Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2015 - VI ZR 332/14
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die am 21. Januar 2006 im Wege einer Notsectio geborene Klägerin nimmt den Beklagten zu 2 (nachfolgend: Beklagter) als geburtsleitenden Belegarzt in der Klinik der ehemaligen Beklagten zu 1 wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken einer eingeleiteten Vaginalgeburt nach bereits zuvor erfolgter Sectio auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Bei der Mutter der Klägerin war bereits im Jahre 2003 wegen eines vermuteten Missverhältnisses zwischen dem kindlichen Kopf und dem mütterlichen Becken eine elektive Sectio durchgeführt worden. Ende des Jahres 2005 wurde die Mutter der Klägerin von dem sie behandelnden Gynäkologen an den Beklagten zur Geburtsplanung überwiesen. Das entsprechende Gespräch mit der Mutter der Klägerin dokumentierte der Beklagte wie folgt: "Pat. kommt zur Geburtsplanung bei vorausgegangenem Kaiserschnitt, siehe Arztbrief in der PIA. Spontanpartus anstreben, Einleitung am Termin, dann nicht zu lange mit Sectio. Grav. Mens 7 bis 10". Am 21. Januar 2006 in der 40 + 1 SSW fand sich die Klägerin in dem von der ehemaligen Beklagten zu 1 betriebenen Klinikum zum Zwecke der Geburtseinleitung bei Gestationsdiabetes ein. Die Aufnahme erfolgte um 8.00 Uhr durch die ehemalige Beklagte zu 3, eine Hebamme. Um 8.40 Uhr erfolgte die Einleitung durch Verabreichung von 1 mmg Minprostien-Gel (Prostaglandin ) intravaginal. Um 14.55 Uhr verabreichte die ehemalige Beklagte zu 4, eine andere Hebamme, eine weitere Dosis Minprostien-Gel intravaginal. Um 17.57 Uhr zeigte das CT kindliche Herztöne von nur noch 90 Schlägen pro Minute. Diese erholten sich auf 115 Schläge pro Minute. Um 18.00 Uhr informierte die Beklagte zu 4 den Beklagten zu 2 und verabreichte der Mutter der Klägerin nach weiteren Abfällen der kindlichen Herztöne um 18.07 Uhr eine Bolusinjektion Partusisten zur Wehenhemmung. Sie informierte das Operationsteam über eine bevorstehende Sectio. Um 18.09 Uhr erreichte der Beklagte zu 2 den Kreissaal und ordnete nach einer Ultraschalluntersuchung um 18.18 Uhr eine Notsectio an. Um 18.26 Uhr wurde die Klägerin in "schwer deprimierten" Zustand entwickelt. Ihr Zustand wurde wie folgt beschrieben: "Stamm rosig, schwach, schwacher Puls, keine Eigenatmung". Die Klägerin wurde sofort reanimiert , intubiert und weiter behandelt. Um 18.46 Uhr erschienen die um 18.25 Uhr informierten Kinderärzte der Kinderklinik des Städtischen Klinikums W. . Um 19.20 Uhr wurde die Klägerin in die Kinderklinik verlegt. Ursache für die Geburtskomplikation war eine plötzlich aufgetretene Uterusruptur. Im OP- Bericht heißt es insoweit nach Eröffnen der Bauchhöhle: "Es quillt sofort Blut und Blutkoagel aus der Bauchhöhle. Nach Entfernen derselben zeigt sich eine Uterusruptur, aus der bereits die Plazenta hervorkommt. Das Kind ist nach kranial verdrängt".
