Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08

bei uns veröffentlicht am12.05.2009
vorgehend
Landgericht Bonn, 15 O 467/07, 02.05.2008
Oberlandesgericht Köln, 6 U 104/08, 26.09.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 275/08
vom
12. Mai 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Sachverständiger, ohne dass er vorher ein den Parteien zur kritischen Würdigung
zugängliches schriftliches Gutachten erstattet hat, in der mündlichen Verhandlung
zu schwierigen Sachfragen ausführlich gehört, muss jeder Partei Gelegenheit
gegeben werden, nach Vorliegen des Protokolls über die Beweisaufnahme zum
Beweisergebnis Stellung zu nehmen. Gibt die Stellungnahme Anlass zur weiteren
tatsächlichen Aufklärung, ist die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08 - OLG Köln
LG Bonn
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Mai 2009 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und die Richterin von
Pentz

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: 184.179,95 €

Gründe:

1
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 29. April 2008 nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt und rechtsfehlerhaft von einer ergänzenden Begutachtung oder Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen abgesehen hat.
2
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 35; 60, 247, 249; NJW 2003, 1655; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03 - VersR 2007, 666; vom 12. Dezember 2007 - IV ZR 178/06 - VersR 2008, 483).
3
b) So verhält es sich im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet mit Erfolg, dass das Berufungsgericht von einer ergänzenden Begutachtung oder Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen abgesehen hat, obwohl der Kläger im Schriftsatz vom 29. April 2008 sowohl die Berechnungen des Sachverständigen konkret in Frage gestellt als auch einen Widerspruch zwischen den Ausführungen des Sachverständigen und den vor Ort getroffenen Feststellungen der Polizei aufgezeigt hat.
4
aa) Der Sachverständige, der zuvor kein den Parteien zur kritischen Würdigung zugängliches schriftliches Gutachten erstattet hatte, hat im Rahmen seiner erstmaligen Beurteilung des Unfallhergangs in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 3. April 2008 ausgeführt, es müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte zu 1 nach vorne bzw. nach vorne rechts orientiert und damit gerechnet habe, den Überweg problemlos passieren zu können. Gehe man davon aus, dass der Kläger sein Fahrrad überbremst habe, was aus sachverständiger Sicht nachvollziehbar sei, sei er innerhalb bzw. un- terhalb der Reaktionsdauer des Beklagten zu 1 in dessen Fahrbahn gelangt, so dass dieser keine Unfall vermeidende Reaktion mehr habe einleiten können. Der Sachverständige hat seiner Beurteilung des Unfallhergangs "nachvollziehbare Geschwindigkeiten von ca. 50 km/h im Kollisionsmoment" sowie zwei alternative Berechnungen zugrunde gelegt, in denen er von Geschwindigkeiten des Beklagten zu 1 von 48,5 bzw. 50,17 km/h ausgegangen ist. Mit diesen Ausführungen und Berechnungen wurden die Parteien erstmals in der mündlichen Verhandlung konfrontiert, weshalb der Kläger ein Schriftsatzrecht zur Stellungnahme zum Beweisergebnis beantragt und erhalten hat.
5
bb) Im daraufhin eingereichten Schriftsatz vom 29. April 2008 hat der Kläger mit näherer Begründung geltend gemacht, dass sich - ausgehend von der von der Polizei festgestellten Endstellung des Fahrzeugs des Beklagten zu 1, die laut Unfallskizze im Polizeibericht 25 m hinter der Fixpunktlinie in Höhe des Ampelmastes liege, und des vom Sachverständigen in seiner ersten Berechnung (Geschwindigkeit von 48,5 km/h) ermittelten Anhaltewegs des Beklagten zu 1 von 30,07 m - der Reaktionspunkt des Beklagten zu 1 mindestens 5 m vor der Fixpunktlinie und damit mindestens 6 m vor dem Radweg befinde. Dies bedeute, dass der Beklagte zu 1 deutlich vor dem Ampelmast und erst recht vor dem Radweg reagiert habe und er den Kläger entgegen der Annahme des Sachverständigen vor der Kollision gesehen haben müsse. Der Beklagte zu 1 habe den Unfall deshalb durch ein Ausweichlenkmanöver nach rechts vermeiden können. Darüber hinaus hat der Kläger im Schriftsatz vom 29. April 2008 die vom Sachverständigen seinen Berechnungen zugrunde gelegte Reaktionsdauer des Beklagten zu 1 und die Bremsverzögerung konkret in Frage gestellt und zum Ausdruck gebracht, dass der vom Sachverständigen ermittelte Anhalteweg von 30,07 m der Mindestanhalteweg sei. Er hat insbesondere beanstandet , dass nicht ermittelt worden sei, ob der Anhänger des Beklagten zu 1 beladen gewesen sei, was er behaupte, und darauf hingewiesen, dass sich der Anhalteweg in diesem Fall verlängere.
6
cc) Zu diesen Einwendungen gegen das Gutachten, die nicht von vornherein abwegig erscheinen, hat der Sachverständige bisher weder schriftlich noch mündlich Stellung genommen. Hat der Beklagte zu 1 aber tatsächlich bereits einige Meter vor Erreichen des Radwegs gebremst, erscheint die Annahme des Sachverständigen, der Kläger sei innerhalb bzw. unterhalb der Reaktionsdauer des Beklagten zu 1 in dessen Fahrbahn gelangt, so dass dieser keine Unfall vermeidende Reaktion mehr habe einleiten können, zweifelhaft.
7
Über diese Zweifel durfte sich das Landgericht nicht mit der Begründung hinwegsetzen, den Ausführungen des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Kläger den Nachweis nicht erbracht habe, dass er selbst im Zeitpunkt der Kollision hinter dem Ampelmast auf seinem Fahrrad sitzend gestanden habe. Denn abgesehen davon, dass das Landgericht insoweit die Beweislast verkannt hat - der unstreitig beim Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zu 1 verletzte Kläger muss nicht beweisen, dass er den Unfall nicht mit verursacht hat, - hat das Landgericht insoweit verfahrensfehlerhaft eine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen. Denn die Einholung des Sachverständigengutachtens diente gerade der Aufklärung des streitigen Unfallhergangs und damit der Frage, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt hinter dem Ampelmast auf seinem Fahrrad saß und auf Grünlicht wartete. Soweit das Landgericht die Einwendungen des Klägers im Schriftsatz vom 29. April 2008 deshalb für unerheblich gehalten hat, weil die vom Beklagten zu 1 gefahrene Geschwindigkeit nicht feststehe, setzt es sich in unzulässiger Weise über den von ihm selbst erkannten Umstand hinweg, dass der Sachverständige die vom Kläger in seinen Berechnungen angenommene Geschwindigkeit zur Grundlage seiner Beurteilung gemacht hatte (vgl. die vom Sachverständigen erstellte erste Berechnung). Abgesehen davon hat das Landgericht mit dieser Begründung die konkreten Einwendungen des Klägers gegen die Berechnungen des Sachverständigen, insbesondere gegen die von ihm angenommene Bremsverzögerung übergangen. Soweit das Landgericht ausführt, der Beklagte zu 1 habe den Unfall auch dann nicht vermeiden können, wenn er mit der vom Sachverständigen in den Berechnungen angenommenen Geschwindigkeit von 48,17 km/h gefahren wäre, nimmt es in unzulässiger Weise eine Sachkunde in Anspruch, die es nicht ausgewiesen hat und für die es keine Anhaltspunkte gibt.
8
dd) Unter diesen Umständen bedurfte es einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes. Das Landgericht hätte die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen, um eine ordnungsgemäße Befassung mit den Einwendungen des Klägers im Schriftsatz vom 29. April 2008 zu ermöglichen, und diese dem gerichtlichen Sachverständigen zur Stellungnahme zuleiten müssen. Denn wenn, wie im Streitfall, ein Sachverständiger, ohne dass er vorher ein den Parteien zur kritischen Würdigung zugängliches schriftliches Gutachten erstattet hat, in der mündlichen Verhandlung zu schwierigen Sachfragen ausführlich gehört wird, muss jede Partei, soll ihr das rechtliche Gehör nicht verkürzt werden, Gelegenheit erhalten, sich nach Vorliegen des Protokolls über die Beweisaufnahme gegebenenfalls anderweitig sachverständig beraten zu lassen und zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 1982 - VI ZR 41/81 - VersR 1982, 371; Senatsurteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 95/85 - VersR 1986, 1079 f.; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl. § 411 Rn. 2; Saenger/ Eichele, ZPO, 2. Aufl., § 411 Rn. 6).
9
ee) Da das Verfahren in erster Instanz verfahrensfehlerhaft war, war das Berufungsgericht an die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Es durfte die aufgrund des Gutachtens ge- troffenen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen, sondern hätte seinerseits eine ergänzende Begutachtung veranlassen oder jedenfalls den gerichtlichen Sachverständigen laden müssen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Kläger in seiner Berufungsbegründung die in der unterlassenen Befragung des Sachverständigen liegende Verletzung seines rechtlichen Gehörs ausdrücklich gerügt und eine weitergehende Aufklärung beantragt hat. Von einer solchen durfte das Berufungsgericht insbesondere nicht mit der Begründung absehen, die vom Kläger im Schriftsatz vom 29. April 2008 angestellten Kalkulationen litten daran, dass die vom Beklagten zu 1 gefahrene Geschwindigkeit nicht bekannt sei, und nach den Berechnungen des Sachverständigen habe dieser schon dann keine Möglichkeit mehr zu reagieren gehabt, wenn er mit 50,17 km/h gefahren sei. Denn mit dieser Begründung hat sich das Berufungsgericht zum einen unzulässigerweise über den Umstand hinweggesetzt , dass der Kläger in seinen Kalkulationen gerade von einer Geschwindigkeit ausgegangen ist, die der Sachverständige seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat (vgl. die vom Sachverständigen erstellte erste Berechnung). Darüber hinaus hat das Berufungsgericht mit dieser Begründung die Einwendungen des Klägers gegen die Berechnungen des Sachverständigen, insbesondere gegen die zugrunde gelegte Reaktionszeit und die Bremsverzögerung, übergangen. Soweit das Berufungsgericht ausführt, dass sich aus dem Umstand, dass der Zeuge R. noch rechtzeitig habe bremsen können und nicht ebenfalls den Kläger überrollt habe, nicht der Schluss ziehen lasse, der Beklagte zu 1 habe den Kläger so rechtzeitig gesehen und ein Bremsmanöver eingeleitet, dass ein Verhindern des Unfalles durch Ausweichen noch möglich gewesen wäre, reduziert es den Klägervortrag unzulässigerweise auf einen Teilaspekt und nimmt im Übrigen eine Sachkunde für sich in Anspruch die es nicht ausgewiesen hat und für die es keine Anhaltspunkte gibt.
10
ff) Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Aufklärung des Sachverhaltes zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre.
11
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
12
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen seines Urteils, auf die das Berufungsgericht in vollem Umfang zustimmend Bezug genommen hat, setzt eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG nicht voraus , dass sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat (vgl. Senatsurteil vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - VersR 2005, 992, 993, m.w.N.). Vielmehr genügt es, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06 - VersR 2008, 656; vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - aaO, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall, in dem der Kläger von dem am Fahrzeug des Beklagten zu 1 angebrachten Anhänger überfahren wurde, zweifellos erfüllt. Die grundsätzlich gegebene Haftung des Halters aus § 7 Abs. 1 StVG gegenüber dem nicht ebenfalls aus Gefährdungshaftung haftenden Geschädigten ist gemäß den §§ 9 StVG, 254 BGB nur dann eingeschränkt bzw. ausgeschlossen, wenn und soweit der Geschädigte den Unfall nachweislich mit verursacht hat. Die Beweislast für den dem Ge- schädigten anzulastenden Verursachungsbeitrag trägt dabei der Halter (vgl. Senatsurteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 - VersR 1995, 357, 358; BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 116/06 - VersR 2007, 1224, 1225). Müller Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 02.05.2008 - 15 O 467/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 26.09.2008 - 6 U 104/08 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 7 Haftung des Halters, Schwarzfahrt


