Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2006 - XI ZB 14/06

bei uns veröffentlicht am10.10.2006
vorgehend
Landgericht München I, 29 O 1037/05, 12.10.2005
Oberlandesgericht München, 19 U 5776/05, 21.03.2006
Oberlandesgericht München, 19 U 2459/06, 21.03.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 14/06
vom
10. Oktober 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Auslegung der Berufungsschrift bei falscher Bezeichnung des Berufungsklägers.
BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - OLG München
LG München I
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger,
Prof. Dr. Schmitt und Dr. Grüneberg
am 10. Oktober 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerden des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) und der Beklagten wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten und über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 228.353,03 €

Gründe:


I.


1
Landgericht Das hat mit Urteil vom 12. Oktober 2005, zugestellt am 25. November 2005, der Zahlungsklage der Klägerin gegen die beklagte Aktiengesellschaft, deren Vorstand der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) ist, in vollem Umfang von 228.353,03 € zuzüglich Zinsen stattgegeben. Am 20. Dezember 2005 ist eine Berufungsschrift des seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten beim Berufungsgericht eingegangen ; eine Ablichtung des vollständigen Urteils des Landgerichts soll beigefügt gewesen sein. Der Text der Berufungsschrift lautet auszugsweise : "In Sachen U. E. , …, KlägerundBerufungskläger,…, gegen M. eG, …, BeklagteundBe rufungsbeklagte, …, wegen Forderung, Aktenzeichen erstinstanzlich Landgericht München I, Geschäftszeichen: 29 O 1037/05 Beschwerdewert: 228.353,03€ lege ich hiermit namens des Klägers und Berufungsklägers gegen das am 12.10.2005 verkündete und am 25.11.2005 zugestellte Endurteil des Landgerichts München I, Az.: 29 O 1037/05 Berufung ein."
2
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2005 beantragte der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte der Beklagten "in Sachen E. U. gegen M. eG" die Verlängerung der Berufungsbegründungfrist. Am 18. Januar 2006 bat er um Berichtigung des Rubrums dahin, dass bei der Beklagtenpartei die Parteibezeichnung "D. AG, vertreten durch den Vorstand U. E. " laute. Zugleich legte er für diese vorsorglich nochmals Berufung ein, verbunden mit dem Antrag, gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
3
Beschluss Mit vom 21. März 2006 hat das Berufungsgericht die Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) als unzulässig verworfen sowie den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Die Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) könne nicht als Berufung der Beklagten ausgelegt werden. Zwar sei zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass der Berufungsschrift eine Abschrift des angefochtenen Urteils beigelegen habe. Im Hinblick auf eine beim Berufungsgericht am 3. November 2005 eingelegte Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1), mit der er sich in einem Parallelverfahren gegen die Abweisung seiner gegen die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits gerichteten Vollstreckungsgegenklage durch ein Urteil des Landgerichts T. vom 6. Oktober 2005 wendete , verblieben aber Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers, weil eine irrtümliche Wiederholung der Berufungseinlegung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) gegen dieses Urteil nicht ausgeschlossen werden könne. Aufgrund dessen seien die Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) mangels Beschwer und die Berufung der Beklagten infolge Fristversäumung unzulässig. Gegen diesen Beschluss wenden sich die beiden Rechtsbeschwerdeführer.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
5
1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Klägers ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227).
6
Indem das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unter 2.) davon ausgegangen ist, dass nicht die im Verfahren vor dem Landgericht unterlegene Beklagte, sondern der durch das Urteil erster Instanz nicht beschwerte und bis dahin an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Rechtsbeschwerdeführer zu 1) Berufungskläger sei, hat es der Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
8
Zutreffend a) geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge An- forderungen zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO (früher: § 518 Abs. 2 ZPO a.F.) nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (Senat, Beschluss vom 22. November 2005 - XI ZB 43/04, NJW-RR 2006, 284 m.w.Nachw.). Da mit der Berufung ein neuer Verfahrensabschnitt vor einem anderen Gericht eröffnet wird, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrenablaufs die Parteien des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Berufungsfrist für das Berufungsgericht und den Gegner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 74/99, BGHReport 2002, 655 m.w.Nachw.). Dabei ist die erforderliche Klarheit über den Rechtsmittelführer nicht allein aus dessen ausdrücklicher Bezeichnung zu erzielen. Sie kann vielmehr - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (Senat, Beschluss vom 22. November 2005, aaO).