- 2
- Die Klägerin hat behauptet, sie habe infolge der Uterusruptur schwere hirnorganische Schädigungen davon getragen. Sie leide unter erheblichen psychomotorischen Schädigungen, einer infantilen Cerebralparese und einer außergewöhnlich schweren Entwicklungsstörung. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; es hat angenommen, der Beklagte hafte wegen unzureichender Aufklärung über die mit einer eingeleiteten Vaginalgeburt nach zuvor erfolgter Sectio verbundenen Gefahren. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Leistungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus ihrer Geburt am 21. Januar 2006 zu ersetzen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
- 3
- Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts , die von der Klägerin erlittenen Gesundheitsschäden seien auf die Uterusruptur zurückzuführen, beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
- 4
- 1. Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des Landgerichts, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien auf die Uterusruptur zurückzuführen , gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe "den Einwand der fehlenden Kausalität" in erster Instanz nicht bzw. ohne jede Substanz erhoben. Die dazu nun erstmals unterbreiteten Behauptungen seien weitgehend spekulativ. Die vom Beklagten in der Berufungsbegründung geltend gemachte Schädigung der Klägerin vor der Geburt sei nicht substantiiert dargetan. Der sachkundige Beklagte habe nicht aufgezeigt, dass die festgestellten geringen chronischen Durchblutungsstörungen der Plazenta überhaupt die Folgen bei der Klägerin hätte nach sich ziehen können, ohne dass in der Geburtsüberwachung weitere Symptome zu Tage getreten wären. Auch hätte eine solche Annahme des Beklagten schon bei der Geburtsplanung eine andere Aufklärung, Befunderhebung und Behandlung nach sich ziehen müssen. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten für den Senat überzeugend begründet, dass der abrupte Sauerstoffmangel über eine halbe Stunde hinweg die heutigen Defizite der Klägerin erklären und die niedrigen Apgar-Werte und der "aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung nicht sicher feststellbare pH-Wert die Schädigung unter der Geburt" belegten. Dass Krampfanfälle zwingend gewesen seien und sich bei Untersuchungen hätten zeigen müssen, sei nicht zu ersehen. Zur Berücksichtigung des pH-Werts habe die Berufungserwiderung alles Erforderliche dargelegt. Der Beklagte habe letztlich nicht bestritten, dass sich mit der Uterusruptur ein Risiko der Vaginalgeburt realisiert habe und dieses konkret geeignet gewesen sei, den verursachten Schaden herbeizuführen. Den Gegenbeweis, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin in gleicher Weise im Zuge einer von Anfang an geplanten Resectio aufgetreten wären, hätte der Beklagte als Einwand eines hypothetischen Kausalverlaufs führen müssen. Hierzu fehle es sowohl an einem hinreichenden Sachvortrag, der dem fachkundigen Beklagten zuzumuten sei, als auch an entsprechenden Belegen. Hinzu komme, dass der Beklagte mit neuem Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen sei. Denn ihm als einschlägig gebildeten Facharzt kämen keine Darlegungserleichterungen zu. Der Einholung eines neonatologischen Gutachtens bedürfe es beim derzeitigen Verfahrensstand nicht.
- 5
- 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet mit Erfolg, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen hat, wonach die Klägerin entgegen der Annahme des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht keinen niedrigen pH-Wert aufgewiesen habe; ausweislich des Berichts der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Stadtkrankenhauses W. sei die Analyse des Nabel-pH-Wertes vielmehr nicht verwertbar gewesen. Durch die unterlassene Berücksichtigung dieses Vorbringens hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
- 6
- a) Der Sachverständige hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausgeführt: "Bei dem niedrigen Apgar-Wert und dem niedrigen pHWert ist eigentlich davon auszugehen, dass die wesentlichen Schädigungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt eingetreten waren". Auf diese Angaben hat das Landgericht seine Überzeugung gestützt, dass die Uterusruptur kausal für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin war. Das gegen diese Beurteilung gerichtete Vorbringen des Beklagten ist nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Die fehlende Verwertbarkeit des pH-Wertes ergab sich, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht hinweist, nicht nur aus dem bereits erstinstanzlich bei den Akten befindlichen Bericht der Klinik für Kinder - und Jugendmedizin des Stadtkrankenhauses W. , sondern auch aus den von den ehemaligen Beklagten zu 1 und 3 erstinstanzlich zu den Akten gereichten Behandlungsunterlagen. Danach war das Blut aus der Nabelschnurarterie zur Bestimmung des pH-Wertes erst eine Stunde nach der Geburt abgenommen und der festgestellte Wert von 6,61 als "wohl nicht aussagekräftig" bezeichnet worden. Diesen Gesichtspunkt hatte auch der Sachverständige im Rahmen der Auswertung der Behandlungsunterlagen auf S. 5 seines schriftlichen Gutachtens angeführt. Er hatte zusätzlich bemerkt, dass das Nabelblut erst um 19.20 Uhr entnommen worden sei, weil die ehemalige Beklagte zu 4 bei der Reanimation assistiert habe; das Blut sei größtenteils geronnen gewesen. Diese - ihm günstigen - Umstände hatte sich der Beklagte zumindest hilfsweise zu eigen gemacht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2010 - VI ZR 25/09, VersR 2011, 1158 Rn. 9; vom 24. März 2015 - VI ZR 179/13, juris Rn. 14, 17). Den Widerspruch zwischen den im Einklang mit den Behandlungsunterlagen stehenden Ausführungen des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach der pH-Wert der Klägerin niedrig gewesen sei, hätten sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht von Amts wegen erkennen und bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage berücksichtigen müssen. Denn der Tatrichter ist verpflichtet , den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (vgl. Senatsurteile vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02, VersR 2004, 790; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265, jeweils mwN).
