Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - XI ZR 715/17

bei uns veröffentlicht am07.05.2019
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 07 O 461/13, 07.07.2015
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 19 U 164/15, 03.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 715/17
vom
7. Mai 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:070519BXIZR715.17.0

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Dr. Matthias, die Richterin Dr. Derstadt und den Richter Dr. Tolkmitt
am 7. Mai 2019

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2017 in der Fassung des Beschlusses vom 13. Dezember 2017 im Kostenpunkt und in Nummer 3, 8 und 9 des Urteilstenors sowie in Nummer 5 des Urteilstenors, soweit diese durch den Beschluss vom 13. Dezember 2017 abgeändert worden ist, aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zu 1.150.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage bei der F. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fondsbeteiligung). Die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz gegenüber der Klägerin wegen Nichtaufklärung über Rückvergütungen steht rechtskräftig fest. Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien nur noch um die Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung bzw. Freistellung von festgesetzten Säumniszuschlägen und Nachzahlungszinsen sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten zusteht.

II.

2
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO i.V.m. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
3
1. Die Beschwerde rügt mit Erfolg einen Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO, soweit das Berufungsgericht die Beklagte in Nummer 3 des Urteilstenors zur Zahlung der Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) an die Klägerin verurteilt hat, obwohl diese - was auf Seite 8 des Berufungsurteils mit Tatbestandswirkung gemäß § 314 ZPO festgestellt ist - Zahlung an die J. GmbH, hilfsweise an das Land begehrt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 1995 - II ZR 38/94, NJW-RR 1995, 572 und vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 313/97, WM 1998, 2487, 2488) und damit zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zum Nachteil der betroffenen Partei (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 - VII ZR 17/14, NJW 2017, 1180 Rn. 13), d.h. hier der Beklagten.
4
Im Übrigen findet die Zuerkennung des Zahlungsanspruchs in den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Grundlage. Nach dem Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 23. Februar 2017 wurden die Nachzahlungszinsen in Höhe von 68.232,50 € für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 26. Februar 2007 festgesetzt, wobei gemäß § 238 Abs. 1 Satz 2 AO nur (zehn) volle Monate maßgeblich sind, so dass die Zinsen tatsächlich für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. Januar 2007 anfielen. Aufgrund dessen wären die Zinsen in derselben Höhe angesetzt worden, wenn die Einkommensteuer bereits in dem geänderten Bescheid vom 31. Januar 2007 richtig, d.h. ohne Berücksichtigung der Fondsbeteiligung, festgesetzt worden wäre. Allerdings ergibt sich aus den Erläuterungen in diesem Bescheid, dass es - entgegen der Behauptung der Beklagten - bereits einen Einkommensteuerbescheid vom 16. Oktober 2006 gegeben haben dürfte, der aufgrund eines Antrags der Klägerin vom 20. November 2006 geändert worden sein müsste. Dieser Bescheid befindet sich allerdings nicht bei den Akten, so dass nach Aktenlage nicht geklärt werden kann, ob in diesem Bescheid bereits Nachzahlungszinsen für den Zeitraum ab 1. April 2006 festgesetzt worden sind. Zumindest für deren Entstehung wäre die Pflichtverletzung der Beklagten nicht kausal geworden , weil deren Ursache dann eine verspätete Steuererklärung der Klägerin gewesen sein dürfte.
5
2. Mit Erfolg rügt die Beschwerde auch, dass sich das Berufungsgericht in Nummer 8 des Urteilstenors mit einem Anspruch auf Nachzahlungszinsen in Höhe von mehr als des zuerkannten Betrags von 68.232 € befasst und die Klage insoweit als "derzeit unbegründet" abgewiesen hat. Auch insoweit hat das Berufungsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen und damit den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 - VII ZR 17/14, NJW 2017, 1180 Rn. 13). Die Klägerin hat zwar zunächst in der Berufungsbegründung behauptet, das Finanzamt habe im Zusammenhang mit der Verlustaberkennung der Fondsbeteiligung weitere Nachzahlungszinsen für das Jahr 2004 in Höhe von 101.433 € zu ihren Lasten festgesetzt. Auf das Bestreiten der Beklagten und deren Hinweis, dass sich der Betrag nicht aus den Einkommensteuerbescheiden für 2004 ergebe, hat die Klägerin im Schriftsatz vom 24. Oktober 2016 aber eingeräumt, dass dieser Betrag auf eine andere Steuerschuld angefallen sei.
6
Aufgrund dessen hat das Berufungsgericht über einen Antrag entschieden , der nicht mehr gestellt worden ist. Hält eine klagende Partei an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Abs. 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2021).
7
3. Die Beschwerde rügt ferner mit Erfolg, dass das Berufungsgericht auch dadurch gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoße habe, dass es im Hinblick auf den Feststellungsausspruch in Nummer 5 des Urteilstenors die Verzinsungspflicht durch den Berichtigungsbeschluss vom 6. September 2016 auf den 7. März 2015 vorverlegt hat.
8
Das Berufungsgericht hat in dem Berichtigungsbeschluss zwar dem Antrag der Klägerin vom 20. November 2017 entsprochen. Maßgeblich ist insoweit aber der in der letzten mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2017 gestellte Antrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 19. September 2016, wie er zutreffend und mit Tatbestandswirkung nach § 314 ZPO auch auf Seite 8 des Be- rufungsurteils wiedergegeben ist. Damit hat das Berufungsgericht auch hier der Klägerin etwas zum Nachteil der Beklagten zuerkannt, was sie gar nicht beantragt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 1995 - II ZR 38/94, NJW-RR 1995, 572 und vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 313/97, WM 1998, 2487, 2488) und damit zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zum Nachteil der betroffenen Partei (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 - VII ZR 17/14, NJW 2017, 1180 Rn. 13).
9
4. Aufgrund dessen unterliegt auch der Ausspruch in Nummer 9 des Urteilstenors zur Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten der Aufhebung. Insoweit macht die Beschwerde darüber hinaus auch mit Erfolg geltend , dass das Berufungsgericht die Höhe der außergerichtlichen Anwaltskosten ohne jegliche Tatsachengrundlage mit 23.291,63 € berechnet hat. Bei dem von dem Berufungsgericht angenommenen Gebührenstreitwert von bis zu 1,5 Mio. € beträgt eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG lediglich 8.076,90 €, d.h. zuzüglich Auslagenpauschale nach Nr. 7001, 7002 VV-RVG von 20 € und Umsatzsteuer 9.635,31 €.
10
5. Im Übrigen hat die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Ellenberger Grüneberg Matthias Derstadt Tolkmitt

Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 07.07.2015 - 2-07 O 461/13 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 03.11.2017 - 19 U 164/15 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Abgabenordnung - AO 1977 | § 233a Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen


(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträ

Zivilprozessordnung - ZPO | § 314 Beweiskraft des Tatbestandes


Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 238 Höhe und Berechnung der Zinsen


(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der T

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2004 - V ZR 37/03

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

13
c) Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde zu Recht rügt, durch die Entscheidung über die Hilfsanträge den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Denn hiermit hat das Berufungsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Ein solcher Verstoß stellt zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zum Nachteil der hiervon betroffenen Partei dar (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 308 Rn. 6 m.w.N.). § 308 Abs. 1 ZPO ist auch dann verletzt, wenn das Gericht zum Nachteil des Klägers über einen Antrag entscheidet, den er nicht (mehr) gestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 - I ZR 45/89, NJW 1991, 1683, 1684, juris Rn. 13).

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

13
c) Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde zu Recht rügt, durch die Entscheidung über die Hilfsanträge den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Denn hiermit hat das Berufungsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Ein solcher Verstoß stellt zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zum Nachteil der hiervon betroffenen Partei dar (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 308 Rn. 6 m.w.N.). § 308 Abs. 1 ZPO ist auch dann verletzt, wenn das Gericht zum Nachteil des Klägers über einen Antrag entscheidet, den er nicht (mehr) gestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 - I ZR 45/89, NJW 1991, 1683, 1684, juris Rn. 13).

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/03 Verkündet am:
12. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verkündet, den Parteien
aber zum Zwecke der Verlautbarung förmlich zugestellt, so liegt eine bloß fehlerhafte
Verlautbarung vor, die die Wirksamkeit der Entscheidung nicht berührt.
Ein im schriftlichen Verfahren vor dem anberaumten Verkündungstermin erlassenes
Anerkenntnisurteil kann den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs
verletzen.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 37/03 - LG Erfurt
AG Sömmerda
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. Dezember 2002 und das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 25. März 2002 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht Sömmerda zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger erwarben 1999 von der Beklagten mit dem S ondereigentum an mehreren Wohnungen verbundene Miteigentumsanteile eines Grundstücks in S. . Mit der Behauptung, die Beklagte habe den Befall des Gebäu-
des mit echtem Hausschwamm arglistig verschwiegen, haben sie zunächst Kosten einer Schwammsanierung in Höhe von 9.450.- DM geltend gemacht.
Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, i n der ein früherer Bewohner des Hauses ausgesagt hat, daß sich bei seinem Einzug 1986 meterlange Fruchtkörper des Schwamms an der Außenwand des Gebäudes befunden hätten, er deshalb mehrmals die Woche ein chemisches Nahkampfmittel gespritzt und die Kosten hierfür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattet bekommen habe, hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger erklärt, er prüfe, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, und eine Klageerweiterung angekündigt.
Anschließend hat das Amtsgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet, eine Schriftsatzfrist „zur Beweiswürdigung“ bis zum 20. März 2002 gesetzt und Verkündungstermin für den 24. April 2002 bestimmt. Am 20. März 2002 haben die Kläger wegen schwebender Vergleichsgespräche gebeten, die Frist bis zum 10. April 2002 zu verlängern und einen gleichlautenden Antrag der Gegenseite angekündigt. Mit Schriftsatz vom 21. März 2002 hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt und gleichzeitig mitgeteilt, daß noch Vergleichsverhandlungen liefen, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Am 25. März 2002 hat das Amtsgericht ohne vorherige Ankündigung ein Anerkenntnisurteil erlassen. Der Beklagten ist es förmlich zugestellt, den Klägern zusammen mit der Abschrift des Anerkenntnisses zunächst formlos übersandt worden.
Die Kläger, die nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen , haben gegen das Anerkenntnisurteil Berufung eingelegt. Das Landgericht hat den Parteien mitgeteilt, daß das Amtsgericht auch im Hinblick auf die fehlende Verkündung des Urteils aufgefordert worden sei, die Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Kläger zu bewirken, was im Juli 2002 geschehen ist. Anschließend hat das Landgericht die Berufung mangels Beschwer der Kläger als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich ihre - von dem Senat zugelassene - Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, das angefochtene Urteil sei trotz unterbliebener Verkündung infolge der förmlichen Zustellung an die Parteien wirksam geworden. Zwar sehe die Zivilprozeßordnung eine Zustellung an Verkündungs Statt für ein im schriftlichen Verfahren erlassenes Anerkenntnisurteil nicht vor. Gleichwohl sei eine, wenn auch fehlerhafte, Verlautbarung des Urteils vorgenommen worden, so daß nicht etwa ein Nichturteil, sondern ein rechtsmittelfähiges Urteil vorliege. Dieses beschwere die Kläger nicht, da ihrem zuletzt gestellten Antrag voll entsprochen worden sei. Eine Beschwer liege auch nicht darin, daß es den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglich gewesen sei, einen geänderten Sachantrag zu stellen. Für das Amtsgericht habe keine Veranlassung bestanden, den Klägern nach Eingang des Anerkenntnisses nochmals rechtliches Gehör zu gewähren, nachdem sie den Erlaß eines Anerkenntnisurteils bereits in der Klageschrift beantragt und die bis zum
20. März 2002 gewährte Schriftsatzfrist nicht zu einer Antragsänderung genutzt hätten.

II.


Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüf ung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , das Anerkenntnisurteil sei, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluß an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für Anerkenntnis- und Versäumnisurteile, die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Da das vom Amtsgericht im schriftlichen Verfahren vorbereitete Anerkenntnisurteil nicht unter die Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO fiel, entsprach eine Verlautbarung durch Zustellung an die Parteien nicht den gesetzlichen
Formerfordernissen, vielmehr hätte das Urteil in einem zu diesem Zweck anzuberaumenden Termin verkündet werden müssen.

b) Der Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Anerkenntnisurteils. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlaß eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so daß von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt , hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGHZ 14, 39, 44 ff.; BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehören, daß die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlaß und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 25/83, VersR 1984, 1192, 1993; BAGE 17, 286, 288; Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 310, Rdn. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310, Rdn. 6).
Nach diesen Grundsätzen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden. Der erkennende Richter hat die Übersendung des Urteils an die Parteien selbst verfügt, so daß sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO außer Frage steht. Bei der Verfügung ist ihm zwar ein (weiterer) Fehler insoweit unterlaufen, als er die Zustellung des Urteils nur an die Beklagten angeordnet und im übrigen eine formlose Übersendung als ausreichend angesehen hat. Jedoch ist die Zustellung an die Kläger durch das Amtsgericht nachgeholt worden, wobei diese aufgrund des vorausgegangenen Schreibens des Berufungsgerichts nicht darüber im Unklaren sein konnten, daß eine Zustellung an Verkündungs Statt beabsichtigt war.

c) Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruhte, ohne den Fehler also anders hätte ausfallen können (§ 545 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen hat, nichts ersichtlich.
2. Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts , die Berufung gegen das Anerkenntnisurteil sei unzulässig, weil es an der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwer der Kläger fehle.

a) Die klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Be-
schwer, vgl. BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt v. 29. Juni 2000, I ZR 29/98, NJWRR 2001, 620, 621). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990, VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704; BayObLG WE 1997, 117, 118), und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der anfechtenden Partei scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs können , insbesondere im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen erwachsen , deren Beseitigung der betroffenen Partei möglich sein muß.

b) Das Amtsgericht durfte den ursprünglichen, auf den sogenannten kleinen Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr als gestellt ansehen.
aa) Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, daß ein einmal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb auch dann zur Grundlage seiner Entscheidung machen, wenn er in einer späteren Verhandlung nicht erneut gestellt worden ist (vgl. Senat, BGHZ 141, 184, 193; Zöller /Greger, aaO., § 137 Rdn. 2). Hält die klagende Partei dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Satz 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden. Fehlt jeglicher Sachantrag des Klägers, kann die Gegenseite nicht verurteilt werden (vgl. BAGE 23, 146; MünchKommZPO /Musielak, § 308, Rdn. 14). Inwieweit eine Partei ihren zu Beginn einer mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurücknehmen kann, um als säumig zu gelten (vgl. BGHZ 63, 94; Zöller/Herget, aaO., § 333, Rdn. 1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn den Klägern ging es nicht darum, durch eine Flucht
in die Säumnis den Erlaß eines kontradiktorischen Urteils zu ihren Ungunsten zu verhindern.
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils hielten die Kläger an ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht mehr fest.
Die Kläger hatten bereits mit ihrer Ankündigung einer Klageerweiterung und der Prüfung, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, nach der Beweisaufnahme zu erkennen gegeben, daß ihnen eine abschließende Entscheidung, über welchen Sachantrag das Gericht befinden solle, nicht möglich sei. Ihre Bezugnahme auf den bisherigen Sachantrag stand damit ersichtlich unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Änderun g.
Nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens war eine solche Änderung bis zum Ablauf der nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Schriftsatzfrist möglich. Daß das Amtsgericht die Schriftsatzfrist nur „zur Beweiswürdigung“ gewährt hatte, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung war unbeachtlich , da sie der gesetzlichen Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens zuwiderlief. Sie rechtfertigt auch nicht die Annahme, das Amtsgericht habe den Parteien in Wahrheit nur ein auf eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme beschränktes Nachschubrecht einräumen wollen. Abgesehen davon, daß eine solche Verfahrensweise fehlerhaft gewesen wäre, da die Verhandlung über die Beweisaufnahme (§ 285 Abs. 1 ZPO) nicht entsprechend § 283 ZPO durchgeführt werden kann (vgl. Zöller/Greger, aaO., § 285 Rdn. 2), läßt die ausdrückliche , unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 2 ZPO erfolgte Anordnung des schriftlichen Verfahrens und die Zustimmung der Parteien hierzu keinen Zweifel an der Absicht des Amtsgerichts, in diese Verfahrensart zu wechseln.

Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Verlängerung der Schriftsatzfrist bis zum 10. April 2002 ließ erkennen, daß die Kläger ihren bisherigen Sachantrag nicht mehr zur Entscheidung stellten. Die Kläger hatten sich mit Rücksicht auf die darin erwähnten schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten ersichtlich noch nicht auf ihr weiteres Vorgehen im Prozeß festgelegt. Der erwogene „Rücktritt“ vom Kaufvertrag war ihnen aus materiell-rechtlichen Gründen allerdings nur möglich, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den bislang geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch erging. Denn das Wahlrecht des Gläubigers sowohl zwischen den in § 463 BGB aufgeführten Gewährleistungsrechten wie auch zwischen den verschiedenen Arten des Schadensersatzes erlischt, wenn einer der möglichen Ansprüche bzw. ein nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch rechtskräftig zuerkannt worden ist (vgl. für die Wahl zwischen den Gewährleistungsrechten : Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 465 Rdn. 29; für die Wahl der Schadensberechnung: BGHZ 119, 20, 23 f.). Angesichts dieser Rechtslage und der vorausgegangenen Änderungsankündigung mußte dem Amtsgericht deutlich sein, daß die Kläger eine Entscheidung über ihren bisherigen Antrag nicht wünschten, sie ihn also nicht mehr stellten. Für diese Auslegung sprach auch das Anerkenntnis der Beklagten. Der darin enthaltene Zusatz , es liefen noch Vergleichsverhandlungen, um die Gesamtproblematik zu klären, wies darauf hin, daß das Anerkenntnis nur einen Teil dessen abdeckte, was sich zwischen den Parteien nunmehr im Streit befand, und machte damit deutlich, daß der ursprüngliche Klageantrag infolge der Entwicklung der Ereignisse seit der Beweisaufnahme überholt war.

c) Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 Euro. Allerdings läßt sich dieser nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrechterhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die Möglichkeit genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Andernfalls fehlte es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteil und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmenden Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. MünchKommZPO /Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, Vor § 511, Rdn. 15). Da die Kläger beabsichtigten, einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises von über 100.000 Euro zu stellen, bleibt das erstinstanzliche Urteil in einem die Anforderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit übersteigenden Umfang hinter ihrem Rechtsschutzziel zurück.
3. Die Berufung der Kläger war auch begründet, da der Verstoß des Amtsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO von Amts wegen beachtet werden mußte (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1989, VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087) und der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage entzog.
4. Auf die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts , die Verfahrensweise des Amtsgerichts habe den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, weil keine Veranlassung bestanden habe, ihnen das Anerkenntnis der Beklagten zur Kenntnis zu bringen, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings hat das Berufungsgericht hier Inhalt und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, daß sie ihr Verhalten im Prozeß eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (BVerfG NJW 2003, 3687; BVerfGE 89, 28, 35). Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozeßstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machte es der in der Klageschrift vorsorglich gestellte Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht entbehrlich, die Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten zu informieren. Die Möglichkeiten, auf ein Anerkenntnis zu reagieren, erschöpfen sich nicht in dem - nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) ohnehin nicht mehr erforderlichen - Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils. Vielmehr soll die Gegenseite auch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Einzelfall Anlaß haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des Anerkenntnisses zu äußern oder einen weitergehenden, vom Anerkenntnis nicht umfaßten Sachantrag zu stellen. Werden einer Partei diese Möglichkeiten durch die Verfahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Vorliegend kommt hinzu, daß die Kläger eine Antragsänderung angekündigt hatten, das Amtsgericht also auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion auf das Anerkenntnis rechnen mußte. Das gilt, anders als das Berufungsgericht meint, auch nach Ablauf der bis zum 20. März
2002 gesetzten Schriftsatzfrist. Zum einen hatten die Kläger um eine Verlängerung dieser Frist wegen schwebender Vergleichsverhandlungen gebeten, zum anderen hatte die Beklagte das Anerkenntnis mit dem Bemerken verbunden, die Vergleichsverhandlungen dauerten an, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Spiegelte das Anerkenntnis aber keinen Abschluß der Auseinandersetzung, sondern nur eine Teileinigung zwischen den Parteien wider , durfte das Amtsgericht nicht davon ausgehen, daß sich eine Stellungnahme der Kläger zu dem Anerkenntnis erübrigte. Vielmehr lag es nahe, daß die Kläger zunächst den Ausgang der Vergleichsverhandlungen abwarten, sich aber für den Fall deren Scheiterns alle prozessualen Möglichkeiten offen halten wollten, wobei sie im Hinblick auf den erst für den 24. April 2002 anberaumten Verkündungstermin vor diesen Zeitpunkt mit einer Entscheidung des Amtsgerichts auch nicht zu rechnen brauchten. Der Erlaß des Anerkenntnisurteils stellt sich deshalb auch als unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
5. Da das Urteil des Amtsgerichts an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, ist die Sache unter Aufhebung des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 563 Abs. 1, 562 Abs. 2, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgenommen sind die Gerichtskosten der Revisionsinstanz , die der Senat in Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen hat.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

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c) Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde zu Recht rügt, durch die Entscheidung über die Hilfsanträge den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Denn hiermit hat das Berufungsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Ein solcher Verstoß stellt zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zum Nachteil der hiervon betroffenen Partei dar (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 308 Rn. 6 m.w.N.). § 308 Abs. 1 ZPO ist auch dann verletzt, wenn das Gericht zum Nachteil des Klägers über einen Antrag entscheidet, den er nicht (mehr) gestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 - I ZR 45/89, NJW 1991, 1683, 1684, juris Rn. 13).

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.