Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2015 - VI ZR 332/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die am 21. Januar 2006 im Wege einer Notsectio geborene Klägerin nimmt den Beklagten zu 2 (nachfolgend: Beklagter) als geburtsleitenden Belegarzt in der Klinik der ehemaligen Beklagten zu 1 wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken einer eingeleiteten Vaginalgeburt nach bereits zuvor erfolgter Sectio auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Bei der Mutter der Klägerin war bereits im Jahre 2003 wegen eines vermuteten Missverhältnisses zwischen dem kindlichen Kopf und dem mütterlichen Becken eine elektive Sectio durchgeführt worden. Ende des Jahres 2005 wurde die Mutter der Klägerin von dem sie behandelnden Gynäkologen an den Beklagten zur Geburtsplanung überwiesen. Das entsprechende Gespräch mit der Mutter der Klägerin dokumentierte der Beklagte wie folgt: "Pat. kommt zur Geburtsplanung bei vorausgegangenem Kaiserschnitt, siehe Arztbrief in der PIA. Spontanpartus anstreben, Einleitung am Termin, dann nicht zu lange mit Sectio. Grav. Mens 7 bis 10". Am 21. Januar 2006 in der 40 + 1 SSW fand sich die Klägerin in dem von der ehemaligen Beklagten zu 1 betriebenen Klinikum zum Zwecke der Geburtseinleitung bei Gestationsdiabetes ein. Die Aufnahme erfolgte um 8.00 Uhr durch die ehemalige Beklagte zu 3, eine Hebamme. Um 8.40 Uhr erfolgte die Einleitung durch Verabreichung von 1 mmg Minprostien-Gel (Prostaglandin ) intravaginal. Um 14.55 Uhr verabreichte die ehemalige Beklagte zu 4, eine andere Hebamme, eine weitere Dosis Minprostien-Gel intravaginal. Um 17.57 Uhr zeigte das CT kindliche Herztöne von nur noch 90 Schlägen pro Minute. Diese erholten sich auf 115 Schläge pro Minute. Um 18.00 Uhr informierte die Beklagte zu 4 den Beklagten zu 2 und verabreichte der Mutter der Klägerin nach weiteren Abfällen der kindlichen Herztöne um 18.07 Uhr eine Bolusinjektion Partusisten zur Wehenhemmung. Sie informierte das Operationsteam über eine bevorstehende Sectio. Um 18.09 Uhr erreichte der Beklagte zu 2 den Kreissaal und ordnete nach einer Ultraschalluntersuchung um 18.18 Uhr eine Notsectio an. Um 18.26 Uhr wurde die Klägerin in "schwer deprimierten" Zustand entwickelt. Ihr Zustand wurde wie folgt beschrieben: "Stamm rosig, schwach, schwacher Puls, keine Eigenatmung". Die Klägerin wurde sofort reanimiert , intubiert und weiter behandelt. Um 18.46 Uhr erschienen die um 18.25 Uhr informierten Kinderärzte der Kinderklinik des Städtischen Klinikums W. . Um 19.20 Uhr wurde die Klägerin in die Kinderklinik verlegt. Ursache für die Geburtskomplikation war eine plötzlich aufgetretene Uterusruptur. Im OP- Bericht heißt es insoweit nach Eröffnen der Bauchhöhle: "Es quillt sofort Blut und Blutkoagel aus der Bauchhöhle. Nach Entfernen derselben zeigt sich eine Uterusruptur, aus der bereits die Plazenta hervorkommt. Das Kind ist nach kranial verdrängt".
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- Die Klägerin hat behauptet, sie habe infolge der Uterusruptur schwere hirnorganische Schädigungen davon getragen. Sie leide unter erheblichen psychomotorischen Schädigungen, einer infantilen Cerebralparese und einer außergewöhnlich schweren Entwicklungsstörung. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; es hat angenommen, der Beklagte hafte wegen unzureichender Aufklärung über die mit einer eingeleiteten Vaginalgeburt nach zuvor erfolgter Sectio verbundenen Gefahren. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Leistungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus ihrer Geburt am 21. Januar 2006 zu ersetzen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
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- Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts , die von der Klägerin erlittenen Gesundheitsschäden seien auf die Uterusruptur zurückzuführen, beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
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- 1. Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des Landgerichts, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien auf die Uterusruptur zurückzuführen , gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe "den Einwand der fehlenden Kausalität" in erster Instanz nicht bzw. ohne jede Substanz erhoben. Die dazu nun erstmals unterbreiteten Behauptungen seien weitgehend spekulativ. Die vom Beklagten in der Berufungsbegründung geltend gemachte Schädigung der Klägerin vor der Geburt sei nicht substantiiert dargetan. Der sachkundige Beklagte habe nicht aufgezeigt, dass die festgestellten geringen chronischen Durchblutungsstörungen der Plazenta überhaupt die Folgen bei der Klägerin hätte nach sich ziehen können, ohne dass in der Geburtsüberwachung weitere Symptome zu Tage getreten wären. Auch hätte eine solche Annahme des Beklagten schon bei der Geburtsplanung eine andere Aufklärung, Befunderhebung und Behandlung nach sich ziehen müssen. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten für den Senat überzeugend begründet, dass der abrupte Sauerstoffmangel über eine halbe Stunde hinweg die heutigen Defizite der Klägerin erklären und die niedrigen Apgar-Werte und der "aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung nicht sicher feststellbare pH-Wert die Schädigung unter der Geburt" belegten. Dass Krampfanfälle zwingend gewesen seien und sich bei Untersuchungen hätten zeigen müssen, sei nicht zu ersehen. Zur Berücksichtigung des pH-Werts habe die Berufungserwiderung alles Erforderliche dargelegt. Der Beklagte habe letztlich nicht bestritten, dass sich mit der Uterusruptur ein Risiko der Vaginalgeburt realisiert habe und dieses konkret geeignet gewesen sei, den verursachten Schaden herbeizuführen. Den Gegenbeweis, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin in gleicher Weise im Zuge einer von Anfang an geplanten Resectio aufgetreten wären, hätte der Beklagte als Einwand eines hypothetischen Kausalverlaufs führen müssen. Hierzu fehle es sowohl an einem hinreichenden Sachvortrag, der dem fachkundigen Beklagten zuzumuten sei, als auch an entsprechenden Belegen. Hinzu komme, dass der Beklagte mit neuem Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen sei. Denn ihm als einschlägig gebildeten Facharzt kämen keine Darlegungserleichterungen zu. Der Einholung eines neonatologischen Gutachtens bedürfe es beim derzeitigen Verfahrensstand nicht.
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- 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet mit Erfolg, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen hat, wonach die Klägerin entgegen der Annahme des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht keinen niedrigen pH-Wert aufgewiesen habe; ausweislich des Berichts der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Stadtkrankenhauses W. sei die Analyse des Nabel-pH-Wertes vielmehr nicht verwertbar gewesen. Durch die unterlassene Berücksichtigung dieses Vorbringens hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
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- a) Der Sachverständige hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausgeführt: "Bei dem niedrigen Apgar-Wert und dem niedrigen pHWert ist eigentlich davon auszugehen, dass die wesentlichen Schädigungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt eingetreten waren". Auf diese Angaben hat das Landgericht seine Überzeugung gestützt, dass die Uterusruptur kausal für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin war. Das gegen diese Beurteilung gerichtete Vorbringen des Beklagten ist nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Die fehlende Verwertbarkeit des pH-Wertes ergab sich, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht hinweist, nicht nur aus dem bereits erstinstanzlich bei den Akten befindlichen Bericht der Klinik für Kinder - und Jugendmedizin des Stadtkrankenhauses W. , sondern auch aus den von den ehemaligen Beklagten zu 1 und 3 erstinstanzlich zu den Akten gereichten Behandlungsunterlagen. Danach war das Blut aus der Nabelschnurarterie zur Bestimmung des pH-Wertes erst eine Stunde nach der Geburt abgenommen und der festgestellte Wert von 6,61 als "wohl nicht aussagekräftig" bezeichnet worden. Diesen Gesichtspunkt hatte auch der Sachverständige im Rahmen der Auswertung der Behandlungsunterlagen auf S. 5 seines schriftlichen Gutachtens angeführt. Er hatte zusätzlich bemerkt, dass das Nabelblut erst um 19.20 Uhr entnommen worden sei, weil die ehemalige Beklagte zu 4 bei der Reanimation assistiert habe; das Blut sei größtenteils geronnen gewesen. Diese - ihm günstigen - Umstände hatte sich der Beklagte zumindest hilfsweise zu eigen gemacht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2010 - VI ZR 25/09, VersR 2011, 1158 Rn. 9; vom 24. März 2015 - VI ZR 179/13, juris Rn. 14, 17). Den Widerspruch zwischen den im Einklang mit den Behandlungsunterlagen stehenden Ausführungen des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach der pH-Wert der Klägerin niedrig gewesen sei, hätten sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht von Amts wegen erkennen und bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage berücksichtigen müssen. Denn der Tatrichter ist verpflichtet , den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (vgl. Senatsurteile vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02, VersR 2004, 790; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265, jeweils mwN).
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- Dies gilt umso mehr, als das Landgericht die streitige Frage, ob die Uterusruptur kausal für die Gesundheitsschäden der Klägerin war, erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht thematisiert hat. Die Frage war nicht Gegenstand der Beweisbeschlüsse vom 26. Juli bzw. 6. September 2011 mit der Folge, dass sich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten mit ihr nicht befasst hatte.
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- b) Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Die angefochtene Entscheidung wird nicht von der Hilfserwägung getragen, der Einwand des Beklagten träfe nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht insoweit eine von der Beurteilung des gerichtlich bestellten Sachverständigen abweichende, eigene medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens vorgenommen hat ohne aufzuzeigen, dass es über die erforderliche Sachkunde verfügt. Das Berufungsgericht hat die Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, die das Landgericht noch exakt übernommen hatte und wonach "angesichts des niedrigen Apgar-Wertes sowie des niedrigen pH-Wertes" davon auszugehen sei, dass die wesentlichen Schädigungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt eingetreten gewesen seien" dahingehend abgeändert, dass die niedrigen Apgar-Werte und "der aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung nicht sicher feststellbare pH-Wert" die Schädigung unter der Geburt belege. Woher das Berufungsgericht die Erkenntnis nimmt, dass der pH-Wert aufgrund fehlerhafter Sauerstoffversorgung nicht feststellbar gewesen sein soll und dies die Kausalität der Uterusruptur für die Schädigung belege, ist nicht erkennbar. Diese Beurteilung findet in den Ausführungen des Sachverständigen keine Grundlage.
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- Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten nicht die erforderliche Überzeugung gebildet hätte, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auf die Uterusruptur zurückzuführen sind. Denn der Patient trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf eine andere Ursache zurückgeht. Eine Unterlassung ist für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (vgl. zur Beweislast für die Kausalität des ei- genmächtigen Eingriffs für die geltend gemachte Schadensfolge: Senatsurteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 63/11, BGHZ 192, 298 Rn. 10).
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- 3. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet darüber hinaus mit Erfolg , dass das Berufungsgericht auch die weiteren vom Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des Landgerichts , die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien auf die Uterusruptur zurückzuführen, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen hat.
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- a) Das Vorbringen des Beklagten, wonach die Plazenta der Mutter der Klägerin geringe chronische Durchblutungsstörungen aufgewiesen habe und es deshalb bereits vor der Geburt zu einer Schädigung der Klägerin gekommen sei, ist nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Diesen Gesichtspunkt hatte der gerichtliche Sachverständige auf S. 6 seines schriftlichen Gutachtens in das Verfahren eingeführt. Da er dem Beklagten günstig ist, hatte er ihn sich zumindest hilfsweise zu Eigen gemacht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2010 - VI ZR 25/09, VersR 2011, 1158 Rn. 9; vom 24. März 2015 - VI ZR 179/13, juris Rn. 14, 17). Hinzu kommt, dass es sich bei den Fragen, ob eine Schädigung der Klägerin infolge der geringe chronische Durchblutungsstörungen aufweisenden Plazenta vor der Geburt oder möglicherweise angesichts des Ausbleibens cerebraler Krampfanfälle erst nach der Geburt eingetreten ist, um solche handelt, die nicht von einem gynäkologischen Sachverständigen, sondern einem neonatologischen Sachverständigen zu beurteilen sind. Dies hätte das erstinstanzliche Gericht bereits von Amts wegen beachten müssen. Der Umstand, dass die nicht beweisbelastete Partei erstinstanzlich den Hinweis darauf unterlassen hat, dass eine streitige Frage nicht von einem Sachverständigen aus dem einschlägigen Fachgebiet beantwortet worden ist, nimmt ihr nicht das Recht, diesen Rechtsfehler in der Berufungsinstanz zu beanstanden.
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- b) Das Berufungsgericht hat dem Beklagten darüber hinaus rechtsfehlerhaft Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorgeworfen. Es hat zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozess gestellt. Das Berufungsgericht hat die Nachlässigkeit des Beklagten daraus abgeleitet, dass er sachkundig sei und es ihm deshalb zuzumuten sei, im Einzelnen aufzuzeigen, warum die Schädigung der Klägerin nicht auf die Uterusruptur zurückzuführen ist. Hierbei hat das Berufungsgericht übersehen, dass der Beklagte kein Neonatologe ist, der die Auswirkungen von chronischen Durchblutungsstörungen der Plazenta auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns bzw. das Auftreten cerebraler Krampfanfälle als Voraussetzung für die Annahme einer hypoxischen Hirnschädigung beurteilen kann. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Parteien im Arzthaftungsprozess nicht verpflichtet, ihre Einwendungen bereits in erster Instanz auf Privatgutachten oder sachverständigen Rat zu stützen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, juris Rn. 27). Bei dieser Sachlage kann es nicht als nachlässig angesehen werden, wenn die Partei in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert, nachdem sie oder ihr Prozessbevollmächtigter durch medizinische Recherchen zusätzliche Informationen beispielsweise über die Schädigungsmechanismen des kindlichen Gehirns erlangt hat. Denn auch der Arzt ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung spezielles medizinisches Fachwissen außerhalb seines Fachbereichs anzueignen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, juris Rn. 28).
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- 4. Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe wissen müssen, dass Prostaglandine das Risiko der Uterusruptur nennenswert erhöhen. Zwar hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige angegeben, diese Erkenntnisse seien bereits 2004 in der Presse gewesen. Das Landgericht und ihm folgend das Berufungsgericht haben insoweit allerdings gegen ihre Verpflichtung verstoßen, den ihnen zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (vgl. Senatsurteile vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02, VersR 2004, 790; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265, jeweils mwN). Der Sachverständige, Leiter des Perinatalzentrums der Universitätsklinik Bonn und damit eines Krankenhauses der Maximalversorgung, hat seine gutachterlichen Äußerungen zum Großteil mit Fundstellen belegt, die erst nach der streitgegenständlichen Geburt veröffentlicht wurden, so insbesondere mit der Leitlinie AWMF Schwangerschaftsbetreuung und Geburtseinleitung bei Zustand nach Kaiserschnitt von August 2010 Deutschland und der entsprechenden britischen Leitlinie von Februar 2007. Die einzig bereits existierende Leitlinie, auf die der Sachverständige seine Beurteilung stützen kann, ist die kanadische Leitlinie von Februar 2005. Ob ein deutscher Gynäkologe, der nicht in einem Zentrum der Maximalversorgung tätig ist, sondern nur über Belegbetten in einem Krankenhaus der Allgemeinversorgung verfügt, im Januar 2006 Kenntnis von der kanadischen Leitlinie haben musste, haben die Vorinstanzen mit dem Sachverständigen nicht erörtert (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 1991 - VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 306).
III.
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- Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben , sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu befassen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Galke Wellner Stöhr von Pentz Roloff
LG Mainz, Entscheidung vom 14.05.2013 - 2 O 1/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 25.06.2014 - 5 U 792/13 -
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Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
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einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.