Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2019 - VI ZR 460/17

bei uns veröffentlicht am27.08.2019
vorgehend
Oberlandesgericht Nürnberg, 12 U 2461/16, 18.10.2017
Landgericht Nürnberg-Fürth, 8 O 9696/12, 11.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 460/17
vom
27. August 2019
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu,
den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit
er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu
bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die
Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass
sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags
der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht.
BGH, Beschluss vom 27. August 2019 - VI ZR 460/17 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
ECLI:DE:BGH:2019:270819BVIZR460.17.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die Richterin Müller und den Richter Dr. Allgayer
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Oktober 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Zahlungsanträge und ihres Antrags auf Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten hinsichtlich immaterieller Schäden zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. Streitwert: bis 95.000 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.
2
Am 1. November 2009 gegen 21.00 h befuhr die damals 34-jährige Klägerin mit ihrem Mercedes A 180 den rechten Fahrstreifen der A3. Der Beklagte zu 1 fuhr mit dem von ihm gehaltenen und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeug hinten links auf das Fahrzeug der Klägerin auf. Die Klägerin wurde mit Schmerzen in die Chirurgische Universitätsklinik Erlangen eingeliefert. Nachdem sie dort untersucht worden war, wurde sie noch in der Nacht entlassen. Die Beklagte zu 2 anerkannte mit Schreiben vom 24. Juli 2012 - auch namens und mit Vollmacht des Beklagten zu 1 - die Haftung mit einer Quote von 100 % und verzichtete mit der Wirkung eines Feststellungsurteils auf die Einrede der Verjährung. Darüber hinaus leistete die Beklagte zu 2 auf den immateriellen Schaden der Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.500 €.
3
Die Klägerin macht geltend, sie habe bei dem Verkehrsunfall erhebliche Verletzungen davongetragen, so unter anderem einen Bandscheibenvorfall, eine prellungsbedingte Minderdurchblutung der Netzhaut und eine Carotisdissektion. Das Landgericht erließ am 20. März 2013 einen umfassenden Beweisbeschluss , wonach Beweis zu erheben sei durch Einholung eines Gutachtens zur Unfallanalyse und Biomechanik, eines radiologischneuroradiologischen Gutachtens, eines orthopädischen Gutachtens sowie eines zahnmedizinischen Gutachtens durch jeweils namentlich benannte Sachverständige. Die Versendung der Akte an die Sachverständigen wurde von der Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 5.000 € abhängig gemacht. Am 11. November 2013 legte der Sachverständige für Unfallanalyse und Biomechanik Dr. G. sein Gutachten vor. Darin gab er die Geschwindigkeitsänderung auf das Fahrzeug der Klägerin mit 16 bis 21 km/h und die Beschleunigung auf den Kopf der Klägerin mit 55 bis 56 m/s² an. Der Grenzwert für die Verletzung einer Halswirbelsäule sei bei weitem erreicht. Was die biomechanischen Werte bedeuteten, werde von medizinischer Seite zu bewerten sein. Der Sachverständige erhielt eine Entschädigung in Höhe von 1.977,07 €. Gegen das Gut- achten erhoben beide Parteien keine Einwände. Nach einem Richterwechsel kam es zu einer mündlichen Verhandlung am 4. April 2014. Im Protokoll ist festgehalten: "Der Sach- und Streitstand wird erörtert. Eine gütliche Einigung kann nicht erzielt werden. Die Parteivertreter sind sich dahingehend einig, dass der Beweisbeschluss 'abgearbeitet' werden soll."
4
Daraufhin beauftragte die nunmehr zuständige Einzelrichterin den im ursprünglichen Beweisbeschluss benannten Sachverständigen für Radiologie. Nachdem dieser darauf hingewiesen hatte, dass er für onkologische Fragestellungen zuständig sei, beauftragte sie mit Beschluss vom 13. Mai 2014 die im selben Haus tätige Chefärztin Dr. B. Diese erstattete ein schriftliches Gutachten und wurde am 14. August 2015 angehört. Für ihre Tätigkeit wurde ihr eine Ent- schädigung in Höhe von 1.709,60 € gezahlt.