(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. (2) D

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 9 Mitverschulden


Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 173/03
vom
7. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hängt die Frage, ob der Mandant durch fehlerhafte Beratung einen Schaden erlitten
hat, allein davon ab, wie sich ein Dritter bei richtiger Beratung verhalten hätte, so verletzt
der Richter das Grundrecht auf rechtliches Gehör, wenn er den als Zeugen benannten
Dritten nicht vernimmt, obwohl keine anderen gleichwertigen Beweismittel
zur Verfügung stehen.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin
Lohmann
am 7. Dezember 2006

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2003 zugelassen.
Auf die Revision des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Der Wert für das Revisionsverfahren wird auf 29.561,96 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger verlangt von dem beklagten Lohnsteuerhilfeverein, dem er als Mitglied angehörte, wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Errichtung eines Eigenheims Schadensersatz für den versagten Fördergrund- betrag und die Kinderzulage nach dem Eigenheimzulagegesetz sowie für die bis Ende 1998 gewährte, ihm ebenfalls versagte Vorkostenpauschale nach dem Einkommensteuergesetz.
2
Der Kläger ließ sich im März 1999 wegen eines Übergabevertrages mit seinen Eltern darüber beraten, ob nach dem vorgelegten Vertragsentwurf für ihn die öffentliche Förderung des Eigenheimbaus möglich sei. Der Beklagte erhob gegen die Förderfähigkeit im Hinblick auf den beabsichtigten Inhalt des Übergabevertrages keine Bedenken; der Vertrag wurde am 23. April 1999 in dieser Fassung beurkundet. In dem Übergabevertrag verpflichteten sich die Eltern des Klägers, diesem den Teil eines Grundstücks zuzuwenden und ihm einen Betrag von 100.000 DM zur Begleichung der Kosten des Bauvorhabens auf der übertragenen Fläche zu zahlen, und zwar dergestalt, dass sie die Rechnungen, die dieses Bauvorhaben betrafen, bis zu einem Betrag von 100.000 DM beglichen. Die Förderfähigkeit der hierdurch abgedeckten Baukosten wurde später von der Finanzverwaltung verneint, weil es sich um eine mittelbare Grundstücksschenkung gehandelt habe.
3
Der Kläger hat unter Benennung seiner Eltern als Zeugen behauptet, er würde die Summe von 100.000 DM auch zur freien Verfügung geschenkt erhalten haben, wenn seine Eltern von ihm nach richtiger Beratung über die Förderschädlichkeit der Zweckbindung hätten aufgeklärt werden können. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestritten und behauptet, den Eltern des Klägers sei es gerade auf die beurkundete Form der Schenkung angekommen. Sie würden ihren Willen infolge dessen auch dann nicht geändert haben, wenn ihnen der Nachteil für den Kläger hinsichtlich der öffentlichen Förderung des Eigenheimbaus bekannt gewesen wäre. Hierfür hat sich der Beklagte gegenbeweislich gleichfalls auf die Eltern des Klägers, in zweiter Instanz auch auf den beurkundenden Notar als Zeugen berufen.
4
Das Landgericht hat über den Schadensersatzanspruch Grundurteil erlassen , ohne die benannten Zeugen zu vernehmen. Das Oberlandesgericht hat dieses Grundurteil gleichfalls ohne Beweisaufnahme bestätigt. Das rügt die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten als Verletzung des rechtlichen Gehörs.

II.


