzeitigen und vollständigen Zugang bestätigen lassen."
4
Das Beschwerdegericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Beschwerde als unzulässig verworfen.
5
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

6
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Rn. 7).
7
Die nach § 621 e Abs. 3 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
8
1. Das Beschwerdegericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch wegen unzureichender Ausgangskontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Ein Rechtsanwalt genüge seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweise, nach der Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Dass eine solche Anweisung im Büro der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin allgemein bestehe, ergebe sich weder aus dem Sachvortrag in dem Wiedereinsetzungsgesuch, noch aus den diesem beigefügten Unterlagen. Vielmehr lasse sich aus den Kopien des Qualitätsmanagementhandbuchs lediglich entnehmen, dass das Sekretariat bei per Telefax übersandten fristgebundenen Schriftsätzen sich den vollständigen Eingang des lesbaren Faxschreibens telefonisch bestätigen lassen solle, weil der "o.k.-Vermerk" im Sendeprotokoll keine sichere Gewähr dafür biete, dass das Telefax beim Empfänger vollständig angekommen sei.
9
Abgesehen davon, dass die Verwendung des Wortes "sollte" eher auf Empfehlungen schließen lasse, seien diese Anweisungen jedenfalls in Fällen, in denen ein fristgebundener Schriftsatz erst am Tage des Fristablaufs nach Dienstschluss beim Empfänger per Telefax versandt werde, unzureichend, weil die telefonische Bestätigung des Eingangs am selben Tag nicht mehr zu erhalten sei. Eine allgemeine Anweisung, sich anhand des Sendeprotokolls der Übermittlung zu versichern, bestehe nicht. Dass die Prozessbevollmächtigte ihrer Angestellten eine Einzelanweisung dahin erteilt habe, den Ausgang mittels des Sendeprotokolls zu überprüfen, sei nicht dargetan.
10
Die fehlende Anweisung sei für die Fristversäumung auch ursächlich gewesen. Hätte die Angestellte sich nämlich das Sendeprotokoll ausdrucken lassen , hätte sie ihr Versäumnis bemerkt. Hinzu komme, dass sämtliche anderen Schriftsätze der Antragsgegnerin, die in der Beschwerdeinstanz per Telefax vorab an das Oberlandesgericht gesandt worden seien, über der Anschrift den fettgedruckten Vermerk "per Telefax vorab" getragen hätten, was bei der Beschwerdebegründung nicht der Fall gewesen sei.
11
2. Diese Ausführungen stehen in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze regelmäßig nur dann genügt, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist und erst danach die Frist im Fristenkalender zu streichen (Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515; vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 und vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534; BGH Beschlüsse vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690 und vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR 2005, 573).
12
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde genügt die allgemeine Weisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage bei dem Empfänger und Fertigung eines entsprechenden Vermerks zu streichen, nicht den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle. Diese Anweisung enthält für den Fall, dass der Schriftsatz, wie hier, am letzten Tag der Frist nach Dienstschluss dem Gericht übermittelt werden soll und eine telefonische Bestätigung durch den Empfänger nicht mehr erfolgen kann, keine ausreichenden Vorkehrungen zur Vermeidung einer Fristversäumung. Eine wirksame Ausgangskontrolle kann in diesem Fall nur durch den Ausdruck und die Überprüfung des Sendeprotokolls erfolgen. Aus dem Senatsbeschluss vom 24. Januar 1996 (XII ZB 4/96 - FamRZ 1996, 1003) und dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2001 (II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60) ergibt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nichts anderes. In den dort entschiedenen Fällen bestanden in den Büros der Prozessbevollmächtigten die allgemeinen Anweisungen, dass bei der Übersendung fristwahrender Schriftstücke per Telefax Fristen erst gelöscht werden durften, wenn eine telefonische Eingangsbestätigung des Adressaten vorliege. Der Fall, dass eine telefonische Rückfrage beim Empfänger vor Fristablauf aufgrund dessen Geschäftszeit nicht mehr möglich war, lag jeweils nicht vor.
13
Eine allgemeine Kanzleianweisung im Büro der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin, die Übersendung des Schriftsatzes in solchen Fällen anhand des Ausdrucks und einer Kontrolle des Sendeprotokolls zu überprüfen und erst dann die Frist zu streichen, oder eine entsprechende Einzelanweisung bestand nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht.
14
3. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde stellt sich auch nicht die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit ein Rechtsanwalt, der seinen Bürobetrieb nach dem Qualitätsmanagementssystem DIN EN ISO 9001: 2008 organisiert hat, auf die Richtigkeit der Anweisungen vertrauen darf. Denn es liegt auf der Hand, dass ein Rechtsanwalt für die ordnungsgemäße Organisation seiner Kanzlei selbst verantwortlich ist.
15
4. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss die Antragsgegnerin auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Es ist schon nicht ersichtlich, dass das Beschwerdegericht durch seinen Hinweis darauf, dass sämtliche Schriftsätze der Antragsgegnerin - bis auf die streitgegenständliche Beschwerdebegründung - den fettgedruckten Vermerk "per Telefax vorab" enthalten, entscheidungserheblichen Vortrag der Antragsgegnerin übergangen haben könnte. Hahne Wagenitz Vézina Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Gifhorn, Entscheidung vom 20.10.2009 - 16 F 1056/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 02.03.2010 - 15 UF 250/09 -

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ref

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

7
Die Revision hat keinen Erfolg. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar , weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2009, 1852 f.; OLG Stuttgart Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 18 UF 233/09 - veröffentlicht bei Juris; OLG Schleswig Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 W 152/09 - veröffentlicht bei Juris und OLG Dresden Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 W 1077/09 - veröffentlicht bei Juris).

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 34/07
vom
14. Mai 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender
Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach
einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob
die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei
ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden Seiten mit den laut Sendeprotokoll
versandten Seiten besonders nachdrücklich anzuordnen, wenn die
Vorgaben eines in der Anwaltskanzlei verwendeten Qualitätshandbuchs in diesem
Punkt lückenhaft sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. Juli
2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 ff.).
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2008 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Februar 2007 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 4.524 €.

Gründe:

I.

1
Durch das am 3. Januar 2007 zugestellte Urteil hat das Amtsgericht die Abänderungsklage der Klägerin teilweise abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin mit am 8. Februar 2007 bei dem Oberlandesgericht - im Original - eingegangenem Schriftsatz vom 5. Februar 2007 (Montag) Berufung eingelegt. Bereits am 5. Februar 2007 waren die erste Seite der zweiseitigen Berufungsschrift sowie das sechs Seiten umfassende erstinstanzliche Urteil per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Die bei der Faxübermittlung fehlende Seite 2 der Berufungsschrift enthält neben der Angabe der gegnerischen Prozessbevollmächtigten erster Instanz die Mitteilung, dass und gegen welches Urteil Berufung eingelegt werden soll, sowie die Unterschrift des Prozessbevollmächtig- ten der Klägerin. Die mit "Berufungsschrift" überschriebene Seite 1 nennt demgegenüber die Parteien und die Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
2
Auf telefonischen gerichtlichen Hinweis vom 7. Februar 2007, dass die Seite 2 der Berufungsschrift fehle, hat die Klägerin am selben Tag erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie ausgeführt:
3
Die unterbliebene Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift per Telefax sei auf ein Versäumnis der Rechtsanwaltsfachangestellten M. zurückzuführen , die den Auftrag gehabt habe, die Berufungsschrift zusammen mit dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Zu den Aufgaben von Frau M. gehöre die Notierung von Fristen und deren Überwachung. Die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten sei nach ISO 9001 zertifiziert , was es mit sich bringe, dass nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten, in einem Qualitätshandbuch verzeichnet seien. Die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge werde regelmäßig überprüft. Frau M. sei mit dem Inhalt des Qualitätshandbuchs gut vertraut. Sie sei angewiesen, den Zugang der Fristpost durch Telefax besonders zu überprüfen. Diese Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, den Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Fax-Nummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten habe überprüfen müssen. Sie habe an dem betreffenden Tag erstmals versäumt, die Vollständigkeit einer Faxübermittlung zu kontrollieren. Nach Beendigung des Sendevorgangs habe Frau M. den Sendebericht sowie den Fristenzettel mit dem Vermerk "SB (Sendebericht) in Akte, Frist streichen?" dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt, damit dieser die Frist streichen könne. Der Anwalt habe den Sendebericht in Bezug auf die korrekte Faxnummer sowie den Erfolg der Über- tragung kontrolliert, allerdings ebenfalls versäumt, die Anzahl der versendeten Seiten zu überprüfen.
4
Dieser Vortrag ist von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin anwaltlich und von M. an Eides statt versichert worden. Außerdem ist neben einer Kopie des Fristenzettels ein Auszug aus dem Qualitätshandbuch vorgelegt worden.
5
Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