5
Mit Beschluss vom 20. November 2015 erließ die Richterin einen umfassenden neuen Beweisbeschluss, wonach über die Behauptungen der Klägerin Beweis durch Einholung eines schriftlichen interdisziplinären unfallanalytischen/ biomechanischen/medizinischen Sachverständigengutachtens zu erheben sei. Zum Sachverständigen bestimmte sie den Sachverständigen für Straßenverkehrsunfallanalysen , Bio- und Verletzungsmechanik Dr. Ing. Dr. med. H. und ermächtigte ihn, zur Begutachtung, insbesondere zur Beantwortung orthopädischer und neurologischer Fragestellungen, weitere Fachärzte beizuziehen. Der Beiziehung eines im Verfahren bislang nicht genannten Facharztes für Orthopädie stimmte sie bereits im Beschluss zu. Sie forderte den Sachverständigen Dr. H. auf, seiner Gutachtenerstattung das Sachverständigengutachten der radiologischen Sachverständigen Dr. B. zugrunde zu legen, aber die in dieses Gutachten eingegangenen Befundbilder zur eigenen Begutachtung hinsichtlich der biomechanischen, orthopädischen und neurologischen Fragen beizuziehen. Hinsichtlich der biomechanischen/medizinischen Ergebnisse möge er zum Gutachten des Sachverständigen Dr. G. Stellung nehmen. Darüber hinaus forderte sie einen (weiteren) Auslagenvorschuss in Höhe von 3.000 € an. Diesen Auslagenvorschuss zahlte die Klägerin, wies aber ausdrücklich darauf hin, dass sie mit der Erstellung eines Gutachtens durch Dr. Ing. Dr. med. H. nicht einverstanden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dieser Gutachter die Feststellungen des Sachverständigen Dr. G., gegen die die Parteien keine Einwendungen erhoben hatten, überprüfen und die Klägerin hierfür Geld zahlen solle. Außerdem hätten die Parteien im Termin vom 4. April 2014 eine Beweismittelvereinbarung getroffen, wonach der Beweisbeschluss vom 20. März 2013 abgearbeitet werden solle. Hierbei handele es sich um eine bindende Vereinbarung, von der die Gerichte nicht abweichen dürften. Die Tätigkeit des Dr. Ing. Dr. med. H. würde den Prozess nur verteuern, da auch er einen Orthopäden hinzuziehen solle.
6
Das Gericht beauftragte den Sachverständigen Dr. Ing. Dr. med. H., der darum bat, einen weiteren Auslagenvorschuss in Höhe von2.500 € einzahlen zu lassen. Hiergegen wandte sich die Klägerin erneut mit der bereits dargestellten Argumentation. Das Gericht teilte daraufhin am 3. Mai 2016 mit, dass der Sachverständige Dr. G. kein Arzt und deshalb zur Erstellung eines biomechanischen Gutachtens nicht sachkundig sei. An den von einer Amtsvorgängerin getroffenen Beweisbeschluss sei es nicht gebunden. Auch die damals zuständige Richterin habe ihren Beweisbeschluss aufheben oder abändern können, wenn dies nach dem Fortgang des Verfahrens veranlasst sei. Eine "Parteivereinbarung" zur Beweisaufnahme liege weder vor noch sei das Gericht an eine solche gebunden. Die Auswahl der Sachverständigen obliege dem entscheidenden Gericht und nicht den Parteien. Beweisverträge der Parteien würden das Gericht nicht binden. Sie seien nichtig. Darüber hinaus regte das Gericht eine ver- gleichsweise Einigung der Parteien an und wies darauf hin, dass das bisherige Beweisergebnis lediglich einen geringen Bruchteil der Klageforderung rechtfertige. Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass der weitere Auslagenvorschuss von 2.500 € nicht eingezahlt werde, und verwies nochmals darauf, dass eine Wiederholung der unfallanalytischen Begutachtung prozessual unzulässig sei. Daraufhin bat das Landgericht den Sachverständigen Dr. Ing. Dr. med. H. um Prüfung , ob mit den gezahlten 3.000 € ein verwertbares Teilgutachten erstellt werden könne. Dies verneinte der Sachverständige.
7
Auf die mündliche Verhandlung, in der das Gericht darauf hinwies, dass die Unfallkausalität der geltend gemachten Verletzungen und Beschwerden seitens der Beklagten bestritten sei und die Einholung eines biomechanischen Gutachtens vorrangig sei, wies das Landgericht die Klage mit Urteil vom 11. November 2016 zum ganz überwiegenden Teil ab. Die Klage auf Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten hinsichtlich materieller Schäden sei unzulässig, da die Beklagten ihre Schadensersatzhaftung mit einer Quote von 100 % anerkannt und mit der Wirkung eines Feststellungsurteils auf die Einrede der Verjährung verzichtet hätten. Die Leistungsklage sei lediglich hinsichtlich der Kosten der ärztlich verschriebenen Liegeorthese in Höhe von 659 € begründet. Weitere Ersatzansprüche ständen der Klägerin nicht zu. Zwar habe sie Primärverletzungen in Form einer HWS-Distorsion Grad 1 und einer Rippenprellung erlitten. Die hiermit einhergehenden Beeinträchtigungen seien aber durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 2.500 € mehr als abgegolten. Weitere unfallursächliche Verletzungen seien nicht zu berücksichtigen. Nach den Ausführungen der radiologischen Sachverständigen Dr. B. habe die Klägerin unfallbedingt insbesondere keinen Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule davongetragen. Auf der zwei Tage nach dem Unfall erstellten MRT-Aufnahme seien lediglich Bandscheibenvorwölbungen in Höhe HWK 4/5, 5/6 und 6/7 zu sehen. Diese Befunde seien aber dem Lebensalter der Klägerin entsprechend der Zustand einer normalen Abnutzung. Auf der am 17. Dezember 2009 aufgenommenen Röntgenaufnahme sei lediglich eine StreckFehlhaltung der HWS sichtbar. Erst 2½ Jahre nach dem Unfall habe sich erstmals in der MRT-Aufnahme vom 1. März 2012 ein Bandscheibenvorfall im Segment HWK 5/6 gezeigt. Dieser Zeitablauf deute auf ein chronisches, degeneratives Geschehen als Ursache des Bandscheibenvorfalles hin. Die geltend gemachten Schmerzen und Taubheitsgefühle im Bereich des rechten Handgelenks und der Finger und die ausstrahlenden Schmerzen mit zeitweiliger Lähmung und Taubheitsgefühl intermittierend im Bereich des linken Arms und der Hand seien nicht unfallkausal, sondern auf einen - infolge eines chronischen Degenerationsgeschehens aufgetretenen - Bandscheibenvorfall im Segment 5/6 zurückzuführen. Hinsichtlich der weiteren geltend gemachten Beeinträchtigungen sei die Klägerin beweisfällig geblieben, da sie den geforderten Auslagenvorschuss nicht eingezahlt habe.