5
Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Das angefochtene Urteil ist daher nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
6
1. Die Klage ist dem Grunde nach schlüssig. Der Bundesfinanzhof hat zwar erst im Jahre 2005 entschieden, dass kein Anspruch auf Eigenheimzulage besteht, wenn die Wohnung in mittelbarer Weise geschenkt worden ist (BFH/NV 2005, 1764; 2006, 260). Er hat damit jedoch nur seine Rechtsprechung zu dem älteren Sonderausgabenabzug gemäß § 10e EStG fortgeführt, der nach dem 31. Dezember 1995 durch das Zulagesystem ersetzt worden ist. Mit diesem Risiko musste der Beklagte rechnen und den Kläger entsprechend belehren.
7
Zu § 10e EStG war spätestens durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Juni 1994 (BFHE 175, 76 = BStBl. II 1994, 779) geklärt, dass der Beschenkte nicht berechtigt ist, einen Abzugsbetrag in Anspruch zu nehmen, soweit der Schenker die Kosten für das Eigenheim des Beschenkten bezahlte. Von dieser Entscheidung musste der Beklagte im März 1999 bei der Beratung des Klägers ebenfalls ausgehen.
8
Zu Unrecht hat der Kläger zwar den Abzugsbetrag gemäß § 10i Abs. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 29 EStG (Vorkostenpauschale) wie einen Steuerabzug zu 100 v.H. geltend gemacht. Dieser Schlüssigkeitsmangel wirkt sich aber erst im Betragsverfahren aus.
9
Die 2. Nichtberücksichtigung eines erheblichen Sachvortrags und Beweisangebots verstößt auch dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn der Tatrichter dieses Vorbringen - hier des Beklagten - zwar zur Kenntnis genommen hat, das Unterlassen der danach gebotenen Beweisaufnahme aber im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655; vgl. auch BGH, Beschl. v. 31. August 2005 - XII ZR 63/03, BGH-Report 2005, 1616). Das Berufungsgericht hat bei Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität wie schon das Landgericht die ihm nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO gezogenen Grenzen seines Aufklärungsermessens überschritten, indem es dem streitigen Vortrag des Klägers gefolgt ist, ohne die beiderseits angebotenen Zeugen zu hören.
10
Das Bestreiten des Beklagten wendet sich gegen eine zentrale Haupttatsache des Klägervorbringens. Kann der Kläger nicht beweisen, dass der Übergabevertrag mit seinen Eltern bei richtiger Belehrung durch den Beklagten auf seinen Wunsch hin in einer für den Eigenheimbau förderfähigen Weise gestaltet worden wäre, ist seine Schadensersatzklage unbegründet. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf auch im Rahmen von § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (BGH, Vers.Urt. v. 19. März 2002 - XI ZR 183/01, WM 2002, 1004, 1005 unter II. 3. c). Die Vorschrift des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO rechtfertigt es nicht, in einer für die Streitentscheidung zentralen Frage auf die nach Sachlage unerlässlichen Erkenntnisse zu verzichten (BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02, NJW 2006, 615, 616 f bei Rn. 28). Hiervon ist auch das Urteil des Senats vom 16. Oktober 2003 (IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474 unter IV. 1.) ausgegangen , wenn es für das hypothetische Verhalten des Mandanten bei fehlerhafter Steuerberatung auf die Parteivernehmung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO verwiesen hat. Nur eine freie richterliche Würdigung des Sachvortrages ohne Beweiserhebung genügt danach in einem solchen Fall nicht.
11
Im Streitfall ging es entscheidend um das Verhalten der Eltern des Klägers , hätten sie durch ihn nach richtiger Belehrung des Beklagten rechtzeitig von dem Fördernachteil der beabsichtigten Zweckschenkung im Vergleich zu einer Geldschenkung zur freien Verfügung erfahren. Hierüber kann unmittelbar durch die beiderseits als Zeugen benannten Eltern des Klägers Aufschluss erlangt werden. Auch der als Gegenzeuge benannte Urkundsnotar kann unter Umständen aussagen, ob die Eltern des Klägers auf die beurkundete Zweckschenkung festgelegt waren, so dass sie hiervon auch in Kenntnis des Fördernachteils für den Kläger nicht abgewichen wären. Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht von der Vernehmung dieser Zeugen absehen, weil es das Bestreiten des Beklagten als spekulativ und die Darstellung des Klägers als wahrscheinlich erachtete.
12
Im Übrigen hat das Berufungsgericht hier auch den Parteivortrag anscheinend nicht richtig erfasst, weil es die Bestellung eines Wohnrechts für die Eltern des Klägers unrichtig mit dem Wohngebäude in Verbindung bringt, welches der Kläger errichtet hat. Nach § 3 Nr. 1 des Übergabevertrages sollte dieses Recht nur an dem einer Schwester des Klägers geschenkten Grundstücksteil vorbehalten sein, die Grundstückshälfte des Klägers nach der noch notwendigen Teilung also nicht belasten.
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 05.04.2001 - 13 O 236/00 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 04.07.2003 - 24 U 143/01 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 178/06
vom
12. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 12. Dezember 2007

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 2006 zugelassen.
Das vorgenannte Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 43.869,24 €

Gründe:


1
Dem Rechtsmittel des Klägers war nach § 544 Abs. 7 ZPO stattzugeben , weil das Berufungsgericht sich aufdrängende - und vom Kläger aufgezeigte - Aufklärungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft und damit das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.
2
1. Nachdem er sich bei einem Sturz am 17. Oktober 2000 Verletzungen des linken Arms und der linken Schulter zugezogen hatte, die zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen geführt haben, fordert der Kläger von seinem beklagten Unfallversicherer Invaliditätsleistungen. Dazu stützt er sich mit der Behauptung, sein linkes Schultergelenk sei komplett versteift, auf die Gliedertaxe in Nr. 2.1.2.2.1 der Versicherungsbedingungen (HM-AUB 2000), wonach bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit des Armes im Schultergelenk ausschließlich ein Invaliditätsgrad von 70% zugrunde zu legen ist. Die Beklagte hat vorgerichtlich Invaliditätsleistungen unter Zugrundelegung einer Gesamtinvalidität von lediglich 40% (das entspricht 4/7 Armwert) erbracht.
3
2. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines medizinischen Gutachtens abgewiesen, weil der Sachverständige eine volle Funktionsuntauglichkeit des Armes im linken Schultergelenk nicht bestätigt habe und selbst bei einer unterstellten vollständigen Versteifung des linken Schultergelenks die jedenfalls noch teilweise erhaltene Funktionsfähigkeit des linken Armes zu keinem höheren Invaliditätsgrad als 4/7 Armwert führe. Der Kläger könne noch den Unterarm drehen und seine Hand zum Teil einsetzen.
4
Das 3. Berufungsgericht hat im Ansatz zutreffend erkannt, dass nach der Rechtsprechung des Senats zur Auslegung der Gliedertaxe bereits eine vollständige Funktionsuntauglichkeit des linken Schultergelenks des Klägers ohne Rücksicht auf eine möglicherweise erhaltene teilweise Gebrauchsfähigkeit des Unterarmes oder der Hand eine Gesamtinvalidität von 70% ergäbe (Senatsurteil vom 24. Mai 2005 - IV ZR 203/03 - VersR 2006, 1117 unter II; vgl. auch Senatsurteile vom 17. Januar 2001 - IV ZR 32/00 - VersR 2001, 360 "Fuß im Fußgelenk" und 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - VersR 2003, 1163 "Hand im Handgelenk" unter II 2). Dennoch hat es die Berufung des Klägers ohne weitere Beweisaufnahme zurückgewiesen, weil es weder dem in erster Instanz bestellten Sachverständigen noch dem von der Beklagten vorgerichtlich eingeschalteten medizinischen Gutachter möglich gewesen sei, zuverlässige Feststellungen zum Grad der Beeinträchtigung des Schultergelenks zu treffen. Ausreichende objektivierbare Befunde hätten sich nicht erheben lassen; ob der Kläger die von ihm behaupteten Schmerzen wirklich empfinde oder aggraviere, sei ungeklärt. Verschiedene Umstände gäben insoweit Anlass zu Zweifeln.
5
Das 4. Vorgehen des Berufungsgerichts verletzt das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör, weil weder seinem Antrag auf eine weitergehende Begutachtung unter den geänderten rechtlichen Prämissen stattgegeben worden ist, noch das Berufungsgericht den Sachverständigen von Amts wegen zur Erläuterung seines Gutachtens angehört hat.
6
a) Der bereits in erster Instanz gerichtlich bestellte Sachverständige hat - insoweit in Übereinstimmung mit dem vorgerichtlich von der Beklagten eingeschalteten Gutachter - aufgrund klinisch erhobener Befunde zunächst Bewegungseinschränkungen der linken Schulter des Klägers ermittelt, die einer vollständigen Einsteifung praktisch gleichkommen. Andererseits hat der Sachverständige zugleich Bedenken gegen die vom Kläger behauptete weitgehende Unbeweglichkeit des Schultergelenks geäußert und seine Zweifel auf das Fehlen auffälliger, etwa entzündlicher Hautveränderungen im Schulterbereich, das Fehlen einer ausreichend signifikanten Muskelminderung im linken Arm und den Entwicklungsstand des Kalksalzgehalts der knöchernen Strukturen des linken Arms im Vergleich zum rechten Arm gestützt.

