Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2002 - X ZB 18/01

bei uns veröffentlicht am30.09.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/01
vom
30. September 2002
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Sammelhefter
Die wirksame Teilung eines Patents setzt nicht voraus, daß durch die Teilungserklärung
ein gegenständlich bestimmter Teil des Patents definiert wird,
der von diesem abgetrennt wird (Abweichung von BGHZ 133, 18
- Informationssignal; Sen.Beschl. v. 5.3.1996 - X ZB 13/92, GRUR 1996, 747
- Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem).
BGH, Beschl. v. 30. September 2002 - X ZB 18/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. September 2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 34. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Januar 2001 wird auf Kosten der Einsprechenden zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,00

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdegegnerin ist Inhaberin des einen Sammelhefter betreffenden deutschen Patents 36 45 276 (Streitpatents), das mit folgendem einzigen Patentanspruch erteilt worden ist:
"Sammelhefter mit einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage, auf die an in einem Maschinentakt angetriebenen Anlegestationen Druckbogen rittlings abgelegt werden, wobei die Sammelstrecke
mit quer zu ihrer Beschickungsrichtung mit den Druckbogen längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die vereinzelten Druckbogen zu einem Heftapparat transportieren, von dem die zusammengetragenen Druckbogen zu einem Heftapparat durch mindestens einen beim Heftvorgang damit gleichlaufenden Heftkopf geheftet werden, dadurch gekennzeichnet, daß parallel zur erwähnten Sammelstrek- ke wenigstens eine ihr zum Beschicken nachfolgende weitere Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage (3) und mit Mitnehmern (6) vorhanden ist, daß mit jedem Maschinentakt die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jeweils eine der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen beschicken, und daß die zusammengetragenen Druckbogen im Wirkbereich des Heftapparates (9) relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und der Heftkopf (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgt."
Die Rechtsbeschwerdeführerin hat gegen das Streitpatent Einspruch erhoben. Die Patentabteilung hat das Streitpatent widerrufen, da das durch Teilung aus dem Patent 36 16 566 (im folgenden: Stammpatent) hervorgegangene Patent über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen der Stammanmeldung hinausgehe.
Im Beschwerdeverfahren hat die Patentinhaberin einen neuen Patentanspruch vorgelegt und die Teilung des Streitpatents erklärt. Der verteidigte Anspruch lautet:
"Sammelhefter mit einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage, auf die an in einem Maschinentakt angetriebenen Anlegestationen Druckbogen rittlings abgelegt werden, wobei die Sammelstrecke mit quer zu ihrer Beschickungsrichtung mit den Druckbogen längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die vereinzelten Druckbogen zu einem Heftapparat transportieren, von dem die auf der Sammelstrecke zusammengetragenen Druckbogen durch mindestens einen beim Heftvorgang damit gleichlaufenden Heftkopf geheftet werden, dadurch gekennzeichnet, daß parallel zur erwähnten Sammelstrek- ke wenigstens eine ihr zum Beschicken nachfolgende weitere Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage und mit Mitnehmern vorhanden ist, daß mit jedem Maschinentakt die Anlegestationen nacheinander jeweils eine der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen beschicken und die auf der weiteren Sammelstrecke zusammengetragenen Druckbogen durch mindestens einen beim Heftvorgang damit gleichlaufenden weiteren Heftkopf des Heftapparates geheftet werden, und daß die zusammengetragenen Druckbogen im Wirkbereich des Heftapparates relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe beim Heftvorgang jeweils während eines Bewegungsweges den Sammelstrekken im Gleichlauf folgen."
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit diesem Anspruch beschränkt aufrechterhalten. Zwar sei mangels einer wirksamen Teilungserklärung im Einspruchsverfahren gegen das Stammpatent eine Teilanmeldung mit der Priorität der Stammanmeldung nicht entstanden. Dieser Mangel des Ver-
fahrens sei jedoch durch die Patenterteilung mit der Folge geheilt, daß dem Streitpatent der Zeitrang der Stammanmeldung zukomme. Auf dieser Grundlage hat das Bundespatentgericht den Gegenstand des Streitpatents als patentfähig angesehen.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Einsprechenden , mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt.
Die Patentinhaberin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat es als für das Streitpatent im Ergebnis unschädlich angesehen, daß die Gebühren für die im Einspruchsverfahren gegen das Stammpatent abgetrennte Anmeldung verspätet eingezahlt worden seien.

a) Dazu hat das Beschwerdegericht ausgeführt: Die am 16. Dezember 1992 im Einspruchsbeschwerdeverfahren gegen das Stammpatent gegenüber dem Bundespatentgericht abgegebene Teilungserklärung gelte mangels rechtzeitiger und vollständiger Entrichtung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung als nicht abgegeben. Die vom Patentamt in der Einreichung der Unterlagen zur Trennanmeldung mit dem amtlichen Vordruck des Antrags auf Erteilung eines Patents am 10. März 1993 gesehene erneute Teilungserklärung habe ihren alleinigen Adressaten, das in der Beschwerdeinstanz mit dem Einspruch gegen das Stammpatent befaßte Bundespatentge-
richt, nicht erreicht. In dem am 12. März 1993 beim Bundespatentgericht ein- gegangenen Schriftsatz, in dem die Patentinhaberin auf die Einreichung der Unterlagen und die Gebührenzahlung hingewiesen habe, sei hingegen keine Teilungserklärung zu sehen, da der Beschwerdesenat dem nach seinem Empfängerhorizont nur habe entnehmen können, daß hinsichtlich der ihm bereits vorliegenden Teilungserklärung vom 16. Dezember 1992 der zunächst eingetretene Schwebezustand kurz vor Ablauf der Dreimonatsfrist des § 39 Abs. 3 PatG beendet worden sei. Daraus folge entgegen der Auffassung der Einsprechenden allerdings nicht, daß die am 10. März 1993 beim Patentamt eingereichten Unterlagen als neue Anmeldung mit dem Anmeldetag 10. März 1993 anzusehen seien. Mangels einer wirksamen Teilanmeldung fehle es vielmehr überhaupt an einem Anmeldetag. Das Fehlen einer wirksamen Teilanmeldung sei indessen durch den unanfechtbar gewordenen Erteilungsbeschluß geheilt worden.

b) Die Rechtsbeschwerde hält diese Erwägungen für nicht tragfähig. Zwar möge angesichts des abschließenden Katalogs der Widerrufsgründe von einer Heilung von Verfahrensfehlern des Patentamts durch die Patenterteilung gesprochen werden. Daraus folge jedoch weder logisch noch rechtlich, daß sich die Patentinhaberin ohne wirksame Teilung auch auf die Priorität der Anmeldung des Stammpatents berufen könne.