9
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die fristgerecht eingegangene Berufung nicht von der Beklagten eingelegt worden ist.
10
Berufungsgericht Das hat rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass der am 20. Dezember 2005 eingegangenen Berufungsschrift eine Ab- schrift des angefochtenen Urteils beigefügt war. Dann bestand aber kein Anlass zu Zweifeln, dass die Beklagte Berufungsklägerin sein sollte. Dem steht nicht entgegen, dass als solche in der Berufungsschrift der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) bezeichnet war und zusätzlich die Parteirollen in erster Instanz vertauscht waren. Unter Berücksichtigung dessen , dass die Berufungsschrift das erstinstanzliche Urteil mit den zutreffenden Angaben des Aktenzeichens, des Verkündungsdatums und des Beschwerdewertes sowie mit derselben Kurzbezeichnung "wegen Forderung" anführte und im beigefügten Urteil des Landgerichts die D. AG als einzige und voll verurteilte Beklagte ausgewiesen war, während der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) - bis auf seine Stellung als Vorstand der Beklagten - an dem Rechtsstreit nicht beteiligt war, konnten für das Berufungsgericht und die Klägerin aus damaliger Sicht keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) bei der Berufungseinlegung versehentlich anstelle der Beklagten als Berufungskläger benannt worden war. Dass auch der innerhalb der Berufungsfrist eingegangene Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 22. Dezember 2005 die falsche Rubrumsbezeichnung enthielt, ist unschädlich , weil es sich hierbei - wie sich auch an der Beifügung der Berufungsschrift zeigt - um einen offensichtlichen Folgefehler handelt.
11
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergeben sich auch keine vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers daraus, dass vor demselben Senat ein Rechtsmittelverfahren zwischen dem Rechtsbeschwerdeführer zu 1) als Kläger und Berufungskläger und der Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits als Beklagter und Berufungsbeklagter anhängig war. Bis auf die - allerdings einen gewichtigen, aber eben nicht ausschlaggebenden Umstand darstellende - Parteibezeichnung wies die Berufungsschrift keinen Bezug zu diesem Verfahren auf; die dortige Berufung richtete sich gegen das Urteil eines anderen Landgerichts mit einem anderen Aktenzeichen, einem anderen Beschwerdewert und einer anderen Kurzbezeichnung des Streitgegenstands ("wegen Vollstreckungsgegenklage" statt "wegen Forderung"). Zudem waren die Berufung bereits am 3. November 2005 eingelegt worden und anhand der Aktenlage - eigene Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen - keine Gründe ersichtlich, weshalb der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) seine Berufung ca. 6 Wochen später, d.h. deutlich nach Ablauf der Berufungsfrist, wiederholen sollte.
12
c) Deshalb musste die Auslegung der am 20. Dezember 2005 fristgerecht eingegangenen Berufungsschrift zum Ergebnis führen, dass die Beklagte als Berufungsklägerin anzusehen war. Das Berufungsgericht durfte die mit Schriftsatz vom 18. Januar 2006 vorsorglich eingelegte nochmalige Berufung deshalb nicht als unzulässig verwerfen, sondern musste sie als gegenstandslos ansehen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2000 - VI ZB 12/00, NJW-RR 2000, 1661, 1662). Daraus folgt zugleich, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) keine Berufung eingelegt hat, so dass eine solche auch nicht auf seine Kosten als unzulässig verworfen werden durfte.
Nobbe Müller Ellenberger
Schmitt Grüneberg
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 12.10.2005 - 29 O 1037/05 -
OLG München, Entscheidung vom 21.03.2006 - 19 U 5776/05 + 19 U 2459/06 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung


Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 43/04
vom
22. November 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur eindeutigen Bezeichnung des Rechtsmittelführers.
BGH, Beschluss vom 22. November 2005 - XI ZB 43/04 - OLG Karlsruhe in Freiburg
LG Waldshut-Tiengen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, den die Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die
Richter Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
am 22. November 2005

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Drittwiderbeklagten gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 9. Dezember 2004 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 631.189,32 €.

