Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2006 - VIII ZR 73/06

bei uns veröffentlicht am07.11.2006
vorgehend
Landgericht Hamburg, 316 O 176/04, 26.11.2004
Hanseatisches Oberlandesgericht, 4 U 189/04, 01.02.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 73/06
vom
7. November 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Wolst, die Richterin Dr. Milger,
den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel

beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 1. Februar 2006 wird zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Gemäß § 545 Abs. 2 ZPO ist die Frage der (örtlichen und sachlichen ) Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03, WM 2003, 2251; Urteil vom 7. März 2006 - VI ZR 42/05, NJW-RR 2006, 930), jedenfalls aber dann entzogen, wenn das Berufungsgericht wie im vorliegenden Fall die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage durch den Erstrichter bestätigt hat (Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 545 Rdnr. 12; vgl. auch MünchKommZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband , § 545 Rdnr. 15). Das bedeutet, dass das Revisionsgericht - auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde - die vom Berufungsgericht angenommene Zuständigkeit oder Unzuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts ungeprüft zugrunde zu legen hat. Für den vorliegenden Fall steht damit die sachliche Unzuständigkeit des von den Klägern erstinstanzlich angerufenen Landgerichts ohne Rücksicht darauf fest, ob das Berufungsgericht das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - zu Recht oder zu Unrecht als Wohnraummietverhältnis angesehen hat, für das gemäß § 23 Nr. 2 Buchst. a GVG die Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben ist. Ob eine Zuständigkeitsprüfung ausnahmsweise dann stattzufinden hätte, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zuständigkeit auf Willkür oder auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen würde und aus diesem Grund ein Verweisungsbeschluss nicht bindend wäre (so MünchKommZPO/Wenzel aaO Rdnr. 17), bedarf keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall hier nicht gegeben ist. Steht somit für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde fest, dass es an der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landgerichts fehlt, so ist die vom Berufungsgericht bestätigte Abweisung der Klage als unzulässig nicht zu beanstanden. Ein Revisionszulassungsgrund ist insoweit weder dargetan noch sonst ersichtlich. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen. Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Wert des Beschwerdegegenstands: 273.209,88 €.
Ball Dr. Wolst Dr. Milger Dr. Koch Dr. Hessel
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.11.2004 - 316 O 176/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 01.02.2006 - 4 U 189/04 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 545 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. (2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2003 - III ZR 91/03

bei uns veröffentlicht am 26.06.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZR 91/03 vom 26. Juni 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 545 Abs. 2 § 545 Abs. 2 ZPO erweitert die Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts hinsichtlich der (örtlichen
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 133/06 vom 23. April 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 545 Abs. 2 Die Frage der örtlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO der Na

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 4. Februar 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2016 - I ZR 93/15

bei uns veröffentlicht am 19.10.2016

Tenor Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine zugelassene Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 91/03
vom
26. Juni 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 545 Abs. 2 ZPO erweitert die Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts
hinsichtlich der (örtlichen und sachlichen) Zuständigkeit trotz seines insoweit
mißverständlichen Wortlauts gegenüber der früheren Rechtslage
(§ 549 Abs. 2 ZPO a.F.) nicht.
BGH, Beschluß vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Dem Beklagten wird für die Revisionsinstanz Prozeßkostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt Dr. Nassall beigeordnet.
Die Partei hat auf die Prozeßkosten monatlich 135 uständige Landeskasse zu zahlen.

Gründe


I.


Die Klägerin, Trägerin einer Kieferklinik in Düsseldorf, macht vor dem Landgericht Düsseldorf Honoraransprüche wegen ambulanter zahnprothetischer Behandlung gegen den in Duisburg wohnhaften Beklagten geltend. Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen, weil es dessen örtliche Zuständigkeit für gegeben hält. Da die Rechtsprechung zur Frage uneinheitlich ist, ob bei einem Arzt- oder Krankenhausvertrag der Schwerpunkt des Vertrags am Sitz des Behandlers liegt mit
der Folge, daß dort die beiderseitigen Leistungspflichten zu erfüllen sind (§ 29 ZPO), hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen. Der Beklagte begehrt Prozeßkostenhilfe für die von ihm eingelegte Revision.

II.


Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozeßkostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02 - NJW 2003, 1192). Der Senat bewilligt dem Beklagten Prozeßkostenhilfe, weil gemessen an diesen Grundsätzen im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist, ob dem Revisionsgericht nach § 545 Abs. 2 ZPO die Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit überhaupt offensteht.
Ungeachtet dessen nimmt der Senat im Hinblick auf die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 20. Mai 2003 geäußerte Bitte um Erteilung eines Hinweises zu dieser Rechtsfrage wie folgt Stellung:
Wäre für die rechtliche Beurteilung § 549 Abs. 2 ZPO a.F. heranzuziehen , ginge die Zulassung des Berufungsgerichts ins Leere. Denn nach dieser Vorschrift prüfte das Revisionsgericht nicht, ob das Gericht des ersten Rechtszuges sachlich oder örtlich zuständig war. Die Vorschrift sprach also – anders
als § 545 Abs. 2 n.F. - nicht davon, worauf sich ein Revisionskläger stützen konnte, sondern sie regelte die Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts. Darüber hinaus knüpfte sie nicht daran an, wie die erste Instanz entschieden hatte, sondern hatte nur die Zuständigkeit selbst im Auge. Dies hatte zur Folge, daß eine angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts in dieser Frage einer Überprüfung nicht zugänglich war, unabhängig davon, ob sie die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte oder sie abänderte (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., §§ 549, 550 Rn. 53; wohl auch MünchKomm/Wenzel, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 549 Rn. 15). Der Bundesgerichtshof hat zu diesem Rechtszustand entschieden, daß eine zugelassene Revision in einem Rechtsstreit mit einem Wert der Beschwer unter 40.000 DM, bei dem es nur um die Frage der örtlichen Zuständigkeit geht, zwar statthaft, aber unbegründet sei (Urteile vom 26. Oktober 1979 - I ZR 6/79 - MDR 1980, 203; vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - NJW 1988, 3267, 3268; bestätigt durch Urteil vom 5. Oktober 2000 - I ZR 189/98 - GRUR 2001, 368) bzw. daß ein auf diese Frage beschränktes Rechtsmittel unzulässig sei (vgl. Senatsurteil vom 24. Mai 2000 - III ZR 300/99 - NJW 2000, 2822 f; Urteil vom 10. November 1997 - II ZR 336/96 - NJW 1998, 1230).
Durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) ist § 545 Abs. 2 ZPO an die Stelle von § 549 Abs. 2 ZPO a.F.getreten. In der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift heißt es (BT-Drucks. 14/4722 S. 106):
"Absatz 2 übernimmt die Regelungen in den bisherigen §§ 10, 549 Abs. 2 und bestimmt - entsprechend dem neu gefaßten § 513 Abs. 2 E (bisher: § 512a) - darüber hinaus, daß die Revision nicht darauf gestützt werden kann, das erstinstanzliche Gericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint. Da-
mit werden künftig Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden, vermieden. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts. Die Neuregelung vermeidet zugleich, daß die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird."
Vor diesem Hintergrund geht die Neufassung insofern weiter, als sie ohne jede Differenzierung von "Zuständigkeit" spricht, also auch die funktionelle Zuständigkeit einschließt, die von der Regelung des § 549 Abs. 2 ZPO a.F. nicht erfaßt war. Da die Gesetzesbegründung darüber hinaus eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Revisionsgerichts im Auge hat, hält es der Senat nicht für denkbar, daß der Gesetzgeber die Überprüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts gegenüber dem Rechtszustand in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. erweitern wollte. Wenn daher auch zuzugeben ist, daß dem Gesetzgeber die Umsetzung dieser Regelungsabsicht sprachlich nicht überzeugend geglückt ist - nach dem Wortlaut der Vorschrift könnte man annehmen , das Revisionsgericht sei zu einer Überprüfung befugt, weil die Revision nicht darauf gestützt werde, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht (angenommen oder) verneint habe (in diesem Sinn etwa MünchKomm/Wenzel, ZPO-Reform, § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 545 Rn. 12; a.A. wohl Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 545 Rn. 16); tatsächlich greift der Beklagte nämlich die gegenteilige Entscheidung des Berufungsgerichts an -, sind die Hinweise auf eine Entlastung des Revisionsgerichts und die geleistete Sacharbeit der Vorinstanzen, die durch Zuständigkeitsrügen nicht in Frage gestellt werden soll, so eindeutig, daß der Senat eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht für möglich hält. Dies wird für den Fall, daß das Berufungsgericht die fehlerhafte Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, ganz allgemein angenommen, obwohl auch in diesem Fall der Revi-
sionskläger seine Revision nicht darauf stützen muß, die erste Instanz habe ihre Zuständigkeit zu Unrecht verneint (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPOReform , § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 545 Rn. 12). Der Senat sieht keine von der Sache her gebotenen Gründe, die hier vorliegende Konstellation anders zu beurteilen. Das alleinige Abstellen auf den Wortlaut der Vorschrift würde außer acht lassen, daß es im Revisionsverfahren in aller Regel um die Überprüfung einer Berufungsentscheidung geht und daß § 545 Abs. 2 ZPO keine Spezialregelung ist, die nur für die Sprungrevision Bedeutung hätte.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 42/05 Verkündet am:
7. März 2006
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Durch § 545 Abs. 2 ZPO ist die Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz
der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, auch wenn das Berufungsgericht
die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur sachlichen
Zuständigkeit zugelassen hat.
BGH, Urteil vom 7. März 2006 - VI ZR 42/05 - LG Frankfurt (Oder)
AG Strausberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richterin
Diederichsen und die Richter Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6(a) Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Februar 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Das klagende Land verlangt aus übergegangenem Recht wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten vom 7. April 1993 die Erstattung von Krankengeld und Versicherungsbeiträgen sowie der Kosten des Krankentransports und der stationären Krankenhausbehandlung des Opfers.
2
Am 30. September 2003 beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. den Erlass eines Mahnbescheids, mit welchem er die Erstattung von Krankengeld sowie von Versicherungsbeiträgen begehrte. In dem Mahnbescheidantrag bezeichnete er das Amtsgericht S. als das zuständige Gericht für ein streitiges Verfahren. Mit Schreiben vom 10. November 2003 teilte der Kläger eine neue Anschrift des Beklagten mit und benannte nunmehr das Amtsgericht F. als Streitgericht. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren jedoch an das Amtsgericht S. ab.
3
Am 21. Oktober 2003 beantragte der Kläger beim Amtsgericht C. einen weiteren Mahnbescheid gegen den Beklagten, mit dem er aus demselben Vorfall die Erstattung von Krankentransport- und Krankenhauskosten begehrte. Er benannte das Amtsgericht F. als Streitgericht. Mit Schreiben vom 7. November 2003 teilte er die Anschrift des Beklagten mit und bat um Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht S.. Nach Eingang des Widerspruchs gab das Mahngericht das Verfahren an dieses Gericht ab.
4
Das Amtsgericht S. hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nachdem es auf Bedenken gegen die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts wegen Überschreitens der Wertgrenze nach Verbindung der Verfahren hingewiesen und der Beklagte die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt hatte, hat es die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2004 als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Berufungsbegehren weiter, die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Verfahrens an das Amtsgericht S. zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe die Klage nach Verbindung der Verfahren zu Recht wegen der fehlenden sachlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.
6
Die nach § 147 ZPO vorgenommene, im Ermessen des Gerichts stehende Verbindung der Verfahren sei zulässig gewesen. Der Kläger begehre aus übergegangenem Recht aus demselben Haftungsgrund von dem Beklagten die Erstattung von Leistungen, die er an die Krankenkasse des Verletzten bezahlt habe, und beide Verfahren seien zum Zeitpunkt der Verbindung beim Amtsgericht S. anhängig gewesen.
7
Zwar werde die bis dahin bestehende sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts durch einen Verbindungsbeschluss grundsätzlich nicht berührt. Etwas anderes gelte aber, wenn der Kläger erkennbar durch eine willkürliche Zerlegung seines Gesamtanspruchs in mehrere Verfahren die Zuständigkeit des Amtsgerichts wider Treu und Glauben erschleichen wolle. Ein solcher Fall liege hier vor, insbesondere weil der Vertreter des Klägers im Termin vor dem Amtsgericht eingeräumt habe, dass die Geltendmachung der Ansprüche in zwei Klagen allein deshalb erfolgt sei, um die Zuständigkeit des Amtsgerichts zu erreichen und die Kosten eines Rechtsanwalts zu sparen.

II.

8
Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichtete Revision ist zwar statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen.
9
1. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit abgewiesen, weil nach Verbindung beider Verfahren wegen Überschreitung der Wertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben sei. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt, jedoch die Revision zugelassen, offenbar um eine Überprüfung der Erwägungen zu ermögli- chen, mit denen es ausnahmsweise in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit nach Verbindung der Verfahren angenommen hat. Die Revision wendet sich gegen diese Auffassung und möchte eine Zurückverweisung an das Amtsgericht S. erreichen.
10
2. Mit diesem Begehren hat sie keinen Erfolg, weil die hier maßgebliche Frage der sachlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts nicht der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
11
Nach § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift sollen dadurch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden. Zugleich soll die Neuregelung vermeiden, dass die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 106). Da die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung insbesondere auch eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Revisionsgerichts im Auge hat, ist durch sie die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - KZR 28/03 - NJW 2005, 1660, 1661 und Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - NJW 2917; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 545 Rn. 16). Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit zugelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - NJW 1988, 3267, 3268 und Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - aaO). Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 203/02 -, WM 2003, 1542). Im vorliegenden Fall wäre eine revisionsrechtliche Prüfung im Übrigen auch nach einer im Schrifttum vertretenen einschränkenden Auffassung (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPO-Reform, § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl., § 545 Rn. 12) ausgeschlossen, weil das Berufungsgericht die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt hat.
12
Demnach ist die Revision zwar statthaft, aber unbegründet (vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 1979 - I ZR 6/79 - MDR 1980, 203; vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - aaO; Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03 - aaO).
13
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Müller Diederichsen Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Strausberg, Entscheidung vom 23.06.2004 - 25 C 405/03 -
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 08.02.2005 - 6a S 179/04 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)