Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2012 - X ZB 1/11

bei uns veröffentlicht am17.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 1/11
vom
17. Juli 2012
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Feuchtigkeitsabsorptionsbehälter
Die beschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt bei Gebrauchsmustern
auch in Bezug auf einzelne Löschungsgründe in Betracht.
BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - X ZB 1/11 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juli 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und die Richter Dr. Grabinski und Dr. Bacher

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 20. Oktober 2010 verkündeten Beschluss des 35. Senats (Gebrauchsmusterbeschwerdesenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des auf fehlende Schutzfähigkeit gestützten Löschungsantrags wendet, und im Übrigen zurückgewiesen. Der Wert des Gegenstands des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 EUR festgesetzt.

Gründe:


I. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des inzwischen durch Ablauf der
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Schutzdauer erloschenen, aus einer europäischen Patentanmeldung vom 2. Oktober 2001, die ihrerseits die Priorität einer schwedischen Patentanmeldung in Anspruch nimmt, abgezweigten deutschen Gebrauchsmusters 201 22 752 (Streitgebrauchsmusters), das eine "Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption" betrifft. Der eingetragene Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters hat folgenden Wortlaut: Die Antragstellerin hat beantragt, das Gebrauchsmuster zu löschen, und
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dazu geltend gemacht, der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Patentan- meldung hinaus, außerdem sei er gegenüber dem Stand der Technik nicht schutzfähig. Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag zurückgewiesen, die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters festzustellen, hilfsweise das Verfahren zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Antragsgegnerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist nur in3 soweit zulässig, als mit ihr der Löschungsgrund der unzulässigen Erweiterung weiterverfolgt wird; im Übrigen ist sie mangels Zulassung durch das Patentgericht nicht zulässig. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann
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die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 29. Juni 1967 - VII ZR 266/64, BGHZ 48, 134, 136; Urteil vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, NJW 2010, 3037 = GRUR-RR 2010, 451 Rn. 8 mwN). Für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Patent- und Gebrauchsmustersachen gilt nichts anderes (BGH, Beschluss vom 14. Februar 1978 - X ZB 3/76, GRUR 1978, 420 - Fehlerortung; Beschluss vom 30. Oktober 2007 - X ZB 18/06, GRUR 2008, 279 - Kornfeinung). Ebenso wie der Rechtsbeschwerdeführer sein Rechtsmittel entsprechend beschränken könnte, kann daher, wenn mehrere Widerrufs- oder Löschungsgründe geltend gemacht worden sind, die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf einen dieser Widerrufs- oder Löschungsgründe beschränkt werden.
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2. Der Annahme einer beschränkten Zulassung der Rechtsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Entscheidungsformel des Patentgerichts insoweit keine Einschränkung enthält. Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Entscheidungsformel im Licht der Gründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Rechtsmittelzulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die Frage, die der Vorinstanz Anlass zur Zulassung gegeben hat, nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffes stellt (BGH, Urteil vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, NJW 2010, 3037 = GRUR-RR 2010, 451 Rn. 9 mwN). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Patentgericht ist hier6 nach nur wegen des geltend gemachten Löschungsgrunds der unzulässigen Erweiterung erfolgt. Dies folgt eindeutig aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses, die die im tatbestandlichen Teil der Gründe wiedergegebene entsprechende Anregung der Antragstellerin aufgreifen. III. Im Umfang der Zulassung ist die Überprüfung der angefochtenen
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Entscheidung nach Art einer Revision eröffnet (st. Rspr.; zuletzt BGH, Beschluss vom 24. Januar 2011 - X ZB 33/08, GRUR 2011, 409 - Deformationsfelder ; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 - Installiereinrichtung II). Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Patentgerichts stand. 1. Der Antrag ist weiterhin zulässig. Im Hinblick auf das Erlöschen des
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Gebrauchsmusters hat die Antragstellerin unter Darlegung eines eigenen Rechtsschutzbedürfnisses den Löschungsantrag wirksam auf einen Feststellungsantrag umgestellt. 2. Der Feststellungsantrag ist jedoch nicht begründet. Das Patentge9 richt hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Streitgebrauchsmuster nicht wegen unzulässiger Erweiterung zu löschen ist.
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a) Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung zur Feuchtigkeitsabsorption aus der Umgebungsluft mittels eines Trockenmittels, das bei Kontakt mit feuchter Luft in Lösung geht, wobei die flüssige Lösung in einen Auffangbehälter abfließt. Dabei bilden der das Trockenmittel aufnehmende Behälter und der Behälter zur Aufnahme der sich bei der Absorption bildenden Lösung eine Einheit. Durch das Streitgebrauchsmuster soll es ermöglicht werden , eine solche Vorrichtung möglichst klein und gut handhabbar auszubilden. Hierzu stellt das Streitgebrauchsmuster eine Vorrichtung zur Feuchtig11 keitsabsorption in einem Transportcontainer unter Schutz (Merkmalsgliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern), (1) für ein Trockenmittel, das im Kontakt mit feuchter Luft eine Trockenmittellösung bildet, (2) die einen Trockenmittelbehälter aufweist [M1], (2.1) der das Trockenmittel aufnehmen kann, (2.2) mit einer Seitenwand [M1], (2.2.1) die mindestens eine Luftzutrittsöffnung aufweist [M5], (2.3) der in seinem Boden mindestens eine Öffnung umfasst , durch die die Trockenmittellösung in den für diese vorgesehenen Behälter fließen kann [M6], (2.4) und mit einem Mittel zum Zurückhalten des Trockenmittels in dem Behälter [M2], (3) weiter einen Behälter für die Trockenmittellösung mit einer Seitenwand und einem Boden [M3], (3.1) der eine obere Öffnung aufweist [M7], wobei (4) der Behälter für die Trockenmittellösung verschiebbar so auf dem Trockenmittelbehälter angebracht ist, dass der Trockenmittelbehälter im Behälter für die Trockenmittellösung von einer aktiven Position in eine Transport- oder Lagerposi- tion verschoben und durch einfaches Verschieben in die aktive Position überführt werden kann [M8, M11], wobei (4.1) in der aktiven Position die Luftzutrittsöffnung den Zutritt feuchter Luft aus der Umgebung zum Trockenmittelbehälter gestattet [M9], (4.2) in der Transport- oder Lagerposition die Seitenwand des Behälters für die Trockenmittellösung die Luftzutrittsöffnung des Trockenmittelbehälters vollständig bedeckt [M10] und (4.3) der Trockenmittelbehälter während des Überführens in die aktive Position seine relative Ausrichtung gegenüber dem Behälter für die Trockenmittellösung ständig beibehält [M12], (5) die Unterseite des Bodens des Trockenmittelbehälters gegenüber der Oberseite des Bodens des Behälters für die Trockenmittellösung liegt [M13] und (6) die Vorrichtung ein Mittel umfasst, um eine Trennung des verschobenen Trockenmittelbehälters vom Behälter für die Trockenmittellösung zu verhindern [M14].

