Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 12. Juni 2012 - 10 W 19/12

bei uns veröffentlicht am12.06.2012

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 15.3.2012, AZ: 18 O 598/06, wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 23.598,70 EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger macht Architektenhonorar für Planungsleistungen und die Vorbereitung der Vergabe gemäß den Leistungsbildern 1 bis 6 des § 15 Abs. 1 HOAI a.F. geltend.
Mit Beweisbeschluss vom 10.10.2007 wurde der Sachverständige E. mit der Prüfung beauftragt, ob die Architektenhonorare unter Anwendung des § 20 HOAI zutreffend ermittelt wurden. Anlässlich seiner Anhörung vom 5.3.2012 äußerte sich der Sachverständige zu der tatsächlichen Bauausführung und präsentierte dem Gericht mehrere Farbfotos vom Bauobjekt des Beklagten. Er erklärte, während eines Spaziergangs die Fotos gemacht zu haben. Daraufhin wurde der Sachverständige vom Beklagtenvertreter noch in dieser Verhandlung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf Ziff. I der Gründe des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 15.03.2012 und den Vorlagebeschluss vom 16.04.2012 verwiesen. Mit dem Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 15.03.2012 wurde das Ablehnungsgesuch des Beklagten teilweise als unzulässig verworfen und im Übrigen für unbegründet erklärt. Bezüglich der Begründung wird auf Ziff. II und III des angegriffenen Beschlusses verwiesen.
Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten. Der Sachverständige habe seinen Auftrag eigenmächtig überschritten. Dazu habe er das Grundstück des Beklagten betreten müssen. Er habe seine bei der Besichtigung des Grundstücks gemachten Feststellungen in seiner Aussage verwertet. Die Feststellungen hätten die Außenanlagen betroffen, die dem Kläger gar nicht beauftragt worden seien. Der Sachverständige habe die bei der Ortsbesichtigung getroffenen Feststellungen zum Nachteil des Beklagten berücksichtigt. Auch zum Schwimmteich und der Stützmauer an der südlichen Grundstücksgrenze habe der Sachverständige Feststellungen zum Nachteil des Beklagten getroffen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme der tatsächlichen Bauausführung im Hinblick auf den geschuldeten Planungserfolg eine Bedeutung zu. Schon früher sei der Sachverständige bei der Entgegennahme von Plänen und Unterlagen eigenmächtig vorgegangen, was bei der Gesamtbewertung des Ablehnungsgrundes zu berücksichtigen sei.
Mit Beschluss vom 12.06.2012 wurde das Beschwerdeverfahren vom Einzelrichter auf den Senat zur Entscheidung übertragen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Das Ablehnungsgesuch wurde im Hinblick auf das Betreten des Grundstücks des Beklagten durch den Sachverständigen und das Fotografieren einzelner Gebäudeteile in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht, gestellt. Zu Recht hat aber das Landgericht angenommen, dass ein Ablehnungsgrund hinsichtlich des Sachverständigen E. nicht vorliegt.
Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH BauR 2005, 1205 juris RN 12). Ein solcher Grund liegt hier nicht vor.
1.
Das Unterlassen der Benachrichtigung beider Parteien von einer Ortsbesichtigung rechtfertigt nicht die Ablehnung eines Sachverständigen (OLG Nürnberg MDR 2007, 237; OLG Dresden NJW-RR 1997, 1354; OLG Stuttgart ZfSch 1995, 367). Zwar ist anerkannt, dass aus dem rechtsstaatlichen Anspruch auf ein faires Verfahren den Parteien ein Recht auf Benachrichtigung und Anwesenheit zusteht, wenn für ein Sachverständigengutachten eine vorbereitende Ortsbesichtigung durchgeführt wird. Dieses Versäumnis rechtfertigt es jedoch allenfalls, die bei diesem Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse anzuzweifeln und ggfs. erneut überprüfen zu lassen. Ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Gutachters kann dadurch aber nicht begründet werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Sachverständige die Parteien unterschiedlich behandelt hätte (OLG Nürnberg a.a.O. juris RN 10).
10 
Dies ist aber nicht geschehen, denn keine der beiden Parteien wurde informiert. Der Sachverständige hat nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen, so dass die Besorgnis des Beklagten nicht begründet ist, der Sachverständige habe durch das Unterlassen der Ladung zum Ortstermin einseitig zu seinen Lasten agiert und ihn gegenüber dem Kläger unfair behandelt.
2.
11 
Der Sachverständige hat mit der Durchführung einer Ortsbesichtigung und mit der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse seinen Auftrag eigenmächtig überschritten.
12 
Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass ein Sachverständiger, der seinen Gutachterauftrag eigenmächtig ausdehnt, aus der Sicht der Parteien den Eindruck erwecke, er wolle anstelle des Gerichts festlegen, welche Fragen beweisbedürftig sind, so dass er Misstrauen in seine Unparteilichkeit als Gehilfe des Gerichts hervorrufe (vgl. OLG Celle NJW-RR 2003, 135, juris RN 7). Dies überzeugt aber jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht.
13 
Ähnlich wie ein Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit ein Gutachten entwerten mögen, aber für sich allein nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 5.11.2002, AZ: X ZR 178/01, juris RN 10), stellt auch die Überschreitung eines Gutachterauftrags nur eine Unzulänglichkeit der Begutachtung dar, die allein eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen aus der Sicht einer vernünftigen Partei nicht begründen kann. Die Festlegung der Beweisbedürftigkeit ist für sich gesehen noch keine Tätigkeit, die eine Partei bevorzugen muss und damit Grundlage für eine berechtigte Besorgnis der Befangenheit bei einer der Parteien sein kann. Dies gilt auch, wenn ein Sachverständiger entgegen seinem vom Gericht vorgegebenen Auftrag Beweisfragen überdehnt oder ihm nicht gestellte Beweisfragen eigenmächtig bearbeitet, sofern keine besonderen Umstände hinzukommen. Er bewegt sich dann lediglich außerhalb seines Auftrags, so dass ihm dafür keine Vergütung zusteht.
14 
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Überschreitung des Gutachterauftrags im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit dann begründet, wenn damit ein Vorteil für eine der Parteien einhergeht. Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn der Sachverständige mit der überschießenden Begutachtung neue Mängel aufdeckt und damit das Geschäft einer der Parteien des Rechtsstreits betreibt oder der Sachverständige die Überschreitung seines Gutachterauftrags vorgenommen hätte in der Absicht, einseitig eine der Parteien zu belasten. Nach den aus der Akte ersichtlichen Umständen wurde der Sachverständige über seinen Auftrag hinaus in der irrigen Annahme tätig, dem Gericht eine Entscheidung in der Sache zu erleichtern. Damit allein ist ein einseitiges Vorgehen zu Lasten einer der Parteien nicht verbunden. Dass die überschießenden Feststellungen des Sachverständigen zu Ungunsten einer der beiden Parteien gehen, ist mit jeder - auch von einem Beweisbeschluss gedeckten - Beweisaufnahme verbunden und rechtfertigt nicht den Schluss auf ein ungerechtfertigtes einseitiges Vorgehen zu Lasten einer der Parteien und damit eine Besorgnis der Befangenheit, solange nicht erkennbar ist, dass die Überschreitung des Gutachterauftrags von vornherein aus einer einseitigen Belastungsabsicht des Sachverständigen heraus erfolgt ist. Ein solcher Fall ist hier auch unter Berücksichtigung der früheren Entgegennahme von Plänen und anderer Unterlagen unmittelbar vom Kläger und der Rechtsausführungen des Sachverständigen nicht festzustellen.
3.
15 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
16 
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und angesichts der zitierten Entscheidung des OLG Celle wegen der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
17 
Der Streitwert wurde mit einem Drittel des Werts der Hauptsache, bestehend aus Klage Teil-Widerklage, bemessen.