- 7
- Dies gilt umso mehr, als das Landgericht die streitige Frage, ob die Uterusruptur kausal für die Gesundheitsschäden der Klägerin war, erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht thematisiert hat. Die Frage war nicht Gegenstand der Beweisbeschlüsse vom 26. Juli bzw. 6. September 2011 mit der Folge, dass sich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten mit ihr nicht befasst hatte.
- 8
- b) Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Die angefochtene Entscheidung wird nicht von der Hilfserwägung getragen, der Einwand des Beklagten träfe nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht insoweit eine von der Beurteilung des gerichtlich bestellten Sachverständigen abweichende, eigene medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens vorgenommen hat ohne aufzuzeigen, dass es über die erforderliche Sachkunde verfügt. Das Berufungsgericht hat die Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, die das Landgericht noch exakt übernommen hatte und wonach "angesichts des niedrigen Apgar-Wertes sowie des niedrigen pH-Wertes" davon auszugehen sei, dass die wesentlichen Schädigungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt eingetreten gewesen seien" dahingehend abgeändert, dass die niedrigen Apgar-Werte und "der aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung nicht sicher feststellbare pH-Wert" die Schädigung unter der Geburt belege. Woher das Berufungsgericht die Erkenntnis nimmt, dass der pH-Wert aufgrund fehlerhafter Sauerstoffversorgung nicht feststellbar gewesen sein soll und dies die Kausalität der Uterusruptur für die Schädigung belege, ist nicht erkennbar. Diese Beurteilung findet in den Ausführungen des Sachverständigen keine Grundlage.
- 9
- Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten nicht die erforderliche Überzeugung gebildet hätte, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auf die Uterusruptur zurückzuführen sind. Denn der Patient trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die er Ersatz verlangt, durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist und nicht auf eine andere Ursache zurückgeht. Eine Unterlassung ist für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (vgl. zur Beweislast für die Kausalität des ei- genmächtigen Eingriffs für die geltend gemachte Schadensfolge: Senatsurteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 63/11, BGHZ 192, 298 Rn. 10).
- 10
- 3. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet darüber hinaus mit Erfolg , dass das Berufungsgericht auch die weiteren vom Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände gegen die Beurteilung des Landgerichts , die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien auf die Uterusruptur zurückzuführen, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen hat.
- 11
- a) Das Vorbringen des Beklagten, wonach die Plazenta der Mutter der Klägerin geringe chronische Durchblutungsstörungen aufgewiesen habe und es deshalb bereits vor der Geburt zu einer Schädigung der Klägerin gekommen sei, ist nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Diesen Gesichtspunkt hatte der gerichtliche Sachverständige auf S. 6 seines schriftlichen Gutachtens in das Verfahren eingeführt. Da er dem Beklagten günstig ist, hatte er ihn sich zumindest hilfsweise zu Eigen gemacht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2010 - VI ZR 25/09, VersR 2011, 1158 Rn. 9; vom 24. März 2015 - VI ZR 179/13, juris Rn. 14, 17). Hinzu kommt, dass es sich bei den Fragen, ob eine Schädigung der Klägerin infolge der geringe chronische Durchblutungsstörungen aufweisenden Plazenta vor der Geburt oder möglicherweise angesichts des Ausbleibens cerebraler Krampfanfälle erst nach der Geburt eingetreten ist, um solche handelt, die nicht von einem gynäkologischen Sachverständigen, sondern einem neonatologischen Sachverständigen zu beurteilen sind. Dies hätte das erstinstanzliche Gericht bereits von Amts wegen beachten müssen. Der Umstand, dass die nicht beweisbelastete Partei erstinstanzlich den Hinweis darauf unterlassen hat, dass eine streitige Frage nicht von einem Sachverständigen aus dem einschlägigen Fachgebiet beantwortet worden ist, nimmt ihr nicht das Recht, diesen Rechtsfehler in der Berufungsinstanz zu beanstanden.
- 12
- b) Das Berufungsgericht hat dem Beklagten darüber hinaus rechtsfehlerhaft Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorgeworfen. Es hat zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozess gestellt. Das Berufungsgericht hat die Nachlässigkeit des Beklagten daraus abgeleitet, dass er sachkundig sei und es ihm deshalb zuzumuten sei, im Einzelnen aufzuzeigen, warum die Schädigung der Klägerin nicht auf die Uterusruptur zurückzuführen ist. Hierbei hat das Berufungsgericht übersehen, dass der Beklagte kein Neonatologe ist, der die Auswirkungen von chronischen Durchblutungsstörungen der Plazenta auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns bzw. das Auftreten cerebraler Krampfanfälle als Voraussetzung für die Annahme einer hypoxischen Hirnschädigung beurteilen kann. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Parteien im Arzthaftungsprozess nicht verpflichtet, ihre Einwendungen bereits in erster Instanz auf Privatgutachten oder sachverständigen Rat zu stützen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, juris Rn. 27). Bei dieser Sachlage kann es nicht als nachlässig angesehen werden, wenn die Partei in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert, nachdem sie oder ihr Prozessbevollmächtigter durch medizinische Recherchen zusätzliche Informationen beispielsweise über die Schädigungsmechanismen des kindlichen Gehirns erlangt hat. Denn auch der Arzt ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung spezielles medizinisches Fachwissen außerhalb seines Fachbereichs anzueignen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, juris Rn. 28).
- 13
- 4. Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe wissen müssen, dass Prostaglandine das Risiko der Uterusruptur nennenswert erhöhen. Zwar hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige angegeben, diese Erkenntnisse seien bereits 2004 in der Presse gewesen. Das Landgericht und ihm folgend das Berufungsgericht haben insoweit allerdings gegen ihre Verpflichtung verstoßen, den ihnen zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (vgl. Senatsurteile vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02, VersR 2004, 790; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265, jeweils mwN). Der Sachverständige, Leiter des Perinatalzentrums der Universitätsklinik Bonn und damit eines Krankenhauses der Maximalversorgung, hat seine gutachterlichen Äußerungen zum Großteil mit Fundstellen belegt, die erst nach der streitgegenständlichen Geburt veröffentlicht wurden, so insbesondere mit der Leitlinie AWMF Schwangerschaftsbetreuung und Geburtseinleitung bei Zustand nach Kaiserschnitt von August 2010 Deutschland und der entsprechenden britischen Leitlinie von Februar 2007. Die einzig bereits existierende Leitlinie, auf die der Sachverständige seine Beurteilung stützen kann, ist die kanadische Leitlinie von Februar 2005. Ob ein deutscher Gynäkologe, der nicht in einem Zentrum der Maximalversorgung tätig ist, sondern nur über Belegbetten in einem Krankenhaus der Allgemeinversorgung verfügt, im Januar 2006 Kenntnis von der kanadischen Leitlinie haben musste, haben die Vorinstanzen mit dem Sachverständigen nicht erörtert (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 1991 - VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 306).
III.