6
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil der von der Rechtsbeschwerde allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegt (§ 574 Abs. 2 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dabei könne offen bleiben, ob das Versehen der Rechtsanwaltsfachangestellten M. auf einem Büroorganisationsverschulden des Anwalts beruhe. Denn dieser hätte bei der der Absendung per Telefax folgenden eigenen Kontrolle des Sendeberichts jedenfalls noch rechtzeitig erkennen können, dass eine Seite, bei der es sich um einen Teil der Berufungsschrift habe handeln können, nicht übermittelt worden sei. Übernehme der Anwalt die Ausgangskontrolle im konkreten Fall mit, komme er der damit verbundenen Verpflichtung nur nach, wenn er sich selbst davon überzeuge, dass alle abzusendenden Seiten des Schriftsatzes ordnungsgemäß gesendet worden seien.
8
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
9
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die am 5. Februar 2007 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt ist. Zwar könnte sich die Erklärung der Berufungseinlegung (§ 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) möglicherweise aus der Überschrift der ersten Seite des Schriftsatzes vom 5. Februar 2007 (Berufungsschrift ) entnehmen lassen; die angefochtene Entscheidung (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) könnte aus dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil zu ersehen sein. In jedem Fall mangelt es dem per Telefax am letzten Tag der Berufungsschrift eingegangenen Schriftsatz aber an der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten. Diese war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil sich nicht aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergab, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen und diesen willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 120/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
10
3. Der Klägerin ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach ihrem Vortrag ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
11
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermitt- lung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 f.).
12
Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen , die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723).
13
b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Klägervertreters ist nicht dargetan worden.
14
aa) Dass durch allgemeine Kanzleianweisungen vorgeschrieben ist, bei der Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift per Telefax nicht nur die Versendung an den richtigen Empfänger zu prüfen, sondern auch die Vollständigkeit der Übermittlung einer Kontrolle zu unterziehen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Danach sind zwar nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten , in einem Qualitätshandbuch niedergeschrieben; die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge wird auch regelmäßig überprüft. Der in Kopie vorgelegte Auszug aus dem Qualitätshandbuch sieht für die Ausgangskontrolle der Fristpost durch Telefax allerdings nur vor, dass die Fachsekretärin einen Sendebe- richt ausdrucken lässt und diesen auf die Richtigkeit des Adressaten und der Faxnummer überprüft. Der weitere Vortrag, Frau M. sei angewiesen, die Übermittlung der Fristpost durch Fax besonders zu überprüfen, lässt nicht erkennen, welche konkreten, allgemeingültigen Vorgaben insofern gemacht worden sind, insbesondere dass und in welcher Weise diese über die Anweisungen des Qualitätshandbuchs hinausgehen. Solche waren hinsichtlich der Überprüfung der Übermittlung auf Vollständigkeit in besonderer Weise erforderlich, weil die Vorgaben des Qualitätshandbuchs in diesem Punkt lückenhaft waren, andererseits die Fachangestellten mit diesen Vorgaben aber gut vertraut gewesen sein sollen. Gerade unter diesen Umständen hätte ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass die Vorgaben des Qualitätshandbuchs nicht ausreichen, sondern in jedem Fall zusätzlich die Vollständigkeit des Übermittlungsvorgangs zu überprüfen ist. Soweit ausgeführt wird, die besondere Überprüfung sei durch den Ausdruck eines Sendeberichts erfolgt, diesen habe Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Faxnummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten überprüfen müssen, wird hieraus, ebenso wenig wie aus dem weiteren Vorbringen, erkennbar, dass diesen Anforderungen eine allgemeine Kanzleianweisung zugrunde lag. Das Vorbringen lässt sich ebenso dahin verstehen, dass es sich auf die stillschweigend erwartete Behandlung der konkreten Sache bezieht.
15
bb) Eine den genannten Anforderungen genügende konkrete Einzelanweisung ist ebenfalls nicht dargetan. Es ist nämlich nicht im Einzelnen vorgetragen , dass Frau M. im vorliegenden Fall der Auftrag erteilt worden sei, die Berufungsschrift nebst dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Oberlandesgericht zu übermitteln, anschließend einen Sendebericht ausdrucken zu lassen und diesen sodann auch auf die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen.
16
c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob den Klägervertreter auch deshalb ein Verschulden an der Fristversäumung trifft, weil die einzelnen Schritte der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei nicht eindeutig zugewiesen waren. Nach dem Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag ist nämlich davon auszugehen, dass der Anwalt selbst die Streichung einer Frist verfügt und es hier bei der zu diesem Zweck erfolgten Vorlage des Fristenzettels versehentlich unterlassen hat, die Vollständigkeit der Übermittlung zu kontrollieren. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl der Anwalt selbst als auch Frau M. für die Fristenkontrolle zuständig waren. Die dadurch bedingte Überschneidung von Kompetenzen eröffnet aber Fehlerquellen, weil die Gefahr besteht, dass sich im Einzelfall einer auf den anderen verlässt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92 - FamRZ 1993, 45). Ob auch insofern ein für die Fristversäumnis ursächliches Organisationsverschulden vorliegt, kann aber dahinstehen. Hahne Weber-Monecke Sprick Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 21.12.2006 - 23 F 89/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.02.2007 - 10 UF 15/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 32/07
vom
18. Juli 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 B, E, Fd, 520 Abs. 2

a) Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle
fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist,
nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen
, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt
ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (im Anschluss
an die Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ
2005, 1534 und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104).

b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle kann sich entweder
aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder aus einer konkreten Einzelanweisung
ergeben. Fehlt es an einer entsprechenden allgemeinen Kanzleianweisung
, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per
Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die
Ausgangskontrolle erstrecken.

c) Ein früheres Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten
schließt die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit
durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes
Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität).

d) Dem Rechtsmittelführer dürfen Verzögerungen der Briefbeförderung oder
Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet
werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten
werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt
werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück
so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen
und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den
Empfänger fristgerecht erreichen kann (im Anschluss an BGH Beschluss
vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f.
BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Februar 2007 aufgehoben. Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 4.226 €.

Gründe:


I.