7
Im Weiteren hat der Sachverständige in Unkenntnis der oben genannten , teilweise erst nach Erstellung des schriftlichen Gutachtens ergangenen Senatsentscheidungen die Auffassung vertreten, bei der Einstufung der Invalidität des Klägers sei auch auf die verbleibenden Restfunktionen des linken Armes abzustellen. Ausgehend davon hat er die genannten Bedenken gegen den klinischen Befund nicht weiterverfolgt, sondern diesen stattdessen als zutreffend unterstellt, weil auch bei vollständiger Versteifung der Schulter mit Blick auf die verbliebene Teilfunktionsfähigkeit des linken Armes insgesamt nur eine mit 4/7 des Armwertes zu bemessende Funktionsbeeinträchtigung vorliege, die dem von der Beklagten schon vorgerichtlich zugestandenen Invaliditätsgrad von 40% entspreche.
8
b) Für das Berufungsgericht kam es demgegenüber aufgrund des zutreffenden Verständnisses der Gliedertaxe gerade darauf an, ob die durch den klinischen Befund des Sachverständigen festgestellte Bewegungseinschränkung der linken Schulter des Klägers vorliegt. Es hätte deshalb, nachdem der Sachverständige dieser Frage bislang eine untergeordnete Bedeutung beigemessen hatte, weiter aufklären müssen, welches Gewicht der Sachverständige seinen Bedenken gegen den klinischen Befund beimaß und ob er sie letztlich für durchgreifend erachtete. Anlass zur Nachfrage bestand auch deshalb, weil dem bisherigen Gutachten nicht mit Sicherheit zu entnehmen war, inwieweit die Bedenken des Sachverständigen auch von der Annahme getragen waren, dass der Kläger jedenfalls im Bereich des linken Unterarmes und der linken Hand Anzeichen (geringe Muskelverschmächtigung, Kalksalzgehalt der knöchernen Strukturen) einer fortdauernden, jedenfalls teilweisen Funktionsfähigkeit aufwies.

9
Insoweit war das bisherige Gutachten, welches die fallentscheidende Frage gerade offen gelassen hatte, ohne weitere Aufklärungsbemühungen des Gerichts nicht mehr verwertbar. Andererseits konnte angesichts des dem Gutachten zugrunde gelegten klinischen Befundes noch nicht ausreichend sicher ausgeschlossen werden, dass dem Kläger der ihm obliegende Beweis eines Invaliditätsgrades von 70% gelingen könne. Das Berufungsgericht hätte - nachdem der Kläger eine neue Begutachtung beantragt hatte - zumindest den bisherigen Sachverständigen anhören müssen, damit er seine Bedenken gegen den eigenen klinischen Befund, auf die es nunmehr entscheidend ankam, erläutern konnte.
Terno Dr. Schlichting Wendt Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.07.2005 - 11 O 566/02 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.06.2006 - I-4 U 163/05 -

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 168/04 Verkündet am:
26. April 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Schaden ist "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich von
einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben. Demgemäß kann
selbst ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehroder
Ausweichreaktion dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das
diese Reaktion ausgelöst hat.
BGH, Urteil vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - AG Berlin-Mitte
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 52. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 3. Mai 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Unfall in einer Tiefgarage geltend. Er und der Beklagte zu 1 besitzen dort jeweils einen Stellplatz. Der von dem Beklagten zu 1 gemietete Stellplatz befindet sich direkt rechts hinter der Ein- bzw. Ausfahrtsrampe zur Tiefgarage. Er muß auf der Rampe nach links ausholen, um dann rechtwinklig nach rechts in seine Parkbox einfahren zu können. Am 8. Januar 2003 fuhr der Beklagte zu 1 mit seinem VW-Bus die Abfahrt zu der Tiefgarage herunter. Der Kläger wollte diese mit seinem Fahrzeug verlassen und kam dem Beklagten zu 1 entgegengefahren. Als die Fahrzeuge
noch drei bis fünf Meter voneinander entfernt waren, lenkte er plötzlich nach rechts und sein PKW kollidierte mit der Wand der Tiefgarage. Die Ursache dieses Manövers ist zwischen den Parteien streitig. Nach der Darstellung des Klägers ist der Beklagte zu 1 plötzlich über die Trennlinie der beiden jeweils 2,90 m breiten Fahrspuren der Ab- bzw. Auffahrt gefahren, so daß er selbst nach rechts ausgewichen und deshalb an die Wand gefahren sei. Nach der Darstellung der Beklagten hat der Beklagte zu 1 lediglich einen kleinen Schlenker innerhalb seiner eigenen Fahrspur nach links gemacht, jedoch sofort nach rechts zurückgelenkt, nachdem er das klägerische Fahrzeug gesehen habe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten aus §§ 7, 17 StVG, § 3 PflVG, § 823 BGB verneint. Der Kläger habe weder den Beweis führen können , daß ein Fahrfehler des Beklagten zu 1 kausal für sein Ausweichen gegen die Garagenwand gewesen sei noch folge eine Haftung der Beklagten unter Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhaltes aus der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs. Auch wenn man davon ausgehe, daß der Beklagte zu 1 auf seiner Fahrspur zunächst nur einen kleinen Schlenker nach links gefahren sei, ohne die
Mittellinie zu überfahren, und danach sofort wieder auf die rechte Seite seiner Fahrspur zurückgelenkt habe, habe sich nicht die typische Betriebsgefahr seines Fahrzeugs verwirklicht. Den Beklagten sei nicht zuzurechnen, daß der Kläger beim Anblick des VW-Busses seinen eigenen PKW gegen die Wand der Tiefgarage gelenkt habe. Seine Ausweichlenkung sei als gravierender Fahrfehler infolge einer ungerechtfertigten Panikreaktion zu werten. Eine solche gänzlich überzogene Reaktion sei dem anderen Verkehrsteilnehmer nicht mehr nach § 7 StVG zuzurechnen. Bei wertender Betrachtung fehle es an einer "subjektiv vertretbaren Ausweichlenkung aufgrund der konkreten Verkehrssituation". Für eine Zurechnung sei jedoch mindestens erforderlich, daß der geschädigte Kraftfahrzeugführer objektiv nachvollziehbar von einer Gefährdung durch das entgegenkommende Fahrzeug ausgehen durfte. Daran fehle es hier.

