Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2015 - VII ZB 41/15

bei uns veröffentlicht am02.12.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 41/15
vom
2. Dezember 2015
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2015:021215VIIZB41.15.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Halfmeier, Dr. Kartzke, Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Sacher
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts München II (Einzelrichter) vom 21. August 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter) zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Am 27. November 2012 hat das Amtsgericht M. - Vollstreckungsgericht - in der Arrestvollstreckungssache der Gläubigerin gegen den Schuldner einen Pfändungsbeschluss mit folgendem Inhalt erlassen: "… wird zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Zugewinnausgleichsforderung der [Gläubigerin] gegen den [Schuldner] in Höhe eines Teilanspruches in Höhe von 2,0 Millionen Euro laut Beschluss des Amtsgerichts M. - Abteilung für Familiensachen - vom 15.11.2012, Az. …, sowie wegen der Kosten dieses Beschlusses und seiner Zustellung gemäß nachfolgender Ziffer I bis III in Vollziehung des Arrests sowohl 1. die Forderung des [Schuldners] auf Abfindung wegen seines Ausscheidens als Gesellschafter (Kommanditist) aus der Firma Dr. W. H. GmbH & Co. KG gemäß § 11 des Gesellschaftsvertrages vom 01.01.1995 mindestens in Höhe des Buchwerts seines Gesellschaftsanteils (Saldo seiner Guthaben auf dem Kapitalkonto, dem Rücklagenkonto und dem Darlehenskonto ) einschließlich etwaiger künftig fällig werdender Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis bis zur Höhe von 2,0 Millionen Euro gegen die Firma Dr. W. H. GmbH & Co. KG - Drittschuldner zu 1) - als auch 2. die Forderung des [Schuldners] auf Abfindung wegen seines Ausscheidens als Gesellschafter (Kommanditist) aus der Firma Dr. W. L. GmbH & Co. KG zum 31.12.2009 einschließlich etwaiger künftig fällig werdender Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis bis zur Höhe von 2,0 Millionen Euro gegen die Firma Dr. W. L. GmbH & Co. KG - Drittschuldner zu 2) - gepfändet. Den Drittschuldnern wird verboten, an den [Schuldner] zu leisten, soweit gepfändet ist. Dem [Schuldner] wird verboten, über die Forderung zu ver- fügen, insbesondere sie einzuziehen, soweit sie gepfändet sind."
2
Das Amtsgericht M. - Vollstreckungsgericht - hat die Erinnerung des Schuldners vom 19. August 2014 gegen den genannten Pfändungsbeschluss als unbegründet zurückgewiesen.
3
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht (Einzelrichter) den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Pfändungsantrag weiter.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Beschwerdegerichts und zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat.
7
2. Die Einzelrichterentscheidung unterliegt indes der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Einzelrichter durfte über die Zulassung nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der Kammer übertragen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - VII ZB 50/14, WM 2015, 1427 Rn. 6 m.w.N.; Beschluss vom 10. April 2003 - VII ZB 17/02, BauR 2003, 1252, 1253, juris Rn. 6; Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202, juris Rn. 6).
8
3. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluss erlassen hat.

Eick Halfmeier Kartzke
Jurgeleit Sacher

Vorinstanzen:
AG Miesbach, Entscheidung vom 27.11.2014 - M 2580/12 -
LG München II, Entscheidung vom 21.08.2015 - 2 T 219/15 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 568 Originärer Einzelrichter


Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur

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Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 24. September 2014 aufgehoben.
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 24. September 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter) zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben, § 21 GKG.

Gegenstandswert: 200.000 €

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde.

2

Der Schuldner ist Hafenlotse der Hafengruppe B. und gemäß §§ 1, 5 BremLotsO (Lotsenordnung für das Hafenlotsenwesen in Bremerhaven vom 28. November 1979, Brem. GBl. S. 431) als solcher Mitglied der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Drittschuldnerin. Die Hafenlotsen üben ihre Tätigkeit gemäß § 23 BremLotsO als freien, nicht gewerblichen Beruf aus. Der Drittschuldnerin obliegt die Selbstverwaltung des Hafenlotsenwesens. In diesem Rahmen verwaltet sie gemäß § 35 Nr. 6 BremLotsO die Lotsgelder, die die ihr angehörenden Hafenlotsen aufgrund der jeweils geschlossenen Verträge zwischen ihnen und den Reedern der zu lotsenden Schiffe beanspruchen können und die gemäß § 43 BremLotsO von dem zuständigen Hafenamt oder einem beauftragten Dritten eingezogen werden. Die eingezogenen Lotsgelder werden auf ein von der Drittschuldnerin geführtes Lotsgeldverteilungskonto geleitet und von ihr nach Maßgabe der von den Mitgliedern beschlossenen Lotsgeldverteilungsordnung - nach Abzug näher bestimmter Kosten - regelmäßig zu gleichen Teilen an die Hafenlotsen ausgezahlt. Die Auszahlungen erfolgen monatlich in Form einer vom jeweiligen Kassenbestand abhängigen Abschlagszahlung; ein zum Ablauf des Kalenderjahres etwa vorhandener Überschuss wird gleichmäßig auf alle Mitglieder aufgeteilt.