1
Auf Antrag der Klägerin verurteilte das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt. Gegen das am 15. September 2006 zugestellte Urteil legte der Beklagte rechtzeitig Berufung ein. Die Frist zur Begründung der Berufung wurde auf seinen Antrag bis zum 15. Dezember 2006 (Freitag ) verlängert. Erst am 18. Dezember 2006 (Montag) gingen beim Berufungsgericht ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die Berufungsbegründung und ein weiterer Schriftsatz ein, in dem beantragt wurde, zunächst über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden, "bevor das Berufungsverfahren seinen Fortgang nimmt". Auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 11. Januar 2007, dass die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag verspätet eingegangen seien, beantragte der Beklagte mit einem am 29. Januar 2007 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Berufung erneut.
2
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und dem Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, weil die Fristversäumung auf ein - dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares - Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen sei. Der Prozessbevollmächtigte habe weder durch eine allgemeine Kanzleianweisung noch durch seine Einzelanweisung eine ausreichende Postausgangs- und Fristwahrungskontrolle sichergestellt. Deswegen sei es zur Löschung der Frist gekommen, noch bevor sich die Kanzleiangestellte anhand des Sendeprotokolls von der ordnungsgemäßen Übermittlung der Berufungsbegründung überzeugt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung oder des Prozesskostenhilfeantrags auch nicht durch andere organisatorische Maßnahmen sichergestellt. Zwar habe die Kanzleiangestellte in ihrer eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie habe am 13. Dezember 2006 (Mittwoch) auf dem Heimweg mit der übrigen Post auch diese Schriftsätze vom gleichen Tage in den Briefkasten geworfen. Dabei sei allerdings offen geblieben, wann dies geschehen sein soll, um welchen Briefkasten es sich gehandelt habe und vor allem , zu welchem Zeitpunkt die nächste Leerung erfolgen sollte. Diese Unklarheit spreche dafür, dass die erst am folgenden Montag beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung zu spät zur Post gegeben worden sei. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 533 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
4
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N.) dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
5
1. Allerdings kann es den Beklagten nicht entlasten, dass die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag ursprünglich schon am 13. Dezember per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt werden sollten. Denn insoweit geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass die unterlassene Übermittlung per Telefax auf ein dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen ist.
6
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermitt- lung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1005 f.; BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 27/05 - NJW 2007, 601 f.). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung , einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden , in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der Ausgangskontrolle hat weder der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch dessen Kanzleiangestellte vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Denn eine Anweisung, die Frist im Kalender erst nach einer Überprüfung des Sendeberichts zu löschen, ergibt sich hier nach dem Vortrag des Beklagten weder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung noch aus einer konkreten Anweisung seines Prozessbevollmächtigten.
7
b) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich auf eine ausdrücklich erteilte Einzelanweisung beruft, hätte er außerdem dafür sorgen müssen , dass diese nicht vergessen wird.
8
Zwar erstreckte sich die Einzelanweisung des Prozessbevollmächtigten darauf, den Berufungsschriftsatz und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorab per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt auch darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Die Anweisung sollte aber nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Beklagten nicht unverzüglich, sondern lediglich im Laufe desselben Tages ausgeführt werden. In solchen Fällen kann die Einzelanweisung auch wegen der Gefahr des Vergessens eine wirksame Ausgangskontrolle nicht ersetzen.
9
Denn wenn eine Einzelanweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittelbegründungsfrist betrifft, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anordnung in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (BGH Beschlüsse vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - FamRZ 2007, 1007, vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711, 1362 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689; vgl. auch Senatsbeschluss vom 13. September 2006 - XII ZB 103/06 - FamRZ 2006, 1663).
10
2. Dem Beklagten ist allerdings gleichwohl Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, weil das Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden ist. Denn nach dem an Eides statt versicherten Vortrag des Beklagten erstreckte sich die konkrete Einzelanweisung seines Prozessbevollmächtigten auch darauf, die Berufungsbegründung und den Prozesskostenhilfeantrag nebst den entsprechenden Unterlagen noch am 13. Dezember 2006 auf den Postweg zu bringen. Entsprechend hat die Kanzleiangestellte die Schriftsätze nach dem Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherung noch am Abend des 13. Dezember 2006 kuvertiert , frankiert und in einen Postbriefkasten eingeworfen.
11
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt dieser glaubhaft gemachte Sachverhalt, um ein für die Verspätung ursächliches Verschul- den des Prozessbevollmächtigten des Beklagten auszuschließen. Denn ein früheres Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten schließt die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität). So liegt der Fall auch hier.
12
b) Die Berufungsbegründung ist durch die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten noch am 13. November 2006 zur Post gegeben worden. Damit scheidet ein Verschulden aus, auch wenn die Schriftsätze erst verspätet beim Berufungsgericht eingegangen sind. Der Beklagte und sein Prozessbevollmächtigter waren nicht verpflichtet, die Berufungsschrift zu einem früheren Zeitpunkt zur Post zu geben, sondern berechtigt, die Frist bis zum letzten möglichen Zeitpunkt auszunutzen. Sie mussten lediglich dafür Sorge tragen, dass die Berufungsbegründung so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, dass sie bei einer normalen Bearbeitung der Postsendungen noch fristgerecht beim Berufungsgericht einging (BGH Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f.). Weil das hier geschehen ist, kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Frist bis zum letzten möglichen Moment ausgenutzt wurde.
13
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein Verschulden des Beklagten oder seines Prozessbevollmächtigten auch nicht darin, dass die Berufungsbegründung erst am Abend des 13. November 2006 zur Post gegeben wurde. Denn nach ständiger Rechtsprechung dürfen dem Rechtsmittelführer Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Dabei darf eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass werktags im Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden. Anders liegt es nur, wenn konkrete Umstände vorliegen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH Beschlüsse vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f. und vom 15. April 1999 - IX ZB 57/98 - NJW 1999, 2118). Weil die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag hier schon am Abend des 13. Dezember 2006 eingeworfen wurden, war die Versendung spätestens mit Leerung des Briefkastens am 14. Dezember 2006 sichergestellt. Dann durften der Beklagte und sein Prozessbevollmächtigter darauf vertrauen, dass die Schriftsätze am Folgetag, dem 15. Dezember 2006, bei dem nahe gelegenen Oberlandesgericht eingehen werden.
14
bb) Selbst wenn dem Berufungsgericht weitere Unklarheiten oder Zweifel zum konkreten Ablauf verblieben wären, hätte es die Berufung nicht verwerfen dürfen, sondern den Beklagten nach § 139 ZPO zur Konkretisierung seines Vortrags auffordern müssen. Die weitere Konkretisierung des im Wiedereinsetzungsverfahren rechtzeitig eingegangenen Vortrags des Beklagten, wie er jetzt im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt ist, hätte das Berufungsgericht dann bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen. Das gilt insbesondere für die Tatsache, dass die Kanzleiangestellte am 13. Dezember 2006 bis 18.35 Uhr arbeitete und die Schriftsätze sodann in der etwa drei Gehminuten von der Kanzlei entfernten Hauptpost eingeworfen habe, wo die Briefkästen stündlich bis 19.00 Uhr geleert werden.
15
c) Wegen der überholenden Kausalität bei der Versendung der Schriftsätze im Postweg entfällt somit ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Auf den rechtzeitig eingegangenen Antrag ist ihm deswegen die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen. Über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird das Berufungsgericht erneut unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten und der Erfolgsaussicht der Berufung zu befinden haben.
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 25.08.2006 - 28 F 27/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.02.2007 - 10 UF 168/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 267/04
vom
10. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax übermittelt, muss sich die im
Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts auch
darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnummer des Empfangsgerichts angewählt
wurde (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 -
FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
Ergab sich die Faxnummer des Gerichts nicht aus in der Handakte befindlichen
Schreiben dieses Gerichts und hatte der Rechtsanwalt es zulässigerweise einer
ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen Kanzleiangestellten überlassen,
die Faxnummer des Gerichts (hier: anhand einer Internet-Telefonbuchseite der
Telekom) zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, darf sich die Kontrolle
des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die darin ausgedruckte Faxnummer
mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen.
Der Abgleich hat vielmehr anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen,
ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu erfolgen, um nicht nur Fehler bei der
Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer
Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (Fortführung von Senatsbeschluss
vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.).
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - vom 16. Dezember 2004 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 93.982 €

Gründe:

I.