b) Das Patentgericht hat ausgeführt, der Fachmann, ein Diplom12 Ingenieur der Verpackungstechnik, der wegen der Gebrauchseigenschaften und Handhabung von Trocknungsmitteln einen Ingenieur der Verfahrenstechnik oder Chemie zu Rate ziehe, werde die Luftzutrittsöffnung als solche mit endlicher Ausdehnung ansehen, denn der Ausdruck Luftzutrittsöffnung impliziere eine allseitige Erstreckung der zwingend geforderten Wand um die Öffnung herum. Auch beim Trockenmittelbehälter sei das Vorhandensein eines Bodens zwingende Voraussetzung für eine Öffnung mit endlicher Ausdehnung; ein endseitig offenes Rohr besäße zwar eine Öffnung, aber keine anteilige stirnseitige Bodenfläche. Die Maßnahme, Mittel zum Zurückhalten des Trockenmittels in
dem Behälter vorzusehen, betreffe die Luftzutrittsöffnung sowie die Öffnung im Boden, die mit einem Geflecht oder Gitter versehen sein könnten. Weil der Trockenmittelbehälter das Trockenmittel aufnehmen solle, übernähmen Seitenwand und Boden hierfür die Rückhaltefunktion; insoweit werde lediglich die Bereitstellung eines ausreichenden Volumens im Innern des Trockenmittelbehälters verlangt. Der Trockenmittelbehälter müsse im Transportzustand wie in seiner aktiven Position gegen Luftzutritt abgeschlossen sein. Die Seitenwände des Trockenmittelbehälters müssten von den Seitenwänden des Behälters für Trockenmittellösung umgriffen werden und eine Form haben, die eine relative Verschiebung der Behälter zulasse. Weil der Behälter für die Lösung nur eine obere Öffnung für die Anordnung des Trockenmittelbehälters in ihm besitze, sei eine Überführung von der Transportposition in die aktive Position nur entlang der Seitenwände aus der Öffnung heraus oder hinein möglich, die insoweit einen axialen Verschiebeweg definierten. Die Luftzutrittsöffnung, die ausschließlich den Zutritt feuchter Luft gestatte, müsse an einer Stelle in der Seitenwand des Trockenmittelbehälters angeordnet sein, die im Transportzustand von der umgebenden Seitenwand vollständig bedeckt sei, im aktiven Zustand hingegen freiliege. Hieraus folge eine notwendige gegenseitige Überlappungslänge der Seitenwände in Richtung der Verschiebung sowie eine Zuordnung der Seitenwände beider Behälter auch in der aktiven Position, die einen Luftzutritt an anderen Stellen als der hierfür ausgewiesenen Öffnung verhindere. Eine Verschiebung über diese Überlappungslänge hinaus werde durch Merkmal 6 (nach der Gliederung des Patentgerichts M14) verhindert. Die Unterseite des Bodens des Trockenmittelbehälters liege zwangsläufig gegenüber der Oberseite des Behälters für die Lösung. Daraus folge insgesamt eine Gestaltung der Vorrichtung , bei der der Trockenmittelbehälter im Behälter für die Trockenmittellösung bei gegenseitiger Überdeckung der Seitenwände der Behälter verschoben werden könne. Die Seitenwand des Trockenmittelbehälters weise eine Öffnung auf, durch die allein im Betriebszustand mit relativ verschobenen Behältern Luft, die das Trockenmittel beaufschlage, in das Innere des Behälters treten könne; die
entstehende Trockenmittellösung fließe durch eine Öffnung im Boden des Trockenmittelbehälters ab. Im Zustand vor Gebrauch sei der Trockenmittelbehälter so weit in den für die Aufnahme der abfließenden Lösung vorgesehenen Behälter vorgeschoben, dass letzterer mit seiner Seitenwand die Luftzuführungsöffnung des Trockenmittelbehälters vollständig bedecke; dadurch sei das Trockenmittel vor der Einwirkung feuchter Luft geschützt. Der von der Antragstellerin zu den Merkmalen 4 und 4.3 (Patentgericht:
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M11, M12) geltend gemachte und damit begründete Löschungsgrund der unzulässigen Erweiterung, dass den ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung weder eine Überführung von der Transportposition in die aktive Position durch "einfaches Verschieben" noch die ständige Beibehaltung der relativen Ausrichtung während des Überführens unmittelbar und eindeutig entnehmbar sei, liege nicht vor. Die Antragstellerin unterstelle diesen Merkmalen einen Bedeutungsgehalt dahin, dass diese nicht ursprünglich offenbarte Maßnahmen zur Verhinderung einer Drehbewegung um ihre gemeinsame Achse forderten und ein ständiges Beibehalten der relativen Ausrichtung beim Verschieben ohne jedes Verdrehen um die eigene Achse implizierten. Dies sei nach der Gesamtoffenbarung unzutreffend. Denn der Trockenmittelbehälter befinde sich in der Transportposition in einer durch die Seitenwände und die Öffnung definierten Ausrichtung in dem Lösungsbehälter, die die Richtung für die Überführung in die aktive Position vorbestimme. Für die mit ihren Seitenwänden ineinandergreifenden Behälter werde zwingend eine rein relative Versetzbewegung entlang der durch die Seitenwände und die obere Öffnung des Lösungsbehälters vorbestimmten Richtung ermöglicht. Die bereits in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten zylindrischen oder parallelepipedischen Formen der Behälter ließen genau diese rein translatorische Auszugsbewegung zu und die komplementäre Formgebung gebe die Richtung der notwendigen Auszugsbewegung vor. Die genannten Merkmale schlössen nicht offenbarte transversale Bewegungen wie eine Schraubbewegung aus, soweit diese durch die gegenseitig angepasste Gestaltung zwangsläufig ausgeführt werden müssten. Eine ihnen entsprechende Gestaltung könne zwar als weiteren Freiheitsgrad eine willkürliche Rotation um die aus der Verschiebung folgende Richtung ermöglichen, wie dies bei kreiszylindrischen Behälterwandungen der Fall sei, jedoch werde auch bei einer Ausführung nach Unteranspruch 14 (der eine im Allgemeinenkreiszylindrische Ausformung der beiden Behälter vorsieht) die relative Ausrichtung des Trockenmittelbehälters gegenüber dem Behälter für Trockenmittellösung beibehalten. Konstruktive Maßnahmen wie angepasste Gestaltungen der Behälter, die ein Öffnen nur durch eine zusammengesetzte Bewegung aus Translation und rotatorischer Komponente, die ursprünglich nicht offenbart sei, schließe Schutzanspruch 1 aus und stehe damit im Einklang mit der Ursprungsoffenbarung.
c) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dass die Merkmale 4 und 4.3
14
[M11, M12] keine Rotationsbewegung erlaubten; für die vom Patentgericht vorgenommene Differenzierung, ob die Rotationsbewegung willkürlich oder für die Überführung in die aktive Position erforderlich sei, fehle es an jeder Grundlage. Die Annahme des Patentgerichts, die genannten Merkmale verböten eine willkürliche Rotationsbewegung nicht, stehe in krassem Widerspruch zum Wortlaut des Schutzanspruchs, nach dem der Trockenmittelbehälter beim Verschieben seine relative Ausrichtung gegenüber dem Lösungsmittelbehälter ständig beibehalte. Dies setze zwingend voraus, dass bei der translatorischen Bewegung die Lage der Behälter zueinander unverändert bleibe, was bei einer relativen Verdrehung nicht der Fall sei. Dem kann nicht beigetreten werden. Das Patentgericht hat zutreffend
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aus der Funktion der Merkmale 4 und 4.3 abgeleitet, dass die erfindungsgemäße Ausgestaltung des Behälters eine rein translatorische Auszugs- und Einführungsbewegung des (inneren) Trockenmittelbehälters gegenüber dem (äußeren ) Behälter für die Trockenmittellösung ermöglichen muss. Eine Schraubbewegung , wie sie im Stand der Technik bekannt war, ist damit nicht erforderlich.
Einen technischen Grund, warum darüber hinaus eine willkürliche Rotationsbewegung auch dann, wenn die Behälterform diese wie bei einem Zylinder zulässt , erfindungsgemäß verhindert werden sollte, hat weder das Patentgericht festgestellt, noch zeigt die Rechtsbeschwerde entsprechenden Vortrag der Antragstellerin auf.
d) Die Rechtsbeschwerde macht weiter geltend, dass das Patentgericht
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nicht festgestellt habe, dass in den maßgeblichen Unterlagen die Notwendigkeit einer rein translatorischen Bewegung so offenbart sei, dass der Fachmann sie ohne weiteres Nachdenken unmittelbar und eindeutig als zur geschützten Erfindung gehörend habe erkennen können. Die vom Patentgericht angenommene "implizite" Offenbarung reiche nicht aus. Auch mit dieser Argumentation kann die Rechtsbeschwerde keinen Er17 folg haben. Die nach dem Vorstehenden mit den Merkmalen 4 und 4.3 des Streitgebrauchsmusters gelehrte Möglichkeit einer rein translatorischen Bewegung hat das Patentgericht rechtsfehlerfrei als der Ursprungsoffenbarung unmittelbar und eindeutig entnehmbar angesehen. Die maßgeblichen Unterlagen (veröffentlicht als WO 02/28742) führen aus (S. 11 Z. 15 ff.): " ... the desiccant container 21 is inserted in the cylindrical desiccant solution container 22 in which it is axially displaceable from the transport or storage position ... in which the window 26 is shielded by the side wall 34 of the desiccant solution container 2." Damit ist die Handlungsanweisung, die Bewegung translatorisch vorzunehmen , angesprochen und offenbart. Zutreffend hat das Patentgericht ferner berücksichtigt, dass die bereits in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten zylindrischen oder parallelepipedischen Formen der Behälter genau diese (rein) translatorische Auszugsbewegung zulassen und durch die komplementäre Formgebung die Richtung der notwendigen Auszugsbewegung vorgeben, und damit dem Fachmann klar und eindeutig zeigen, wie er die Relativbewegung der beiden Behälter zueinander auszugestalten hat.
18
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
19
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grabinski kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Meier-Beck Bacher
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.10.2010 - 35 W(pat) 437/09 -