Gründe:


I.


1
Der Kläger nimmt die beklagte Volksbank im Zusammenhang mit einem bei dieser geführten Wertpapierdepot aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, der Drittwiderbeklagten, auf Schadensersatz und Auskunft in Anspruch, die Beklagte verlangt mit der Widerklage vom Kläger und der Drittwiderbeklagten Rückzahlung von Darlehensschulden und die Duldung der Zwangsvollstreckung. Das Landgericht hat die Klage bis auf einen Teil des Auskunftsbegehrens abgewiesen und der Widerklage überwiegend stattgegeben.
2
Gegen das Urteil, das dem Kläger und der Drittwiderbeklagten am 25. Juni 2004 zugestellt worden war, hat deren erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter am 16. Juli 2004 unter Vorlage des angefochtenen Urteils Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift, die im Eingang den Kläger als Berufungskläger und die Beklagte als Berufungsbeklagte bezeichnet , heißt es auf Seite 2, "namens und im Auftrag des Berufungsklägers" werde Berufung eingelegt, die zunächst nur zur Fristwahrung diene. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten und Widerklägerin würden aufgefordert, sich noch nicht zu legitimieren, bis "der Kläger und Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagte entschieden" hätten, ob sie die Berufung durchführten oder nicht. In dem am 25. Oktober 2004 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz ist ausgeführt, die Berufung sei auch für die Drittwiderbeklagte eingelegt worden.
3
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2004 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Drittwiderbeklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Auslegung der Berufungsschrift ergebe angesichts des Fehlens der Drittwiderbeklagten im Rubrum auch unter Einbeziehung des angefochtenen Urteils und unter Berücksichtigung des auf Seite 2 der Berufungsschrift enthaltenen Textes nicht, dass die Berufung auch für die Drittwiderbeklagte eingelegt worden sei. Die Erwähnung der Drittwiderbeklagten im Zusammenhang mit der Frage, ob die Berufung tatsächlich durchgeführt werden solle, belege eine Berufungseinlegung der Drittwiderbeklagten im Rahmen der ausdrücklich allein namens des Berufungsklägers erhobenen Berufung schon deshalb nicht, weil die Frist zur Einlegung der Berufung seinerzeit noch nicht abgelaufen gewesen sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Drittwiderbeklagten.

II.


4
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - VI ZB 10/03, NJW 2003, 2991), sind nicht erfüllt.
5
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich.
6
a) Allerdings ist der Rechtsbeschwerde darin zuzustimmen, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Eingreifen des Bundesgerichtshofs erfordert, wenn die angefochtene Entscheidung Verfahrensgrundrechte einer Partei - etwa auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) - verletzt und darauf beruht (BGHZ 154, 288, 296 und BGHZ 159, 135, 139 f. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
7
b) Ein solcher Zulassungsgrund liegt hier nicht vor. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht der Drittwiderbeklagten den Zugang zur Berufungsinstanz nicht auf Grund von überspannten Anforderungen versagt (vgl. hierzu BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227).
8
aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (früher: § 518 Abs. 2 ZPO a.F.) nur entsprochen , wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2004 - VI ZB 53/03, NJW-RR 2004, 572, 573 m.w.Nachw.). Richtig ist auch, dass die erforderliche Klarheit über den Rechtsmittelführer nicht allein aus dessen ausdrücklicher Bezeichnung zu erzielen ist. Sie kann vielmehr - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2004 aaO m.w.Nachw.).
9
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Berufungsgericht hier ohne Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Drittwiderbeklagten zu dem Ergebnis gelangt, dass die entscheidende Frage, ob die Drittwiderbeklagte mit der Berufungsschrift vom 15. Juli 2004 Berufung eingelegt hat, anhand dieses Schriftsatzes und der sonstigen Umstände nicht zuverlässig zu beantworten ist. Entscheidend ist, dass die Berufung ausdrücklich namens und im Auftrag "des Berufungsklägers" eingelegt worden ist, dass dort als solcher ausdrücklich nur der Kläger bezeichnet wird und dass die ausschließlich im Zusammenhang mit der Frage, ob die Berufung durchgeführt werden soll, erfolgte Erwähnung der Drittwiderbeklagten kein anderes Ergebnis rechtfertigt. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, machte dieser Zusatz angesichts der noch laufenden Berufungsfrist auch für den Fall Sinn, dass die Drittwiderbeklagte ihrerseits mit der Berufung des Klägers noch keine Berufung hatte einlegen wollen.
10
cc) Das Berufungsgericht hat bei seiner Auslegung entgegen den Rügen der Rechtsbeschwerde auch nicht etwa den Anspruch der Drittwiderbeklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG verletzt. Die Rechtsbeschwerde zeigt keine besonderen Umstände auf, die zweifelsfrei darauf schließen ließen, dass das Berufungsgericht tatsächliches Vorbringen der Drittwiderbeklagten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. BGHZ 154, 288, 300 m.w.Nachw.).
11
Schon aus tatsächlichen Gründen hatte das Berufungsgericht keinen Anlass, auf den Vortrag einzugehen, die Beklagte habe durch die Stellung einer Bankbürgschaft für die Drittwiderbeklagte ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, das Urteil sei insgesamt nicht rechtskräftig. Wie der Schriftwechsel zwischen den Parteien belegt, ging die Beklagte, die insoweit die Erteilung eines Rechtskraftvermerks beantragt hatte, stets von der Rechtskraft der Entscheidung hinsichtlich der Drittwiderbeklagten aus. Dass zwischen Kläger und Drittwiderbeklagter entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine notwendige Streitgenossen- schaft bestand, belegt schon die eigenständige Klage des Klägers. Erfolglos macht die Rechtsbeschwerde auch geltend, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen Art. 103 GG und das Gebot willkürfreien Verfahrens übergangen, dass eine Berufung allein des Klägers, nicht aber der Drittwiderbeklagten - zumal angesichts der existentiellen Bedeutung des Rechtsstreits für beide - keinen "Sinn" gemacht hätte. Dies vermag einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte der Drittwiderbeklagten schon deshalb nicht zu begründen, weil die Frage nach dem Sinn einer isolierten oder einer gemeinsamen Berufung von Kläger und Drittwiderbeklagter nichts daran ändert, dass - aus welchen Gründen auch immer - einer von beiden von der Berufung absehen konnte. Es war keinesfalls unzweifelbar erkennbar, dass das Rechtsmittel entgegen dem äußeren Anschein der Berufungsschrift für beide gleichzeitig eingelegt werden sollte. Dies gilt hier in besonderer Weise angesichts der Tatsache, dass Kläger und Drittwiderbeklagte unterschiedliche Adressen haben, letztere unter einer Adresse im Ausland wohnt. Angesichts dessen kann auch keine Rede von einer willkürlichen Entscheidung des Berufungsgerichts sein.
12
Die 2. Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die von der Rechtsbeschwerde für grundsätzlich erachtete Frage, ob "EDV-Fehler" zu Lasten der durch das erstinstanzliche Urteil beschwerten Partei gelöst werden dürften, wenn die Parteirollen hinreichend erkennbar und bei interessengerechter Auslegung unzweifelhaft seien, stellt sich nach den vorangegangenen Ausführungen nicht.
13
3.DieKostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Schmitt

Vorinstanzen:
LG Waldshut-Tiengen, Entscheidung vom 24.06.2004 - 2 O 25/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 09.12.2004 - 4 U 78/04 -