1
Am 30. September 2004 legte die Klägerin durch ihre zunächst beauftragten zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Berufung gegen das ihr am 31. August 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem ihre Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Mietvertrages abgewiesen worden war. Auf ihren am 29. Oktober 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30. November 2004 verlängert.
2
Mit Schriftsatz vom 30. November 2004 zeigten die jetzigen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin an, diese nunmehr zu vertreten, und begründeten die Berufung. Dieser Schriftsatz ging am selben Tag per Fax beim Landgericht Freiburg und nach Weiterleitung am Mittwoch, dem 1. Dezember 2004, bei den Freiburger Zivilsenaten des Oberlandesgerichts ein.
3
Auf gerichtlichen Hinweis vom 1. Dezember 2004 beantragte die Klägerin , ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Angestellte der Kanzlei ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten W. habe im Anschluss an die ihr erteilte Weisung, die Faxnummer der Zivilsenate in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, versehentlich die Faxnummer des Landgerichts eingesetzt und den Schriftsatz dorthin übermittelt , wie sich aus den anwaltlich versicherten Angaben des Rechtsanwalts W. im Wiedereinsetzungsgesuch und der ihm beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Angestellten L. ergebe. Die Verwechslung beruhe darauf, dass sie eine Internet-Seite der Telekom aufgerufen und dabei versehentlich die eine Zeile über dem Oberlandesgericht aufgeführte Nummer des Landgerichts abgelesen habe.
4
Das Oberlandesgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin durch Beschluss zurück und verwarf die Berufung zugleich als unzulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
6
2. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und infolge dessen die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser dürfe die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes zwar im Rahmen einer die nötige Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen und brauche die von ihr ermittelte Faxnummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Klägerin habe jedoch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine allgemeine Büroanweisung zur Ausgangskontrolle von per Fax zu übermittelnden fristwahrenden Schriftsätzen bestehe, die auch - wie erforderlich - gewährleiste, dass die Übermittlung an die richtige Faxnummer des Empfängers erfolgt sei.
7
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und entspricht auch im zuletzt genannten Punkt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, derzufolge ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet, und zwar dergestalt, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
8
a) Hier hat die Klägerin zwar glaubhaft gemacht, dass die Büroangestellte L. nach der Übermittlung der Berufungsbegründung einen Sendebericht ausgedruckt und Rechtsanwalt W. vorgelegt hat, der ihn kontrollierte.
9
Dem ist aber bereits nicht zu entnehmen, dass Rechtsanwalt W. auch überprüft hat, ob es sich bei der aus dem Sendebericht ersichtlichen Faxnummer um diejenige des Oberlandesgerichts handelte. Nach seiner eigenen Darstellung hat er sich (nur) den Sendebericht vorlegen lassen und sich von der "störungsfreien Übermittlung" überzeugt. Dies lässt es möglich erscheinen, dass er sich nur vergewissert hat, ob der Sendebericht den Vermerk "OK" aufwies. Nach Darstellung der Büroangestellten L. wurde ihm das Sendeprotokoll hingegen zusammen mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt, und seine Kontrolle bezog sich auf deren "vollständigen Versand", so dass angesichts dieser detaillierteren Darstellung davon ausgegangen werden kann, dass Rechtsanwalt W. auch die Seitenzahl überprüft hat. War dies der Fall, mag auch die Vermutung nahe liegen, dass Rechtsanwalt W. zugleich auch die Faxnummer des Sendeberichts mit der auf dem Schriftsatz angegebenen Faxnummer verglichen hat.
10
Auch die Rechtsbeschwerde lässt dies dahinstehen und weist - insoweit zutreffend - darauf hin, dass ein etwaiges Unterlassen der vorstehend genannten Überprüfung für die Versäumung der Frist jedenfalls nicht ursächlich gewesen wäre, weil die Faxnummern auf dem Sendebericht und dem Schriftsatz tatsächlich übereinstimmten und ein Vergleich nicht zur Aufdeckung des Fehlers hätte führen können.
11
Mit dieser Begründung lässt sich ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden aber nicht ausräumen:
12
b) Ob in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur Ausgangskontrolle existierten, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Hatte er selbst es übernommen, das Sendeprotokoll im Rahmen der Ausgangskontrolle zu prüfen, durfte er sich dabei nicht auf den Vergleich der Faxnummern im Sendebericht und im Schriftsatz beschränken. Denn die Ausgangskontrolle muss sich auch darauf erstrecken , dass die Übermittlung an den richtigen Empfänger erfolgt ist (Senatsbeschluss vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.). Der Vergleich dieser beiden Faxnummern ist aber nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht darauf an, wie hoch die Verwechslungsgefahr bei dem zur Ermittlung herangezogenen Verzeichnis war, und welche Vorkehrungen gegebenenfalls zu treffen sind, wenn die Ermittlung der Empfängernummer dem Büropersonal überlassen wird.
13
Denn die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGHReport 2004, 978 f.). Die bloße, auf Nachfrage des Anwalts abgegebene Versicherung der Angestellten, die zutreffende Empfängernummer ermittelt und in den Schriftsatz eingesetzt zu haben, vermag die anschließende Überprüfung dieses Vorgangs nicht zu ersetzen. Hierzu hätte es zumindest der weiteren Versicherung der Angestellten bedurft , die von ihr in den Schriftsatz eingesetzte Faxnummer anschließend noch einmal mit dem verwendeten Verzeichnis abgeglichen zu haben.
14
Aber selbst wenn der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu folgen wäre, dass eine nochmalige Überprüfung anhand des zur "Erstermittlung" benutzten Verzeichnisses nur dann unabdingbar sei, wenn das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung besonders hoch ist, ergäbe sich hier nichts anderes. In seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491 f.), auf den sich die Rechtsbeschwerde insoweit beruft, hat der Bundesgerichtshof als Beispiel für ein besonders hohes Verwechslungsrisiko den Fall genannt, dass die Empfängernummer im Einzelfall aus elektronischen Dateien herausgesucht wird und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen. Das war auch hier der Fall (Internetseite der Deutschen Telekom mit der Auflistung der Justizbehörden in Freiburg; darunter Amts-, Land- und Oberlandesgericht

).