c) Es kann dahinstehen, welche Rechtsfolgen eine mangels fristgerechter Entrichtung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung als nicht abgegeben geltende Teilungserklärung für ein gleichwohl auf die abgetrennte Anmeldung erteiltes Patent nach sich ziehen würde. Denn entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Patentinhaberin eine weitere Tei-
lungserklärung abgegeben und im Hinblick auf diese Erklärung die Gebühren fristgerecht entrichtet.
Das Bundespatentgericht sieht offenbar in der Einreichung der Unterlagen zur Trennanmeldung mit dem amtlichen Vordruck des Antrags auf Erteilung eines Patents wie das Patentamt eine weitere Teilungserklärung. Denn es spricht von einer Teilungserklärung, die ins Leere gegangen sei, weil sie ihren Adressaten (das Bundespatentgericht) nicht erreicht habe. Dieses Verständnis der Verfahrenshandlung der Patentinhaberin als Teilungserklärung ist auch zutreffend, denn diese hat mit der Einreichung der Unterlagen der Trennanmeldung mit dem amtlichen Vordruck, in dem in der Rubrik 8 (Erklärungen) "Teilung/Ausscheidung aus der Patentanmeldung (Aktenzeichen der Stammanmeldung ) P 36 16 566.2-27" angekreuzt war, ihren (fortbestehenden) Willen zur Teilung des Stammpatents erklärt.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob es der Wirksamkeit dieser Erklärung entgegenstünde, wenn sie ausschließlich an das Patentamt gerichtet worden wäre und nicht an das Bundespatentgericht, demgegenüber sie abzugeben war (vgl. Busse, PatG, 5. Aufl., § 60 Rdn. 4; Hacker, Mitt. 1999, 1, 8; van Hees, Verfahrensrecht in Patentsachen, 2. Aufl., S. 238; Kühnen, Die Teilung des Patents, S. 55). Denn jedenfalls hat die Patentinhaberin mit ihrem dort am 12. März 1993 eingegangenen Schriftsatz gegenüber dem Bundespatentgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß "die ... angekündigte Erfüllung aller Wirksamkeitserfordernisse für die Teilung durch Einreichung der Unterlagen und Gebührenzahlung beim Deutschen Patentamt erfolgt" sei, und damit auch gegenüber dem Bundespatentgericht hinreichend zum Ausdruck gebracht, daran festhalten zu wollen, das Stammpatent gemäß ihrer Erklärung vom 16. De-
zember 1992 zu teilen. Das reicht für eine Wiederholung der Teilungserklärung aus, die erneut die Frist des § 39 Abs. 3 PatG in Gang setzte.
2. Das Bundespatentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig erachtet.
Dabei hat es unterstellt, daß die Teilungserklärung, wie von der Einsprechenden geltend gemacht, auch deshalb unwirksam sei, weil der abgetrennte Gegenstand von den erteilten Patentansprüchen des Stammpatents nicht umfaßt sei. Denn dies habe die gleichen Folgen wie der Umstand, daß die Teilungserklärung mangels Entrichtung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung als nicht abgegeben gelte. Auch dieser Verfahrensfehler sei durch die Patenterteilung geheilt.
Eine solche Heilung sei im Patentrecht nichts Unbekanntes. Übersehe etwa eine Prüfungsstelle, daß die förmlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer ausländischen Priorität nicht gegeben seien - z.B. der Prioritätsanspruch nach § 41 Abs. 1 Satz 3 PatG verwirkt sei -, so sei dies im Einspruchs - oder Nichtigkeitsverfahren ebensowenig nachprüfbar, wie wenn bei Patenterteilung übersehen worden sei, daß zuvor die Fiktion der Rücknahme der Anmeldung - etwa wegen unvollständiger Gebührenzahlung - eingetreten sei. Auch in diesem Fall liege bei Patenterteilung keine wirksame Anmeldung vor. Soweit die Einsprechende Bedenken habe, daß durch die Heilung auch schwere Fehler bei der Teilung im Einspruchsverfahren nicht mehr überprüft werden könnten, sei dem entgegenzuhalten, daß die Einsprechende die Unwirksamkeit der Teilungserklärung bereits im Rahmen des Einspruchsbeschwerdeverfahrens hätte rügen können.

Der im Einspruchsbeschwerdeverfahren verteidigte Patentanspruch sei zulässig. Die Merkmale des Anspruchs seien, wie in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden nicht in Frage gestellt worden sei, in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs sei neu, gewerblich anwendbar und beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit.
3. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Bundespatentgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Fehlen einer wirksamen Teilungserklärung als solches nicht den Widerruf eines gleichwohl auf die abgetrennte Anmeldung erteilten Patents rechtfertigt, weil das Gesetz (§ 21 PatG) einen entsprechenden Widerrufsgrund nicht kennt. Insofern gilt nichts anderes als für sonstige Mängel des Erteilungsverfahrens , die weder einen Widerrufs-, noch einen Nichtigkeitsgrund bilden (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1952 - I ZR 134/51, GRUR 1953, 88 - Anschlußberufung; Urt. v. 29.11.1966 - Ia ZR 11/63, GRUR 1967, 240, 242 - Mehrschichtplatte; Beschl. v. 31.1.1967 - Ia ZB 6/66, GRUR 1967, 543, 546 - Bleiphosphit; Sen.Beschl. v. 15.5.1997 - X ZB 8/95, GRUR 1997, 612, 615 - Polyäthylenfilamente; vgl. ferner Sen., BGHZ 103, 262, 265 - Düngerstreuer).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Nichtigkeitsverfahren ebensowenig als Vorfrage zu prüfen, ob das Patentamt als Erteilungsbehörde eine an sich statthafte und im Rahmen seiner Zuständigkeit liegende Wiedereinsetzung sachlich zu Recht gewährt hat, da ein etwaiger Verfahrensmangel solcher Art als durch die Patenterteilung geheilt anzusehen
wäre (Urt. v. 6.10.1959 - I ZR 117/57, GRUR Ausl. 1960, 506, 507 - Schiffslukenverschluß ). Durch die Rechtsprechung des Senats ist hingegen noch nicht entschieden, inwieweit hieraus eine allgemeine Aussage darüber abzuleiten ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang formelle Mängel des Erteilungsverfahrens durch die Erteilung des Patents in dem Sinne geheilt werden , daß sie jeder Nachprüfung entzogen sind (s. dazu BPatG, BlPMZ 1984, 380; Benkard, PatG, 9. Aufl., § 22 Rdn. 16; Busse, aaO, § 41 Rdn. 50, § 49 Rdn. 29; Mes, PatG, § 49 Rdn. 6; Schulte, PatG, 6. Aufl., § 49 Rdn. 30). Im Grundsatz wird dies nicht von einer gesetzlich nicht bestimmten Heilungswirkung der Patenterteilung als solcher, sondern davon abhängen, worauf sich im einzelnen die Tatbestandswirkung (s. dazu BVerwGE 59, 310, 315; 74, 315, 320; Knack/Meyer, VwVfG, 7. Aufl., § 43 Rdn. 17 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 43 Rdn. 18 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 121 Rdn. 5) des Verwaltungsaktes der Patenterteilung erstreckt, die hinsichtlich des Anmeldetages (§ 35 Abs. 2 PatG) zunächst lediglich die formelle Patentlaufzeit dadurch bestimmt, daß der Erteilungsbeschluß ausspricht, von welchem Tag an das erteilte Patent läuft (§ 16 Abs. 1 Satz 1 PatG), sich hingegen nicht notwendigerweise auf die Beantwortung der materiell-rechtlichen Frage erstrecken muß, welcher Tag den Zeitrang der Anmeldung im Sinne des § 3 Abs. 1 PatG bestimmt. Diese Frage könnte vielmehr von derjenigen Instanz zu entscheiden sein, die zur Beurteilung der Frage berufen ist, ob der Gegenstand des erteilten Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist (vgl. zum Gebrauchsmusterrecht Sen.Beschl. v. 11.5.2000 - X ZB 26/98, GRUR 2000, 1018, 1020 - Sintervorrichtung; zur Prioritätsbeanspruchung BPatGE 28, 31 = GRUR 1986, 607).
Das Gesetz sieht eine Heilung von Mängeln des Erteilungsverfahrens nicht ausdrücklich vor; die (fehlenden) Folgen solcher Mängel ergeben sich vor allem daraus, daß das Gesetz Widerruf oder Nichtigerklärung des Patents von dem Vorliegen bestimmter Fehler abhängig macht und damit aus anderen, im Gesetz nicht aufgeführten Gründen ausschließt. Das bedeutet jedoch nur eine mangelnde Anfechtbarkeit der Erteilung aus diesem Grunde, nicht jedoch zwangsläufig auch, daß die infolge eines solchen Fehlers tatsächlich nicht vorliegenden Voraussetzungen als fingiert anzusehen wären, also im Falle einer fehlenden wirksamen Anmeldung etwa von einem wie auch immer zu bestimmenden fiktiven Anmeldedatum zur Festlegung des für die Fragen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit maßgeblichen Datums auszugehen wäre.

c) Im Streitfall bedarf dies jedoch keiner Entscheidung. Denn die vom Bundespatentgericht unterstellte Unwirksamkeit der Teilungserklärung kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht.