8
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Das Landgericht sei nicht gehindert gewesen, den ersten Beweisbeschluss durch Erlass eines neuen Beweisbeschlusses abzuändern. Das Landgericht habe den Sachverständigen Dr. H. nicht deshalb beauftragt, um die Feststellungen des Sachverständigen Dr. G. zu ersetzen, sondern vielmehr auf einem Gebiet zu ergänzen, auf dem es den Sachverständigen Dr. G. nicht für sachkundig erachtet habe. Dr. G. fehle die für die Erstellung eines biomechanischen Gutachtens erforderliche Sachkunde , da er kein Arzt sei.
9
Das Landgericht habe auch nicht gegen § 286 ZPO verstoßen. Der Senat schließe sich der Überzeugung des Landgerichts an, die dieses sich aufgrund der Beweisaufnahme gebildet habe. Die Angaben der radiologischen Sachverständigen zum Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls bzw. einer Band- scheibenvorwölbung seien nicht widersprüchlich. Gleiches gelte für ihre Feststellungen zu einer Streck-Fehlhaltung der Klägerin. Sie habe hierzu ausführlich Stellung genommen und erklärt, eine posttraumatische Fehlhaltung sei spätestens nach drei Monaten abgeklungen. Länger andauernde Veränderungen seien wahrscheinlich nicht primär mit einem Schleudertrauma in Verbindung zu bringen. Auch die Ausführungen der Klägerin zu dem Ergebnis zweier Kernspinaufnahmen , die sie im Nachgang zu der Anhörung der Sachverständigen am 27. August 2015 habe fertigen lassen, seien nicht geeignet, Widersprüchlichkeiten in den Feststellungen der Sachverständigen zu belegen. Die Aufnahmen vom 27. August 2015 ergäben nach dem Vortrag der Klägerin einen Bandscheibenprolaps und eine deutliche Streck-Fehlhaltung wieder. Den Schluss der Klägerin, nunmehr sei eindeutig belegt, dass die Bandscheibenvorfälle unfallbedingt verursacht worden seien, weil Bandscheibenvorfälle nicht hätten nachgewiesen werden können, obwohl sie tatsächlich vorhanden gewesen seien und vorhanden wären, vermöge der Senat nicht nachzuvollziehen. Die Ursächlichkeit des Unfalls für (möglicherweise) vorhandene Bandscheibenvorfälle sei damit noch nicht nachgewiesen. Der Rüge der Klägerin, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft den Nachweis weiterer unfallbedingter Verletzungen und Beeinträchtigungen für nicht erbracht angesehen, obgleich die Sachverständige insoweit keine Feststellungen habe treffen können, bleibe ebenfalls der Erfolg versagt. Die Klägerin lasse außer Acht, dass die Beweisaufnahme infolge der Nichtleistung des Auslagenvorschusses durch die Klägerin abgebrochen worden sei.
10
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

11
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat zum überwiegenden Teil Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht den Sinngehalt des Vortrags der Klägerin zu den im Nachgang zu der Anhörung der Sachverständigen Dr. B. erstellten konventionellen und funktionellen Kernspinaufnahmen vom 27. August 2015 nicht erfasst und deshalb bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat.
12
1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieses Gebot verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2018 - VII ZR 170/17, Rn. 16; vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 mwN). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juli 2014 - VI ZR 243/10, juris Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 21. März 2018 - VII ZR 170/17, Rn. 16; vom 7. Juni 2018 - I ZB 70/17, Rn. 6; vom 28. September 2017 - V ZR 29/17 Rn. 6, vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, Rn. 8).
13
2. So verhält es sich hier. Die Begründung des Berufungsgerichts, warum es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts hegt, lässt nur den Schluss zu, dass das Berufungsgericht den Sinn des Vorbringens der Klägerin zu der zentralen Frage nicht erfasst hat, ob der auf der (funktionalen) Kernspinaufnahme vom 1. März 2012 erkennbare Bandscheibenvorfall auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen ist.