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Patentgesetz - PatG | § 109


(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilwei

Gebrauchsmustergesetz - GebrMG | § 18


(1) Gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle und der Gebrauchsmusterabteilungen findet die Beschwerde an das Patentgericht statt. (2) Im übrigen sind die Vorschriften des Patentgesetzes über das Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Bet

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(1) Gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle und der Gebrauchsmusterabteilungen findet die Beschwerde an das Patentgericht statt.

(2) Im übrigen sind die Vorschriften des Patentgesetzes über das Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Betrifft die Beschwerde einen Beschluß, der in einem Löschungsverfahren ergangen ist, so ist für die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens § 84 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle sowie gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts. Über Beschwerden gegen die Zurückweisung der Anmeldung eines Gebrauchsmusters entscheidet der Senat in der Besetzung mit zwei rechtskundigen Mitgliedern und einem technischen Mitglied, über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen über Löschungsanträge in der Besetzung mit einem rechtskundigen Mitglied und zwei technischen Mitgliedern. Für Beschwerden gegen Entscheidungen über Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Der Vorsitzende muß ein rechtskundiges Mitglied sein. Auf die Verteilung der Geschäfte innerhalb des Beschwerdesenats ist § 21g Abs. 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes anzuwenden. Für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle gilt § 69 Abs. 1 des Patentgesetzes, für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen § 69 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend.

(4) Gegen den Beschluß des Beschwerdesenats des Patentgerichts, durch den über eine Beschwerde nach Absatz 1 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat in dem Beschluß die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. § 100 Abs. 2 und 3 sowie die §§ 101 bis 109 des Patentgesetzes sind anzuwenden.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