II.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfaßt daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflußten Schadensabläufe. Es genügt, daß sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 105, 65, 66; 107, 359, 366; 115, 84, 86 und vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04 – VersR 2005, 566, 567). Ob dies der Fall ist, muß mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 71, 212, 214; 115,
aaO und vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04 - aaO). An diesem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (vgl. Senatsurteile BGHZ 79, 259, 263; 107, 359, 367; 115, 84, 86 f.). Für eine Zurechnung zur Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, daß der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. Senatsurteile BGHZ 37, 311, 317 f.; 58, 162, 165; vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71 - VersR 1972, 1074 f.; vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 - VersR 1973, 83 f. und vom 10. Februar 2004 – VI ZR 218/03 - VersR 2004, 529, 531). Hiernach rechtfertigt die Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle allein zwar noch nicht die Annahme, der Unfall sei bei dem Betrieb dieses Fahrzeugs entstanden. Erforderlich ist vielmehr, daß die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat (vgl. Senatsurteile vom 22. Oktober 1968 - VI ZR 178/67 - VersR 1969, 58, 59; vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71 – aa0; vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 – aaO und vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - VersR 1988, 641). Andererseits hängt die Haftung gemäß § 7 StVG nicht davon ab, ob sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1971 - VI ZR 271/69 - VersR 1971, 1060, 1061; vom 13. Juli 1971 - VI ZR 2/70 - VersR 1971, 1063, 1064 und vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 - aaO), und auch nicht davon, daß es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist (vgl. Senatsurteile vom 16. September 1986 - VI ZR 151/85 - VersR 1986, 1231, 1232 und vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - aaO).
Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, daß durch die Verwendung eines Kfz - erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird, und will daher alle durch den Kfz – Verkehr beeinflußten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kfz entstanden, wenn sich von einem Kfz ausgehende Gefahren ausgewirkt haben (vgl. Senatsurteil vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 – aaO mwN.)
b) Nach diesen Grundsätzen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Auffassung des Berufungsgerichts, hier fehle der Zurechnungszusammenhang , weil der Kläger nicht objektiv nachvollziehbar von einer Gefährdung durch das entgegenkommende Fahrzeug habe ausgehen dürfen, steht mit dieser Rechtsprechung nicht in Einklang. Danach kann selbst ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehr- oder Ausweichreaktion gegebenenfalls dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1971 - VI ZR 271/69 - aaO und vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - aaO). Daß der vom Beklagten zu 1 eingeräumte Schlenker nach links, von dem auch das Berufungsgericht ausgeht, die Ausweichbewegung des Klägers veranlaßt hat, liegt auf der Hand. Auch wenn das Berufungsgericht sie als Panikreaktion bezeichnet , ist sie doch durch das Verhalten des Beklagten verursacht worden, das vom entgegenkommenden Fahrer in der engen Ausfahrt als gefährlich empfunden werden konnte. Das reicht, wie der Senat in einem vergleichbaren Fall ausgeführt hat, für den Zurechnungszusammenhang aus (vgl. Senatsurteil vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - aaO).
So hat der Senat auch in einem Fall, in dem eine Mofafahrerin unsicher wurde, als sie ein Sattelschlepper überholte, und deshalb stürzte, eine Auswirkung der Betriebsgefahr des LKWs angenommen (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71 - aaO), ebenso als ein Fußgänger durch die Fahrweise des nach Hochziehen einer Schranke anfahrenden Kraftfahrzeugs unsicher wurde und deshalb stürzte (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 – aaO). Das Merkmal "beim Betrieb" hat er auch bejaht, als ein LKW die voreilige Abwehrreaktion eines nachfolgenden Kraftfahrers auslöste, weil er andauernd blinkte und entweder nach links zog oder schon hart an die Mittellinie herangezogen war (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1971 - VI ZR 271/69 - aaO). In all diesen Fällen kam es nicht darauf an, ob die Abwehr- oder Ausweichreaktion objektiv erforderlich war.
c) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung ist auch nicht erforderlich. Vielmehr ist das notwendige Korrektiv für eine sachgerechte Haftungsbegrenzung in den §§ 9, 17, 18 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 StVG enthalten. Nach diesen Vorschriften können die jeweiligen Verursachungsbeiträge sowie ein etwaiges Verschulden berücksichtigt werden, so daß der Schaden angemessen verteilt und gegebenenfalls sogar die Haftung einem Kraftfahrer allein auferlegt werden kann.

III.

Eine abschließende Entscheidung ist dem erkennenden Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt folgerichtig - die dazu erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es sie nachholen kann.
Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht feststellen müssen, ob sich eine etwaige Haftung des Beklagten zu 1 auch aus § 7 Abs. 1 StVG oder nur aus § 18 Abs. 1 StVG ergeben kann. Es wird gegebenenfalls eine Abwägung nach §§ 9, 17, 18 Abs. 3 StVG vornehmen müssen, wobei nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sind, und sich auf den Unfall ausgewirkt haben (vgl. Senatsurteile vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 - VersR 1995, 357 und vom 27. Juni 2000 – VI ZR 126/99 – VersR 2000, 1294, 1296).
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 210/06 Verkündet am:
27. November 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Allein durch das vorsätzliche Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz
abgestellten Kraftfahrzeuges verwirklicht sich nicht dessen Betriebsgefahr im
Sinne des § 7 Abs. 1 StVG bei einem Übergreifen des Brandes auf ein anderes Kraftfahrzeug.
Hinzukommen muss vielmehr, dass der Brand oder dessen Übergreifen in
einem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder
einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht.
BGH, Urteil vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06 - OLG Rostock
LG Rostock
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. November 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. September 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger begehren Schadensersatz wegen eines Fahrzeugbrandes.
2
Der Beklagte zu 1 stellte in den Abendstunden des 18. Mai 2003 seinen bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW auf einem öffentlichen Parkplatz ab. In der Nacht setzte ein Unbekannter den PKW in Brand. Das brennende Fahrzeug rollte dann auf den in der Nähe stehenden, bei der Klägerin zu 1 versicherten LKW der Klägerin zu 2 zu und setzte diesen ebenfalls in Brand.
3
Die Klage, mit der die Klägerinnen aus eigenem bzw. übergegangenem Recht Schadensersatz verlangen, ist vom Landgericht abgewiesen worden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass sich die Schadensersatzpflicht der Beklagten aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Abs. 1 Nr. 1 PflVG ergebe, weil der LKW der Klägerin zu 2 "bei dem Betrieb" des PKW des Beklagten zu 1 beschädigt worden sei. Mit dem Brand des PKW habe sich eine der typischen Gefahren von Kraftfahrzeugen realisiert. Aufgrund der entzündlichen und zum Teil explosiven Stoffe wie Öl, Benzin oder Diesel sei ein solches Fahrzeug leicht in Brand zu setzen und entfalte während des Brennvorganges starke Hitzewirkungen. Dies erschwere erfahrungsgemäß nicht nur den Löschvorgang, sondern gefährde auch die unmittelbare Umgebung in erheblicher Weise. Dabei komme es nicht darauf an, ob sich das betreffende Fahrzeug - wie hier unstreitig - zudem bewegt habe. Eine solche Beweglichkeit, ob mit oder ohne Motorkraft, stelle lediglich eine andere typische Gefahr eines Kraftfahrzeuges dar, die sich entweder allein - oder wie hier der Fall - im Zusammenwirken mit anderen typischen Gefahren verwirklichen könne. Die Haftung der Beklagten sei auch nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht worden sei. Zwar handele es sich bei dem Brandanschlag auf den PKW um ein Ereignis, welches nicht mit den allgemeinen Gefahrenquellen des Straßenverkehrs zusammenhänge, sondern räumlich von außen in den Verkehr eingreife. Das Ereignis sei aber nicht so außergewöhnlich, dass der Halter mit ihm nicht rechnen müsse. Dabei habe sich ein typisches Risiko des Straßenverkehrs verwirklicht, das sowohl vorhersehbar als auch vermeidbar sei, indem man sein Fahrzeug nur auf bewachten Parkplätzen, in Tiefgaragen oder sonstigen geschützten Räumlichkeiten abstelle.

II.