15
Im Übrigen betraf diese Entscheidung einen Fall, in dem die abgelesene Faxnummer offenbar unmittelbar handschriftlich in einen bereits ausgedruckten Schriftsatz eingefügt wurde. Im vorliegenden Fall hat die Büroangestellte L. die am Bildschirm (falsch) abgelesene Faxnummer hingegen zunächst "notiert", d.h. handschriftlich festgehalten und sodann in den am Computer vorgefertigten Schriftsatz eingesetzt. Das mit dieser zweifachen Übertragung verbundene höhere Risiko eines Übertragungsfehlers hat sich im vorliegenden Fall zwar nicht verwirklicht, gehört aber ebenfalls zu den Umständen, die nach der zitierten Entscheidung Anlass zur nochmaligen Überprüfung geben.
16
c) Bestand hingegen eine allgemeine Anweisung, durch die die Ausgangskontrolle einer geschulten Fachkraft übertragen war, lässt das Wiedereinsetzungsgesuch sowohl eine Darstellung dieser Anweisung als auch Angaben dazu vermissen, wer für die Streichung der Frist im Fristenkalender zuständig war. Zudem hat Rechtsanwalt W. dadurch, dass er selbst den Sendebericht kontrollierte, in die Büroorganisation eingegriffen und - mangels einer klaren Anweisung auch für diesen Fall - eine Situation geschaffen, in der für seine Angestellten ungewiss war, ob sie damit ihrer gegebenenfalls bestehenden eige- nen Prüfungspflichten im vorliegenden Einzelfall enthoben waren oder nicht. Auch darin ist ein Organisationsverschulden zu sehen, da nicht vorgetragen ist, dass für einen solchen Fall eindeutige Anweisungen bestanden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Angestellte L. oder gegebenenfalls eine andere, mit der Führung des Fristenbuchs betraute Angestellte den erforderlichen nochmaligen Abgleich des Sendeberichts mit dem bei der Erstermittlung der Faxnummer verwendeten Verzeichnis oder einem anderen Verzeichnis vorgenommen hätten, wenn Rechtsanwalt W. nicht den Eindruck vermittelt hätte, diese Ausgangskontrolle selbst zu übernehmen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 26.08.2004 - 2 O 230/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 16.12.2004 - 19 U 184/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 68/05
vom
20. Juli 2005
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2005 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs
und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 8. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg vom 7. April 2005 aufgehoben. Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 1.812 €

Gründe:

I.

Durch Verbundurteil des Amtsgerichts wurde der Antragsteller verurteilt, ab Rechtskraft der Scheidung monatlich nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 151 € an die Antragsgegnerin zu zahlen. Gegen dieses ihm am 24. Dezember 2004 zugestellte Urteil legte der Antragsteller am 11. Januar 2005 Berufung ein. Auf seinen Antrag wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 24. März 2005 verlängert. Eine Telekopie der Berufungsbegründung vom 24. März 2005 ging am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht Magdeburg ein. Das (unterschriebene) Original der Berufungsbegründung ging am 29. März 2005 per Post beim Oberlandesgericht ein. Am gleichen Tage erfuhr der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers durch einen Anruf des Verwaltungsgerichts Magdeburg, daß die Telekopie dort eingegangen war, und beantragte noch am gleichen Tage per Fax unter Beifügung einer (nicht unter-
schriebenen) Kopie der Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.

Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 S. 4 ZPO i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Folge, daß die Verwerfung der Berufung gegenstandslos ist. 1. Wie der Antragsteller durch eidesstattliche Versicherung der in der Kanzlei seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten langjährig als Bürovorsteherin tätigen und zuverlässigen Angestellten glaubhaft gemacht hat, wurde dieser die Berufungsbegründung am 14. März 2005 mit der Weisung übergeben , sie vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Da der auf dem Schriftsatz zutreffend angegebene Faxanschluß besetzt war, übermittelte die Angestellte ihn wenige Minuten später unter Betätigung der Wahlwiederholungstaste. Weil zwischenzeitlich offenbar in anderer Sache ein weiterer Schriftsatz an das Verwaltungsgericht Magdeburg übermittelt worden war, wur-
de versehentlich auch die Berufungsbegründung in der vorliegenden Sache dorthin übermittelt. In der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers besteht die Arbeitsanweisung, bei per Fax übermittelten fristwahrenden Schriftsätzen ein Sendeprotokoll ausdrucken zu lassen, an Hand dessen die Vollständigkeit der Übermittlung an den jeweiligen Empfänger zu prüfen ist, bevor die Frist als erledigt notiert wird. Versehentlich kontrollierte die Angestellte jedoch nur den OK-Vermerk und die Zahl der zu faxenden Seiten, nicht jedoch die Übereinstimmung der Faxnummer auf dem Sendeprotokoll mit jener, die auf dem Schriftsatz angegeben war, und teilte dem Prozeßbevollmächtigten auf Nachfrage mit, den Auftrag ordnungsgemäß erledigt zu haben. 2. Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung im wesentlichen damit, eine wirksame Ausgangskontrolle bei Fristsachen sei in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers nicht sichergestellt. So hätte der Prozeßbevollmächtigte seine Büroangestellten bei der Bedienung des von ihnen gemeinsam genutzten Fax-Geräts konkret anweisen müssen, vor der Betätigung der Wahlwiederholungstaste die zuletzt gewählte Rufnummer auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Auch habe der Antragsteller eine konkrete Arbeitsanweisung , bei der Verwendung des Faxgeräts die Übermittlung an den richtigen Empfänger selbständig zu überprüfen, nicht dargelegt. Damit hat das Berufungsgericht zum einen die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Anwalts in Bezug auf eine wirksame Ausgangskontrolle überspannt und zum anderen den Vortrag zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs nicht hinreichend gewürdigt.

a) Der geforderten Anweisung, bei Benutzung der Wahlwiederholungstaste die zuletzt angewählte Rufnummer zu überprüfen, bedarf es nicht, wenn die Übermittlung an den richtigen Empfänger durch die allgemeine Weisung sichergestellt ist, dies an Hand des Sendeprotokolls zu überprüfen. Der Anwalt darf es seinen Angestellten überlassen, ob sie die zur Übermittlung erforderliche Faxnummer manuell eingeben oder sich hierzu der Wahlwiederholungstaste bedienen. Bei deren Benutzung ist zwar nicht auszuschließen, daß ungewollt ein anderer Anschluß angewählt wird, so daß diese Alternative weniger sicher ist und sich als unzweckmäßig erweisen kann. Aufgabe der Fristenkontrolle ist es aber nicht, für optimale Arbeitsabläufe zu sorgen, sondern nur sicherzustellen , daß Fristen nicht versäumt werden. Hierfür genügt die nachträgliche Überprüfung an Hand des Sendeprotokolls, die gewährleistet, daß eine Übermittlung an den falschen Empfänger rechtzeitig entdeckt wird.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Antragsteller auch hinreichend glaubhaft gemacht, daß seine Weisung, die Übermittlung an Hand des Sendeprotokolls zu überprüfen, sich auch auf die Überprüfung der richtigen Faxnummer erstreckt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Weisung, ein Einzelsendeprotokoll ausdrucken zu lassen, auf dessen Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung "an den jeweiligen Empfänger" zu prüfen ist. Denn bei einer Weisung, die sich auf die Prüfung der Vollständigkeit der Übermittlung beschränkt, wäre der Zusatz "an den jeweiligen Empfänger" überflüssig und sinnlos. Dieser Zusatz kann jedenfalls nicht dahin verstanden werden, es solle nur die Vollständigkeit der Übermittlung an den tatsächlich angewählten (und nicht an den anzuwählenden) Empfänger geprüft werden. Dieses Verständnis der erteilten Weisung ergibt sich zweifelsfrei aus der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages, in der es heißt, insoweit habe die Bürovorsteherin offensichtlich verabsäumt, einen nochmaligen Abgleich der auf
dem Schriftsatz angebrachten Faxnummer mit der in dem Sendebericht ausgedruckten Faxnummer vorzunehmen. Dieser Vortrag ist zweifelsfrei dahin zu verstehen, daß auch Letzteres Inhalt der Weisung war. Somit beruhte die Fristversäumung auf einem einmaligen Verschulden der Büroangestellten, das dem Antragsteller nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist und deshalb der beantragten Wiedereinsetzung nicht entgegensteht , § 233 ZPO. 3. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Soweit das Berufungsgericht es hat dahinstehen lassen, ob die per Fax übermittelte Berufungsbegründung unterschrieben war oder nicht und der beantragten Wiedereinsetzung im Falle fehlender Unterschrift ein weiteres Organisationsverschulden entgegenstünde, ist bereits aus Rechtsgründen im Rechtsbeschwerdeverfahren von dem Vortrag des Antragstellers auszugehen, daß der seinerzeit irrtümlich an das Verwaltungsgericht übermittelte Schriftsatz unterschrieben war. Insoweit bedarf es aber nicht der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, damit dieses entsprechende Feststellungen nachholt und auf deren Grundlage über das Wiedereinsetzungsgesuch erneut entscheidet. Der Senat kann insoweit selbst entscheiden. Denn der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers hat nach Hinweis des Berufungsgerichts, es zweifle an der Unterzeichnung des per Fax übermittelten Schriftsatzes, das Wiedereinsetzungsgesuch unter anwaltlicher Versicherung dahin ergänzt, daß der per Fax übermittelte Schriftsatz bereits zu diesem Zeitpunkt unterschrieben war und es sich
dabei um jenes Original handelte, das dem Berufungsgericht am 29. März 2005 auf dem Postwege zuging.
Hahne Sprick Wagenitz Fuchs Dose