a) Der Senat ist allerdings seit dem Beschluß vom 5.3.1996 (X ZB 13/92, GRUR 1996, 747, 750 f. - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem ) davon ausgegangen, daß eine Teilung des Patents nach § 60 PatG voraussetzt, daß das Patent gegenständlich in mindestens zwei Teile aufgespalten wird. Nur wenn eine Teilung in diesem Sinne vorliegt, d.h. mit der Teilungserklärung tatsächlich ein in und durch diese Erklärung bestimmter Teil des einspruchsbefangenen Patents abgespalten wird, soll mit der Trennanmeldung im übrigen im Sinne der Rechtsprechung (BGHZ 115, 234 - Straßenkehrmaschine ; Sen.Beschl. v. 22.4.1998 - X ZB 19/97, GRUR 1999, 148, 150 - Informationsträger ) der gesamte Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Gesamtanmeldung - auch über den abgetrennten Gegenstand hinaus - ausge-
schöpft werden können. Für eine wirksame Teilung soll es dabei nicht genügen , daß der abgetrennte Gegenstand und das zu teilende Patent lediglich merkmalsmäßige Überschneidungen, etwa im Oberbegriff, aufweisen. Für erforderlich hat der Senat vielmehr erachtet, daß die Trennanmeldung - zumindest auch - einen Gegenstand umfaßt, der Gegenstand der - sinnvoll verstandenen - Patentansprüche des erteilten Patents ist und nach dem Inhalt der Teilungserklärung von diesem abgetrennt wird (Sen.Beschl. v. 3.12.1998 - X ZB 17/97, GRUR 1999, 485, 486 - Kupplungsvorrichtung). Dagegen ist eine wirksame Teilung für den Fall verneint worden, daß vom erteilten Patent nichts abgetrennt wird, beispielsweise, weil der mit der Teilungserklärung abgetrennte Gegenstand im erteilten Patent nicht enthalten ist (BGHZ 133, 18, 21 - Informationssignal).
ß) Der Senat hat insoweit wesentlich darauf abgestellt, daß eine Teilung schon begrifflich voraussetze, daß der zu teilende Gegenstand in mindestens zwei Teile aufgespalten werde (Sen.Beschl. v. 5.3.1996 - X ZB 13/92, GRUR 1996, 747, 750 f. - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem; BGHZ 133, 18, 22 - Informationssignal; Sen.Beschl. v. 3.12.1998 - X ZB 17/97, GRUR 1999, 485, 486 - Kupplungsvorrichtung). Ob daran gegenüber der Kritik (s. insbes. Busse, aaO, § 39 Rdn. 16, § 60 Rdn. 10) festzuhalten ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn jedenfalls ist aus dem Erfordernis einer Teilung nicht nur des Verfahrens, sondern des erteilten Patents nicht abzuleiten , daß bereits durch die Teilungserklärung ein gegenständlich bestimmter Teil des Patents definiert werden muß, der von diesem abgetrennt wird.
Die Entwicklung der Teilungspraxis hat gezeigt, daß mit dem materiellrechtlichen Erfordernis der durch den Inhalt der Teilungserklärung bestimmten
gegenständlichen Teilung nur scheinbar eine materielle Einschränkung des freien Teilungsrechts des Patentinhabers im Einspruchsverfahren verbunden ist. Da zumindest die Abtrennung eines beliebigen Unteranspruchs dem Erfordernis der gegenständlichen Teilung genügt, handelt es sich in der Wirkung tatsächlich eher um eine bloß formale Hürde, einen, wie es in der Literatur anschaulich ausgedrückt worden ist, an der "Teilungspforte" zu entrichtenden "kleinen Obolus" (Hacker, Mitt. 1999, 1, 3). Andererseits kann diese Hürde jedoch , wie die Entscheidungspraxis der letzten Jahre und der Streitfall zeigen, erhebliche praktische Schwierigkeiten bereiten, ohne daß damit für eine inhaltlich sinnvolle Abgrenzung zwischen den Möglichkeiten des Patentinhabers, einen sachlich angemessenen Patentschutz zu erwirken, einerseits und der Rechtssicherheit für Dritte andererseits irgendetwas gewonnen wäre.
Das Verständnis der Teilung als gegenständliche Aufspaltung des Patents in mindestens zwei Teile wird etwa denjenigen Teilungsfällen gerecht, in denen von zwei nebengeordneten Ansprüchen der eine im Stammpatent verbleiben , während der andere abgetrennt werden soll. Schon für die häufigeren Fälle der Abtrennung von Unteransprüchen oder des Verbleibs eines Unteranspruchs im Stammpatent paßt es jedoch allenfalls mit Einschränkungen, da der Gegenstand des Unteranspruchs mit der Abtrennung nicht notwendigerweise aus dem Gegenstand und jedenfalls nicht aus dem Schutzbereich des übergeordneten Anspruchs herausfällt (vgl. Busse, aaO, § 39 Rdn. 16; Stortnik, GRUR 2000, 111, 119). Andererseits könnte eine mit der Teilungserklärung verbundene Gestaltungswirkung überhaupt nur das im Ausgangsverfahren verbleibende Stammpatent betreffen, da mit der durch die Teilung entstandenen neuen Anmeldung der gesamte Offenbarungsgehalt der Ursprungsanmeldung ausgeschöpft werden kann und insoweit mithin eine Beschränkung nicht
eintritt (vgl. Sen.Beschl. v. 22.4.1998 - X ZB 19/97, GRUR 1999, 148, 150 - Informationsträger; Hacker, Mitt. 1999, 1, 2). Das Erfordernis einer gegenständlich verstandenen Teilung ist daher nur insoweit sinnvoll, als es sicherstellt , daß auf die Trennanmeldung nichts patentiert wird, was mit dem im Verfahren der Stammanmeldung gewährten oder versagten Patentschutz unvereinbar ist. Das betrifft insbesondere die Vermeidung einer Doppelpatentierung (vgl. Sen.Beschl. v. 28.3.2000 - X ZB 36/98, GRUR 2000, 688, 689 - Graustufenbild ; Melullis, GRUR 2001, 971, 974), die sich nicht mehr als Teilung, sondern als Verdoppelung des Stammpatents darstellen würde. Sie muß und kann jedoch nicht durch inhaltliche Anforderungen an die Teilungserklärung vermieden werden, sondern allein durch entsprechende Anforderungen an die jeweils zu gewährenden oder aufrecht zu erhaltenden Patentansprüche.
Damit wird zugleich erreicht, daß die Teilung des Patents insoweit nicht anders behandelt wird als die Teilung der Anmeldung (s. dazu bereits Sen.Beschl. v. 23.9.1997 - X ZB 14/96, GRUR 1998, 458 - Textdatenwiedergabe ). Der bis zur Patenterteilung vorläufige Charakter der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche schließt es aus, die Teilung von einer inhaltlichen Aufspaltung der beanspruchten Lehre nach Maßgabe der angemeldeten Ansprüche abhängig zu machen. Da die abschließende Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche nicht am Anfang, sondern am Ende des Erteilungsverfahrens steht, kann und muß erst zu diesem Zeitpunkt und nicht schon bei Abgabe der Teilungserklärung der Gegenstand des in dem jeweiligen Verfahren erstrebten Patentschutzes feststehen (Sen.Beschl. v. 23.9.1997 - X ZB 14/96, GRUR 1998, 458, 459 - Textdatenwiedergabe; Melullis, GRUR 2001, 971, 974). Werden Patent und Patentanmeldung insoweit gleichbehandelt , werden zugleich Friktionen vermieden, die sich andernfalls nach
Patenterteilung, aber vor Eintritt der Bestandskraft der Patenterteilung ergeben könnten, wenn einerseits eine Teilung noch möglich ist (Sen.Beschl. v. 28.3.2000 - X ZB 36/98, GRUR 2000, 688 - Graustufenbild), andererseits aber einer gegenständlichen Abspaltung von dem erteilten Patent, sofern sich kein Einspruchsverfahren anschließt, nicht mehr durch einen Teilwiderruf Rechnung getragen werden kann.