5
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich in dem Schadensfall allein durch das vorsätzliche Inbrandsetzen des ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten PKW nicht dessen Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG verwirklicht.
7
1. Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den KFZ-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem KFZ ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das KFZ mitgeprägt worden ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 105, 65, 66; 107, 359, 366; 115, 84, 86; vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04 - VersR 2005, 566, 567 und vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - VersR 2005, 992, 993). Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines KFZ - erlaubterweise - eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben (vgl. Senatsurteil vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - aaO).
8
Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 71, 212, 214; 115, 84, 86; vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04 - und vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - jeweils aaO). An einem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (vgl. Senatsurteile BGHZ 79, 259, 263; 107, 359, 367; 115, 84, 87 und vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - aaO).
9
Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des KFZ steht (vgl. Senat BGHZ 37, 311, 317 f.; 58, 162, 165; und vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - aaO m.w.N.). Erforderlich ist, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Fahrzeuges zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - aaO m.w.N).
10
2. Nach diesen Grundsätzen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
11
Nach dem - vom Berufungsgericht offen gelassenen und deshalb revisionsrechtlich zu unterstellenden - Vorbringen der Beklagten ist der Motor des PKW durch den Brand nicht in Gang gesetzt worden. Hiernach hat allein die aufgrund der starken Hitzeentwicklung freigesetzte Energie den PKW etwa 1 Meter bis 1,50 Meter vorrollen lassen, was für das Überspringen des Feuers auf den LKW ohnehin keine Bedeutung hatte.
12
Bei einem solchen Hergang stand der Brandschaden an dem LKW der Klägerin zu 2 weder in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang noch einer bestimmten Betriebseinrichtung des KFZ, sondern beruhte ausschließlich darauf, dass ein unbekannter Dritter den auf dem Parkplatz abgestellten PKW des Beklagten zu 1 vorsätzlich in Brand gesetzt hatte. In diesem Fall fehlt es an dem im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang, weil die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (vgl. OVG Münster NZV 1995, 125, OLG Karlsruhe VRS 83, 34; OLG Saarbrücken NZV 1998, 327; Grüneberg NZV 2001, 109, 112; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 7 Rn. 10, Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., § 7 StVG Rn. 13). Allein der Umstand, dass Kraftfahrzeuge wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen, reicht nicht aus, um eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Brand als solcher in irgendeinem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des KFZ steht (z. B. In-Brand-geraten durch Betätigen von Fahrzeugeinrichtungen: OLG Saarbrücken VRS 99, 104 oder Selbstentzündung infolge vorausgegangener Fahrt: OVG Koblenz NVwZ-RR 2001, 382). Dies gilt auch dann, wenn der Brand eines Kraftfahrzeuges zu einem Kurzschluss in einem Kabel zum Anlasser führt, der dadurch in Gang gesetzte Anlasser das Kraftfahrzeug fortbewegt und dadurch das Feuer auf andere Ge- genstände übergreift (OLG Saarbrücken NZV 1998, 327; OLG Düsseldorf NZV 1996, 113).
13
3. Da die Klägerinnen einen solchen Sachverhalt - im Gegensatz zu dem für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vortrag der Beklagten - unter Beweisantritt behauptet haben, wird das Berufungsgericht nach Aufhebung seines Urteils und Zurückverweisung der Sache im Rahmen der neuen Verhandlung die erforderlichen Feststellungen zum Schadenshergang nachzuholen haben. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es sich nicht um einen Fall höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG handelt, bestehen im Übrigen nach dem derzeitigen Sachstand keine rechtlichen Bedenken. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 01.04.2005 - 3 O 324/04 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 22.09.2006 - 8 U 49/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 168/04 Verkündet am:
26. April 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Schaden ist "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich von
einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben. Demgemäß kann
selbst ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehroder
Ausweichreaktion dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das
diese Reaktion ausgelöst hat.
BGH, Urteil vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04 - AG Berlin-Mitte
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. April 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 52. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 3. Mai 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Unfall in einer Tiefgarage geltend. Er und der Beklagte zu 1 besitzen dort jeweils einen Stellplatz. Der von dem Beklagten zu 1 gemietete Stellplatz befindet sich direkt rechts hinter der Ein- bzw. Ausfahrtsrampe zur Tiefgarage. Er muß auf der Rampe nach links ausholen, um dann rechtwinklig nach rechts in seine Parkbox einfahren zu können. Am 8. Januar 2003 fuhr der Beklagte zu 1 mit seinem VW-Bus die Abfahrt zu der Tiefgarage herunter. Der Kläger wollte diese mit seinem Fahrzeug verlassen und kam dem Beklagten zu 1 entgegengefahren. Als die Fahrzeuge
noch drei bis fünf Meter voneinander entfernt waren, lenkte er plötzlich nach rechts und sein PKW kollidierte mit der Wand der Tiefgarage. Die Ursache dieses Manövers ist zwischen den Parteien streitig. Nach der Darstellung des Klägers ist der Beklagte zu 1 plötzlich über die Trennlinie der beiden jeweils 2,90 m breiten Fahrspuren der Ab- bzw. Auffahrt gefahren, so daß er selbst nach rechts ausgewichen und deshalb an die Wand gefahren sei. Nach der Darstellung der Beklagten hat der Beklagte zu 1 lediglich einen kleinen Schlenker innerhalb seiner eigenen Fahrspur nach links gemacht, jedoch sofort nach rechts zurückgelenkt, nachdem er das klägerische Fahrzeug gesehen habe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten aus §§ 7, 17 StVG, § 3 PflVG, § 823 BGB verneint. Der Kläger habe weder den Beweis führen können , daß ein Fahrfehler des Beklagten zu 1 kausal für sein Ausweichen gegen die Garagenwand gewesen sei noch folge eine Haftung der Beklagten unter Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhaltes aus der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs. Auch wenn man davon ausgehe, daß der Beklagte zu 1 auf seiner Fahrspur zunächst nur einen kleinen Schlenker nach links gefahren sei, ohne die
Mittellinie zu überfahren, und danach sofort wieder auf die rechte Seite seiner Fahrspur zurückgelenkt habe, habe sich nicht die typische Betriebsgefahr seines Fahrzeugs verwirklicht. Den Beklagten sei nicht zuzurechnen, daß der Kläger beim Anblick des VW-Busses seinen eigenen PKW gegen die Wand der Tiefgarage gelenkt habe. Seine Ausweichlenkung sei als gravierender Fahrfehler infolge einer ungerechtfertigten Panikreaktion zu werten. Eine solche gänzlich überzogene Reaktion sei dem anderen Verkehrsteilnehmer nicht mehr nach § 7 StVG zuzurechnen. Bei wertender Betrachtung fehle es an einer "subjektiv vertretbaren Ausweichlenkung aufgrund der konkreten Verkehrssituation". Für eine Zurechnung sei jedoch mindestens erforderlich, daß der geschädigte Kraftfahrzeugführer objektiv nachvollziehbar von einer Gefährdung durch das entgegenkommende Fahrzeug ausgehen durfte. Daran fehle es hier.

II.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfaßt daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflußten Schadensabläufe. Es genügt, daß sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 105, 65, 66; 107, 359, 366; 115, 84, 86 und vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04 – VersR 2005, 566, 567). Ob dies der Fall ist, muß mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 71, 212, 214; 115,
aaO und vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04 - aaO). An diesem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (vgl. Senatsurteile BGHZ 79, 259, 263; 107, 359, 367; 115, 84, 86 f.). Für eine Zurechnung zur Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, daß der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. Senatsurteile BGHZ 37, 311, 317 f.; 58, 162, 165; vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71 - VersR 1972, 1074 f.; vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 - VersR 1973, 83 f. und vom 10. Februar 2004 – VI ZR 218/03 - VersR 2004, 529, 531). Hiernach rechtfertigt die Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle allein zwar noch nicht die Annahme, der Unfall sei bei dem Betrieb dieses Fahrzeugs entstanden. Erforderlich ist vielmehr, daß die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat (vgl. Senatsurteile vom 22. Oktober 1968 - VI ZR 178/67 - VersR 1969, 58, 59; vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71 – aa0; vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 – aaO und vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - VersR 1988, 641). Andererseits hängt die Haftung gemäß § 7 StVG nicht davon ab, ob sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1971 - VI ZR 271/69 - VersR 1971, 1060, 1061; vom 13. Juli 1971 - VI ZR 2/70 - VersR 1971, 1063, 1064 und vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 - aaO), und auch nicht davon, daß es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist (vgl. Senatsurteile vom 16. September 1986 - VI ZR 151/85 - VersR 1986, 1231, 1232 und vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - aaO).
Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, daß durch die Verwendung eines Kfz - erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird, und will daher alle durch den Kfz – Verkehr beeinflußten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kfz entstanden, wenn sich von einem Kfz ausgehende Gefahren ausgewirkt haben (vgl. Senatsurteil vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 – aaO mwN.)
b) Nach diesen Grundsätzen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Auffassung des Berufungsgerichts, hier fehle der Zurechnungszusammenhang , weil der Kläger nicht objektiv nachvollziehbar von einer Gefährdung durch das entgegenkommende Fahrzeug habe ausgehen dürfen, steht mit dieser Rechtsprechung nicht in Einklang. Danach kann selbst ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehr- oder Ausweichreaktion gegebenenfalls dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1971 - VI ZR 271/69 - aaO und vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - aaO). Daß der vom Beklagten zu 1 eingeräumte Schlenker nach links, von dem auch das Berufungsgericht ausgeht, die Ausweichbewegung des Klägers veranlaßt hat, liegt auf der Hand. Auch wenn das Berufungsgericht sie als Panikreaktion bezeichnet , ist sie doch durch das Verhalten des Beklagten verursacht worden, das vom entgegenkommenden Fahrer in der engen Ausfahrt als gefährlich empfunden werden konnte. Das reicht, wie der Senat in einem vergleichbaren Fall ausgeführt hat, für den Zurechnungszusammenhang aus (vgl. Senatsurteil vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87 - aaO).
So hat der Senat auch in einem Fall, in dem eine Mofafahrerin unsicher wurde, als sie ein Sattelschlepper überholte, und deshalb stürzte, eine Auswirkung der Betriebsgefahr des LKWs angenommen (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71 - aaO), ebenso als ein Fußgänger durch die Fahrweise des nach Hochziehen einer Schranke anfahrenden Kraftfahrzeugs unsicher wurde und deshalb stürzte (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71 – aaO). Das Merkmal "beim Betrieb" hat er auch bejaht, als ein LKW die voreilige Abwehrreaktion eines nachfolgenden Kraftfahrers auslöste, weil er andauernd blinkte und entweder nach links zog oder schon hart an die Mittellinie herangezogen war (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1971 - VI ZR 271/69 - aaO). In all diesen Fällen kam es nicht darauf an, ob die Abwehr- oder Ausweichreaktion objektiv erforderlich war.
c) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung ist auch nicht erforderlich. Vielmehr ist das notwendige Korrektiv für eine sachgerechte Haftungsbegrenzung in den §§ 9, 17, 18 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 StVG enthalten. Nach diesen Vorschriften können die jeweiligen Verursachungsbeiträge sowie ein etwaiges Verschulden berücksichtigt werden, so daß der Schaden angemessen verteilt und gegebenenfalls sogar die Haftung einem Kraftfahrer allein auferlegt werden kann.

III.

Eine abschließende Entscheidung ist dem erkennenden Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt folgerichtig - die dazu erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es sie nachholen kann.
Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht feststellen müssen, ob sich eine etwaige Haftung des Beklagten zu 1 auch aus § 7 Abs. 1 StVG oder nur aus § 18 Abs. 1 StVG ergeben kann. Es wird gegebenenfalls eine Abwägung nach §§ 9, 17, 18 Abs. 3 StVG vornehmen müssen, wobei nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sind, und sich auf den Unfall ausgewirkt haben (vgl. Senatsurteile vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 - VersR 1995, 357 und vom 27. Juni 2000 – VI ZR 126/99 – VersR 2000, 1294, 1296).
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 116/06
Verkündet am:
11. Januar 2007
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 839 D; § 254 Cb, Dc
Zum (hier verneinten) Mitverschulden eines Bauherrn, der es unterlassen
hat, die Bauaufsichtsbehörde nach Rücknahme einer bestandskräftigen
Baugenehmigung auf ihm günstige Stellungnahmen der übergeordneten Behörde
hinzuweisen.
BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 116/06 - OLG Koblenz
LG Trier
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. April 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, mit Ausnahme der Entscheidung über die Zinsmehrforderung.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 31. Mai 2005 weiter abgeändert.
Der beklagte Landkreis wird verurteilt, an die Klägerin insgesamt 10.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2005 zu zahlen.
Wegen der Zinsmehrforderung bleibt die Klage abgewiesen und werden die Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen.
Der beklagte Landkreis hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin war kraft abgetretenen Rechts Inhaberin von bestandskräftigen Baugenehmigungen des beklagten Landkreises für die Errichtung von drei Photovoltaikmodulträgern an drei Windkraftanlagen. Einer ihrer Rechtsvorgängerinnen lagen außerdem eine Stellungnahme der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord des Landes Rheinland-Pfalz, der übergeordneten Behörde des beklagten Landkreises, vom 5. September 2002 und ein eine andere Anlage betreffender Feststellungsbescheid nach § 15 Abs. 2 BImSchG vom 2. September 2004 vor, in denen bestätigt wurde, dass die Errichtung eines Photovoltaikmodulträgers keiner Genehmigung nach § 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bedürfe. Zur Realisierung des Projekts schloss die Klägerin Verträge mit verschiedenen Unternehmen, darunter am 30. August 2004 einen solchen mit der Firma A. Elektrotechnik GmbH & Co. KG (im Folgenden: Firma A. ). In diesem Vertrag war unter anderem vereinbart: § 6 Rücktrittsrecht Im Bereich des benannten Vorhabens haben diverse rechtliche Hindernisse zu Verzögerungen bei der Ausführung der existenten WKA [Windkraftanlage] geführt. Auch Nachbarschaftseinwendungen sind möglich. Daher werden in dieser Frage und der damit einhergehend möglichen Kostenrisiken präventiv folgende Regelungen getroffen. 1. … 2. Im Falle behördlicher Eingriffe in die Genehmigung oder erschwerter behördlicher Auflagen hinsichtlich der Bauausführung hat der DL [Firma A. ] zwischen der Baubeginnsanzeige durch den BH [die Klägerin] bis zum Baubeginn der Modulträger das Recht, mit sofortiger Wirkung vom Vertrag zurückzutreten, wenn Erkenntnisse oder Ereignisse die Umsetzung verzögern oder zu verzögern drohen. Der DL hat eine Klärung über den Rechtsweg nicht abzuwarten, da dessen Ausgang ungewiss und zeitlich unbestimmt ist. 3. Im Falle des Rücktrittes des DL gemäß § 6 Abs. 2 ist der BH zu einem pauschalen Schadensersatz in Höhe von 10.000,00 Euro verpflichtet, der die entgangene Auftragsannahme durch den DL in Erwartung der hindernisfreien Ausführung der rechtskräftigen Baugenehmigung des hier gegenständlichen Vorhabens eingeplant hat und in der Folge auf die Auftragsannahme dritter Projekte im Jahresendgeschäft verzichtet hat.
2
Am 10. September 2004 zeigte die Klägerin dem Beklagten den Baubeginn zum 24. September 2004 an. Mit Bescheid vom 21. September 2004 hob der Beklagte die Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Photovoltaikmodulträgern mit der Begründung auf, beim Anbringen dieser Modulträger an die Türme der jeweiligen Windkraftanlagen handele es sich um wesentliche Bestandteile einer insgesamt nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigen Anlage.
3
Die Klägerin legte am nächsten Tage Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und unterrichtete zugleich die Firma A. von der Aufhebung der Baugenehmigung. Die Firma A. erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22. September 2004 wegen der Aufhebung der Baugenehmigung und der daraus resultierenden Planungsunsicherheiten den Rücktritt vom Vertrag und behielt sich die Rechte aus dessen § 6 vor. Im Laufe des Monats Oktober zahlte die Klägerin an die Firma A. den vereinbarten Pauschalbetrag von 10.000 €. Mit Bescheid vom 3. November 2004 hob der Beklagte den Rücknahmebescheid vom 21. September 2004 wieder auf. In der Begründung führte er unter anderem aus, dass ihm die beiden Schreiben der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord vom 5. September 2002 und vom 2. September 2004 nicht bekannt gewesen seien. Hätte die Klägerin diese Schreiben sofort nach Erhalt der Aufhebungsbescheide bzw. mit Einlegung der Widersprüche eingereicht, wäre der Beklagte in die Lage versetzt worden, bereits viel früher den Fortbestand der Aufhebungen vom 21. September 2004 zu überdenken.
4
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Ersatz der an die Firma A. geleisteten Schadenspauschale in Höhe von 10.000 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klageabweisung wegen eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin bestätigt. Mit der zu ihren Gunsten zur Klärung der Mitverschuldensfrage zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung des Beklagten in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe


5
Das Berufungsgericht hat die ausschließlich zugunsten der Klägerin zugelassene Revision auf die Frage einer Anspruchsminderung wegen mitwirkenden Verschuldens beschränkt. Diese Beschränkung ist wirksam, weil sich vorliegend der Einwand des Mitverschuldens (unterlassene Unterrichtung des Landkreises und der Firma A. ) vom Grund der Haftung (Aufhebung der Baugenehmigung ) trennen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2001 - I ZR 264/99 = NJW-RR 2002, 1148 f und vom 30. September 1980 - VII ZR 213/79 = NJW 1981, 887 f). Damit ist der Amtshaftungsanspruch der Klägerin gegen den beklagten Landkreis dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt; es geht nur noch um eine etwaige, der Klägerin anzulastende Minderung der Anspruchshöhe.

6
In der Sache hat die Revision im Wesentlichen Erfolg. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der Klägerin mitgewirkt habe (§ 254 Abs. 1 BGB), hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Die Frage, ob und inwieweit im Sinne von § 254 BGB einerseits die Amtspflichtverletzung des Beklagten und andererseits das Verhalten der Klägerin den Schaden verursacht haben, ist in Anwendung des § 287 ZPO zu beurteilen (BGHZ 121, 210, 214). Die hiernach vorzunehmende Abwägung der Verantwortlichkeiten von Schädiger und Geschädigtem gehört in den Bereich der tatrichterlichen Würdigung; sie ist deshalb mit der Revision nur begrenzt angreifbar. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH, Urteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 = VersR 1988, 1238, 1239 und vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04 = NJW 2006, 896, 897, jeweils m.zahlr.w.N.).
8
2. Vom rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend zieht das Berufungsgericht hier eine Obliegenheit der Klägerin in Betracht, den Beklagten über die Schreiben der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord vom 5. September 2002 und vom 2. September 2004 zu unterrichten.
9
a) Der Senat hat bereits mit Urteil vom 28. Oktober 1963 (III ZR 153/62 = NJW 1964, 195, 196) ausgesprochen, ebenso wie der Beamte als "Helfer des Staatsbürgers" dem von ihm betreuten Personenkreis durch Belehrung und Aufklärung im Rahmen des Möglichen und Zulässigen behilflich sein solle, was er zu erreichen wünsche, zu erreichen, so sei auch der Staatsbürger im Inte- resse eines gedeihlichen Zusammenlebens aller gehalten, im Rahmen des Zumutbaren das Seine zur Vermeidung von Schwierigkeiten zu tun.
10
Eine b) Anspruchsminderung wegen mitwirkenden Verschuldens aufgrund der nicht rechtzeitigen Erfüllung dieser Informationsobliegenheit hätte indessen vorausgesetzt, dass die Klägerin insoweit schuldhaft gehandelt hätte und dass der Schaden bei rechtzeitiger Unterrichtung der Behörde vermieden oder gemindert worden wäre.
11
aa) Insoweit weist die Revision mit Recht darauf hin, dass der Klägerin eine ausreichende Frist eingeräumt werden musste, um Überlegungen darüber anzustellen, welche Maßnahmen zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung , insbesondere zur Begründung des bereits am 22. September 2004 eingelegten Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid vom 21. September 2004, ergriffen werden mussten. Über die Dauer einer derartigen, der Klägerin zuzubilligenden Überlegungsfrist trifft das Berufungsgericht keine Feststellungen ; solche sind auch nicht mehr zu erwarten. Keinesfalls war die Klägerin, wie das Berufungsgericht anscheinend meint, verpflichtet, auf die Schreiben und deren Inhalt bereits bei Einlegung des Widerspruchs vom 22. September 2004 hinzuweisen; die Überlegungsfrist war - auch unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit der Sache angesichts des geplanten Baubeginns am 24. September 2004 - auf zumindest mehrere Tage zu bemessen. Hierbei kann insbesondere auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte die Klägerin vor dem Erlass des Bescheids vom 21. September 2004 nicht einmal - wie geboten (vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG) - angehört und sich damit selbst der Chance begeben hatte , von der Klägerin bereits im Vorfeld der zu treffenden Entscheidung über die Rechtsauffassung der übergeordneten Behörde unterrichtet zu werden.
12
bb) Deswegen ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bei Ausschöpfung dieser Überlegungsfrist ihre Vertragspartnerin, die Firma A. , von einem Rücktritt hätte abhalten können. Die vertraglichen Voraussetzungen für den Rücktritt der A. und die daraus resultierende Schadensersatzpflicht der Klägerin nach § 6 Abs. 2 und 3 des Vertrags lagen vor.
13
3. Dementsprechend kommt als weiterer - vom Berufungsgericht auch so gesehener - Anknüpfungspunkt für ein Mitverschulden noch in Betracht, dass die Klägerin nicht versucht hat, die Firma A. von dem Rücktritt vom Vertrag abzuhalten bzw. zu einer Rücknahme dieser Maßnahme zu bewegen. Aufgrund der Aussage des Geschäftsführers der Firma A. in der Beweisaufnahme vermochte das Berufungsgericht indessen nicht festzustellen, dass die Klägerin damit Erfolg gehabt hätte. Das Berufungsgericht hält es lediglich für möglich, dass die Firma A. mit dem Rücktritt noch zugewartet hätte. Diese bloße Hypothese reicht indessen für eine richterliche Überzeugungsbildung, auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen des § 287 ZPO, nicht aus.
14
4. Für ein Mitverschulden der Klägerin und dessen Ursächlichkeit bei der Entstehung des Schadens ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ 91, 243, 260; BGH, Urteil vom 26. Mai 1994 - IX ZR 39/93 = NJW 1994, 3103, 3105; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, Vorbem. zu §§ 249 ff Rn. 91; MünchKomm/Oetker, BGB 4. Aufl [2003] § 254 Rn. 145, jeweils m.w.N.). Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen. Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Die Sache ist daher im Sinne einer vollen Haftung des Beklagten entscheidungsreif, ohne dass es einer Zurückverweisung bedarf.
15
5. Die Revision wendet sich auch gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung des von der Klägerin geltend gemachten Zinsanspruchs. Insoweit handelt es sich jedoch um einen selbständigen Teil des Streitgegenstandes , der von der Revisionszulassung nicht erfasst wird. Schon aus diesem Grunde hatte es bei der Abweisung der Zinsmehrforderung zu verbleiben.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Trier, Entscheidung vom 31.05.2005 - 11 O 440/04 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.04.2006 - 1 U 749/05 -