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 70/06
vom
13. Februar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Wird die Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang handschriftlich auf den zu
versendenden Schriftsatz übertragen, genügt es zur Überprüfung auf mögliche Eingabefehler
, die gewählte Empfängernummer mit der übertragenen Nummer abzugleichen
(Anschluss an BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR
2005, 573).
BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - LG Kassel
AG Korbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2007 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 14. September 2006 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.579,04 €

Gründe:

I.

1
Mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 23. Mai 2006 ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 3.579,04 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am 6. Juni 2006 zugestellt worden. Am 3. Juli 2006 hat der Beklagte Berufung zum Landgericht K. eingelegt. Mit Schriftsatz vom Montag, den 7. August 2006, hat der Beklagte die Berufung begründet. Der Schriftsatz trägt im Kopf auf S. 1 die Telefax-Nummer des Amtsgerichts K., die jedoch als Telefax-Nummer des Landgerichts K. bezeichnet ist. Dieser Schriftsatz ist vorab per Fax am 7. August 2006 um 17.03 Uhr beim Amtsgericht K. eingegangen. Dieses hat ihn am 11. August 2006 an das Landgericht weitergeleitet , nachdem bis zu diesem Zeitpunkt kein Eingang des Originalschreibens beim Amtsgericht bekannt wurde. Das Original des Schriftsatzes ist am 9. August 2006 beim Landgericht eingegangen. Mit Verfügung vom selben Tag wies der Vorsitzende des Berufungsgerichts den Beklagten darauf hin, dass die Begründung der Berufung nicht innerhalb der bis 7. August 2006 laufenden Frist, sondern erst am 9. August 2006 beim Berufungsgericht eingegangen sei und deshalb beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 18. August 2006, beim Berufungsgericht eingegangen am 21. August 2006 hat der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Der bearbeitende Rechtsanwalt habe die Begründung mit der ausdrücklichen Verfügung diktiert, eine Übersendung solle vorab per Telefax zur Fristwahrung erfolgen. Hierauf habe die erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin H. über dem Anschriftenfeld des Landgerichts K. den Aufdruck "per Telefax" und die folgende Telefax-Nummer angebracht. Dabei sei es zu der fehlerhaften Auswahl der Telefax-Nummer gekommen. H. habe sich bei der Ermittlung der Teilnehmernummer auf die in der Akte befindliche gerichtliche Korrespondenz verlassen; sie gehe davon aus, dass sie ein Schreiben des Amtsgerichts K. aufgeschlagen habe, was ihr aber entgangen sei.
2
Auf weitere Verfügung des Vorsitzenden vom 21. August 2006 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 6. September 2006 dargelegt, nach den Organisationsvorgaben seines Büros im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax sei auf dem zu versendenden Schriftsatz über der Empfängeranschrift der Zusatz "per Telefax" und dann die jeweilige Teilnehmernummer aufzunehmen. Die Büromitarbeiterin, die den Schriftsatz angefertigt habe, sei auch für die Übersendung per Telefax zuständig gewesen. Nach Versendung habe die Mitarbeiterin anhand des Sendeberichts zu kontrollieren gehabt, ob die Empfängernummer mit der auf dem Schriftsatz übereinstimme. Weiter sei zu kontrollieren gewesen, ob auf dem Sendebericht für die ordnungsgemäße Übermittlung ein "ok" angegeben sei und ob die Seitenzahl mit der des Schriftsatzes übereinstimme. Bei fristwahrenden Schriftsätzen erfolge die Versendung per Fax durch Auszubildende immer unter Aufsicht der zuständigen Mitarbeiterin. Das Telefax und der Sendebericht würden zur Akte genommen. Nach Beendigung des Vorgangs lasse die Mitarbeiterin durch die Auszubildenden nochmals den Sendebericht überprüfen und kontrolliere abschließend erneut alle Schritte. Anschließend werde der Schriftsatz im Original mit den notwendigen Abschriften auf den Postweg gebracht. Erst dann melde sich die Mitarbeiterin beim bearbeitenden Rechtsanwalt um mitzuteilen, dass der Schriftsatz per Fax versandt und das Original auf dem Postwege sei. Auf die Frage der Mitarbeiterin, ob die Frist im Fristenkalender gestrichen werden könne, erkundige sich der Anwalt, ob durch Kontrolle des Sendeberichts sichergestellt sei, dass eine ordnungsgemäße Versendung des Faxschreibens erfolgt sei. Erst nach Bestätigung erfolge die anwaltliche Anordnung , die Frist zu streichen.
3
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung wegen verspäteter Begründung verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe den Bürokräften die Ermittlung der Telefax-Nummer und die Versendung des fristgebundenen Schriftsatzes durch Telefax übertragen, ohne nähere Vorgaben zur Überprüfung der zu verwendenden Fax-Nummer im erforderlichen Umfang zu geben. Zwar sei dem Anwalt nicht vorzuwerfen, dass er den mit einer falschen Telefax-Nummer versehenen Schriftsatz vor der Versendung unterzeichnet habe. Er habe jedoch dafür Sorge tragen müsse, dass die per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf die Verwendung einer zutreffenden Empfänger-Nummer überprüft werden. Eine solche Überprüfung sei nicht glaubhaft gemacht.
4
Dieser Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. September 2006 ist dem Beklagten am 20. September 2006 zugestellt worden. Am 16. Oktober 2006 hat der Beklagte Rechtsbeschwerde eingelegt und sogleich begründet.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip - Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie nicht rechnen musste (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05 - VersR 2006, 860, 861; BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
6
2. Allerdings geht das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen ist, wenn den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ein Verschulden an der Versäu- mung der Frist trifft (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO). Soweit es jedoch eine schuldhaft unzulängliche Organisation des Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle der Berufungsbegründung bejaht, überspannt es die an die Sorgfaltspflichten des Anwalts zu stellenden Anforderungen.
7
a) Im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Anwalt die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes im Rahmen einer nötigen Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen darf und die von dieser verwendete FaxNummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen muss.
8
b) Es entspricht ferner der st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dazu muss bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR 2005, 573; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - BGH-Report 2006, 1121; BAGE 79, 379, 382 - jeweils m.w.N.).
9
Das Berufungsgericht überspannt die hier dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten obliegende Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Organisation einer Ausgangskontrolle, wenn es eine Überprüfung der Übermittlung auf Eingabefehler für nicht ausreichend hält und auch im hier zu entscheidenden Fall eine Überprüfung der richtigen Ermittlung der Telefax-Nummer verlangt.
10
Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass eine Überprüfung hinsichtlich der Telefax-Nummer, die sich nach Einsetzen der Nummer auf dem zu übermittelnden Schriftsatz darauf beschränkt, dass die auf dem Schriftsatz eingesetzte Nummer mit der zur Versendung angegebenen Nummer übereinstimmt , einen Fehler beim Einsetzen der Nummer auf dem Schriftsatz nicht aufzeigen kann. Ein bei der Ermittlung der Telefax-Nummer aufgetretener Fehler kann sich in der Folge fortsetzen, wenn nicht anhand anderer Verzeichnisse gesondert überprüft wird, ob es sich bei der verwendeten Telefax-Nummer um diejenige des zuständigen Berufungsgerichts handelt. Aus diesem Grund ist nach st. Rspr. des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts bei einer Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax jedenfalls dann auch darauf zu erstrecken hat, ob die zutreffende Fax-Nummer des Empfangsgerichts angewählt wurde (zuletzt BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - aaO), wenn die Fax-Nummer des Berufungsgerichts von einer Büroangestellten aus einem amtlichen Verzeichnis selbständig zu ermitteln war.
11
Der hier zu entscheidende Fall ist jedoch anders gelagert. Die zur Übermittlung verwendete Fax-Nummer war unmittelbar aus einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte zu entnehmen und in dem zu versendenden Schriftsatz einzufügen. In einem solchen Fall ist das besonders hohe Verwechslungsrisiko , das bei der Auswahl aus elektronischen oder buchmäßig erfassten Dateien besteht, erheblich verringert. Das gestattet es, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern und eine Überprüfung der verwendeten Fax-Nummer auf Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen , im Schriftsatz festgehaltenen Telefax-Nummer zu beschränken. In solchen Fällen reicht es deshalb aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfänger-Nummer mit der zuvor in den Schriftsatz einge- fügten Nummer abgeglichen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - aaO).
12
3. Der Beklagte hat durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung H. vom 16. August 2006 glaubhaft gemacht, dass in der Akte Schreiben des Berufungsgerichts vorhanden waren. Dass infolge eines Versehens die Fachangestellte die Telefax-Nummer des Amtsgerichts anstelle der des Landgerichts aus einem Schriftstück in der Akte ausgewählt und in den Schriftsatz eingefügt hat, gereicht dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht zum Verschulden.
13
4. Nach allem ist dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Sache ist an das Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Korbach, Entscheidung vom 23.05.2006 - 3 C 365/04 (70) -
LG Kassel, Entscheidung vom 14.09.2006 - 1 S 268/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 14/04
vom
22. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird die Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang handschriftlich auf den zu
versendenden Schriftsatz übertragen, ist eine Verwechslungsgefahr gering. In einem
solchen Fall reicht es aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte
Empfängernummer mit der übertragenen Nummer abgeglichen wird.
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - LG Hanau
AG Hanau
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 9. Februar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.175,73 €