g) Der Senat hat erwogen, ob sich die bisherigen Anforderungen an eine gegenständlich bestimmte Teilungserklärung rechtfertigen ließen, wenn der Senat an ihrer Stelle von seiner vielfach kritisch erörterten (s. nur Bauer, GRUR 1993, 376, 377 f.; van Hees, aaO, S. 245 f.; Kühnen, aaO, S. 114 ff.; Niedlich, GRUR 1995, 1; dens., GRUR 2002, 565; Schulte, aaO, § 60 Rdn. 53) Rechtsprechung abrücken würde, nach der im Verfahren der Trennanmeldung der Offenbarungsgehalt der Ursprungsanmeldung ausgeschöpft werden kann (BGHZ 115, 234 - Straßenkehrmaschine; Sen.Beschl. v. 22.4.1998 - X ZB 19/97, GRUR 1999, 148, 150 - Informationsträger). Dagegen spricht jedoch, daß sich die Rechtspraxis auf die in der Entscheidung "Straßenkehrmaschine" herausgearbeiteten Grundsätze eingestellt hat, auf die - anders als auf die Rechtsprechung zur gegenständlich bestimmten Teilungserklärung - seit zehn Jahren Patentinhaber vertraut haben, die nach diesen Grundsätzen Patente geteilt und auf die Trennanmeldungen Patente erwirkt haben. Es bedürfte daher zwingender Gründe, um hiervon abzuweichen. Sie können nicht in begrifflichen Argumenten gefunden werden. Für entscheidend hält der Senat vielmehr, ob die Kritik durchgreift, die Rechtsprechung vernachlässige die rechtlich geschützten Interessen des Wettbewerbs gegenüber denjenigen des Patentinhabers, indem sie die Zäsurwirkung der Patenterteilung mißachte und die durch § 22 Abs. 1 PatG ausgeschlossene Erweiterung des Schutzbereichs
eines erteilten Patents auf dem rechtlichen Umweg der Teilung zulasse. Diese Kritik ist jedoch schon deshalb nicht überzeugend, weil dem Anmelder immer die Möglichkeit zu Gebote steht, die Anmeldung (unmittelbar) vor Patenterteilung zu teilen und sich damit die Möglichkeit offen zu halten, gegebenenfalls ein zweites Patent mit einem gegenüber dem erteilten weiteren oder anderen Schutzbereich zu erwirken. Die Zäsurwirkung der Patenterteilung ist insofern notwendigerweise auf das jeweilige aus einer Anmeldung hervorgegangene Patent beschränkt und läßt sich auf weitere Patente, die aus Trennanmeldungen hervorgehen können, nicht erstrecken. Es mag zutreffen, daß die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten bis zur Entscheidung "Straßenkehrmaschine" kaum erkannt worden sind und daß von ihnen auch in mißbräuchlicher Weise Gebrauch zu machen versucht wird, indem - insbesondere in Anpassung an Ausführungsformen des Wettbewerbs - Patentansprüche auf nicht ursprungsoffenbarte Gegenstände formuliert werden. Im Hinblick auf die stets gegebene Möglichkeit der Teilung der Anmeldung läßt sich dem jedoch durch eine Einschränkung der Möglichkeiten zur Teilung des Patents nicht wirksam begegnen. Versuchen, die Grenzen der Ursprungsoffenbarung zu überschreiten , kann und muß durch eine besonders aufmerksame Prüfung auf Änderungen , die den Gegenstand der Anmeldung erweitern, bei Trennanmeldungen entgegengetreten werden.

d) Das Bundespatentgericht hat festgestellt, daß sich der von ihm aufrechterhaltene Patentanspruch von dem im Stammpatent beanspruchten Gegenstand u.a. dadurch unterscheide, daß die Sammelstrecken nicht notwendigerweise symmetrisch zu einer Achse und um diese drehend angeordnet sind, ferner dadurch, daß die Sammelstrecke nach dem Streitpatent mit quer zu ihrer Beschickungsrichtung mit den Druckbogen längs der Auflage wirksamen
Mitnehmern versehen ist. Diese Beurteilung, gegen die sich auch die Rechtsbeschwerde nicht wendet, ist rechtsfehlerfrei. Damit ist dem Erfordernis einer Teilung des Stammpatents genügt.

d) Die Beurteilung der Zulässigkeit des verteidigten Patentanspruchs und seiner Patentfähigkeit durch das Bundespatentgericht wird von der Rechtsbeschwerde nicht mit konkreten Rügen angegriffen und läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat damit insgesamt Bestand.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

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Patentgesetz - PatG | § 109


(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilwei

Patentgesetz - PatG | § 21


(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

Patentgesetz - PatG | § 1


(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. (2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1 auch dann erteilt,

Patentgesetz - PatG | § 22


(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist. (2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

Patentgesetz - PatG | § 35


(1) Der Anmeldetag der Patentanmeldung ist der Tag, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 und, soweit sie jedenfalls Angaben enthalten, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind, nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 1. beim Deutschen Paten

Patentgesetz - PatG | § 41


(1) Wer nach einem Staatsvertrag die Priorität einer früheren ausländischen Anmeldung derselben Erfindung in Anspruch nimmt, hat vor Ablauf des 16. Monats nach dem Prioritätstag Zeit, Land und Aktenzeichen der früheren Anmeldung anzugeben und eine Ab

Patentgesetz - PatG | § 39


(1) Der Anmelder kann die Anmeldung jederzeit teilen. Die Teilung ist schriftlich zu erklären. Wird die Teilung nach Stellung des Prüfungsantrags (§ 44) erklärt, so gilt der abgetrennte Teil als Anmeldung, für die ein Prüfungsantrag gestellt worden i

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Das Patent dauert zwanzig Jahre, die mit dem Tag beginnen, der auf die Anmeldung der Erfindung folgt.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 26/98 vom 11. Mai 2000 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Sintervorrichtung GebrMG § 5 Abs. 1 Satz 3 F: 28. August 1986, § 15 Abs. 1 Nr. 1; PrPG Art. 12 Nr. 3 Einem Gebrauchsmusteranme
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Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Apr. 2003 - X ZB 4/01

bei uns veröffentlicht am 29.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 4/01 vom 29. April 2003 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Basisstation PatG § 39 Abs. 2 a) Die Teilungserklärung hindert nicht den Fortgang des Beschwerdeverfahrens und eine abschließende

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Okt. 2016 - X ZR 78/14

bei uns veröffentlicht am 05.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 78/14 Verkündet am: 5. Oktober 2016 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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(1) Der Anmelder kann die Anmeldung jederzeit teilen. Die Teilung ist schriftlich zu erklären. Wird die Teilung nach Stellung des Prüfungsantrags (§ 44) erklärt, so gilt der abgetrennte Teil als Anmeldung, für die ein Prüfungsantrag gestellt worden ist. Für jede Teilanmeldung bleiben der Zeitpunkt der ursprünglichen Anmeldung und eine dafür in Anspruch genommene Priorität erhalten.

(2) Für die abgetrennte Anmeldung sind für die Zeit bis zur Teilung die gleichen Gebühren zu entrichten, die für die ursprüngliche Anmeldung zu entrichten waren. Dies gilt nicht für die Gebühr nach dem Patentkostengesetz für die Recherche nach § 43, wenn die Teilung vor der Stellung des Prüfungsantrags (§ 44) erklärt worden ist, es sei denn, daß auch für die abgetrennte Anmeldung ein Antrag nach § 43 gestellt wird.

(3) Werden für die abgetrennte Anmeldung die nach den §§ 34, 35, 35a und 36 erforderlichen Anmeldungsunterlagen nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Teilungserklärung eingereicht oder werden die Gebühren für die abgetrennte Anmeldung nicht innerhalb dieser Frist entrichtet, so gilt die Teilungserklärung als nicht abgegeben.

(1) Wer nach einem Staatsvertrag die Priorität einer früheren ausländischen Anmeldung derselben Erfindung in Anspruch nimmt, hat vor Ablauf des 16. Monats nach dem Prioritätstag Zeit, Land und Aktenzeichen der früheren Anmeldung anzugeben und eine Abschrift der früheren Anmeldung einzureichen, soweit dies nicht bereits geschehen ist. Innerhalb der Frist können die Angaben geändert werden. Werden die Angaben nicht rechtzeitig gemacht, so wird der Prioritätsanspruch für die Anmeldung verwirkt.

(2) Ist die frühere ausländische Anmeldung in einem Staat eingereicht worden, mit dem kein Staatsvertrag über die Anerkennung der Priorität besteht, so kann der Anmelder ein dem Prioritätsrecht nach der Pariser Verbandsübereinkunft entsprechendes Prioritätsrecht in Anspruch nehmen, soweit nach einer Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt der andere Staat aufgrund einer ersten Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt ein Prioritätsrecht gewährt, das nach Voraussetzungen und Inhalt dem Prioritätsrecht nach der Pariser Verbandsübereinkunft vergleichbar ist; Absatz 1 ist anzuwenden.

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

(1) Der Anmeldetag der Patentanmeldung ist der Tag, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 und, soweit sie jedenfalls Angaben enthalten, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind, nach § 34 Abs. 3 Nr. 4

1.
beim Deutschen Patent- und Markenamt
2.
oder, wenn diese Stelle durch Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt dazu bestimmt ist, bei einem Patentinformationszentrum
eingegangen sind.

(2) Wenn die Anmeldung eine Bezugnahme auf Zeichnungen enthält und der Anmeldung keine Zeichnungen beigefügt sind oder wenn mindestens ein Teil einer Zeichnung fehlt, so fordert das Deutsche Patent- und Markenamt den Anmelder auf, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Aufforderung entweder die Zeichnungen nachzureichen oder zu erklären, dass die Bezugnahme als nicht erfolgt gelten soll. Reicht der Anmelder auf diese Aufforderung die fehlenden Zeichnungen oder die fehlenden Teile nach, so wird der Tag des Eingangs der Zeichnungen oder der fehlenden Teile beim Deutschen Patent- und Markenamt Anmeldetag; anderenfalls gilt die Bezugnahme auf die Zeichnungen als nicht erfolgt.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend für fehlende Teile der Beschreibung.

Das Patent dauert zwanzig Jahre, die mit dem Tag beginnen, der auf die Anmeldung der Erfindung folgt.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 26/98
vom
11. Mai 2000
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Sintervorrichtung
GebrMG § 5 Abs. 1 Satz 3 F: 28. August 1986, § 15 Abs. 1 Nr. 1;
PrPG Art. 12 Nr. 3
Einem Gebrauchsmusteranmelder steht der in Anspruch genommene Anmeldetag
einer früheren Patentanmeldung nicht zu, wenn die gesetzliche Frist zur
Inanspruchnahme dieses Anmeldetags (Abzweigung) bei Einreichung der Gebrauchsmusteranmeldung
bereits abgelaufen war. In diesem Fall ist grundsätzlich
gegenüber dem Gebrauchsmuster die vor Einreichung der Gebrauchsmusteranmeldung
erfolgte Veröffentlichung des Patents als Stand der Technik zu
berücksichtigen.
BGH, Beschl. v. 11. Mai 2000 - X ZB 26/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen, Keukenschrijver
und die Richterin Mühlens

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Senats (Gebrauchsmuster -Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 6. Mai 1998 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Antragsgegnerin hat am 8. Dezember 1995 ein Gebrauchsmuster unter der Bezeichnung "Vorrichtung zur Herstellung von Formkörpern durch Teilsinterung" mit ursprünglich 41 Schutzansprüchen angemeldet. Dabei hat sie den Anmeldetag 14. Oktober 1987 der europäischen Patentanmeldung 88 900 160 sowie deren US-Prioritäten vom 17. Oktober 1986 und 5. Oktober 1987 in Anspruch genommen. Auf die europäische Patentanmeldung ist das europäische Patent 0 287 557 erteilt worden, das am 28. Dezember 1994 ver-
öffentlicht worden ist. Das Gebrauchsmuster ist am 1. Februar 1996 eingetragen worden.
Die Antragstellerin hat die Löschung der Schutzansprüche 1 bis 29 und 41, soweit sich Anspruch 41 auf einen der Ansprüche 1 bis 29 bezieht, beantragt. Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag fristgemäß widersprochen und ihr Gebrauchsmuster mit teilweise neu gefaßten Ansprüchen verteidigt. Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentamts hat das Streitgebrauchsmuster durch Beschluß vom 26. Juni 1997 in dem von der Antragstellerin angegriffenen Umfang gelöscht. Zur Begründung hat die Gebrauchsmusterabteilung ausgeführt, daß die Abzweigungserklärung verspätet erfolgt und die Abzweigung demzufolge unwirksam sei. Als Anmeldetag komme dem Gebrauchsmuster daher nur der Tag der Einreichung der Unterlagen beim Deutschen Patentamt zu. Dann gehöre aber die europäische Patentschrift 0 287 657 zum Stand der Technik und nehme den Gegenstand des Gebrauchsmusters neuheitsschädlich vorweg.
Die Antragsgegnerin hat fristgemäß Beschwerde mit dem Antrag eingelegt , den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Löschungsantrag in dem zuletzt vor der Gebrauchsmusterabteilung verteidigten Umfang zurückzuweisen. Demgegenüber hat die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen , hilfsweise, die Rechtsunwirksamkeit des Gebrauchsmusters festzustellen. Mit Beschluß vom 6. Mai 1998 hat das Bundespatentgericht den angefochtenen Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung dahin abgeändert, daß statt der Löschung die Feststellung der Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters im Umfang der angegriffenen Schutzansprüche ausgesprochen werde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die durch das Bundespatentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, der die Antragstellerin entgegengetreten ist.
II. Die Rechtsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Antragstellerin habe zwar keinen Anspruch auf Löschung des Gebrauchsmusters, wohl aber sei die von ihr hilfsweise begehrte Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters im angegriffenen Umfang gerechtfertigt. Allgemein sei anerkannt, daß eine "Löschung" nicht mehr in Betracht komme, wenn das Gebrauchsmuster schon aufgrund eines Verzichts oder wegen Ablaufs der Schutzdauer (§ 23 GebrMG) erloschen sei. Vergleichbar sei die Rechtslage, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für das Entstehen des Schutzes von Anfang an nicht erfüllt gewesen seien. In all diesen Fällen könne aber ein Bedürfnis zur Beseitigung des durch die Eintragung hervorgerufenen "Rechtsscheins" des Bestehens eines Musterschutzes gegeben sein. Für die deshalb rechtlich mögliche rückwirkende Feststellung der Unwirksamkeit bestehe das erforderliche Bedürfnis auch im vorliegenden Fall, der dadurch gekennzeichnet sei, daß das Entstehen eines Gebrauchsmusters nach dem gesetzlichen Rahmen schlechthin nicht in Betracht komme. Der Schutz sei ausgeschlossen, weil das Gesetz für den von der Antragsgegnerin durch Abzweigungserklärung vom 8. Dezember 1995 beanspruchten Anmeldetag, den 14. Oktober 1987, keinen Gebrauchsmusterschutz mit über achtjähriger Schutzdauer kenne. Das folge aus § 23 Abs. 2 Satz 1 GebrMG 1986. Diese Vorschrift, die eine Verlängerung der Schutzdauer bis auf höchstens acht Jahre vorsehe, sei maßgebend. Das
ab dem 1. Juli 1990 geltende Gebrauchsmusterrecht sehe zwar eine Verlängerungsmöglichkeit bis auf zehn Jahre vor (§ 23 Abs. 2 Satz 1 GebrMG in der Fassung des Produktpirateriegesetzes - PrPG); die Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 PrPG gestatte aber bei einer an Sinn und Zweck der Regelung ausgerichteten Auslegung nicht, die zehnjährige Schutzdauer auch für Gebrauchsmuster als eröffnet anzusehen, die aus einer vor dem 1. Juli 1990 eingereichten Patentanmeldung abgezweigt worden seien; für sie verbleibe es bei der höchstmöglichen Schutzdauer von acht Jahren. Zudem gelte in Fällen wie dem vorliegenden auch nur die Abzweigungsfrist von acht Jahren nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG 1986 und nicht die Frist von zehn Jahren nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG in der Fassung des Produktpirateriegesetzes.
2. Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, daß auf eine abgezweigte Gebrauchsmusteranmeldung, die nach dem 1. Juli 1990 beim Patentamt eingereicht werde, auch dann die neuen gesetzlichen Regelungen über die Schutz- und Abzweigungsfrist in § 5 Abs. 1 Satz 3, § 23 Abs. 2 Satz 3 GebrMG in der Fassung des Produktpirateriegesetzes anzuwenden seien, wenn für die abgezweigte Anmeldung der Altersrang einer vor dem 1. Juli 1990 eingereichten Patentanmeldung beansprucht werde. Die Formulierung der Übergangsregelung in Art. 12 Nr. 3 PrPG, der neue Rechtszustand gelte nur für neu angemeldete und die darauf eingetragenen Gebrauchsmuster, grenze lediglich jene Anmeldungen und die darauf eingetragenen Gebrauchsmuster von den zu diesem Zeitpunkt schwebenden Gebrauchsmusteranmeldungen und schon eingetragenen Gebrauchsmustern ab. Bei Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes noch nicht erfolgte, aber wegen des Gegenstands der Patentanmeldung künftig mögliche Anmeldungen aufgrund von Abzweigungen hätten bei Inkrafttreten des Gesetzes definitionsgemäß noch nicht existiert. Die Beteiligten hätten
demnach auch nicht davon ausgehen können, daß die Laufzeit der schlafenden Anmeldung auf acht Jahre beschränkt sei. Die in der schlafenden, nach Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes zur echten Anmeldung erstarkten abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldung beschriebene Erfindung sei bei Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes Teil einer Patentanmeldung, für die zeitlich länger währender Schutz (§ 16 PatG) habe erlangt werden können, als das unter Berücksichtigung der in Art. 5 Nr. 7 PrPG vorgesehenen Verlängerung der Laufzeit des Gebrauchsmusterschutzes der Fall sei. Bei den beteiligten Verkehrskreisen habe demnach nicht das Vertrauen bestehen können, die nach dem 1. Juli 1990 aus einer schlafenden Anmeldung erstarkte Gebrauchsmusteranmeldung werde Rechtswirkungen nur für acht und nicht für zehn Jahre entfalten. Im übrigen stehe die vom Bundespatentgericht vorgenommene Auslegung auch nicht in Einklang mit der Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit der Ä nderung des Gebrauchsmustergesetzes vom 15. August 1986 verfolgt habe, nämlich die Attraktivität des Gebrauchsmusterschutzes vor allem auch im Interesse der kleinen und mittleren Industrie zu stärken und weiterzuentwickeln.
3. Die Feststellung des Bundespatentgerichts, das Streitgebrauchsmuster sei im Umfang der angegriffenen Schutzansprüche unwirksam, besteht zu Recht.