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 12. Juni 2012 - 10 W 19/12 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI 2013 | § 15 Fälligkeit des Honorars, Abschlagszahlungen


Für die Fälligkeit der Honorare für die von dieser Verordnung erfassten Leistungen gilt § 650g Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Für das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen, gilt § 632a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI 2013 | § 20 Honorare für Grundleistungen bei Flächennutzungsplänen


(1) Für die in § 18 und Anlage 2 genannten Grundleistungen bei Flächennutzungsplänen sind die in der nachstehenden Honorartafel aufgeführten Honorarspannen Orientierungswerte: Fläche in Hektar Honorarzone I geringe Anforderungen Honorarzone II durchs

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. März 2004 - X ZR 178/01

bei uns veröffentlicht am 09.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 178/01 vom 9. März 2004 in dem Patentnichtigkeitsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Stretchfolienumhüllung ZPO § 91a; PatG § 121 Abs. 2 Auch wenn der Beklagte auf das Streitpatent verzichtet hat, kann e
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Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 04. Feb. 2019 - 2 W 2133/18

bei uns veröffentlicht am 04.02.2019

Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 11.09.2018, Az. 23 OH 453/17, aufgehoben. 2. Die Ablehnung des Sachverständigen B. wird für begründet erklärt. 3. Der We

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Für die Fälligkeit der Honorare für die von dieser Verordnung erfassten Leistungen gilt § 650g Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Für das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen, gilt § 632a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(1) Für die in § 18 und Anlage 2 genannten Grundleistungen bei Flächennutzungsplänen sind die in der nachstehenden Honorartafel aufgeführten Honorarspannen Orientierungswerte:

Fläche
in Hektar
Honorarzone I
geringe Anforderungen
Honorarzone II
durchschnittliche Anforderungen
Honorarzone III
hohe Anforderungen
vonbisvonbisvonbis
EuroEuroEuro
1 00070 43985 26985 269100 098100 098114 927
1 25078 95795 57995 579112 202112 202128 824
1 50086 492104 700104 700122 909122 909141 118
1 75093 260112 894112 894132 527132 527152 161
2 00099 407120 334120 334141 262141 262162 190
2 500111 311134 745134 745158 178158 178181 612
3 000121 868147 525147 525173 181173 181198 838
3 500131 387159 047159 047186 707186 707214 367
4 000140 069169 557169 557199 045199 045228 533
5 000155 461188 190188 190220 918220 918253 647
6 000168 813204 352204 352239 892239 892275 431
7 000180 589218 607218 607256 626256 626294 645
8 000191 097231 328231 328271 559271 559311 790
9 000200 556242 779242 779285 001285 001327 224
10 000209 126253 153253 153297 179297 179341 206
11 000216 893262 555262 555308 217308 217353 878
12 000223 912271 052271 052318 191318 191365 331
13 000230 331278 822278 822327 313327 313375 804
14 000236 214285 944285 944335 673335 673385 402
15 000241 614292 480292 480343 346343 346394 213

(2) Das Honorar für die Aufstellung von Flächennutzungsplänen ist nach der Fläche des Plangebiets in Hektar und nach der Honorarzone zu berechnen.

(3) Welchen Honorarzonen die Grundleistungen zugeordnet werden, richtet sich nach folgenden Bewertungsmerkmalen:

1.
zentralörtliche Bedeutung und Gemeindestruktur,
2.
Nutzungsvielfalt und Nutzungsdichte,
3.
Einwohnerstruktur, Einwohnerentwicklung und Gemeinbedarfsstandorte,
4.
Verkehr und Infrastruktur,
5.
Topografie, Geologie und Kulturlandschaft,
6.
Klima-, Natur- und Umweltschutz.

(4) Sind auf einen Flächennutzungsplan Bewertungsmerkmale aus mehreren Honorarzonen anwendbar und bestehen deswegen Zweifel, welcher Honorarzone der Flächennutzungsplan zugeordnet werden kann, so ist zunächst die Anzahl der Bewertungspunkte zu ermitteln. Zur Ermittlung der Bewertungspunkte werden die Bewertungsmerkmale wie folgt gewichtet:

1.
geringe Anforderungen: 1 Punkt,
2.
durchschnittliche Anforderungen: 2 Punkte,
3.
hohe Anforderungen: 3 Punkte.