14
Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, hatte die Klägerin sowohl mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 15. September 2015 als auch in der Berufungsbegründung geltend gemacht, dass die bei ihr vorliegenden Bandscheibenvorfälle in den Segmenten HWK 4/5, 5/6 und 6/7 auf konventionellen MRT-Aufnahmen nicht zu erkennen seien, sondern nur durch - mittels unterschiedlicher Aufnahmetechnik erstellte - Funktionsaufnahmen nachgewiesen werden könnten. Um diese Besonderheit zu verdeutlichen habe die Klägerin nach der Anhörung der Sachverständigen am 27. August 2015 sowohl eine konventionelle MRT-Untersuchung als auch eine Funktionsuntersuchung durchführen lassen. Während die konventionelle MRT-Aufnahme vom 27. August 2015 - ebenso wie die von der Sachverständigen ausgewertete konventionelle Aufnahme vom 3. November 2009 - lediglich eine Steilstellung der HWS mit marginalen Bandscheibenvorwölbungen im Bereich HWK 5-7 zeige, weise die am 27. August 2015 erstellte Funktionsaufnahme - wie die von der Sachverständigen ausgewertete Funktionsaufnahme vom 1. März 2012 - einen breitbasigen dorsalen im Verlauf leicht regredient imponierenden Bandscheibenvorfall im Segment HWK 5/6 mit funktionellem Myelonkontakt in Reklinationsstellung nach, ebenso wie flachbogige dorsomediane, im Verlauf größenkonstant imponierende Bandscheibenvorfälle in den Segmenten HWK 4/5 und HWK 6/7 mit jeweils funktionellen segmentalen Myelonkontakten in Reklinationsstellung. Dem Umstand, dass die konventionell erstellte MRT-Aufnahme vom 3. November 2009 lediglich Bandscheibenvorwölbungen, hingegen keinen Bandscheibenvorfall erkennen lasse, habe die Sachverständige deshalb nicht entnehmen dürfen, dass der später diagnostizierte und von der Sachverständigen anhand der Funktionsaufnahme vom 1. März 2012 auch bestätigte Bandscheibenvorfall im Segment HWK 5/6 erst im Nachhinein aufgetreten sei. Die Sachverständige habe sich insoweit nicht ausreichend mit den technischen Feinheiten der funktionellen gegenüber der konventionellen Kernspintomographie auseinandergesetzt. Zum Beleg ihrer diesbezüglichen Behauptung hatte die Klägerin die Befundberichte der konventionell erstellten MRT-Aufnahme vom 27. August 2015 einerseits (Anlage K 23) und der am selben Tag erstellten Funktionsaufnahme andererseits (Anlage K 24) vorgelegt und sich zum Beweis ihrer Behauptung auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen.
15
Diese Ausführungen hat das Berufungsgericht gehörswidrig nicht erfasst und bei seiner Entscheidung nicht erwogen. Anderenfalls hätte es nicht zu der Beurteilung gelangen können, die Äußerungen der Klägerin seien nicht geeignet , Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der auf den Angaben der Sachverständigen Dr. B. beruhenden Feststellungen des Landgerichts zu erwecken. Denn es geht nicht darum, ob bereits mit den von der Klägerin vorgelegten Funktionsaufnahmen ihre Behauptung, sie habe infolge des Verkehrsunfalls einen Bandscheibenvorfall erlitten, nachgewiesen wird. Vielmehr basieren die Ausführungen der Sachverständigen und - hierauf gestützt - das landgerichtliche Urteil (auch) darauf, dass auf der nach dem Unfall gefertigten konventionellen Aufnahme vom 3. November 2009 kein Bandscheibenvorfall zu erkennen ist. Lag dies aber - so der Vortrag der Klägerin - daran, dass der bei ihr aufgetretene Bandscheibenvorfall auf konventionellen MRT-Aufnahmen nicht erkennbar abgebildet werden kann, werden die Grundlagen des Gutachtens und das darauf basierende landgerichtliche Urteil insoweit in Frage gestellt.
16
3. Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags der Klägerin und nach der gebotenen ergänzenden Abklärung der von ihr aufgeworfenen radiologischen Fragestellung - sowie im Falle der Bestätigung ihres Vortrags nach einer dies berücksichtigenden ergänzenden sachverständigen Bewertung der Unfallfolgen - zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre.
17
Die Entscheidungserheblichkeit der Gehörsverletzung ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Klägerin den mit Verfügung des Landgerichts vom 3. Mai 2016 angeforderten weiteren Auslagenvorschuss in Höhe von 2.500 € nicht ge- zahlt hat. Sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht gingen ersichtlich davon aus, dass die radiologische Begutachtung abgeschlossen sei. Das Landgericht forderte den Sachverständigen Dr. H. in dem den ursprünglichen Beweisbeschluss abändernden Beschluss vom 20. November 2015 auf, seiner Gutachtenserstattung das Sachverständigengutachten der radiologischen Sachverständigen zugrunde zu legen, obwohl die Klägerin zuvor erhebliche Einwendungen gegen dieses Gutachten erhoben hatte; eine sachverständige Stellungnahme zu den von der Klägerin aufgeworfenen, u.a. die (aufnahme )technischen Besonderheiten bei Kernspintomographien betreffenden Fragen war nicht vorgesehen. In seinem Urteil hat es die Annahme, der bei der Klägerin aufgetretene Bandscheibenvorfall sei eher auf ein degeneratives Geschehen als auf ein Unfalltrauma zurückzuführen, maßgeblich auf die Angaben der radiologischen Sachverständigen Dr. B. und deren Auswertung der MRTAufnahme vom 3. November 2009 gestützt. Das Berufungsgericht hat die sich insbesondere auf die Angaben der radiologischen Sachverständigen stützende Beweiswürdigung durch das Landgericht für überzeugend gehalten und sich deshalb an die landgerichtlichen Feststellungen gebunden gefühlt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
18
Für die gebotene ergänzende radiologische Begutachtung stand unabhängig von der Bereitschaft der Klägerin zur Zahlung eines Kostenvorschusses auch ein ausreichender Auslagenvorschuss zur Verfügung. Die Klägerin hatte insgesamt 8.000 € eingezahlt, wovon bislang lediglich 3.686,67 € aufgebraucht worden waren. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht den festgestellten Bandscheibenvorfall bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags der Klägerin und nach der gebotenen ergänzenden Abklärung der von der Klägerin aufgeworfenen radiologischen Fragestellung als auf den Unfall zurückzuführende Primär- oder auf die HWS-Distorsion zurückzuführende Sekundärverletzung angesehen hätte.