a) Die Möglichkeit der Feststellung, daß die Eintragung eines Gebrauchsmusters von Anfang an ohne Rechtswirkungen war, ist in Fällen entwickelt worden, in denen das Gebrauchsmuster aus einem für die Zukunft wirkenden Grund, etwa durch Ablauf der Schutzdauer oder wegen Verzichts des Inhabers bereits erloschen war. Ein Löschungsgrund kann dann - wie in Recht-
sprechung und Schrifttum anerkannt ist - nicht zur Löschung führen (BGHZ 64, 155, 158 - Lampenschirm; BGH, Beschl. v. 2.3.1967 - Ia ZB 10/65, GRUR 1967, 351, 352 - Korrosionsschutz-Binde; Benkard, PatG, 9. Aufl., § 15 GebrMG, Rdn. 3; Busse, PatG, 5. Aufl., Vor § 15 GebrMG, Rdn. 9), weil hierfür Voraussetzung ist, daß die durch die Eintragung des Gebrauchsmusters vermittelte Rechtsposition weiterhin besteht. Nicht anders liegen die Dinge, wenn der Grund für die Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters von Anfang an bestand. Da auch dann mit der vorgenommenen Eintragung eine Registerposition besteht, die in gleicher Weise berechtigte Interessen eines Dritten beeinträchtigen kann, kann derjenige, der eine Inanspruchnahme aus dem Gebrauchsmuster zu besorgen hat, die Feststellung seiner Unwirksamkeit unter der Voraussetzung verlangen, daß ein in §§ 15 Abs. 1 und 2, 13 Abs. 2 GebrMG vorgesehener Löschungsgrund vorliegt. Ein solcher Fall ist hier gegeben.

b) So wie es der Eintragung zugrunde liegt und die Registerposition bestimmt , ist das Streitgebrauchsmuster niemals entstanden, weil die Erklärung, den für die europäische Patentanmeldung 88 900 160 maßgeblichen Anmeldetag (nebst US-Prioritäten) in Anspruch zu nehmen, wirkungslos geblieben ist. Denn die für eine solche Inanspruchnahme vorgesehenen Voraussetzungen waren bei der Einreichung der Anmeldung am 8. Dezember 1995 nicht erfüllt , weil zu diesem Zeitpunkt die in § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG in der Fassung des GebrMÄ ndG 1986 normierte Abzweigungsfrist von acht Jahren im Hinblick auf den Anmeldetag der genannten europäischen Patentanmeldung, dem 5. Oktober 1987, bereits abgelaufen war. Der demgegenüber von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht, die Abzweigungsfrist bestimme sich im vorliegenden Fall nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG in der Fassung des Produktpirateriegesetzes , der dafür zehn Jahre vorsieht, ist nicht zu folgen. Das ergibt sich
aus Art. 12 Nr. 3 PrPG, der den zeitlichen Übergang von den alten zu den durch das Produktpirateriegesetz erneuerten Vorschriften des Gebrauchsmustergesetzes regelt (vgl. zu der gleichgelagerten Frage der höchstmöglichen Schutzdauer in solchen Fällen: Sen.Beschl. v. 31.1.2000 - X ZB 28/98, Umdr. S. 4 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen - Schutzdauer bei Gebrauchsmusterabzweigung ).
Der Rechtsbeschwerde ist zwar zuzugeben, daß der Wortlaut der Übergangsvorschrift zunächst für die von ihr vertretene Ansicht spricht. Maßgeblich für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist jedoch der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, der nicht allein aus dem Wortlaut der Norm, sondern auch aus ihrem Zusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte zu ermitteln ist (vgl. BGHZ 46, 74, 76 - Schallplatten, m.w.N.). Entsprechend ist hier zu berücksichtigen, daß nach dem Wortlaut des Art. 12 Nr. 3 PrPG u.a. auch die in Art. 5 Nr. 7 Buchst. a) aa) dieses Gesetzes geregelte Ä nderung der Schutzdauer des Gebrauchsmusters in § 23 Abs. 2 Satz 1 GebrMG nur auf die nach Inkrafttreten dieser Regelung am 1. Juli 1990 (Art. 14 PrPG) beim Patentamt eingereichten Gebrauchsmusteranmeldungen und die darauf eingetragenen Gebrauchsmuster anzuwenden ist. Von der Anwendung der neuen Vorschriften ausgeschlossen sind nicht nur solche Anmeldungen, die bereits vor dem Stichtag auf die Eintragung eines Gebrauchsmusters gerichtet waren, sondern auch ältere sogenannte Abzweigungsanmeldungen nach § 5 Abs. 1 GebrMG. Denn auch bei diesen handelt es sich um Anmeldungen, die vor dem Stichtag beim Patentamt eingereicht worden sind und letztlich auf die Eintragung eines Gebrauchsmusters gerichtet waren. Das legt es nahe, im Rahmen der Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 PrPG als maßgebliches Anmeldeda-
tum einer abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldung gleichfalls das in Anspruch genommene Datum der Ursprungsanmeldung zu berücksichtigen.
Zudem sprechen Normzusammenhang und Normzweck für eine solche Auslegung. Sinn der erst im parlamentarischen Verfahren eingestellten Übergangsregelung war es, im Interesse der Rechtssicherheit die neuen Vorschriften über Voraussetzungen und weitere Verlängerung der Schutzdauer des Gebrauchsmusters nicht auf die vor Inkrafttreten der Neuregelung eingereichten Gebrauchsmusteranmeldungen und darauf erteilten Gebrauchsmuster anzuwenden , hinsichtlich derer es bei den früheren Vorschriften verbleiben sollte (Empfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 11/5744, S. 31 ff.; BlPMZ 1990, 195, 200). Demnach sollten für vor dem 1. Juli 1990 angemeldete Gebrauchsmuster weiterhin das Raumerfordernis wie die achtjährige Höchstschutzdauer gelten. Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung der Übergangsregelung die durch die mit dem Gebrauchsmusteränderungsgesetz 1986 geschaffene Möglichkeit der Abzweigung aus einer früheren Patentanmeldung zwar nicht ausdrücklich berücksichtigt. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür , daß er im Fall der Ausschöpfung dieser Möglichkeit den Gebrauchsmusterschutz sachlich - Wegfall des Raumerfordernisses - und zeitlich - zehnjährige Höchstschutzdauer - in einem Umfang eröffnen wollte, der in Widerspruch zu der Regelung gestanden hätte, die für bereits ursprünglich als Gebrauchsmuster angemeldete Schutzrechte eingeführt wurde. Vielmehr war es ersichtlich das Anliegen des Gesetzgebers, vor dem 1. Juli 1990 angemeldete Gebrauchsmuster und Gebrauchsmusteranmeldungen, die zwar nach diesem Stichtag eingereicht worden sind, mit denen jedoch der Altersrang einer vor dem Stichtag eingereichten Patentanmeldung in Anspruch genommen werden
soll, insoweit gleich zu behandeln (vgl. im einzelnen Sen., aaO - Schutzdauer bei Gebrauchsmusterabzweigung).