(5) Der Flächennutzungsplan ist anhand der nach Absatz 4 ermittelten Bewertungspunkte einer der Honorarzonen zuzuordnen:

1.
Honorarzone I: bis zu 9 Punkte,
2.
Honorarzone II: 10 bis 14 Punkte,
3.
Honorarzone III: 15 bis 18 Punkte.

(6) Werden Teilflächen bereits aufgestellter Flächennutzungspläne (Planausschnitte) geändert oder überarbeitet, kann das Honorar auch abweichend von den Grundsätzen des Absatzes 2 vereinbart werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 178/01
vom
9. März 2004
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Stretchfolienumhüllung
Auch wenn der Beklagte auf das Streitpatent verzichtet hat, kann es billigem
Ermessen entsprechen, die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten
Patentnichtigkeitsverfahrens dem Kläger aufzuerlegen.
BGH, Beschl. v. 9. März 2004 - X ZR 178/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Keukenschrijver,
Dr. Meier-Beck und Asendorf
am 9. März 2004

beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Der Streitwert für das Nichtigkeitsberufungsverfahren wird auf 2.045.168,-- esetzt.

Gründe:


I. Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 6. Juni 1989 angemeldeten deutschen Patents 30 18 311 (Streitpatents). Patentanspruch 1 lautet in der Fassung, die er im Einspruchsverfahren erhalten hat:
"Verfahren zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel, die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen be-
stehen, wobei ein schlauchförmiger Folienabschnitt, dessen Umfang kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückgutes, von einem (Schlauch-)Folienvorrat abgezogen und an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet wird; die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes durch Reffen in im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stückgutes verlaufende Falten gelegt werden; der Schlauchfolienabschnitt an seinem dem Folienvorrat zugekehrten Ende abgeschweißt und die so gebildete Folienhaube vom Folienvorrat abgetrennt wird; die Folienhaube in horizontaler Querrichtung quergestretcht wird, und die quergestretchte Folienhaube unter das Folienmaterial glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die in an sich bekannter Weise um wenigstens 10% quergestrechte Folienhaube beim Überziehen im Bereich der Haubenseitenwände zusätzlich in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand längsgestretcht wird."
Patentanspruch 6 lautet:
"Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut mittels Stretchfolie, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel , die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen, mit einer Schlauchfolien-Abzugseinrichtung, mittels welcher schlauchförmige Stretchfolie abschnittsweise von einem
Schlauchfolienvorrat abzuziehen ist; einer der Abzugseinrichtung nachgeordneten Aufspreizeinrichtung, mittels welcher die schlauchförmige Stretchfolie an ihrem freien Endabschnitt aufzuspreizen ist; einer der Aufspreizeinrichtung nachgeordneten Reffeinrichtung zum Reffen des Folienabschnittes über eine vertikale Strecke, die kleiner ist als die Länge des Folienabschnittes; einer Schweißeinrichtung zum Abschweißen eines von dem Folienvorrat abgezogenen Schlauchfolienabschnittes an dessen dem Folienvorrat zugekehrten Endabschnitt; einer Schneideinrichtung, mittels welcher jeweils eine beim Abschweißen gebildete Folienhaube von dem Folienvorrat abzutrennen ist, einer QuerStretcheinrichtung , mittels welcher der Folienabschnitt in horizontaler Querrichtung zu stretchen ist; und einer (Haubenüberzieh -)Hubeinrichtung, mittels welcher die quergestretchte Haube über das zu umhüllende Stückgut zu ziehen ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, gekennzeichnet durch eine Längsstretcheinrichtung (14, 24), deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind, mittels welcher der Folienabschnitt/die Folienhaube (3´´) in vertikaler Längsrichtung (25) um mindestens 10%, ihrer vertikalen Länge im quergestrechten Zustand längszustretchen ist."
Wegen des Wortlauts der den Patentansprüchen 1 bzw. 6 untergeordneten weiteren Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 13 wird auf die Patentschrift (C3-Schrift) verwiesen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin mangels Patentfähigkeit für nichtig erklärt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit Eingabe vom 4. Dezember 2003 hat sie gegenüber dem Patentamt auf das Streitpatent verzichtet und zugleich erklärt, daß sie auch für die Vergangenheit auf jegliche Ansprüche aus dem Patent und der ihm zugrundeliegenden Anmeldung verzichte.
Die Parteien haben den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und beantragen wechselseitig, der anderen Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen (§ 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91a Abs. 1 ZPO). Denn wenn sich der Rechtsstreit nicht anderweitig erledigt hätte, wäre die Nichtigkeitsklage voraussichtlich abzuweisen gewesen.
Zwar ist in einigen Entscheidungen angenommen worden, daß im Regelfall nach Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent der Prozeßausgang im Sinne eines zu erwartenden Erfolgs der Nichtigkeitsklage nicht zweifelhaft erscheint (BGH, Beschl. v. 9.12.1960 - I ZR 121/59, GRUR 1961, 278 - Lampengehäuse; Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 113/94, Bausch I, 557 - Möbelscharnier; vgl. aber auch Sen.Beschl. v. 6.7.1967 - Ia ZR 88/64, Liedl 1967/68, 196, 200). Im Streitfall ist die Annahme, das Streitpatent hätte sich voraussichtlich als nicht patentfähig erwiesen, jedoch nicht gerechtfertigt.
Denn der Gegenstand des Streitpatents stimmt im wesentlichen mit dem Gegenstand des europäischen Patents 344 815 überein, für das die Priorität der Anmeldung des Streitpatents in Anspruch genommen wird. In dem jenes Patent betreffenden Nichtigkeitsverfahren zwischen denselben Parteien hat der Senat mit Urteil vom 1. April 2003 die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen. Da weder zusätzlicher Stand der Technik dargetan noch Anhaltspunkte dafür hervorgetreten sind, daß der Stand der Technik anders bewertet werden müßte, als dies der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 auf der Grundlage der Verhandlung und Beweisaufnahme in der Sache X ZR 136/99 getan hat, war ein Erfolg der Nichtigkeitsklage auch im Streitfall nicht zu erwarten.
Die bestehenden Unterschiede zwischen den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 6 des Streitpatents einerseits und der Patentansprüche 1 und 12 des europäischen Patents andererseits können dabei außer Betracht bleiben , da das europäische Patent den Gegenstand des teilweise enger gefaßten Streitpatents umfaßt. Patentanspruch 1 des Streitpatents verlangt ein zusätzliches Längsstretchen der quergestretchten Folienhaube im Bereich der Haubenseitenwände in vertikaler Längsrichtung um mindestens 10% ihrer vertikalen Länge im quergestretchten Zustand, während nach Patentanspruch 1 des europäischen Patents die Folienhaube um mindestens 5% längszustretchen ist. Patentanspruch 6 des Streitpatents konkretisiert die in Patentanspruch 12 des europäischen Patents lediglich als solche aufgeführte Längsstretcheinrichtung dahin, daß deren Längsstretchelemente wenigstens in den Eckbereichen des geöffneten Folienschlauches anzuordnen sind.
Soweit sich Patentanspruch 1 des Streitpatents und Patentanspruch 1 des europäischen Patents (und weil sie Vorrichtungen zur Durchführung des
betreffenden Verfahrens betreffen, auch die Patentansprüche 6 bzw. 12) ihrem Wortlaut nach weiterhin dadurch unterscheiden, daß das zusätzliche Längsstretchen nach Patentanspruch 1 des Streitpatents beim Überziehen erfolgen soll, während Patentanspruch 1 des europäischen Patents vom Längsstretchen "vor dem Überziehen" spricht, liegt darin kein sachlicher Unterschied. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 1. April 2003 näher begründet hat, ist die Wendung "vor dem Überziehen" im europäischen Patent im Sinne von "vor dem vollständigen Überziehen" bzw. "während des Überziehens" zu verstehen. Der Wortsinn (technische Sinngehalt) beider Formulierungen stimmt damit überein.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.