Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2008 - VI ZB 53/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin hat in dem zugrunde liegenden Arzthaftungsverfahren neben den Beklagten zu 1 und 2 (Träger des K.- Krankenhauses in B. sowie Chefarzt der Gefäßchirurgie des Krankenhauses) auch den anwaltlich gesondert vertretenen Beklagten zu 3 (einen niedergelassenen Chirurgen und ambulanten Behandler der Klägerin) in Anspruch genommen. Mit dem am 2. Juni 2007 zugestellten Urteil vom 2. Mai 2007 hat das Landgericht die Klage gegen alle Beklagten abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es die Abweisung gesondert hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 sowie des Beklagten zu 3 begründet.
- 2
- Das OLG hat durch den angefochtenen Beschluss die Berufung gegenüber dem Beklagten zu 3 nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Innerhalb der Berufungsfrist sei per Faxschreiben nur gegenüber den Beklagten zu 1 und 2, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten I. Instanz, ein Rechtsmittel eingelegt worden. In dieser Berufungsschrift seien ausdrücklich nur diese beiden Beklagten als Berufungsbeklagte benannt worden. Weder aus dem Schriftsatz noch aus den sonstigen Umständen lasse sich im Wege der Auslegung entnehmen, dass die Berufung sich auch gegen den gesondert vertretenen Beklagten zu 3 als den niedergelassenen Behandler richten sollte. Alleine aus der Berufungseinlegung lasse sich dies bei der gegebenen Konstellation nicht entnehmen, zumal der Berufungsschrift laut Eingangsstempel nur eine beglaubigte Abschrift beigefügt worden sei.
- 3
- Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur Sachentscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
II.
- 4
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich.
- 5
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur genügt, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder - ggf. aus anderen im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen - eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (vgl. BGHZ 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - juris Rn. 6; Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - NJW-RR 2007, 413, 414). An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand , keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung , d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81 - VersR 1983, 984, 985; BGH, Urteile vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - NJW 1969, 928 f.; vom 16. November 1993 - XI ZR 214/92 - NJW 1994, 512, 514 unter B. II. 1., insoweit in BGHZ 124, 151 nicht abgedruckt; vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01 - NJW 2002, 831, 832; vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07 - aaO; Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569, 1570). Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, beispielsweise daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - aaO, 929).
- 6
- b) Nach diesen Grundsätzen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden, weil die Rechtsmittelschrift bei der hier gegebenen Konstellation eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt.
- 7
- Während es sich bei den Beklagten zu 1 und 2 um den Träger des K.-Krankenhauses in B. sowie den Chefarzt der Gefäßchirurgie dieses Krankenhauses handelt, ist der Beklagte zu 3 niedergelassener Chirurg und ambulanter Behandler der Klägerin. Bei den vorgeworfenen ärztlichen Fehlern handelt es sich also um solche, die in verschiedenen Behandlungs- und Zeitabschnitten bei den Beklagten zu 1 und 2 im Rahmen einer stationären Behandlung und beim Beklagten zu 3 im Rahmen einer ambulanten Behandlung erfolgt sein sollen. Demgemäß wurden die Beklagten zu 1 und 2 und der Beklagte zu 3 beim Landgericht durch verschiedene Prozessbevollmächtigte vertreten und das Landgericht hat die Klageabweisung gesondert hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 einerseits und des Beklagten zu 3 andererseits begründet. Unter diesen Umständen ist es für das Berufungsgericht nicht außergewöhnlich, dass in der Berufungsinstanz nur noch der Komplex "stationäre Behandlung" oder der Komplex "ambulante Behandlung" zur Überprüfung gestellt wird. Da bis zum Ablauf der Berufungsfrist auch keine weiteren Unterlagen vorlagen, aus denen sich etwas anderes hätte ergeben können, durfte es mithin davon ausgehen , dass die Berufung beschränkt gegen die Beklagten zu 1 und 2 eingelegt werden sollte, weil nur diese beiden Beklagten in der Berufungsschrift genannt worden sind.
- 8
- Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Zulassung auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Divergenz zum Urteil des V. Zivilsenats vom 11. Juli 2003 (V ZR 233/01, NJW 2003, 3203) oder zum Beschluss des II. Zivilsenats vom 5. Mai 2006 (II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569) erforderlich. Beide Entscheidungen stehen nicht in Widerspruch zu den hier aufgezeigten Grundsätzen und der jetzigen Entscheidung.
- 9
- 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 02.05.2007 - 1 O 1/4 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 17.10.2007 - 3 U 148/07 -
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Annotations
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)