19
4. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei erneuter Befassung Gelegenheit haben, auch das weitere Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Dabei wird es zu beachten haben, dass eine weitergehende Haftung der Beklagten nicht voraussetzt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigungen "primär mit einem Schleudertrauma" oder mit dem Verkehrsunfall "in Verbindung" stehen. Vielmehr genügt sowohl für die haftungsbegründende als auch für die haftungsausfüllende Kausalität der Nachweis der Mitursächlichkeit (vgl. Senatsurteile vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, VersR 2005, 942 Rn. 14; vom 20. Mai 2014 - VI ZR 187/13, Rn. 20).
20
Soweit das Landgericht die Beweisaufnahme bezüglich weiterer Unfallfolgen infolge der Nichtleistung eines zusätzlichen Auslagenvorschusses durch die Klägerin abgebrochen hat, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass das Landgericht die Parteien im Zusammenhang mit dem neuen Beweisbeschluss vom 20. November 2015 und der nachfolgenden Anforderung des Vorschusses nicht - wie später im Urteil - darauf hingewiesen hat, dass es das unfallanalytisch-biomechanische Gutachten des Sachverständigen Dr. G.
im Hinblick auf bestimmte dort nicht behandelte Fragen für ergänzungsbedürftig hält, sondern unter Hinweis auf die angeblich fehlende Sachkunde des Dr. G. "zur Erstellung eines biomechanischen Gutachtens" den Eindruck erweckt hat, der neue Sachverständige Dr. H. solle das - zwischen den Parteien unstreitige - Ergebnis des Gutachtens Dr. G. überprüfen. Gegen eine hierauf bezogene Anforderung des Vorschusses hat sich die Klägerin zu Recht verwahrt, ohne dass das Landgericht rechtzeitig klargestellt hat, dass die (unstreitigen) Ergebnisse des Gutachtens Dr. G. der weiteren Begutachtung zugrunde zu legen seien.
21
Soweit die für unfallanalytische, biomechanische und medizinische Feststellungen erforderliche Sachkunde in Frage steht, wird das Berufungsgericht die Entscheidungen des Senats vom 3. Juni 2008 (VI ZR 235/07, VersR 2008, 1133, juris Rn. 16) und vom 8. Juli 2008 (VI ZR 274/07, VersR 2008, 1126 juris Rn. 10) zu berücksichtigen haben.

III.

22
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Antrags auf Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten hinsichtlich materieller Schäden wendet. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt insoweit nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 S. 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
Seiters v. Pentz Offenloch

Müller Allgayer
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 11.11.2016 - 8 O 9696/12 (2) -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 18.10.2017 - 12 U 2461/16 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2019 - VI ZR 84/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 84/18 vom 26. November 2019 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 7 Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem daz

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2019 - VII ZR 175/18

bei uns veröffentlicht am 18.12.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 175/18 vom 18. Dezember 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:181219BVIIZR175.18.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2019 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmei

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

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Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieses Gebot verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 m.w.N.). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, aaO; Beschluss vom 31. März 2016 - I ZB 76/15, WM 2016, 1706 Rn. 9; Beschluss vom 28. September 2017 - V ZR 29/17 Rn. 6).
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1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BVerfG, ZIP 2004, 1762, 1763; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5; Beschluss vom 28. November 2008 - LwZR 2/08, NL-BzAR 2009, 117 Rn. 5; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 4). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrneh- mung beruht (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - II ZR 207/07, NJW-RR 2009, 178 Rn. 4; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 3). Setzt sich das Gericht mit dem Parteivortrag nicht inhaltlich auseinander , sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (Senat, Beschluss vom 10. Januar 2008 - V ZR 81/07, Grundeigentum 2008, 983, 984; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5).
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Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieses Gebot verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 m.w.N.). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, aaO; Beschluss vom 31. März 2016 - I ZB 76/15, WM 2016, 1706 Rn. 9; Beschluss vom 28. September 2017 - V ZR 29/17 Rn. 6).