3

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - einen Beschluss erlassen, mit dem wegen eines Teilbetrages in Höhe von 200.000 € der titulierten Hauptforderung unter anderem die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens sowie auf Vergütungen aus Werk- und Dienstleistungsverträgen gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind. Die von der Drittschuldnerin eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen richtet sich die von dem Einzelrichter zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Drittschuldnerin ihr Begehren weiterverfolgt.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat.

6

2. Die Entscheidung des Einzelrichters unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Einzelrichter durfte über die Zulassung nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der Kammer übertragen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200, 202; vom 10. April 2003 - VII ZB 17/02, BauR 2003, 1252, 1253; vom 11. September 2003 - XII ZB 188/02, NJW 2003, 3712; vom 24. Juli 2008 - VII ZB 2/08, juris Rn. 7; vom 5. Mai 2011 - VII ZB 15/11, juris Rn. 5; vom 24. November 2011 - VII ZB 33/11, NJW-RR 2012, 441 Rn. 6 ff.; vom 12. Januar 2012 - VII ZB 25/11, juris Rn. 4).

7

3. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter, der den angefochtenen Beschluss erlassen hat.

8

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

9

a) aa) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei schon deshalb aufzuheben, weil nicht die zutreffenden Verfahrensvorschriften angewandt worden seien. Hier komme nur eine Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte in Betracht. Dem einzelnen Hafenlotsen stehe an der Geldforderung aller Hafenlotsen gegen die Drittschuldnerin eine Bruchteils-Mitberechtigung in Höhe des jeweils zur Verteilung anstehenden Betrages zu. In dieses Vermögensrecht sei nach Maßgabe des § 857 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken, wobei Drittschuldner auch die übrigen Hafenlotsen als weitere Mitberechtigte seien.

10

bb) Diese Rechtsansicht überzeugt nicht. Die Pfändung und Überweisung einer angeblichen Forderung darf nur dann abgelehnt werden, wenn sie dem Schuldner gegenüber dem bezeichneten Drittschuldner nach keiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2012 - VII ZB 31/12, WM 2012, 2247 Rn. 7 f. und vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 10). Diese Voraussetzungen dürften vorliegend nicht erfüllt sein.

11

(1) Die Gläubigerin hat die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens sowie auf Vergütungen aus Werk- und Dienstleistungsverträgen gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Dies beinhaltet die hier in Rede stehenden Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf monatliche Zahlung der auf ihn entfallenden anteiligen Lotsgelder sowie auf Zahlung eines etwaigen Überschusses zum Ablauf des Kalenderjahres.

12

(2) Dem Schuldner können solche Ansprüche gegen die Drittschuldnerin auf der Grundlage der Regelung des § 35 Nr. 6 BremLotsO in Verbindung mit der betreffenden Lotsgeldverteilungsordnung B. zustehen.

13

Nach der Ausgestaltung der Selbstverwaltung des Hafenlotsenwesens handelt es sich dabei um Ansprüche des einzelnen Hafenlotsen gegen die die Lotsgelder verwaltende Drittschuldnerin als eigenständige juristische Person. Die Hafenlotsen bilden entgegen der Auffassung der Beschwerde keine Bruchteilsgemeinschaft hinsichtlich der die Lotsgelder betreffenden Ansprüche mit der Folge, dass eine Anteilspfändung gemäß § 857 Abs. 1 ZPO erforderlich wäre. Sie sind vielmehr in der Weise organisiert, dass sie als Mitglieder der Drittschuldnerin angehören, bei der es sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts um eine juristische Person handelt. Aufgabe der Drittschuldnerin ist unter anderem die Verwaltung der von den Hafenlotsen insgesamt erwirtschafteten Lotsgelder. Diese Aufgabe ist nach § 35 Nr. 6 BremLotsO in Verbindung mit der Lotsgeldverteilungsordnung B. derart geregelt, dass die Drittschuldnerin verpflichtet ist, ein Lotsgeldverteilungskonto zu führen und nach Abzug der festgelegten Kosten von den eingehenden Lotsgeldern anteilige monatliche Zahlungen als Abschläge an ihre jeweiligen Mitglieder vorzunehmen und nach Ablauf des Kalenderjahres etwaige Überschüsse auszukehren. Mit dieser Verpflichtung der Drittschuldnerin korrespondiert das Bestehen entsprechender Zahlungsansprüche der einzelnen Mitglieder gegen sie. Daraus folgt weiter, dass sich diese Zahlungsansprüche ausschließlich gegen die Drittschuldnerin richten und deren - im Bestand wechselnde - Mitglieder insoweit nicht als weitere Drittschuldner einzubeziehen sind.

14

(3) Die danach in Betracht kommenden gesonderten Zahlungsansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin, die auf den ihm zustehenden Anteil an dem gemeinsam erwirtschafteten Gewinn gerichtet sind, können zum Gegenstand eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß §§ 829, 835 ZPO gemacht werden. Sie gehören ausschließlich zu dessen Vermögen. Eine Einschränkung der Pfändbarkeit ergibt sich auch nicht aus § 851 ZPO. Das Beschwerdegericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass diese Ansprüche übertragbar sind.

15

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zu beanstanden, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO in Bezug nimmt. Denn die von dem Beschluss erfassten Forderungen sind als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO einzuordnen. Der Umstand, dass der Hafenlotse seine Tätigkeit als freien Beruf ausübt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei den erwirtschafteten Lotsgeldern, die von der Drittschuldnerin nach Maßgabe der Regelung des § 35 Nr. 6 BremLotsO in Verbindung mit der Lotsgeldverteilungsordnung jeden Monat anteilig an ihre Mitglieder ausgezahlt werden, um Vergütungen handelt, die die Existenzgrundlage der Mitglieder bilden, weil sie deren Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1985 - IX ZR 9/85, BGHZ 96, 324, 326 ff. m.w.N.). Dies führt zur Anwendbarkeit des § 850c ZPO. Dem Schuldner bleibt die Möglichkeit, durch einen Antrag nach § 850f ZPO gegebenenfalls eine höhere Pfändungsfreigrenze zu erreichen. Ein solcher Antrag ist hier nicht gestellt worden.

Eick                        Halfmeier                        Kartzke

            Jurgeleit                           Sacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 17/02
vom
10. April 2003
in dem Prozeßkostenhilfeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2, Satz 3; § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2; § 577 Abs. 4;
Läßt der Einzelrichter in einer Sache, der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimißt,
die Rechtsbeschwerde zu, so führt die auf die Rechtsbeschwerde von Amts wegen
gebotene Aufhebung der Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an den
Einzelrichter (im Anschluß an BGH, Beschluß vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, zur
Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
BGH, Beschluß vom 10. April 2003 - VII ZB 17/02 - OLG Rostock
LG Neubrandenburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof.
Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats (Einzelrichter) des Oberlandesgerichts Rostock vom 10. Mai 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter ) zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der P.-GmbH. Er begehrt für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner Prozeßkostenhilfe wegen Restwerklohnforderungen in Höhe von 97.898,30 DM und Zinsen. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht ersichtlich, warum es den Gläubigern nicht zuzumuten sei, die Ver-
fahrenskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht durch Beschluß des Einzelrichters zurückgewiesen. Der Einzelrichter hat mit weiterem Beschluß vom 10. Mai 2002 der Gegenvorstellung des Antragstellers nicht abgeholfen und die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Mit dieser begehrt der Antragsteller weiterhin Prozeßkostenhilfe.

II.

Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) hat ausgeführt, das Gericht müsse in die Lage versetzt werden, sich eine Überzeugung bilden zu können, ob die Aufbringung der Kosten des Rechtsstreits den Gläubigern zuzumuten sei, auch wenn eine kleinliche Prüfung der Vermögensverhältnisse nicht angebracht sei und sich ein Gericht auf die Angaben eines Insolvenzverwalters in der Regel verlassen könne. Der Antragsteller habe jedoch auch mit seiner Gegenvorstellung zum Unvermögen der wirtschaftlich Beteiligten nicht ausreichend vorgetragen. Die an den Umfang dieser Darlegung zu stellenden Anforderungen hätten grundsätzliche Bedeutung.

III.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (Einzelrichter). 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter ent-
gegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO an Stelle des Kollegiums entschieden und damit gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verstoßen hat. Dies hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluß vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt , entschieden und im einzelnen ausgeführt. Dem schließt sich der Senat an. 2. Die angefochtene Einzelrichterentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist. Der Einzelrichter durfte nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem mit drei Richtern besetzten Senat übertragen müssen. Mit seiner Entscheidung hat er die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Kollegium als dem gesetzlich zuständigen Richter entzogen. Diesen Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters hat der Senat von Amts wegen zu beachten.

IV.

1. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluß erlassen hat. Eine Zurückverweisung an den Senat kommt nicht in Betracht. Vielmehr wird der Einzelrichter die Entscheidung über die Gegenvorstellung des Antragstellers gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO erst dann dem Senat zu übertragen haben, wenn er nach erneuter Prüfung der Rechtssache weiterhin grundsätzliche Bedeutung beimißt.
2. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG Gebrauch. Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner