Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2006 - XI ZB 41/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 427,11 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erwirkten am 18. März 2005 gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil über 12.959,26 € nebst Zinsen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. April 2005 wurde auch die von der Klägerin angemeldete 0,5-Terminsgebühr gemäß Nr. 3105 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, im Folgenden : RVG VV) festgesetzt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil erschien erneut für den Beklagten niemand. Daraufhin verwarf das Landgericht seinen Einspruch auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und legte ihm die weiteren Kosten des Rechtsstreits auf. Die Klägerin hat anschließend die Festsetzung einer 0,7-Terminsgebühr zuzüglich 16% USt., insgesamt 427,11 €, beantragt. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
II.
- 2
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in vollem Umfang begründet.
- 3
- Das 1. Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Für die Vertretung der Klägerin in den beiden Terminen sei jeweils eine 0,5-Gebühr nach Nr. 3105 RVG VV angefallen, weil die Terminsgebühr mit jeder Verhandlung neu entstehe. Da gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG die Gebühr jedoch nur einmal gefordert werden könne und das Verfahren über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil mit dem vorausgegangenen Verfahren "dieselbe Angelegenheit" im Sinne des § 15 RVG bilde, stehe der Klägerin nur eine 0,5-Gebühr zu. Nr. 3104 RVG VV sei nicht einschlägig. Da für die einzelnen Termine gesondert zu prüfen sei, welchen Gebührentatbestand sie erfüllen, sei jeweils nur Nr. 3105 RVG VV gegeben.
- 4
- 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 5
- a) Mit der Wahrnehmung des zweiten Verhandlungstermins ist für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV angefallen, auf welche die zuvor entstandene und bereits festgesetzte 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 RVG VV zu verrechnen ist (§ 15 Abs. 2 RVG), so dass der Beklagte noch die geltend gemachte 0,7-Differenzgebühr in Höhe von 427,11 € zu erstatten hat.
- 6
- b) Nach Nr. 3104 RVG VV erhält der Prozessbevollmächtigte im ersten Rechtszug für die Vertretung in einem Termin zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich eine 1,2-Terminsgebühr. Nur in den von Nr. 3105 RVG VV geregelten Fällen entsteht lediglich eine 0,5-Terminsgebühr. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist umstritten, ob dem Prozessbevollmächtigten, der im ersten Termin eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 RVG VV verdient hatte und der nach Einspruch gegen das Versäumnisurteil lediglich Antrag auf Erlass eines "zweiten Versäumnisurteils" stellt, insgesamt nur eine 0,5-Termins- gebühr gemäß Nr. 3105 RVG VV (so OLG Nürnberg NJW 2006, 1527; AnwK-RVG/Onderka, 3. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 17; Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl. § 15 RVG Rdn. 20) oder eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV zusteht (so BGH, Beschluss vom 7. Juni 2006 - VIII ZB 108/05, Umdruck S. 4; OLG Celle NJW 2005, 1283; OLG München AnwBl. 2006, 286; LG Düsseldorf AGS 2006, 162; LG Regensburg JurBüro 2005, 648; LG Aachen NJW 2006, 1528; LG Bonn AGS 2006, 163; Enders, RVG für Anfänger 13. Aufl. Rdn. 1044; Mayer, in: Mayer/ Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 9; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 17. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 34; Schons, in: Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG 2. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 16; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 345 Rdn. 7).
- 7
- c) Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an, wenn derselbe Prozessbevollmächtigte - wie hier - bereits das erste Versäumnisurteil erwirkt hat.
- 8
- aa) Schon der Wortlaut von Nr. 3105 RVG VV - "Wahrnehmung nur eines Termins" - spricht dafür, dass diese Ausnahmeregelung nicht gilt, wenn der Prozessbevollmächtigte an mehreren Terminen teilgenommen hat. Das Wort "ein" vor "Termin" ist Zahlwort, nicht unbestimmter Artikel. Dieses Verständnis entspricht auch der Gesetzesbegründung, nach der die reduzierte Terminsgebühr anfallen soll, wenn nur ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattfindet und daraufhin ein Versäumnisurteil ergeht (BT-Drucks. 15/1971 S. 212).
- 9
- bb) Für diese enge Auslegung der Nr. 3105 RVG VV spricht des Weiteren, dass Nr. 3104 RVG VV nur geringe Anforderungen an das Entstehen der 1,2-Terminsgebühr stellt. Es genügt, dass der Prozessbevollmächtigte bei Aufruf der Sache vertretungsbereit anwesend ist; die Vornahme weitergehender Tätigkeiten ist nicht erforderlich (BTDrucks. 15/1971 S. 209).
- 10
- Diese cc) Auslegung steht nicht im Widerspruch zu § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG. Denn wie sich ebenfalls aus dem Wortlaut von Nr. 3105 RVG VV ergibt ("Die Gebühr 3104 beträgt"), schafft diese Vorschrift keine neue, eigenständige Gebührenart, sondern enthält nur einen Ermäßigungstatbestand für die in Nr. 3104 RVG VV geregelte Gebühr (MüllerRabe aaO Rdn. 38).
- 11
- Beschränkung Die der Nr. 3105 RVG VV auf die Wahrnehmung eines einzigen Termins widerspricht auch nicht etwa der gesetzgeberischen Intention, mit der verminderten Terminsgebühr dem in der Regel verminderten Aufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen (BTDrucks. 15/1971 S. 212). Denn von einem verminderten Aufwand kann keine Rede sein, wenn der Prozessbevollmächtigte an mehreren Terminen teilnimmt (vgl. Mayer RVG-Letter 2005, 29, 30).
Mayen Schmitt
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.08.2005 - 13 O 454/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 01.12.2005 - I-10 W 104/05 -
moreResultsText
Annotations
(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).
(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.
(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.