6
1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BVerfG, ZIP 2004, 1762, 1763; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 4; Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut , aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht. Setzt sich das Gericht mit dem Parteivortrag nicht inhaltlich auseinander , sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (BGH, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 mwN).
6
1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 6).
7
1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BVerfG, ZIP 2004, 1762, 1763; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5; Beschluss vom 28. November 2008 - LwZR 2/08, NL-BzAR 2009, 117 Rn. 5; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 4). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrneh- mung beruht (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - II ZR 207/07, NJW-RR 2009, 178 Rn. 4; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 3). Setzt sich das Gericht mit dem Parteivortrag nicht inhaltlich auseinander , sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (Senat, Beschluss vom 10. Januar 2008 - V ZR 81/07, Grundeigentum 2008, 983, 984; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5).

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 216/03 Verkündet am:
5. April 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
,
BGB § 823 Abs. 1 (Aa, Dd, I);
Steht fest, daß der Arzt dem Patienten durch rechtswidriges und fehlerhaftes ärztliches Handeln einen Schaden
zugefügt hat, so muß der Arzt beweisen, daß der Patient den gleichen Schaden auch bei einem rechtmäßigen
und fehlerfreien ärztlichen Handeln erlitten hätte. Die Behandlungsseite muß, sofern ein schadensursächlicher
Eingriff ohne ausreichende vorherige Aufklärung des Patienten erfolgt ist, auch beweisen, daß es zu
dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung des Patienten gekommen wäre.
BGH, Urteil vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03 - OLG Naumburg
LG Halle
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Bei der Klägerin wurde im Jahre 1997 eine beiderseitige Vergrößerung der Schilddrüse mit einem Knoten im Isthmus-Bereich sowie zwei Knoten im rechten Bereich der Schilddrüse (sogenannte Knotenstruma III. Grades) festgestellt. Sie wurde zur operativen Behandlung in dem Kreiskrankenhaus, dessen Träger der Beklagte ist, aufgenommen. Am Tag vor der Operation wurde sie über den Verlauf einer teilweisen Entfernung der Schilddrüse sowie die daraus resultierenden Risiken aufgeklärt. Am Morgen des 29. Mai 1997 wurde die
Schilddrüse der Klägerin operativ unter Darstellung der Stimmbandnerven vollständig entfernt. In der Folge ergaben sich Komplikationen, die zu einer beidseitigen Stimmbandlähmung bei der Klägerin führten. Infolge dieser hat die Klägerin bereits im Ruhezustand Atembeschwerden, die sich bei körperlichen Aktivitäten verstärken. Sie kann nur noch flüsternd sprechen. Die Klägerin macht geltend, die Schilddrüsenoperation sei wegen unzureichender Aufklärung rechtswidrig erfolgt und zudem fehlerhaft durchgeführt worden. Sie begehrt deshalb von dem Beklagten Schmerzensgeld, Ersatz ihres materiellen Schadens und Feststellung der weiteren Ersatzpflicht des Beklagten. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus, ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten sei schon dem Grunde nach nicht gegeben; er scheitere jedenfalls daran, daß die Klägerin den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem pflichtwidrigen Verhalten der sie behandelnden Ärzte im Krankenhaus des Beklagten und der bei ihr eingetretenen beidseitigen Stimmbandlähmung nicht führen könne.
Allerdings hätten die behandelnden Ärzte die Kläger in inhaltlich nicht ausreichend über den beabsichtigten operativen Eingriff und dessen Risiken aufgeklärt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der der Klägerin im Rahmen der Eingriffs- und Risikoaufklärung gegebene pauschale Hinweis auf eine Operationserweiterung während der Operation hier nicht genügt habe. Präoperativ sei die Durchführung einer Teilresektion der Schilddrüse indiziert und an der Wahl dieser indizierten Behandlungsmaßnahme sei die Aufklärung zunächst auszurichten gewesen; insoweit sei die Aufklärung , was durch die von dem Beklagten vorgelegten Krankenunterlagen bewiesen sei, auch inhaltlich ausreichend erfolgt. Im vorliegenden Fall sei aber eine intraoperative Operationserweiterung hin zu einer Totalresektion des Schilddrüsengewebes auch aus präoperativer Sicht der behandelnden Ärzte ernsthaft in Betracht gekommen, weshalb die Klägerin in eine solche konkrete Option auch habe eingeweiht werden müssen. Zwar sei das Behandlungsrisiko, insbesondere dasjenige von Nachblutungen bzw. der Verletzung eines oder beider Stimmbandnerven , sowohl bei einer Teil- als auch bei einer Totalresektion des Schilddrüsengewebes jeweils als gering einzuschätzen. Doch seien die Risiken einer Totalresektion signifikant höher als bei einer Teilresektion. Eine dahin gehende Aufklärung der Klägerin hätten die behandelnden Ärzte schon nach dem Sachvorbringen des Beklagten nicht vorgenommen. Ob die die Klägerin behandelnden Ärzte die Indikati on für eine Totalresektion des Schilddrüsengewebes während der Operation verfrüht, d.h. auf unzureichender Entscheidungsgrundlage, getroffen hätten oder nicht, könne offen bleiben. Unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen der beiden behandelnden Ärzte sei die Entscheidung zur totalen Ausräumung des Schi lddrüsengewebes aus fachärztlicher Sicht geboten gewesen. Unter Zugrundelegung des Operationsberichts hingegen hätten die behandelnden Ärzte die Indikation für eine To-
talresektion zumindest verfrüht gestellt. Selbst wenn man davon ausgehe, sei aber ein Arzthaftungsanspruch der Klägerin nicht begründet. Der Klägerin sei der Nachweis nicht gelungen, daß die bei ihr eingetretene beidseitige Stimmbandlähmung allein darauf zurückzuführen sei, daß die als Teilresektion begonnene Operation intraoperativ zu einer totalen Entfernung des Schilddrüsengewebes erweitert wurde. Wie bereits das erstinstanzliche Gericht auf der Grundlage sachverständiger Beratung zutreffend festgestellt habe, sei eine Teilentfernung des Schilddrüsengewebes der Klägerin, nämlich zumindest im rechten und im Isthmus-Bereich, sowohl aus chirurgischer als auch aus internistischer und nuklearmedizinischer Sicht absolut indiziert gewesen. In eine solche Operation habe die Klägerin wirksam eingewilligt. Mit dem gerichtlichen Sachverständigen sei davon auszugehen, daß die beidseitige Stimmbandlähmung der Klägerin dadurch entstanden sei, daß sich in der Nähe des Operationsgebietes eine Nachblutung eingestellt und entweder zur Herausbildung eines Hämatoms oder zur Einblutung in das Nervenhüllgewebe geführt habe. Hinsichtlich der Ursache der Nachblutung, einer kontinuierlich blutenden Vene unterhalb der bei der Erstoperation eröffneten Grenzlamelle , sei nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu beantworten , ob diese auch bei einer nur teilweisen Entfernung der Schilddrüse eingetreten wäre. Diese nicht überwindbare Unsicherheit bei der Aufklärung des tatsächlichen Behandlungsverlaufs gehe nach den zivilrechtlichen Grundsätzen der Beweislastverteilung im Arzthaftungsprozeß zu Lasten der Klägerin, die aus der behaupteten Kausalität einen Schadensersatzanspruch herleiten wolle. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, daß die vorbeschriebene Nachblutung bei einer Teilresektion „nicht so wahrscheinlich" sei, wie bei dem umfangreicheren Eingriff in Gestalt einer Totalresektion. Eine weitere Festlegung habe
er jedoch als spekulativ abgelehnt. Beispielsweise könne eine Zugwirkung an der Schilddrüse sowohl bei einer Teilresektion als auch bei einer Totalresektion auftreten. Letztlich habe der Sachverständige den Eintritt der bilateralen Recurrensparese hier als ein schicksalhaftes, für beide Operationsmaßnahmen auch bei facharztgerechter Behandlung typisches Ereignis bewertet. Dieser Einschätzung folge der Senat. Die Klägerin trage die Beweislast für die Kausalität der wegen des festgestellten Aufklärungsmangels rechtswidrigen Operationserweiterung bzw. des als wahr unterstellten Behandlungsfehlers für die beidseitige Stimmbandlähmung. Das bedeute, daß die Klägerin im Prozess schon dann unterliege, wenn sie nicht beweisen könne, daß die Pflichtverletzung den Schaden verursacht habe bzw. daß der Schadenseintritt ohne die Pflichtverletzung zumindest sehr unwahrscheinlich gewesen wäre. Beweiserleichterungen kämen der Klägerin nicht zugute; auf einen groben Behandlungsfehler könne sie sich nicht berufen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Klägerin nicht ausreichend darüber aufgeklärt, daß während der Operation gegebenenfalls von der Teilresektion der Schilddrüse zu einer Totalresektion überzugehen war. Dies nimmt die Klägerin als ihr günstig hin. Die Bedenken, die die Revisionserwiderung insoweit vorbringt, sind unbegründet. Die Bejahung einer unzureichenden Aufklärung durch das Berufungsgericht beruht auf einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung des Aufklärungs-
bogens, des vom Beklagten dargestellten Inhalts des Aufklärungsgesprächs und der Ausführungen des Sachverständigen. 2. Revisionsrechtlich ist zudem davon auszugehen, daß die behandelnden Ärzte die Entscheidung für eine Totalresektion verfr üht getroffen haben. Denn das Berufungsgericht läßt ausdrücklich dahinstehen, ob insoweit ein Behandlungsfehler festgestellt werden kann oder nicht. 3. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht die Klägerin nicht hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen der rechtswidrig, weil ohne ausreichende Aufklärung, und zudem auch behandlungsfehlerhaft vorgenommenen Operation und dem erlittenen Gesundheitsschaden als beweisfällig behandeln.
a) Den Ausführungen des Berufungsgerichts könnte - was die Revision zu Recht geltend macht - nicht gefolgt werden, wenn es auf Seite 9 des angefochtenen Urteils hat zum Ausdruck bringen wollen, daß der Arzt nur haftet, wenn sein Fehler die alleinige Ursache für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten ist. Nach allgemeinem Schadensrecht steht eine Mitursächlichkeit , und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Dies gilt auch für die Arzthaftung (vgl. nur Senatsurteil vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99 - VersR 2000, 1282 f. m.w.N.). Etwas anderes kann allenfalls in dem - hier nicht vorliegenden - Fall der Teilkausalität gelten, wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 363 m.w.N.).
b) Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn das Berufungsgericht der Klägerin den Beweis dafür auferlegen will, daß die beabsichtigte rechtmäßige Teilre-
sektion nicht zu denselben Beeinträchtigungen geführt hätte wie die tatsächlich durchgeführte rechtswidrige Operation. Steht fest, daß der Arzt dem Patienten durch rechtswidriges und fehlerhaftes ärztliches Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muß der Arzt beweisen, daß der Patient den gleichen Schaden auch bei einem rechtmäßigen und fehlerfreien ärztlichen Handeln erlitten hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 209, 213 ff.; 106, 153, 156; vom 13. Dezember 1988 - VI ZR 22/88 - VersR 1989, 289 f.; vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03 - zur Veröffentlichung bestimmt; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., Rn. C 151 m.w.N.). Auch soweit es darum geht, ob es zu einem schadensursächlichen Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung des Patienten gekommen wäre, liegt die Beweislast bei der Behandlungsseite (vgl. Senatsurteile BGHZ 29, 176, 187; vom 15. Oktober 1968 - VI ZR 226/67 - VersR 1969, 43, 44; vom 14. April 1981 - VI ZR 39/80 - VersR 1981, 677, 678; vgl. auch die ständige Senatsrechtsprechung zur Beweislast der Behandlungsseite bei der Behauptung hypothetischer Einwilligung des Patienten, z.B. Senatsurteile BGHZ 29, 176, 187; vom 26. Juni 1990 - VI ZR 289/89 - VersR 1990, 1238, 1239 m.w.N.). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Schädiger zu beweisen hat, daß sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde wie der tatsächliche Geschehensablauf (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - VersR 1993, 754, 755 f. m.w.N.; MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rn. 218 m.w.N.). 4. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts lassen die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen keine ausreichend siche ren Feststellungen dahingehend zu, daß der Gesundheitsschaden der Klägerin auch bei Durchführung einer Teilresektion entstanden wäre. Verbleibt es bei diesem Beweisergebnis , bleibt der Beklagte hinsichtlich der von ihm behaupteten Reserveursache beweisfällig. Dann wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob
und inwieweit die weiteren Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche vorliegen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
20
bb) In Nr. I. 1 des Tenors des Grund- und Teilurteils hat das Oberlandesgericht die damaligen Zahlungsanträge des Klägers - wie zuvor das Landgericht - zwar ohne Einschränkung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und damit zugleich die Kausalität der Versäumnisse der Beklagten für die Gesund- heitsverletzung des Klägers festgestellt, weil die haftungsbegründende Kausalität zum Anspruchsgrund gehört. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten für die Gesundheitsverletzung in vollem Umfang angenommen hat. Nach allgemeinem Schadensrecht steht nämlich eine Mitursächlichkeit, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit grundsätzlich haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 2000 - VI ZR 201/99, VersR 2000, 1282, 1283; vom 20. November 2001 - VI ZR 77/00, VersR 2002, 200, 201; vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, VersR 2005, 942; vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946; vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, VersR 2010, 627 Rn. 12; Senatsbeschluss vom 13. November 2007 - VI ZR 155/07, juris). Mithin lässt sich aus Nr. I. 1 des Tenors keine Bindungswirkung hinsichtlich des gesamten Gesundheitsschadens ableiten.
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cc) Die Einholung eines medizinischen Gutachtens wäre nur dann nicht erforderlich, wenn auszuschließen wäre, dass die Klägerin damit den Beweis der Unfallursächlichkeit führen könnte. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall und kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht im Hinblick auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. A. bejaht werden, denn nach den getroffenen Feststellungen verfügt dieser als Biomechaniker nicht über die erforderliche medizinische Fachkompetenz (vgl. hierzu Mazzotti/Castro, NZV 2008, 16 und 113, 114). Die Aussagekraft seiner Beurteilung leidet auch darunter , dass seine Begutachtung notgedrungen ohne eine eigene medizinische Untersuchung der Klägerin erfolgt ist, sodass sich seine Aussagen zur Konstitution der Klägerin und zur Belastbarkeit ihres Kopf-Hals-Bereichs als problematisch erweisen. Deshalb war die Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens im Streitfall auch nicht etwa mit Rücksicht darauf entbehrlich, dass sich Dr. A. als Biomechaniker auf Verletzungen aufgrund von Verkehrsunfällen spezialisiert und an der medizinischen Fakultät einer Hochschule über Toleranzgrößen von Schädel-Hirn-Traumen promoviert hat. Seine auf diesem Gebiet erworbenen Spezialkenntnisse lassen, wie die Revision mit Recht geltend macht, keinen Rückschluss darauf zu, ob er für die hier zu beurteilenden Fragen über den Kenntnisstand eines Fachmediziners verfügt. Das Berufungsgericht legt auch nicht dar, dass es selbst über ausreichende eigene Sachkunde verfügt und deshalb die Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens entbehrlich gewesen wäre.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.