8
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 86; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 - VersR 2009, 1269, 1270; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06 - VersR 2007, 1230, 1231, jeweils m.w.N.). Insbesondere kann bei einem nach Grund und Betrag streitigen Klageanspruch wie im vorliegenden Fall die Zulassung der Revision auf Fragen beschränkt werden, die allein die Höhe der geltend gemachten Forderung berühren, da in solchem Fall der Rechtsstreit vom Tatrichter durch ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO in ein Grund- und ein Höheverfahren zerlegt werden kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 76, 397, 399; vom 30. September 1980 - VI ZR 213/79 - VersR 1981, 57, 58; vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98 - VersR 1999, 245, 246).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/06
vom
30. Oktober 2007
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kornfeinung
PatG § 59 Abs. 1; IntPatÜG Art. II § 8
Für den Einspruch gegen ein deutsches Patent bedarf es auch dann keines
besonderen Rechtsschutzbedürfnisses, wenn das Patent wegen des Doppelschutzverbots
im Hinblick auf die bestandskräftige Erteilung eines europäischen
Patents keine Wirkung mehr hat.
BGH, Beschl. v. 30. Oktober 2007 - X ZB 18/06 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Mai 2006 wird auf Kosten der Patentinhaberin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 25.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin (Patentinhaberin) meldete am 9. November 2000 eine Erfindung betreffend eine Vorrichtung bzw. ein Verfahren zur Filtration und Zugabe von Kornfeinungsmaterialien zu Metallschmelzen beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Erteilung eines Patents an. Ihr ist das deutsche Patent 100 55 523 (Streitpatent) erteilt und die Erteilung ist am 18. April 2002 veröffentlicht worden.
2
Unter Inanspruchnahme der Priorität dieser Patentanmeldung vom 9. November 2000 meldete die Patentinhaberin am 2. November 2001 ein europäisches Patent an. Dieses ist - mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland - erteilt und der Hinweis auf die Erteilung ist am 27. April 2005 bekannt gemacht worden. Die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das erteilte europäische Patent ist fruchtlos verstrichen.
3
Am 16. Juli 2002 hat die Einsprechende mit der Begründung Einspruch gegen das Streitpatent erhoben, sein Gegenstand beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Patentinhaberin hat, nachdem das im Wesentlichen gleiche europäische Patent erteilt worden und die Einspruchsfrist ohne Einlegung eines Einspruchs abgelaufen ist, geltend gemacht, der Einspruch sei unzulässig geworden. In der Sache hat sie das Streitpatent vorsorglich beschränkt und mit Hilfsanträgen verteidigt; wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
4
Das Bundespatentgericht hat die Zulässigkeit des Einspruchs bejaht und das Streitpatent widerrufen.
5
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet die Patentinhaberin sich dagegen, dass das Bundespatentgericht den Einspruch für zulässig erachtet hat.
6
Die Einsprechende ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht vertreten.
7
II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig.
8
III. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Durch die Einlegung der zugelassenen Rechtsbeschwerde ist die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision eröffnet (st. Rspr., vgl. zuletzt Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, GRUR 2007, 859 - Informationsübermittlungsverfahren I, zur Veröffentlichung in BGHZ 172, 108 bestimmt). Soweit in dem Umstand , dass das Bundespatentgericht die Rechtsbeschwerde "bezüglich der Zulässigkeit des Einspruchs" zugelassen hat, eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde und nicht nur der Anlass für die unbeschränkte Zulassung des Rechtsmittels (vgl. BGHZ 88, 191, 193) gesehen werden könnte, wäre diese unwirksam. Die Rechtsbeschwerde kann wirksam nur auf einen abtrennbaren Teil des Verfahrensgegenstands oder einzelne Verfahrensbeteiligte begrenzt werden (BGH aaO; Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 100 Rdn. 18; Busse/ Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 100 Rdn. 16, jew. mit zahlr. Nachweisen). Bei der Frage, ob der Einspruch (weiter) zulässig ist, handelt es sich nicht um einen in diesem Sinne abtrennbaren Teil des Verfahrensgegenstands, sondern um eine isolierte Rechtsfrage, auf welche die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht wirksam beschränkt werden kann (BGHZ 90, 318). Die danach eröffnete Nachprüfung deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Patentinhaberin auf.
9
1. Das Bundespatentgericht hat die Zulässigkeit des Einspruchs zu Recht bejaht.
10
a) Dass der von der Einsprechenden eingelegte Einspruch an sich statthaft ist, ergibt sich aus § 59 Abs. 1 PatG (vgl. dazu Sen.Beschl. v. 22.2.1994 - X ZB 15/92, GRUR 1994, 439 f. - Sulfonsäurechlorid) und wird von der Patentinhaberin auch nicht in Zweifel gezogen. Sie meint vielmehr, die Einsprechende hätte, nachdem die Rechtsfolge aus Art. II § 8 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG eingetreten und das deutsche Patent wirkungslos geworden ist, ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an der Aufrechterhaltung des eingelegten Einspruchs darzulegen gehabt. Daran fehle es. Die Einsprechende habe weder behauptet, für den Zeitraum vor bestandskräftiger Erteilung des europäischen Patents von der Patentinhaberin aus dem deutschen Patent in Anspruch genommen worden zu sein, noch dass die Patentinhaberin insoweit die Geltendmachung von Rechten angekündigt oder dass sie, die Einsprechende, dieses zu befürchten habe. Auch das Bundespatentgericht habe hierzu keine konkreten Feststellungen getroffen.
11
b) Der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann nicht beigetreten werden.
12
aa) Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats für die Fortsetzung des Patentnichtigkeitsverfahrens nach dem Erlöschen des Patents wegen Zeitablaufs, Verzichts oder wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren ein besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers erforderlich (vgl. Sen.Urt. v. 19.5.2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger; v. 12.12.2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 Tz. 7 - Schussfädentransport; vgl. auch Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 2. Aufl. Rdn. 120 m.w.N.).
13
Diese Anforderung beruht auf der Erwägung, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Nichtigerklärung unberechtigter Schutzrechte nicht mehr berührt wird, wenn das Patent erloschen ist (vgl. Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 22 Rdn. 35; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 81 Rdn. 49). Aus dem gleichen Grund kann der Einsprechende die Fortführung des Einspruchsverfahrens nach Erlöschen des Patents nur verlangen, wenn bei ihm ein besonderes Rechtsschutzinteresse gegeben ist (Sen.Beschl. v. 14.2.1995 - X ZB 19/94, GRUR 1995, 342 f. - Tafelförmige Elemente; v. 17.4.1997 - X ZB 10/96, GRUR 1997, 615 ff. - Vornapf).
14
bb) Ist das nationale Patent dagegen, wie im Streitfall, nicht erloschen, sondern infolge der Erteilung eines europäischen Patents nach den Grundsätzen des Doppelschutzverbots (Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG) wirkungslos geworden , lässt sich ein weiter bestehendes Interesse der Allgemeinheit am Widerruf des zu Unrecht erteilten deutschen Patents nicht verneinen. Das beruht auf den im Vergleich zum Erlöschen des Patents unterschiedlichen Rechtsfolgen der Wirkungslosigkeit.
15
Die rechtlichen Wirkungen des deutschen Patents werden durch die Erteilung des europäischen nicht vollständig beseitigt. Zwar wird das nationale Patent nach Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG von dem Zeitpunkt an wirkungslos, in dem eine der in Nr. 1 bis 3 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt ist, sei es, dass die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das europäische Patent ergebnislos abgelaufen oder das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des europäischen Patents rechtskräftig abgeschlossen ist oder dass das deutsche Patent erteilt wird und dies zeitlich nach einem der beiden vorgenannten Ereignisse geschieht. Das Schutzrecht bleibt jedoch als solches auch nach Eintritt der Wirkungslosigkeit bestehen (vgl. Benkard/Rogge, EPÜ, Art. 139 Rdn. 15 m.w.N.; Busse/Keukenschrijver PatG, 6. Aufl., Art. II § 8 IntPatÜG Rdn. 4). Das Interesse der Allgemeinheit am Widerruf eines rechtlich (weiter) bestehenden Patents für den Fall der ungerechtfertigten Erteilung wegen des zwischenzeitlichen Eintritts der Rechtsfolgen aus Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG kann nicht verneint werden.
16
cc) Soweit im Schrifttum für die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens nach dem Wirkungsloswerden des deutschen Patents die Darlegung eines schutzwürdigen Interesses am rückwirkenden Widerruf des ex nunc erloschenen Patents verlangt wird (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 42; Mes, Festschrift für Rogge, GRUR 2001, 976, 979), vernachlässigt dies zudem, dass die Frage, in welchem Umfang das europäische Patent i. S. von Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG dieselbe Erfindung schützt, wie das deutsche, erst das Ergebnis einer mitunter schwierigen Sachprüfung ist, deren Beantwortung im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht mehr sachgerecht wäre.
17
2. Die rechtliche Nachprüfung (zu ihrem Umfang im Rechtsbeschwerdeverfahren Sen.Beschl. v. 14.5.1996 - X ZB 4/95, GRUR 1996, 753, 756 - Informationssignal, insoweit nicht in BGHZ 133, 18 ff.; v. 16.6.1998 - X ZB 3/97, GRUR 1998, 889, 901 - Alpinski) deckt auch sonst weder von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel noch materiellrechtliche Fehler auf. Maßstab für die materiellrechtliche Prüfung ist nach Lage des Falles im Wesentlichen , ob die angefochtene Entscheidung auf einer Verkennung des Rechtsbegriffs der erfinderischen Tätigkeit beruht (vgl. Sen.Beschl. GRUR 1998, 889, 901 - Alpinski). Das ist nicht der Fall. Das Bundespatentgericht hat die Patentfähigkeit der Erfindung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rechtsbeschwerde hat insoweit auch ebenso wenig konkrete Beanstandungen erhoben, wie sonstige Verfahrensrügen.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
19
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.05.2006 - 11 W(pat) 326/02 -
8
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 86; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 - VersR 2009, 1269, 1270; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06 - VersR 2007, 1230, 1231, jeweils m.w.N.). Insbesondere kann bei einem nach Grund und Betrag streitigen Klageanspruch wie im vorliegenden Fall die Zulassung der Revision auf Fragen beschränkt werden, die allein die Höhe der geltend gemachten Forderung berühren, da in solchem Fall der Rechtsstreit vom Tatrichter durch ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO in ein Grund- und ein Höheverfahren zerlegt werden kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 76, 397, 399; vom 30. September 1980 - VI ZR 213/79 - VersR 1981, 57, 58; vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98 - VersR 1999, 245, 246).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 33/08
vom
24. Januar 2011
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Deformationsfelder
Ist aus einem zwischen dem alleinigen Patentinhaber und einem Miterfinder
geschlossenen Vertrag ein Dritter im Sinne von § 328 BGB zur Nutzung der
patentgemäßen Lehre berechtigt, kann der Patentinhaber dem Einspruch des
Dritten gegen das Patent nicht den gegen den Miterfinder grundsätzlich bestehenden
Einwand der Treuwidrigkeit der Einspruchseinlegung entgegenhalten.
BGH, Beschluss vom 24. Januar 2011 - X ZB 33/08 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Professor Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Bacher und Hoffmann und die Richterin Schuster