c) Gegenüber der Antragsgegnerin bestünde schließlich auch Anspruch auf Löschung, weil der Gegenstand des Streitpatents nach den §§ 1 bis 3 GebrMG nicht schutzfähig ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG). Da es der Antragsgegnerin - wie vorstehend ausgeführt ist - verwehrt ist, sich auf den von ihr mit der Anmeldung des Gebrauchsmusters in Anspruch genommenen Tag der Anmeldung der europäischen Patentanmeldung 88 900 160 bzw. einer der mit dieser Anmeldung in Anspruch genommenen Prioritäten zu berufen, kommt der Anmeldung des Streitgebrauchsmusters jedenfalls kein früherer Zeitrang als der Tag der tatsächlichen Anmeldung zu. Dies hat zur Folge, daß der gesamte einschlägige Stand der Technik aus der Zeit vor dem 8. Dezember 1995 bzw. - soweit es sich um Beschreibungen und Benutzungen handelt, die auf der Ausarbeitung der Antragsgegnerin oder ihres Rechtsvorgängers beruhen - vor dem 8. Juni 1995 zu berücksichtigen ist (§ 3 Abs. 1 GebrMG). Der Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters steht daher insbesondere die dem Gebrauchsmuster entsprechende Beschreibung des der Antragsgegnerin erteilten und bereits am 28. Dezember 1994 veröffentlichten europäischen Patents 88 900 160 entgegen, wie schon die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentamts zutreffend festgestellt hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 18 Abs. 5 GebrMG in Verbindung mit § 109 Abs. 1 PatG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet (§ 18 Abs. 5 GebrMG i.V.m. § 107 Abs. 1 PatG).
Rogge Melullis Scharen
Keukenschrijver Mühlens

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 36/98
vom
28. März 2000
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend das Patent 44 36 678
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
PatG 1981 § 39
- Graustufenbild -
Dem Patentanmelder bleibt im Erteilungsverfahren die Möglichkeit einer Teilung
der Anmeldung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist unabhängig davon
erhalten, ob Beschwerde eingelegt wird.
BGH, Beschluß vom 28. März 2000 - X ZB 36/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. März 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen,
Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin werden der Beschluß des 4. Senats (Juristischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 16. November 1998 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Auf die Anmeldung vom 13. Oktober 1994 ist der Rechtsbeschwerdeführerin mit Beschluß des Deutschen Patentamts vom 5. November 1997 antragsgemäß ein Patent für ein "Multi-Tonabstufungs-Bildbearbeitungssystem" erteilt worden. Nach Zustellung des Erteilungsbeschlusses am 12. November 1997 hat sie am 12. Dezember 1997 die Teilung der Anmeldung erklärt und für den abgetrennten Teil ein Patent für ein "System und Verfahren zur Umwandlung eines Graustufenbildes, Druckersystem, Druckeransteuerung und in computerlesbarem Medium ausgestaltetes Programm" beantragt. Mit Beschluß vom 20. Januar 1998 hat die Prüfungsstelle des Deutschen Patentamts den "Antrag auf Teilung der Anmeldung" zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin blieb ohne Erfolg (BPatG GRUR 1999, 488). Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft und auch im übrigen zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Bei seiner die Beschwerde zurückweisenden Entscheidung ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, daß der Anmelder nach § 39 Abs. 1 PatG 1981 die Anmeldung jederzeit teilen kann. Es hat weiter angenommen, daß dieses Recht auf den Zeitraum beschränkt sei, in dem das Verfahren noch anhängig sei. Daran fehle es, wenn auf die Anmeldung ein Patent erteilt worden sei. Mit dieser Erteilung werde das Verfahren beendet, sobald der Erteilungsbeschluß von der Geschäftsstelle des Patentamts an die Postabferti-
gungsstelle herausgegeben werde. Zugleich werde dem Patentamt damit eine Einwirkungsmöglichkeit auf seine Entscheidung endgültig entzogen. Von diesem Zeitpunkt sei es an seinen Beschluß selbst dann gebunden, wenn nachträglich Patenthindernisse bekannt würden oder der Patentinhaber mit der seinem ursprünglichen Antrag entsprechenden Fassung des Patentes nicht mehr einverstanden sei. Demgemäß könnten diesem Zeitpunkt nachfolgende Anträge und Erklärungen des Anmelders, die auf eine Ä nderung des Erteilungsbeschlusses abzielten, nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie an der Entscheidung nichts mehr ändern könnten. Das gelte auch für eine nach diesem Zeitpunkt eingehende Erklärung des nunmehrigen Patentinhabers, die Anmeldung zu teilen.
Eine in sein Belieben gestellte Wiederaufnahme des Verfahrens nach der Abgabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle sehe das Gesetz nicht vor. Der Wiedereintritt in das Erteilungsverfahren sei dem Fall vorbehalten, daß der Erteilungsbeschluß aufgrund einer zulässigen Beschwerde aufgehoben werde. Daß der Patentanmelder diesen mit der Beschwerde angreifen könne, genüge in diesem Zusammenhang nicht, wie sich auch daraus ergebe, daß bei einer seinem Antrag entsprechenden Erteilung des Patents ein solches Rechtsmittel des Antragstellers von vornherein mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei.
Auch daß die Anmeldung wie eine Klage bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der bisher getroffenen Entscheidung zurückgenommen werden könne, bedeute nicht, daß das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt als noch anhängig anzusehen sei. Aus dieser Wirkung lasse sich ein Recht des Anmelders nicht
herleiten, nach antragsgemäß erlassenem Erteilungsbeschluß wieder in das Erteilungsverfahren einzutreten.
2. Diese Würdigung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht in vollem Umfang stand.

a) Wie das Bundespatentgericht in seinem rechtlichen Ansatz zutreffend ausgeführt hat, setzt die Teilung der Anmeldung nach § 39 Abs. 1 PatG die rechtliche Existenz der zu teilenden Anmeldung voraus. Auf diese Vorschrift kann eine Teilung daher nicht mehr gestützt werden, wenn über die Anmeldung unanfechtbar abschließend entschieden ist (Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., § 39 PatG Rdn. 3; Busse, PatG, 5. Aufl., § 39 PatG Rdn. 6; Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., S. 400; s. auch Sen.Beschl. v. 27.3.1980 - X ZB 5/79, GRUR 1980, 716, 718 - Schlackenbad). Eine weitergehende Dispositionsbefugnis des Anmelders läßt sich insoweit auch nicht aus § 57 Abs. 2 PatG herleiten. Zwar kann danach der Anmelder unter Umständen noch nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Erteilungsbeschlusses durch Nichtzahlung der Erteilungsgebühr erreichen, daß die Anmeldung als zurückgenommen gilt. Nach dieser Vorschrift gilt für den Fall der Nichtzahlung das Patent als nicht erteilt und die Anmeldung als zurückgenommen. Die Nichtzahlung beseitigt daher nicht lediglich die Unanfechtbarkeit des Erteilungsbeschlusses, sondern zugleich auch die zugrundeliegende Anmeldung, so daß ein der Disposition des Anmelders unterliegender Gegenstand nicht mehr vorhanden ist, soweit die Rücknahmefiktion reicht.

b) Dem Bundespatentgericht ist auch bei seiner weiteren Überlegung beizutreten, die dem Patenterteilungsbeschluß zugrundeliegende Anmeldung
könne wie die Entscheidung des Patentamts grundsätzlich nicht mehr verändert werden, wenn der Erteilungsbeschluß die Prüfungsstelle verlassen hat (vgl. Sen.Beschl. v. 2.2.1982 - X ZB 5/81, GRUR 1982, 406 - Treibladung; s. auch Beschluß v. 9.3.1967 - Ia ZB 28/65, GRUR 1967, 435, 436 - Isoharnstoffäther; Erg. BGH, Beschl. v. 12.12.1996 - I ZB 8/96, GRUR 1997, 223 - Ceco). Hiermit hat sich zugleich das bisher im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung der Gestaltungsfreiheit des Anmelders unterliegende und in diesem Umfang noch formbare Patentgesuch auf die erteilte Fassung konkretisiert und verfestigt mit der Folge, daß die bisherige Formbarkeit entfallen ist. Daß der Anmelder den Zeitpunkt, zu dem seine Gestaltungsfreiheit endet, nicht exakt kennt, ist notwendige Folge des Umstandes, daß das Verfahren vor dem Patentamt schriftlich abgewickelt wird, wobei an die Stelle eines Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Übergabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle tritt (vgl. Sen.Beschl., aaO - Isoharnstoffäther; s. auch Sen.Beschl. v. 16.10.1973 - X ZB 15/72, GRUR 1974, 294 - Richterwechsel II). Eine Veränderung der dem Erteilungsbeschluß zugrundeliegenden Tatsachenlage kann daher nach diesem Zeitpunkt nur dadurch bewirkt werden, daß gegen den Erteilungsbeschluß Beschwerde eingelegt wird, die nach § 75 Abs. 1 PatG 1981 aufschiebende Wirkung hat, also die das Patentgesuch konkretisierende Wirkung des Erteilungsbeschlusses zunächst und vorläufig hinausschiebt. Eine solche Beschwerde ist hier von der Anmelderin indessen nicht eingelegt worden, so daß es vorliegend auch nicht darauf ankommt, welche Handlungsmöglichkeiten ihr durch eine solche Beschwerde hätten eröffnet werden können.

c) Aus dem Verlust der Gestaltungsmöglichkeiten des Anmelders und der Verfestigung seines Gesuchs auf den im Patenterteilungsbeschluß be-
zeichneten Gegenstand kann indessen nicht - wie das Bundespatentgericht im Anschluß an Schulte (PatG, 5. Aufl., § 39 Rdn. 3) meint - gefolgert werden, daß eine Teilung im Zeitpunkt zwischen der Übergabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle und dem Ablauf der Beschwerdefrist generell ausgeschlossen sei. Auch wenn die Wirkung des Ablaufs der Beschwerdefrist nicht durch ein zulässiges Rechtsmittel des Anmelders hinausgeschoben wird, bleibt diesem vielmehr bis zum Ablauf der Frist die Möglichkeit einer Teilung der Anmeldung erhalten (so auch im Ergebnis Busse, aaO, § 39 PatG Rdn. 6).
Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 PatG kann der Anmelder die Anmeldung jederzeit teilen. Eine zeitliche Begrenzung enthält diese Regelung nicht. Nach Sinn und Zweck und der systematischen Einordnung der Vorschrift soll dem Anmelder mit ihr vielmehr für den gesamten Zeitpunkt bis zur Erstarkung der Anmeldung zum Vollrecht die Möglichkeit der Teilung eröffnet und erhalten werden. Insoweit korrespondiert sie mit § 60 PatG. Nach der gesetzlichen Systematik sollen beide Vorschriften jedenfalls den gesamten Zeitraum abdecken, in dem die Entscheidung des Patentamts auch unter Veränderung der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung noch angefochten werden kann. (Zur Teilung der Anmeldung in der Rechtsbeschwerdeinstanz vgl. demgegenüber Sen.Beschl. v. 6.9.1979 - X ZB 10/78, GRUR 1980, 104 - Kupplungsgewinde; s.a. Benkard, aaO, § 39 PatG Rdn. 3). In diesem System betrifft die Regelung des § 60 PatG allein das zum Vollrecht erstarkte, wenn auch noch im Einspruchs - oder Beschwerdeverfahren angreifbare Patent, während § 39 PatG die Anmeldung bis zu diesem Erstarken zum Gegenstand hat. Dabei schließt die Regelung jeweils die anschließenden Rechtsmittelverfahren ein. Die Vorschrift des § 39 PatG bildet die Grundlage auch für eine Teilung der Anmeldung in der Beschwerdeinstanz nach vollständiger oder teilweiser Zurückwei-
sung der Anmeldung durch das Patentamt (BPatG GRUR 1984, 196 ff.; Benkard , aaO, § 39 PatG Rdn. 3; Busse, aaO, § 39 PatG Rdn. 6). Darauf, ob das Rechtsmittel zulässig oder begründet ist, kommt es in diesem Zusammenhang für die Frage der Zulässigkeit der Teilung grundsätzlich nicht an. Auf sie stellt das Gesetz insoweit nicht ab. Eine Teilung ist danach grundsätzlich auch dann wirksam, wenn das gegen die Entscheidung des Patentamts gerichtete Rechtsmittel unzulässig oder unbegründet ist.
Vor diesem Hintergrund hätte die Verneinung einer Teilungsmöglichkeit nach der Herausgabe des Erteilungsbeschlusses zur Folge, daß das dem Anmelder vom Gesetz eingeräumte umfassende Teilungsrecht zunächst unterginge und erst mit der Einleitung eines Beschwerdeverfahrens wieder entstehen würde. Zugleich würde der Anmelder gezwungen, ein unnötiges Rechtsmittel einzulegen, um sich - bis zum Ablauf der Frist - die Teilungsmöglichkeit zu erhalten. Beides ist mit der umfassenden Zuweisung des Teilungsrechts und seiner Ausgestaltung in § 39 PatG nicht in Einklang zu bringen. Eine solche Beschränkung des Teilungsrechts stünde zudem im Widerspruch dazu, daß dem Anmelder im übrigen auch nach der Entscheidung des Patentamts über seinen Antrag die Herrschaft über dessen Schicksal erhalten bleibt. Zutreffend hat bereits das Bundespatentgericht insoweit darauf hingewiesen, daß er auch nach der Übergabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle seinen Antrag zurücknehmen und auf diese Weise das Verfahren zurück in die Hände des Patentamts legen kann, dessen Erteilungsbeschluß infolge dieser Erklärung des Anmelders hinfällig geworden ist (vgl. Schulte, aaO, § 35 PatG Rdn. 221; Busse, aaO, § 34 PatG Rdn. 138).
Der Wirksamkeit einer nach der Herausgabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle erklärten Teilung kann auch nicht entgegengehalten werden, daß sie bei einer - von dem Inhaber nicht angegriffenen - antragsgemäßen Erteilung des Patents zu einer Teilanmeldung mit einem im Verhältnis zu diesem identischen oder über ihn hinausgehenden Gegenstand führen kann. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist auch der Inhaber eines erteilten Patents nicht gehindert, nach dessen Teilung auf den gesamten Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung zurückzugreifen und dabei ein Schutzrecht mit einem über das erteilte Patent hinausgehenden Gegenstand zu beanspruchen. Eine Präklusion durch das erteilte Patent findet insoweit nicht statt (BGHZ 115, 234, 238 - Straßenkehrmaschine). Für die Patentanmeldung , die dem Anmelder nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung eine größere Gestaltungsfreiheit gewährt, kann insoweit nichts anderes gelten. Im Verfahren der Trennanmeldung kann lediglich kein Gegenstand beansprucht werden, über den in der Stammanmeldung bereits abschließend sachlich entschieden ist. Darüber hinaus ist nach Sinn und Zweck der Regelung die Entstehung identischer Schutzrechte ausgeschlossen, für die ein schutzwürdiges Interesse nicht zu erkennen ist. Ob das der Fall ist, kann jedoch erst am Ende des Prüfungsverfahrens der Teilanmeldung beurteilt werden; ihr Vorliegen oder Fehlen kann schon von daher keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Teilungserklärung sein. Insoweit handelt es sich um eine erst im Prüfungsverfahren der Teilanmeldung zu klärende Frage, die weder das Vorliegen einer Teilung noch deren Wirksamkeit betrifft (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 23.9.1997 - X ZB 14/96, GRUR 1998, 458, 459 - Textdatenwiedergabe).
Für die Zulassung der Teilung auch nach der Herausgabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle bis zum Ablauf der gegen die-
se Entscheidung gerichteten Rechtsmittelfristen spricht schließlich auch die Interessenlage. Da die Wirksamkeit der Teilung schon aus praktischen Gründen nicht von der Zulässigkeit oder Begründetheit eines gegen den Erteilungsbeschluß gerichteten Rechtsmittels abhängig gemacht werden kann, über dessen Erfolg vielfach erst nach längerer Zeit Klarheit zu gewinnen ist, kann deren Fehlen auch bei einem durch den Anmelder eingelegten Rechtsmittel ihre Wirksamkeit nicht hindern. Er wäre daher gezwungen, allein zum Zwecke der Erhaltung der Teilungsmöglichkeit gegen den Erteilungsbeschluß mit einem in der Sache überflüssigen Rechtsbehelf vorzugehen mit der Folge, entweder dessen Zurückweisung in Kauf zu nehmen oder ihn nach vollzogener Teilung zurückzunehmen. Das Erfordernis ein solches Rechtsmittel einzulegen, erwiese sich damit letztlich als unnötige Förmelei.
III. Der angefochtene Beschluß war danach aufzuheben. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet (§ 107 Abs. 1 PatG).
Rogge Melullis Scharen
Keukenschrijver Mühlens

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.