Gründe:

I.

Der Kläger hat die fristgerechte Einlegung der Berufung gegen das teilweise klagabweisende Urteil des Amtsgerichts versäumt, weil die Berufungsschrift seiner Prozeßbevollmächtigten per Telefax am letzten Tage vor Fristablauf versehentlich an das Amtsgericht und nicht an das zuständige Landgericht gesendet worden ist. Nach der eidesstattlich versicherten Darstellung des instanzgerichtlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers in seinem Wiederein-
setzungsgesuch wurde die fehlerhafte Versendung des Schriftsatzes verursacht , weil die von ihm mit dem Absenden der Berufungsschrift beauftragte und bisher stets zuverlässig arbeitende Fachkraft gegen die in der Kanzlei bestehenden klaren Anweisungen zur Versendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax verstoßen habe. Nach den Anweisungen sei die Faxnummer, an die der Schriftsatz zu versenden sei, aus einer ständig aktualisierten "Aktenvita" zu ermitteln und per Hand in den Schriftsatz einzufügen. Die Fachkraft habe hingegen weisungswidrig die Telefaxnummer des im Computer und der Akte enthaltenen erstinstanzlichen Gerichts eingefügt. Bei der nach Absendung der Berufungsschrift durchgeführten Sendeberichtskontrolle sei das Versehen nicht bemerkt worden, weil der Sendebericht den Vermerk "ok" ausgewiesen habe. Das Berufungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung zurückgewiesen, daß den Prozeßbevollmächtigten des Klägers jedenfalls ein Organisationsverschulden treffe, das für die Versäumung der Berufungsfrist ursächlich geworden sei, weil die behauptete Kontrolle des Sendeberichts als Maßnahme zur Vermeidung der eingetretenen Fristversäumung unzulänglich sei. Bei der Eingabe einer TelefaxEmpfängernummer bestehe eine hohe Verwechslungsgefahr, sei es, daß die Nummer im Telefaxverzeichnis aus der falschen Zeile entnommen werde oder daß - wie hier - die Nummer versehentlich fehlerhaft aus der Akte oder dem Computer entnommen werde. Es müsse deshalb durch eine entsprechende Büroorganisation sichergestellt sein, daß sich die Überprüfung der per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer erstrecke. Hierzu reiche es nicht aus, den Sendebericht auf die "OK-Meldung" hin zu überprüfen und die im Sendebericht aufgeführte mit der zuvor eingefügten Empfängernummer zu vergleichen. Denn unterliefen bei der Ermittlung der Faxnummer Fehler, dann setzten sich diese zwangsläufig bei der anschließenden Kontrolle des Sendeberichts fort, wenn die gewählte
Empfängernummer nur mit der zuvor eingefügten Nummer abgeglichen werde. Eine zuverlässige Abschlußkontrolle setze daher voraus, daß die verwendete und im Sendebericht aufgeführte Nummer anhand eines amtlichen Telefaxverzeichnisses oder einer vergleichbar zuverlässigen Aufzeichnung oder Liste überprüft werde. Eine diesen Erfordernissen entsprechende Organisation gebe es in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Klägers offensichtlich nicht. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, womit er seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist weiterverfolgt.

II.

Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) geboten. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 1. Mit Recht macht die Rechtsbeschwerde geltend, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an die Büroorganisation überspannt, indem es verlangt , daß nach Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über Fax die Kontrolle der verwendeten Faxnummer auf ihre Richtigkeit anhand eines amtlichen Telefaxnummernverzeichnisses oder einer vergleichbar zuverlässigen Liste durchgeführt wird.
a) Ein Rechtsanwalt erfüllt seine Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Telefaxgerätes zwar nur dann, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich nach
der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen , auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - Umdruck S. 3 m.w.N.). Diese Verpflichtung haben die Prozeßbevollmächtigten des Klägers jedoch nicht verletzt. Die nach der Darstellung im Wiedereinsetzungsgesuch bestehende allgemeine Anweisung, die Faxnummer aus der ständig aktualisierten "Aktenvita" zu entnehmen , per Hand in den Schriftsatz einzufügen und sodann nach der Übertragung des Schriftsatzes per Telefax den Einzelsendebericht ausdrucken zu lassen und diesen zu kontrollieren, genügt den Sorgfaltsanforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle.
b) Der Senat setzt sich mit dieser Auffassung nicht in Widerspruch zu den Anforderungen im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30. März 1995 - 2 AZR 1020/94 – BAGE 79, 379, 381 ff., wonach die Kontrollanweisung des Rechtsanwalts dahin gehen müsse, auch die Richtigkeit der Empfängernummer abschließend zu kontrollieren. Die Rechtsbeschwerde weist mit Recht darauf hin, daß in dem dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorliegenden Fall der das Faxgerät bedienende Mitarbeiter aus einem amtlichen TelefaxVerzeichnis eine falsche Nummer ausgewählt hatte. Auch der Bundesgerichtshof hat es für erforderlich gehalten, daß bei der Ausgangskontrolle die im Sendebericht wiedergegebene Empfängernummer daraufhin überprüft wird, ob es sich hierbei um die richtige Empfängernummer handelt, wenn das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung der Empfängernummer besonders hoch ist, weil z.B. die Empfängernummer von Fall zu Fall aus gedruckten Listen oder elektronischen Dateien herausgesucht werden muß und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - z.V.b.; BGH, Beschluß vom 24. April 2002 - AnwZ 7/01 -
BRAK-Mitt. 2002, 171; offengelassen im Beschluß vom 12. März 2002 - IX ZR 220/01 - VersR 2002, 1577, 1578). Im vorliegenden Fall kann von einer hohen Verwechslungsgefahr bei der "Erstermittlung" der richtigen Telefaxnummer jedoch nicht ausgegangen werden. Wird die Empfängernummer nicht aus einem amtlichen Verzeichnis oder einer Liste, sondern aus dem konkreten Aktenvorgang entnommen, ist eine Verwechslungsgefahr denkbar gering. In einem solchen Fall reicht es deshalb aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfängernummer mit der zuvor eingefügten Nummer abgeglichen wird. 2. Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, daß im vorliegenden Fall ein etwaiger organisatorischer Fehler im Zusammenhang mit der Ausgangskontrolle außerdem nicht ursächlich geworden wäre für die Versäumung der Berufungsfrist. Die Fristversäumnis ist vielmehr darauf zurückzuführen, daß die Fachangestellte nach der Darstellung des instanzgerichtlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers bereits die Weisung mißachtet hat, den Schriftsatz an die aus der "Aktenvita" zu entnehmenden Faxnummer zu senden. Der hiermit begangene Fehler setzte sich bei der anschließenden Überprüfung des Sendeberichts fort, ohne daß dies durch die von dem Prozeßbevollmächtigten angeordnete Ausgangskontrolle verhindert werden konnte. Die abschließende Kontrolle der eingegebenen Telefax-Nummer dient insbesondere der Beseitigung von Fehlern, die dadurch entstehen, daß der die Nummer im dafür vorhandenen Verzeichnis Ablesende in eine falsche Zeile gerät. Eine Verwechslung des Gerichts, wie sie hier unterlaufen ist, läßt sich aber, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, durch einen weiteren Vergleich mit der von der Büroangestellten weisungswidrig benutzten Fundstelle der Nummer gerade nicht vermeiden. Denn wenn die Fachkraft die Weisung mißachtet hat, die Nummer aus der "Aktenvita“ zu entnehmen und handschriftlich einzufügen,
liegt ein klarer Verstoß gegen die Weisung vor, der für die Fristversäumnis ursächlich war. Anerkanntermaßen darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, daß sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. BGH, Beschluß vom 5. Februar 1992 - XII ZB 92/91 - NJW 1992, 2488, 2489; vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 76/81 - NJW 1982, 2670; vom 10. Juni 1998 - XII ZB 47/98 –VersR 1999, 643). Ein konkretes Einzelverschulden des Personals ist ihm und damit auch dem Kläger nicht anzulasten. 3. An einer Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist der Senat aber dadurch gehindert, daß eine hinreichende Glaubhaftmachung fehlt. Das mit dem Wiedereinsetzungsantrag zur Begründung der unverschuldeten Fristversäumnis behauptete weisungswidrige Verhalten der Büroangestellten stellt einen Vorgang dar, der sich der eigenen Wahrnehmung des Rechtsanwalts H. entzieht. Die zugleich eingereichte Versicherung an Eides statt stellt insoweit keine hinreichende Glaubhaftmachung dar (vgl. Zöller/Greger ZPO 24. Aufl. § 294 Rdn. 3 m.w.N.). Das Berufungsgericht hatte keine Veranlassung , dem nachzugehen, da es nach seiner Auffassung auf das weisungswidrige Verhalten der Büroangestellten nicht ankam. Ist ein Organisationsverschulden
jedoch zu verneinen, ist aufzuklären, ob die Fristversäumnis auf dem behaupteten Verhalten der Büroangestellten beruht. Da die Glaubhaftmachung im Verfahren über den Antrag noch erfolgen kann (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), ist die Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 28/00
vom
2. Juli 2001
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Juli 2001 durch den
Vorsitzenden Richter h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. Juni 2000 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 350.000,-- DM

Gründe:


I. Der Kläger hat gegen das - seine Herausgabeklage aus Eigentum abweisende - Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Am 2. Mai 2000, dem letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, ging ein 43 Seiten umfassender Teil seiner Berufungsbegründung, die aus 57 Seiten bestehen sollte, per Telefax ohne Unterschrift bei dem Berufungsgericht ein, das den Kläger am nächsten Tag über die Unvollständigkeit und die Versäumung der Berufungs-
begründungsfrist informierte. Er hat mit seinem rechtzeitig eingereichten Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 2. Mai 2000 die Kanzleiangestellte G. angewiesen, den fertiggestellten und unterzeichneten Schriftsatz sofort per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern. Sie habe versehentlich die letzten zwölf Seiten des in mehreren "Chargen" übermittelten Schriftsatzes nicht übersandt und den Kontrollanruf unterlassen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil es keine Darlegungen zur Behandlung der Sache im Fristenkalender enthalte und zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation die Anweisung gehöre , die Frist im Fristenkalender erst nach Vergewisserung über die vollständige Übermittlung des Telefax zu streichen, damit ein etwaiges Versäumnis bei der pflichtgemäßen Kontrolle des Fristenkalenders vor Dienstschluß bemerkt und noch rechtzeitig behoben werden könne. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Grundsätzlich trifft einen Anwalt zwar die Verpflichtung, seinen Mitarbeitern für die Übersendung von Telefaxen die allgemeine Weisung zu erteilen, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang auszudrucken, ihn zu prüfen und erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen (BGH, Beschl. v. 16. Juni 1998 - XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996). Statt dessen genügt für eine wirksame Ausgangskontrolle aber auch die allgemeine Anweisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschl. v.
24. Januar 1996 - XII ZB 4/96, VersR 1996, 1125). Die Überprüfung des Sendeberichts kann also durch einen Kontrollanruf ersetzt werden, zu dem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers seine Kanzleiangestellte konkret angewiesen hat. Ist - wie hier - im Einzelfall eine konkrete Anweisung erteilt worden, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts auf sonstige allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Ausgangskontrolle in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 28, 23 m.N.; v. 11. Februar 1998 - XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787; v. 13. April 1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; v. 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; BAG, Urt. v. 9. Januar 1990 - 3 AZR 528/89, NJW 1990, 2707). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine bisher zuverlässige Angestellte eine konkrete Anweisung befolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 aaO m.N.). Ein niemals völlig auszuschließendes Versagen der konkret Angewiesenen bleibt dabei außer Betracht. Da im vorliegenden Fall bei Befolgung der Anweisung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers eine Fristversäumung praktisch ausgeschlossen gewesen wäre und er in Anbetracht seiner Weisung zu "sofortiger" Erledigung
des relativ einfachen Auftrags mit einem Vergessen oder Versehen der Kanzleiangestellten nicht rechnen mußte, kommt es hier auf zusätzliche allgemeine Maßnahmen zur Ausgangskontrolle (Fristenkalender) nicht an. Dem Umstand, daß der zu übermittelnde Schriftsatz sehr umfangreich und deshalb in mehreren "Chargen" zu übermitteln war, kommt dabei entscheidendes Gewicht nicht zu.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.