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss des 17. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 8. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Patentgericht zurückverwiesen. Der Wert des Gegenstands des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Rechtsbeschwerdegegner ist als Miterfinder alleiniger Inhaber des am 30. Juni 1998 angemeldeten deutschen Patents 198 29 170 (Streitpatents ), das die Berechnung und Darstellung 2- oder 3-dimensionaler Deformationen räumlicher Strukturen für die medizinische Diagnostik, Forschung oder Medizintechnik betrifft.
2
Mit den beiden anderen Miterfindern H. und Professor Z. hatte der Patentinhaber 1998 vereinbart, dass er allein das Recht erhalten solle, das Patent anzumelden; mit dem Miterfinder Professor Z. vereinbarte der Patentinhaber http://juris.de/jportal/portal/t/6u8/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306002007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 3 - am 14. August 2000 des Weiteren, dass das streitpatentgemäße Verfahren "für die Benutzung am Institut für Medizin (IME), Forschungsinstitut (richtig: -zentrum) J. GmbH (im Folgenden: Forschungszentrum) zur Verfügung gestellt wird."
3
Gegen das erteilte Patent hat das Forschungszentrum Einspruch erhoben und diesen auf die Widerrufsgründe der unzureichenden Offenbarung, unzulässigen Erweiterung und mangelnden Patentfähigkeit gestützt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat das Streitpatent antragsgemäß wegen unzulässiger Erweiterung widerrufen. Dagegen hat der Patentinhaber Beschwerde eingelegt und sich unter anderem darauf berufen, der Einspruch sei schon wegen einer zulasten des Forschungszentrums bestehenden Nichtangriffsverpflichtung unzulässig.
4
Das Patentgericht hat den Einspruch für unzulässig erachtet und den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes aufgehoben. Dagegen wendet sich das Forschungszentrum mit der vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
5
II. Das Rechtsmittel, das die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision eröffnet (BGHZ 172, 108 - Informationsübermittlungsverfahren I), führt zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft (§ 100 Abs. 1 PatG) und auch im Übrigen zulässig.
7
2. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Einspruch sei rechtsmissbräuchlich erhoben worden und dieser Einwand jedenfalls im Streitfall aufgrund der vertraglichen Verflechtungen der Parteien und Vertragspartner nach Treu und Glauben zuzulassen. Bei der zwischen dem Patentinhaber und Professor Z. geschlossenen Vereinbarung handle es sich, wie deren Auslegung ergebe, um einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB). Das patentgemäße Verfahren sei dem Forschungszentrum als Drittbegünstigtem über das Forschungsprivileg hinaus und mit eigenem Forderungsrecht zur Verfügung gestellt worden. Da es das hierdurch erworbene Recht nicht zurückgewiesen habe, könne der Patentinhaber dem Forschungszentrum die gegenüber Professor Z. bestehenden Einwendungen entgegenhalten. Dazu gehöre auch eine Nichtangriffspflicht, so dass das Forschungszentrum an der Erhebung des Einspruchs gehindert sei. Dass die Nichtangriffspflicht nicht ausdrücklich vereinbart worden sei, sei unschädlich, weil sich aus einem Vertrag auch vor- und nachvertragliche Pflichten ergeben könnten, um einen Vertragspartner vor Schädigungen im Zusammenhang mit der Erfüllung des Vertrages bzw. mit aus diesem Vertrag hervorgehenden Wissen zu bewahren. Entsprechende aus dem hier geschlossenen Vertrag zugunsten eines Dritten resultierende Pflichten stünden der Erhebung des Einspruchs durch das Forschungszentrum entgegen.
8
3. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Patentgerichts tragen nicht seine Annahme, das Forschungszentrum sei nach Treu und Glauben gehindert, gegen das Streitpatent Einspruch zu erheben.
9
a) Die ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung von Nichtangriffsabreden wird regelmäßig darauf beruhen, dass nach dem Willen der Beteiligten konkrete, über den Bestand des Patents als solches hinausgehende Interessen gewahrt werden sollen. Inwieweit solche vertraglich (konkludent) vereinbarten Nichtangriffsabreden dem Einspruch gegen die Erteilung des Patents generell entgegengehalten werden können oder nicht (bejahend BPatG GRUR 1991, 748, 749; GRUR Int 1997, 631; BPatG, Beschluss vom 5. Dezember 2005 - 8 W (pat) 319/03; Schulte/Moufang, Patentgesetz, 8. Aufl., § 59 Rn. 67 f.; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl. 2009, § 26 B II 6; Vollrath, Mitt 1982, 43 ff.; v. Maltzahn, Festschrift für v. Gamm, S. 597 ff.; Windisch, Festschrift für v. Gamm, S. 477 ff.; verneinend BPatG, GRUR 2005, 182, 183; BPatG, Beschluss vom 21. Januar 2005 - 15 W (pat) 313/02; Pitz, Mitt 1994, 239, 241; Benkard/Schäfers, Patentgesetz, 10. Aufl., § 59 Rn. 5a, der jedoch den Einwand der unerlaubten Rechtsausübung und des Rechtsmissbrauchs zulassen will; Koppe, Festschrift 25 Jahre Bundespatentgericht, S. 229, 244; Winterfeld, Festschrift VPP 50 Jahre, S. 211 ff.; zweifelnd Busse/Schwendy/Keukenschrijver , Patentgesetz, 6. Aufl., § 59 Rn. 22), ist im Streitfall nicht allgemein zu entscheiden.
10
b) Die vom Patentgericht angenommene Nichtangriffsverpflichtung ist nicht ausdrücklich vereinbart worden. Das Patentgericht hat auch keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergäbe, dass die Beteiligten bei Abschluss des Vertrages den Schutz ganz bestimmter, durch eine Nichtangriffsabrede zu schützender Interessen im Auge gehabt hätten oder dass solches für das Forschungszentrum zumindest erkennbar gewesen wäre. Nach Lage des Sachverhalts kann eine Nichtangriffspflicht sich, wovon das Patentgericht ausweislich der Begründung, die es für seine Entschließung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, gegeben hat, ersichtlich auch ausgegangen ist, nur aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, also aus Umständen ergeben, die die Durchführung des vom Forschungszentrum eingelegten Einspruchs jenseits konkreter vertraglich vereinbarter Rechte und Pflichten als unbillig erscheinen lassen.
11
c) Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht über den Wortlaut der Norm (§ 242 BGB) hinaus das gesamte Rechtsleben (z.B. BGH, Urteil vom 23. September 1982 - VII ZR 183/08, BGHZ 85, 48) und kann prinzipiell jedem Recht sozialethische Grenzen setzen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 242 Rn. 2). Es ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch die Erhebung des Einspruchs gegen eine Patenterteilung nach Treu und Glauben zu missbilligen sein und deshalb die Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs nach sich ziehen kann. Ob es sich so verhält, bedarf in jedem Einzelfall einer umfassenden Würdigung aller Umstände, die zudem im Lichte des Interesses der Allgemeinheit an der Beseitigung nicht patentwürdiger Schutzrechte zu erfolgen hat und auf die, je nach den Umständen, überdies auch die gesetzgeberische Wertung von Einfluss sein kann, dass vertraglichen Nichtangriffsabreden kartellrechtlich Grenzen gesetzt sind (vgl. für das Patentnichtigkeitsverfahren Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 22 Rn. 41; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren , 4. Aufl. Rn. 121).
12
d) Im Streitfall ist dem Forschungszentrum der Einspruch gegen das Streitpatent nach Treu und Glauben nicht verwehrt. Die gegenteilige Entscheidung des Patentgerichts beruht auf der Ansicht, der Patentinhaber könne die seinen Vertragspartner Professor Z. treffende Pflicht, einen schädigenden Angriff zu unterlassen, der ihm, dem Patentinhaber, die Erfüllung der sich aus dem Vertrag vom 14. August 2000 ergebenden Verpflichtungen unmöglich machen würde, gemäß den §§ 328, 333, 334 BGB auch dem Forschungszentrum entgegenhalten. Dies ist in mehrfacher Hinsicht nicht frei von Rechtsfehlern.
13
aa) Die Annahme des Patentgerichts, der Patentinhaber und Professor Z. hätten einen (echten) Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB) geschlossen , wird, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, nicht von den getroffenen Feststellungen getragen. Das Patentgericht leitet dieses Ergebnis allein aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 14. August 2000 und der Erwägung her, es ergebe keinen Sinn, wenn das Forschungszentrum kein eigenes Forderungsrecht haben solle, denn sonst laufe "die gesamte Vereinbarung sozusagen leer". Es ist indes nicht ersichtlich, warum es für den Sinn und Zweck der Vereinbarung - zu dem das Patentgericht keine näheren Feststellungen getroffen hat - unverzichtbar sein soll, dass das Forderungsrecht statt Professor Z. nur dem Forschungszentrum zustehen soll, wie es bei einem echten Vertrag zugunsten eines Dritten prinzipiell der Fall wäre (vgl. § 335 BGB), oder warum etwa das Forschungszentrum und Professor Z. nebeneinander berechtigt sein könnten, keineswegs aber Professor Z. allein. Gegen das vom Patentgericht gefundene Auslegungsergebnis spricht im Übrigen, dass der Wortlaut der Vereinbarung eher auf eine Überlassung nur an Professor Z. hindeutet, weil es dort heißt, dass das patentgemäße Verfahren "für die Benutzung 'am' Institut für Medizin ... zur Verfügung gestellt wird".
14
bb) Unabhängig hiervon rechtfertigte auch ein eigenes Forderungsrecht nicht die Annahme des Patentgerichts, das Forschungszentrum sei wegen dieses ihm eingeräumten Rechts gehindert, das Streitpatent mit dem Einspruch anzugreifen.
15
Das Patentgericht ist zwar rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass dem Versprechenden beim Vertrag zugunsten eines Dritten Einwendungen aus dem Vertrag auch gegen den Dritten zustehen (§ 334 BGB). Diese gesetzliche Regelung beruht auf der Erwägung, dass der Versprechende in einem solchen Vertragsverhältnis nicht schlechter stehen soll, als bei unmittelbar gegenüber dem Vertragspartner selbst bestehender Leistungspflicht (Palandt /Grüneberg, aaO, § 334 Rn. 1). Zu der darin zum Ausdruck kommenden Bewertung der beteiligten Interessen steht es aber nicht in Widerspruch, dem Forschungszentrum das Einspruchsrecht zuzugestehen. Einer etwaigen Einspruchseinlegung durch Professor Z. als seines eigentlichen Vertragspartners könnte der Patentinhaber den Einwand der treuwidrigen Rechtsausübung nach dem festgestellten Sachverhalt vielmehr allenfalls aus Gründen entgegenhalten , die allein in seiner Person begründet sind. Der Einwand wäre mithin kein Einwand aus dem Vertrag, den der Patentinhaber nach § 334 BGB auch gegen das Forschungszentrum als Dritten geltend machen könnte. Ihn dem Patentinhaber gleichwohl zuzugestehen liefe auf die Bejahung eines Vertragsschlusses zulasten eines Dritten, des Forschungszentrums, hinaus.
16
Professor Z. könnte nach Treu und Glauben nur deshalb an der Einspruchseinlegung gehindert sein, weil er, wäre er Patentmitinhaber geworden, nicht einspruchsberechtigt wäre (vgl. BPatGE 32, 54, 65; Schwendy, aaO, § 59 Rn 25). Diese Rolle wäre ihm als Miterfinder aber zwangsläufig zugefallen (§ 6 Abs. 1 PatG), wenn die Miterfinder nicht vereinbart hätten, dass nur der jetzige Patentinhaber das Streitpatent anmelden sollte. Es mag angezeigt sein, die Einspruchsbefugnis von Professor Z. trotz dieser Vereinbarung nicht anders zu beurteilen, als wenn sie nicht geschlossen worden wäre, so dass ein von Professor Z. eingelegter Einspruch vor diesem Hintergrund als unzulässig zu bewerten wäre. Wäre aber dessen Miterfinderstellung der einzige Grund, aus dem die Treuwidrigkeit der Einspruchseinlegung hergeleitet werden könnte und betrifft § 334 BGB nur Einwendungen "aus dem Vertrag", eröffnet diese gesetzliche Regelung dem Patentinhaber nicht die Möglichkeit, diesen Einwand auch gegenüber einem Dritten geltend zu machen, in dessen Person der höchstpersönliche Umstand, Miterfinder zu sein, nicht gegeben ist. In einer solchen Konstellation steht diese Regelung dem gesetzgeberischen Anliegen, nicht patentwürdige Schutzrechte dem Angriff durch jedermann auszusetzen, nicht im Wege.
17
cc) Weitere Umstände, die die Einspruchseinlegung als treuwidrig erscheinen lassen könnten und die außerhalb der Person des Vertragspartners, Professor Z., liegen, sind weder festgestellt (§ 107 Abs. 2 PatG) noch ersichtlich. Insbesondere ist es entgegen der Auffassung des Patentgerichts kein dafür hinreichender Grund, dass der durch Einspruch des zur Nutzung des Patents berechtigten Dritten herbeigeführte Widerruf des Patents dem Versprechenden die Leistung unmöglich macht. Das ist evident für den echten Vertrag zugunsten eines Dritten, weil der Dritte dort der eigentliche Nutznießer der Leistung ist und der Patentinhaber nicht ohne Weiteres vor den Folgen geschützt werden muss, die sich daraus ergeben, dass der Empfänger den Bezug der Leistung selbst durch Einspruch gegen das Patent untergräbt. Aber auch in sonstigen Fällen, wie dem sogenannten unechten Vertrag zu Gunsten eines Dritten, muss ein Patentinhaber stets damit rechnen, dass von dem Popularrechtsbehelf des Einspruchs gegen das Patent auch von Personen Gebrauch gemacht wird, die zur Benutzung des Patents berechtigt sind. Eine Benutzungsberechtigung lässt als solche den Angriff auf das Patent durch den von ihr Begünstigten noch nicht als treuwidrig erscheinen (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1988 - X ZR 3/88, GRUR 1989, 39, 40 - Flächenentlüftung, mwN).
18
4. Nach allem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 108 Abs. 1 PatG). Die Zurückverweisung an einen anderen Senat des Gerichts erscheint entgegen der Anregung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.
19
5. Das Patentgericht wird sich im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren zunächst dem in der Rechtsbeschwerdeerwiderung wiederholten Einwand zuzuwenden haben, das Forschungszentrum habe den Einspruch als Strohmann von Professor Z. eingelegt. Dieser Einwand kann nur Erfolg haben, wenn festgestellt werden kann, dass das Forschungszentrum den Einspruch ohne jedes eigene Interesse am Widerruf des Patents und ausschließlich im Auftrag von Professor Z. eingelegt hat (vgl. Moufang, aaO, § 59 Rn. 72). Die Beweislast dafür liegt beim Patentinhaber (Moufang, aaO Rn. 71 a.E.). Lässt sich dieser Vorwurf nicht erhärten, werden die geltend gemachten Widerrufsgründe in der Sache zu prüfen sein.
20
6. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erschien nicht angezeigt (§ 108 Abs. 1 2. Halbs. PatG).
Meier-Beck Gröning Bacher Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.04.2008 - 17 W(pat) 60/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 6/10
vom
20. Dezember 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Installiereinrichtung II
Abs. 1 Satz 1
In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen
im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter
Weise weiterzuentwickeln ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung
eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert.
Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich.
Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets
, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise
bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die
sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands
ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Antragsgegner war Inhaber des am 15. Februar 2001 angemeldeten deutschen Gebrauchsmusters 201 21 189 (Streitgebrauchsmusters), das eine "Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen" betrifft und 20 Schutzansprüche umfasst; das Streitgebrauchsmuster ist nach Ablauf der höchstmöglichen Schutzdauer mit Ende des Monats Februar 2011 erloschen.
2
Die Gebrauchsmusterabteilung hat das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die vom Antragsgegner im Löschungsverfahren verteidigte Fassung der Schutzansprüche hinausgeht, und den Löschungsantrag im Übrigen zurückgewiesen.

3
Mit der Beschwerde hat die Antragstellerin ihren Löschungsantrag weiterverfolgt. Der Antragsgegner hat das Streitgebrauchsmuster in der von der Gebrauchsmusterabteilung als schutzfähig angesehenen Fassung und mit mehreren Hilfsanträgen verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang gelöscht.
5
Hiergegen hat sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gerichtet.
6
Nach Ablauf der Höchstschutzdauer des Streitgebrauchsmusters haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
7
II. Infolge der Erledigungserklärungen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nur noch über die Kosten des Löschungsverfahrens zu entscheiden (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG i. V. m. §§ 106, 109, 99 Abs. 1 PatG, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese sind dem Antragsgegner aufzuerlegen , da die Rechtsbeschwerde voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.
8
1. Die Rechtsbeschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG in Verbindung mit § 100 Abs. 2, 3, §§ 101 bis 109 PatG). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschränkt die Nachprüfung grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage, die das Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehalten hat; eine vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschränkung auf eine solche Frage ist ohne Wirkung. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erlaubt die Überprüfung der Entscheidung nach Art einer Revision (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 29. April 2003 - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 - Basisstation; Beschluss vom 29. Juli 2008 - X ZB 23/07, juris). Die Überprüfung durch den Senat ist danach nicht auf die vom Patentgericht aufgeworfene Frage beschränkt, inwieweit es für den Fachmann Anstöße, Hinweise oder Anregungen im Stand der Technik bedarf, um dort beschriebene Maßnahmen auf das ihm Bekannte anzuwenden.
9
2. Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen für mehrere Arbeitsplätze in einem Raum.
10
Als Aufgabe der Erfindung wird angegeben, eine Einrichtung zu schaffen, die einen flexiblen Aufbau und eine flexible Installation von Versorgungsleitungen ermöglicht, die leicht zu bedienen ist und die zu möglichst geringen Behinderungen (bei der Raumnutzung) führt.
11
Die in dem verteidigten Schutzanspruch 1 angegebene Lösung kann wie folgt gegliedert werden (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern): 1. Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze [a], insbesondere für Computer-Arbeitsplätze oder dergleichen in einem Raum, die miteinander und/oder mit einer zentralen Einrichtung verbunden sind [b].
2. Ein aus vorbereiteten Elementen gerüstartig aufbaubares System ist vorgesehen [c], das enthält
2.1 unterhalb einer Decke (12) des Raums und oberhalb einer normalen Greifhöhe anbringbare Kanäle (18) zur Aufnahme von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen [d] und 2.2 an die Kanäle anschließbare nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen (21), die mit Versorgungsanschlüssen (23) versehen sind [f].
3. Für die Kanäle (18) sind Hängehalter (19) zum Aufhängen an der Decke (12) des Raums vorgesehen [e].
4. Die Säulen (21) sind um eine im Bereich der Kanäle (18) befindliche horizontale Achse (53) verschwenkbar angeordnet, um die Versorgungsanschlüsse (23) in Greifhöhe zu bringen [g].
12
3. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der Schutzansprüche beruhe nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs. 1 GebrMG.
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Die Angabe in den Schutzansprüchen, dass die "Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen" seien, verstehe der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen aller Art zuständig sei, so, dass die Versorgungsanschlüsse zumindest so weit aus dem Arbeitsbereich zu bringen seien, dass sie nicht mehr störten. Dies bedeute nicht, dass die Versorgungsanschlüsse überhaupt nicht mehr erreicht werden könnten. Denn das Streitgebrauchsmuster sehe als „oberhalb der Greifhöhe einer erwachsenen Person gelegenen Bereich“ lediglich eine Höhe von 190 bis 215 cm vor. Unter nach unten gerichteten Säulen seien nicht notwendig senkrecht ausgerichtete Säulen zu verstehen.
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Aus der schweizerischen Bauzeitung "Schweizer Ingenieur und Architekt" Nr. 24 vom 11. Juni 1998, S. 1, 10 bis 12 (D5) sei eine Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze bekannt, die sich von dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters lediglich dadurch unterscheide, dass bei diesem die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Wenn der Fachmann von einer Einrichtung, wie sie in der schweizerischen Bauzeitung beschrieben sei, ausgehe, stehe er vor dem Problem, dass die dort beschriebenen Säulen, wenn sie sich in Unterrichtsräumen befänden, Vandalismus ausgesetzt seien. Zumindest könnten sie durch nicht sachgerechte Manipulation in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Dem Fachmann seien Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen nicht nur für Unterrichtsräume, sondern auch für andere Anwendungsgebiete bekannt, zu denen auch die Medizintechnik gehöre. Aus dem Prospekt der D. M. GmbH (D13) sei eine Einrichtung mit Versorgungsleitungen bekannt, die nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen, die mit Versorgungsanschlüssen versehen seien, enthalte und bei der die Säulen um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Dieser Umstand gebe dem Fachmann die Anregung, die aus der D5 bekannte und in Unterrichtsräumen eingesetzte Einrichtung durch die aus dem Prospekt der D13 als bekannt nachgewiesene Maßnahme zu ertüchtigen. Bei diesem Vorgehen ergebe sich zwangsläufig, die horizontale Achse dort zu belassen, wo die Säule bei der Einrichtung nach der D5 schon angelenkt sei, nämlich im Be- reich der Kanäle. Damit bedürfe es für den Fachmann keines erfinderischen Schritts, um die Einrichtung nach der D5 derart auszugestalten, dass die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgunganschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Auch die Gegenstände nach den Hilfsanträgen beruhten nicht auf einem erfinderischen Schritt.
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4. Diese Beurteilung hätte der Nachprüfung im Rechtbeschwerdeverfahren voraussichtlich standgehalten.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit um eine Rechtsfrage, die mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die unmittelbar oder mittelbar geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen (Senatsurteil vom 7. März 2006 - X ZR 213/01, BGHZ 166, 305 - Vorausbezahlte Telefongespräche ). Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung des erfinderischen Schritts im Gebrauchsmusterrecht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - X ZB 27/05, BGHZ 168, 142 - Demonstrationsschrank). Wie im Patentrecht ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anre- gungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse). Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zum Gegenstand der Erfindung gelangt wäre, in einer Weise objektiviert werden, die Rechtssicherheit für den Schutzrechtsinhaber wie für seine Wettbewerber gewährleistet.
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Dabei lässt sich keine allgemeine, vom jeweiligen Streitfall losgelöste Aussage darüber treffen, in welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere Ausbildungsgang und Ausbildungsstand der auf diesem Gebiet tätigen Fachleute zum Prioritätszeitpunkt und die auf dem technischen Fachgebiet übliche Vorgehensweise von Fachleuten bei der Entwicklung von Neuerungen ebenso eine Rolle spielen wie technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben, nicht-technische Vorgaben , die geeignet sind, die Überlegungen des Fachmanns in eine bestimmte Richtung zu lenken, und umgekehrt Gesichtspunkte, die dem Fachmann Veranlassung geben könnten, die technische Entwicklung in eine andere, von der Erfindung wegweisende Richtung voranzutreiben.
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b) Diesen rechtlichen Vorgaben hat das Patentgericht genügt, indem es für die Annahme des Fehlens eines erfinderischen Schritts das Vorliegen einer Anregung aus dem Stand der Technik für erforderlich gehalten hat. Es hat angenommen , die in der D13 vorgestellte Einrichtung ermögliche es, Geräte und deren Versorgungsanschlüsse je nach Bedarf am OP-Tisch zu positionieren oder sie aus dem Arbeitsbereich zu entfernen. Daraus entnehme der Fachmann die Anregung, die aus der D5 bekannte Einrichtung mit der Option der Höhenverstellung zu versehen.
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c) Die hiergegen gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerde zeigen keine Rechtsfehler auf.
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aa) Die Rechtsbeschwerde rügt die Interpretation des Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltung D5, der das Patentgericht zu Unrecht die Merkmale 2.1, 2.2 und 3 entnommen habe. Mit dieser Rüge wäre sie voraussichtlich nicht durchgedrungen. Die D5 spricht auf Seite 12, linke Spalte ausdrücklich davon, dass sämtliche Leitungen und Kanäle frei verlegt und jederzeit zugänglich seien. Dass diese Kanäle Bestandteile eines gerüstartig aufgebauten Systems sind, zieht die Rechtsbeschwerde zu Recht ebenso wenig in Zweifel wie deren Anordnung unterhalb der Raumdecke und oberhalb einer normalen Greifhöhe und ihre Bestimmung zur Aufnahme von Versorgungs- oder Datenleitungen, welche in der D5 gleichfalls ausdrücklich erwähnt werden. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, nicht die Kanäle, sondern das unterhalb der Raumdecke angebrachte (die Kanäle aufnehmende) Deckenraster sei mit Hängehaltern an der Raumdecke befestigt und die Säulen seien ausschließlich an diesem Deckenraster befestigt, ist dies im Ergebnis nicht erfolgversprechend. Denn selbst wenn dies zuträfe, dienten die Hängehalter mittelbar auch der Aufhängung der Kanäle und wären die Säulen an die Kanäle im Sinne des Merkmals 2.2 inso- weit „anschließbar“, als die Versorgungs- oder Datenleitungen aus den Kanälen aus- und in die Säulen eintreten müssen.

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bb) Auch mit der Rüge, das Patentgericht habe der Entgegenhaltung D13 zu Unrecht eine Anregung dafür entnommen, die Einrichtung nach der D5 durch um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnete Säulen (Merkmal
4) zu ertüchtigen, hätte die Rechtsbeschwerde voraussichtlich nicht durchdringen können.
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Nach Ansicht des Patentgerichts hatte der Fachmann Anlass, die D13, eine Veröffentlichung im Bereich der Medizintechnik, heranzuziehen. Dieser Annahme stehen Rechtsgründe nicht entgegen. Das Streitgebrauchsmuster betrifft ganz allgemein Einrichtungen zum Installieren von Versorgungsleitungen für mehrere Arbeitsplätze; beispielhaft werden Labors oder dergleichen ge- nannt. Der Prospekt D13 betrifft „Ergonomische Arbeitsplatzsysteme für die Anästhesie und Chirurgie“. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass der An- tragsgegner Tatsachen vorgetragen hat, aus denen das Patentgericht hätte ableiten müssen, dass der maßgebliche Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen befasst ist, üblicherweise Anregungen nicht beachtet, die sich aus solchen Einrichtungen im medizintechnischen Bereich ergeben. Dies liegt auch fern, weil, wie die Entgegenhaltung D5 anschaulich belegt, die konkrete Funktion des einzelnen Arbeitsplatzes für die konzeptionelle Ausgestaltung des Gesamtsystems von allenfalls nachrangiger Bedeutung ist. Der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde , die D13 betreffe ein Versorgungssystem für nur einen Arbeitsplatz, während das Streitgebrauchsmuster eine Einrichtung für mehrere Arbeitsplätze beanspruche, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Fachmann hat Anlass, die versorgungstechnische Ausgestaltung eines einzelnen Arbeitsplatzes auch dann zu betrachten, wenn er mehrere Arbeitsplätze auszustatten hat, unabhän- gig davon, ob eine Verbindung der Arbeitsplätze gewünscht ist oder nicht. Darüber hinaus betrifft das Merkmal 4 eine Maßnahme, die an jedem Arbeitsplatz gesondert vorzunehmen ist. Auch deswegen hat das Patentgericht es zu Recht als aus fachmännischer Sicht geboten angesehen, die Gestaltung einzelner Arbeitsplätze im Stand der Technik zu betrachten.
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cc) Auch die weitere Annahme des Patentgerichts, der Entgegenhaltung D13 sei eine Ausgestaltung der dort beschriebenen Deckenversorgungseinheiten nach Merkmal 4 zu entnehmen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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In der D13 ist eine Einrichtung mit nach unten gerichteten Säulen gezeigt , die um eine horizontale Achse so verschwenkbar sind, dass sich eine Höhenverstellung um 600 mm ergibt (D13, Abb. auf S. 4 unten). Die Rechtsbeschwerde geht von einer Lehre des Streitgebrauchsmusters aus, wonach die Mediensäulen zwischen einer Gebrauchs- und Nichtgebrauchsstellung im Wege einer Klappbewegung vollständig verschwenkt würden, was in der D13 nicht offenbart sei. Eine Klappbewegung ist indessen nicht Merkmal der nach dem Streitgebrauchsmuster geschützten Einrichtung.
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Die Rechtsbeschwerde wendet ein, dass sich die Säulen nach dem Streitgebrauchsmuster in der Nichtgebrauchsstellung oberhalb einer normalen Greifhöhe befänden, also ohne den Einsatz von Hilfsmitteln grundsätzlich nicht erreichbar und damit vollständig „aus dem Weg geräumt“ seien. Demgegenüber befinde sich das in der D13 offenbarte Deckenversorgungssystem stets in Greifhöhe; das dort verwendete Höhenverstellungssystem erlaube eine maximale Höhe von 2 Metern. Auch dieses Argument geht fehl, denn das Streitgebrauchsmuster verlangt lediglich oberhalb einer „normalen“ Greifhöhe liegende Kanäle. Im Übrigen handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, in welche Höhe die Säulen mit den Versorgungsanschlüssen verschwenkt werden.
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dd) Hinsichtlich der Auslegung der Schutzansprüche nach den Hilfsanträgen und der entsprechenden Bewertung des Standes der Technik sind keine Rechtsfehler erkennbar; die Rechtsbeschwerde erhebt hierzu auch keine gesonderten Rügen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.06.2010 - 35 W(pat) 429/09 -

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.