- 14
- Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben , sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu befassen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Galke Wellner Stöhr von Pentz Roloff
LG Mainz, Entscheidung vom 14.05.2013 - 2 O 1/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 25.06.2014 - 5 U 792/13 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses B. Schadensersatzansprüche geltend. Im Dezember 1998 stürzte die Klägerin und zog sich einen Speichenbruch mit Abriß des Griffelfortsatzes der Elle zu. Der erlittene Trümmerbruch mit einer hauptsächlich streckseitig gelegenen Trümmerzone wurde im Krankenhaus der Beklagten operativ eingerichtet. Anschließend wurde die Reponierung mit zwei durch die Haut eingebrachten Kirschner-Drähten und einer Gipsschiene stabilisiert. Nach Entfernung der Drähte Anfang Februar 1999 klagte die Klägerin über Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks und über einTaubheitsgefühl der Streckseite des rechten Daumens. Bei einer Untersuchung in der unfallchirurgischen Klinik R. wurde eine in Fehlstellung verheilte Radiusfraktur sowie eine Defektläsion des Daumenastes des Nervus radialis superficialis diagnostiziert. Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, die Ärzte des Krankenhauses B. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt. Die unzureichende Stabilisierung habe zu einer Verheilung in Fehlstellung geführt. Auf ihre starken postoperativen Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch die Verordnung von Schmerzmitteln reagiert worden. Dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck erforderlich gewesen. Bei Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Nervus radialis superficialis gekommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2004, 517 veröffentlicht ist, ist der Klage auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen der Erfolg zu versagen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine neue Feststellung gebieten würden, lägen nicht vor (§ 529 Abs. 1 ZPO).Soweit die Klägerin weiterhin Behandlungsfehler bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese rüge, bestehe keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der Sachverständige habe ausdrücklich hervorgehoben, die Einbringung der Drähte sei fehlerfrei erfolgt in Anwendung eines Verfahrens , welches dem Lehrbuchstandard entspreche und auch lehrbuchhaft durchgeführt worden sei. Die abweichende Auffassung der Klägerin, daß die Spickdrähte nicht korrekt angebracht worden seien, so daß eine ausreichende Stabilität nicht habe erzielt werden können, begründe keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Keine im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel bestünden auch, soweit die Klägerin es als behandlungsfehlerhaft ansehe, daß die Enden der Drähte unter der Haut versenkt worden seien. Auch hierzu habe der Sachverständige festgestellt, die Einbringung der beiden Bohrdrähte sei regelgerecht erfolgt. Es stehe auch nicht fest, daß die Nervverletzung vermeidbar fehlerhaft von den behandelnden Ärzten verursacht worden sei. Der Sachverständige habe dargelegt, trotz größtmöglicher Sorgfalt habe es zu einer Durchtrennung bzw. Quetschung von kleinen Hautnerven kommen können. Mit ihrem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Vorbringen, die Spickdrahtosteosynthese sei nicht die Methode der Wahl gewesen, könne die Klägerin ebensowenig durchdringen wie mit der gleichfalls neuen Behauptung, der Morbus Sudeck sei nicht adäquat bzw. überhaupt nicht behandelt worden. Auch bei der dargelegten Behandlungsalternative mit einem Fixateur externe handele es sich um eine Tatsachenbehauptung und nicht - wie die Klägerin meine - um die Darlegung eines von Amts wegen zu berücksichtigenden medizinischen Erfahrungssatzes. Beide Tatsachenbehauptungen fielen unter die Bestimmungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Sie stellten neue Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO dar und seien nicht zuzulassen, weil die Voraussetzun-
gen der hier nur in Betracht kommenden Bestimmungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht dargetan seien. Dem Landgericht sei kein Verfahrensfehler im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlaufen. Es sei auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu einer weiteren Sachaufklärung nicht gehalten gewesen. Die schriftliche Begutachtung sei eindeutig gewesen; die von der Klägerin erstinstanzlich für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung beantwortet. Sei das Vorbringen somit als neuer Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, scheide eine weitere Sachaufklärung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Der neue Sachvortrag könne aus Rechtsgründen auch nicht geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen; anderenfalls würden die Präklusionsregeln und das Reformziel, den Rechtsstreit möglichst im ersten Rechtszug umfassend aufzuklären, unterlaufen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Sie sei gehalten gewesen, jede in Betracht kommende Möglichkeit zu nutzen, Einwendungen gegen die in erster Instanz vorgelegte Begutachtung ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht vorgetragen , daß sie bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter sich nicht in gleicher Weise hätten informieren können wie der Prozeßbevollmächtigte in der zweiten Instanz. Fehl gehe auch der Vorwurf, der entstandene Morbus Sudeck sei nicht adäquat behandelt worden. Eine unzureichende Sudeck-Prophylaxe sei nicht erwiesen.
II.
Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil allerdings, soweit es keine Notwendigkeit für eine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese und bei der Prophylaxe für einen Morbus Sudeck sieht und diesbezüglich Behandlungsfehler auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen verneint. Die Revision macht hierzu nur geltend, das Berufungsgericht sei dem Einwand der Klägerin nicht nachgegangen, die Schädigung des Nervs bei Entfernung der Kirschner-Drähte wäre vermieden worden, wenn deren Enden nicht zuvor unter die Haut versenkt worden wären. Indessen hält die Auffassung des Berufungsgerichts , aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine neue Tatsachenfeststellung erforderten, in diesem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, jeweils vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs.14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 124). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen , die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall kann unter anderem die - hier von der Revisionsklägerin gerügte - Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). bb) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Notwendigkeit einer neuen Tatsachenfeststellung insoweit verneint, sind keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, daß der Sachverständige ausführlich dazu Stellung genommen hat, ob bei Durchführung der hier angewandten Spickdrahtosteosynthese Behandlungsfehler vorlagen, und er dies verneint hat, ausgeführt, daß es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen hat, die hinsichtlich dieses Komplexes eine erneute Feststellung geböten. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
b) Das Berufungsurteil hält auch dem Angriff der Revision stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer unterlassenen Behandlung des Morbus Sudeck als neues Vorbringen nicht zugelassen hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wurde zutreffend als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt nämlich der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin nicht die Frage ein, ob ein Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung des entstandenen Morbus Sudeck vorliegt. Der von ihr in Bezug genommene und aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtliche erstinstanzliche Vortrag der Klägerin befaßte sich nämlich allein mit dessen Prophylaxe und nicht mit einer angeblich unterlassenen Behandlung. Die Behauptungen , den Ausbruch einer Krankheit nicht verhindert und eine ausgebrochene Krankheit nicht behandelt zu haben, betreffen indes zwei unterschiedliche zeitliche Abschnitte des Behandlungsverlaufs. Mit dem zweitinstanzlich erhobenen Vorwurf wird die Behauptung fehlerhafter Prophylaxe demgemäß nicht lediglich konkretisiert, sondern der Angriff der Klägerin geändert. Das Berufungsgericht hat dieses neue Vorbringen auch zu Recht nicht zugelassen, weil nicht dargetan ist, daß die Klägerin es nicht bereits im ersten Rechtzug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Anders als bei einer vorzugswürdigen Behandlungsalternative (vgl. dazu unter 2.) geht es hier nämlich zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, auch diesen Abschnitt des gesamten Behandlungsverlaufs zur Überprüfung durch das Gericht zu stellen. Dazu waren keine medizinischen Fachkenntnisse erforderlich. Die Klägerin wußte vielmehr aus eigenem Erleben, ob eine Behandlung des Morbus Sudeck erfolgt war, und konnte die von ihr jetzt behauptete Unterlassung der Behandlung deshalb zum Gegenstand der gerichtlichen und sachverständigen Überprüfung machen, ohne auf vertiefte medizinische Kenntnisse angewiesen zu sein. Indem sie dies im ersten Rechtszug nicht getan hat, hat sie gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen.
2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO) und deshalb nicht zu Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelangt ist.
a) Das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits nicht als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. aa) Die Revision macht geltend, der Vortrag fehlerhafter Behandlung, insbesondere auch durch Erzielung einer unzureichenden Stabilität und Drehstabilität , schließe den Vorwurf mit ein, im Hinblick auf die ausgedehnte Trümmerzone sei seitens der Ärzte mit der Spickdrahtosteosynthe se eine Behandlungsmethode gewählt worden, die wesentlich weniger geeignet gewesen sei als eine Behandlung mittels eines Fixateur externe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich deshalb bereits in erster Instanz mit der Frage einer besser geeigneten Methode und damit einer Behandlungsalternative befassen müssen. Dem ist unter den Umständen des Streitfalls zuzustimmen. bb) Der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ist nach dem bisherigen Recht auszulegen (Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform , 2002, § 531 Rdn. 8). Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt also davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1991 - VIII ZR 129/90 - NJW-RR 1991, 1214, 1215 und vom 26. Juni 2003 - VII ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 531 Rdn. 12; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6). Zwar enthielt der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich den Vortrag einer besseren Behandlungsalternative durch einen Fixateur externe. Bei der Beurteilung, ob ein neuer Vortrag vorliegt, ist aber zu berücksichtigen , daß an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Die Partei darf sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752; vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168, 169 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - VersR 2003, 1541, 1542; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., E Rdn. 2). Der Vortrag, es habe eine bessere Behandlungsmethode , also eine echte und indizierte Behandlungsalternative gegeben, stellt im Streitfall unter Berücksichtigung dieser Darlegungserleichterungen im Arzthaftungsprozeß lediglich eine weitere Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens einer fehlerhaften Behandlung des Bruchs dar, der nicht ausreichend stabilisiert worden sei.
b) Im übrigen hätte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Behandlungsalternative selbst dann berücksichtigen müssen, wenn es - entgegen den obigen Darlegungen - neu gewesen wäre. Bei der Beurteilung, ob der Klägerin Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen ist, hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß gestellt.
Das Berufungsgericht hat das von ihm als neu angesehene Vorbringen nicht zugelassen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Das rügt die Revision mit Erfolg. Die in der Revisionsinstanz zulässige Prüfung, ob § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtig angewendet worden ist (vgl. Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 35 und § 530 Rdn. 34; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 22 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37), führt zu dem Ergebnis, daß die unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruhte. Jede Partei ist zwar grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139, 140 und OLGR Saarbrücken, 2003, 249, 250; KG, MDR 2003, 471, 472; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überspannt das Berufungsgericht indes die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht einer klagenden Partei im Arzthaftungsprozeß. Der oben dargelegte Grundsatz, daß in einem Arzthaftungsprozeß an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt nämlich auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendun-
gen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder - wie das Berufungsgericht meint - selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen , um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 und vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02 - VersR 2004, 83, 84). Das Gesetz zur Reform der Zivilprozeßordnung hat an diesen Grundsätzen nichts geändert, weil der dafür maßgebende Gesichtspunkt, die Waffengleichheit zwischen Arzt und Patienten zu gewährleisten, weiter gilt. Die Klägerin hat in erster Instanz das gerichtliche Gutachten nicht hingenommen , sondern mit substantiierten Ausführungen in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, wenn sie in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über die Behandlung eines Trümmerbruchs erlangte. Daß sich die Klägerin bereits erstinstanzlich durch zwei Fachärzte hat beraten lassen und hierbei möglicherweise nicht vollständig informiert wurde, geht nicht zu ihren Lasten. Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet , sich zur ordnungsgemäßen Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Im konkreten Fall hätte überdies auch für das erstinstanzliche Gericht Veranlassung bestanden, den Sachverständigen nach einer Behandlungsalternative zu befragen, nachdem dieser ausgeführt hatte, nach Angaben in der Fachliteratur komme es erfahrungsgemäß bei dem angewandten Spickdrahtosteosyntheseverfahren bei einem Bruch wie dem vorliegenden in etwa 20 % der Fälle zu einem Korrekturverlust. Unter diesen Umständen war mit dem
Sachverständigen zu erörtern, wie die Praxis dieses beträchtliche Risiko zu vermeiden oder zu verringern suchte.
c) Bei der mithin gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Behandlungsalternative mußten sich für das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Hier hat die Klägerin nämlich nach den von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten durchgeführten Recherchen in der Berufungsbegründung ausführlich und substantiiert vorgetragen und durch Nachweise aus der medizinischen Fachliteratur belegt, daß ihrer Ansicht nach eine vorzugswürdige Behandlungsmethode hätte angewendet werden müssen.
III.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zum Bestehen einer Behandlungsalternative aufdie Beurteilung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der gebotenen Feststellungen zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr