Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2012 - V ZR 255/11

bei uns veröffentlicht am19.07.2012
vorgehend
Amtsgericht Borna, 4 C 362/10, 12.05.2011
Landgericht Dresden, 2 S 375/11, 10.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 255/11
vom
19. Juli 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
WEG § 62 Abs. 2
§ 62 Abs. 2 WEG gilt nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig
verworfen hat.
BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - V ZR 255/11 - LG Dresden
AG Borna
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juli 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 10. November 2011 wird auf Kosten der Kläger zu 1 und 2 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.349,96 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Amtsgericht hat die Klage der Kläger zu 1 und 2, die sich gegen mehrere, in einer Eigentümerversammlung gefasste Beschlüsse richtete, im Wesentlichen abgewiesen. Das Urteil ist ihnen am 18. Mai 2011 zugestellt worden. Am 17. Juni 2011 ist ihre Berufung bei dem Landgericht Leipzig eingegangen. Am 22. Juni 2011 hat der Vorsitzende telefonisch eine Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Kläger darauf hingewiesen, dass zuständiges Berufungsgericht das Landgericht Dresden sei. Daraufhin haben die Kläger zu 1 und 2 - nach Berufungsrücknahme - am 29. Juni 2011 dort die Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

2
Zur Begründung haben sie vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter habe nach Unterzeichnung der Berufungsschrift am 17. Juni 2011 festgestellt, dass diese fehlerhaft an das Landgericht Leipzig adressiert gewesen sei. Er habe seine Mitarbeiterin angewiesen, dies zu ändern und den schon unterzeichneten Schriftsatz zu vernichten. Nachdem er den korrekt adressierten Schriftsatz unterschrieben habe, habe er ihr die Anweisung erteilt, diesen unverzüglich per Fax zu übersenden. Die Mitarbeiterin habe jedoch versehentlich den ursprünglichen Schriftsatz an das unzuständige Landgericht Leipzig gefaxt. Anschließend habe sie dem Prozessbevollmächtigten Kopien des an das unzuständige Gericht adressierten Schriftsatzes zur Fertigung beglaubigter Abschriften vorgelegt. Bei deren Unterzeichnung habe er dies aufgrund der Faltung der Schriftsätze nicht bemerkt. Seine Frage, ob es sich um den richtigen Berufungsschriftsatz handle, habe seine Mitarbeiterin bejaht. Ebenso habe sie bestätigt , dass "das Fax raus" sei.
3
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger zu 1 und 2.

II.


4
Das Berufungsgericht meint, die Kläger seien nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen. Bei Erkundigung nach dem Versand des Faxes hätte ihr Anwalt nachfragen müssen, ob dieses an das richtige Gericht gefaxt worden sei. Zudem hätte ihm bei ordnungsgemäßem Handeln im Rahmen der Beglaubigung der Abschriften der Fehler seiner Ange- stellten auffallen müssen. Er habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass er den „richtigen“ Schriftsatz beglaubige, vor allem, wenner gewusst habe, dass ein fehlerhafter Schriftsatz in der Welt sei.

III.


5
1. Die Beschwerde der Kläger zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht gemäß § 544 Abs. 1 und 2 ZPO ist zulässig.
6
a) Der Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung steht § 62 Abs. 2 WEG, wonach für eine Übergangszeit die Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 bis 4 WEG ausgeschlossen ist, nicht entgegen.
7
Die mit der Zielsetzung getroffene Regelung, einer Überlastung des Bundesgerichtshofs vorzubeugen, lehnt sich an § 26 Nr. 9 EGZPO a.F. - einer mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobenen Übergangsregelung zur ZPO-Reform - an (BT-Drucks. 16/887, S. 43). Danach war für eine fünfjährige Übergangsfrist die Nichtzulassungsbeschwerde gegen Urteile in Familiensachen ausgeschlossen. Durch Art. 2 Nr. 1 des ersten Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I, S. 2198) sind sowohl § 26 Nr. 9 EGZPO a.F. als auch § 26 Nr. 8 EGZPO, wonach die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde von einer bestimmten Wertgrenze abhängig ist, durch Satz 2 ergänzt worden; darin wird das die Berufung verwerfende Urteil vom Anwendungsbereich der die Nichtzulassungsbeschwerde beschränkenden Übergangsregelungen ausdrücklich ausgenommen. Hintergrund hierfür war die Vereinheitlichung der Rechtsmittelmöglichkeiten bei verwerfenden Entscheidungen des Berufungsgerichts, gegen die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO die Rechtsbeschwerde stattfindet, wenn sie nach § 522 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO als Beschluss ergangen sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Relevanz des gleichmäßigen und willkürfreien Zugangs zur Rechtsmittelinstanz ein weiter Rechtsschutz gegen Verwerfungsentscheidungen des Berufungsgerichts unabhängig davon gewährleistet sein, ob sie als Urteil oder als Beschluss ergehen (BT-Drucks. 15/1508, S. 22).
8
Das Fehlen einer vergleichbaren Vorschrift in § 62 Abs. 2 WEG lässt nicht den Schluss zu, dass nach dem Willen des Gesetzgebers in Wohnungseigentumssachen gegen ein die Berufung verwerfendes Berufungsurteil eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Gesetz insoweit eine planwidrige Regelungslücke enthält, die durch entsprechende Anwendung von § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO, der der Regelung in § 26 Nr. 9 Satz 2 EGZPO a.F. entspricht, zu schließen ist. Denn der diesen Vorschriften zugrunde liegende Gedanke der Gewährleistung einer einheitlichen Anfechtbarkeit der verwerfenden Entscheidungen des Berufungsgerichts gilt in gleicher Weise für Wohnungseigentumssachen. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum dort gegen eine Berufungsverwerfung eine Beschwerde nur statthaft ist, wenn die Entscheidung im Wege eines Beschlusses ergangen ist, während gegen die gleiche Entscheidung, wenn sie in einem Urteil getroffen wird, die Beschwerdemöglichkeit nicht gegeben sein soll. Insoweit ist der Sachverhalt mit dem in § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO geregelten Tatbestand vergleichbar, so dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gelangt (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 145/06, BGHZ 171, 350, 353 m.w.N.).

9
b) Der Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde steht auch nicht entgegen, dass der Wert der geltend gemachten Beschwer 20.000 € nicht übersteigt. Die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO gilt nach dessen Satz 2 nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung verworfen hat.
10
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Denn die Berufungsverwerfung wird jedenfalls von der rechtsfehlerfreien Erwägung des Berufungsgerichts getragen, dass dem Prozessbevollmächtigten der Kläger bei ordnungsgemäßem Handeln im Rahmen der Beglaubigung der Abschriften der Fehler seiner Kanzleiangestellten hätte auffallen müssen.
11
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft allerdings den Rechtsanwalt im Falle einer Fristversäumung kein der Partei zurechenbares Verschulden, wenn er einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im Allgemeinen auch nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - VI ZB 23/11, NJW-RR 2012, 428 mwN).
12
b) Hier lagen aber besondere Umstände vor, die ein Vertrauen des Anwalts auf die Ausführung seiner Weisung, die korrigierte Berufungsschrift an das zuständige Gericht zu faxen, ausnahmsweise nicht erlaubten. Denn noch am selben Tag hat ihm seine Kanzleiangestellte Abschriften des Berufungsschriftsatzes zur Beglaubigung vorgelegt, die wiederum die fehlerhafte Adressierung aufwiesen. Der Umstand, dass der Anwalt dies aufgrund der Faltung der Abschriften nicht bemerkte, vermag ihn nicht zu entlasten. Seine Unkenntnis beruhte darauf, dass er die Abschriften unterzeichnete, ohne sich zu vergewissern , dass sie - wie er unterschriftlich bestätigte - mit der Urschrift übereinstimmten. Hier wäre der Anwalt aber zu einer besonderen Kontrolle verpflichtet gewesen, weil ihm bekannt war, dass er kurz zuvor einen an das falsche Gericht adressierten Berufungsschriftsatz unterzeichnet hatte, er also wusste, dass ein fehlerhafter Schriftsatz in der Welt war. Daher reichte es nicht aus, dass er bei Unterzeichnung der Abschriften seine Kanzleiangestellte fragte, ob es sich um den "richtigen" Berufungsschriftsatz handle. Gerade aufgrund der Vorgeschichte bestand Anlass, einen Blick auf das Adressfeld zu werfen. Indem der Anwalt diese naheliegende Prüfung unterlassen hat, hat er schuldhaft zur Fristversäumung beigetragen. Bei entsprechender Kontrolle wäre der Fehler sofort aufgefallen, und es hätte sich aufgedrängt, der Frage nachzugehen, ob die Kanzleiangestellte tatsächlich die zuvor erteilte Weisung befolgt und den "richtigen" Schriftsatz an das zuständige Gericht gefaxt hatte.
13
3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Krüger Stresemann Roth
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Borna, Entscheidung vom 12.05.2011 - 4 C 362/10 -
LG Dresden, Entscheidung vom 10.11.2011 - 2 S 375/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2011 - VI ZB 23/11

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1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2012 - V ZR 255/11.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2014 - V ZR 290/13

bei uns veröffentlicht am 18.09.2014

Tenor Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Oktober 2013 aufgehoben.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 145/06
vom
15. März 2007
in der Grundbuchsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Gehört zu einem Nachlass, für den Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden
ist, ein Anteil an einer Erbengemeinschaft, zu deren Gesamthandvermögen ein
Grundstück zählt, kann der Vorerbe über dieses Grundstück ohne die Beschränkungen
des § 2113 BGB verfügen.
BGH, Beschl. v. 15. März 2007 - V ZB 145/06 - OLG Stuttgart
LG Ulm
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. März 2007 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann
und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 24. April 2006 und der Beschluss des Grundbuchamts Ehingen (Donau) vom 8. Februar 2006 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, bei der erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Antragsteller vom 7. Februar 2006 die Abhilfe nicht aus den Gründen des Beschlusses vom 8. Februar 2006 zu verweigern. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Antragsteller sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Miteigentümer eines Grundstücks. Mitglied der Erbengemeinschaft war bis zu ihrem Tod auch P. S. . Sie wurde von dem Beteiligten zu 3 als Vorerben beerbt; als Nacherbin ist die Beteiligte zu 4 eingesetzt. Aus Anlass der von dem Beteiligten zu 3 beantragten Grundbuchberichtigung trug das Grundbuchamt im Juli 2005 einen Nacherbenvermerk zugunsten der Beteiligten zu 4 ein.
2
Die Antragsteller verlangen die Löschung des Nacherbenvermerks. Das Grundbuchamt hat dies abgelehnt; die gegen die Eintragung gerichtete Beschwerde ist von dem Landgericht zurückgewiesen worden. Das Oberlandesgericht Stuttgart möchte der weiteren Beschwerde der Antragsteller stattgeben. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluss des Oberlandsgerichts Hamm vom 28. April 1984 (Rpfleger 1985, 21) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

3
Die Vorlage ist gemäß § 79 Abs. 2 GBO statthaft. Das vorlegende Gericht meint, der Nacherbenvermerk sei zu Unrecht in das Grundbuch eingetragen worden , da der dem Beteiligten zu 3 als Vorerbe angefallene Gesamthandsanteil von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB und damit auch von § 51 GBO nicht erfasst werde. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften scheide aus, weil sie dazu führte, dass die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft in ihren Verfügungsmöglichkeiten beschränkt würden. Der Bundesgerichtshof habe für den Fall einer aus zwei Personen bestehenden Erbengemeinschaft, von denen einer Vorerbe des anderen werde, entschieden, dass die Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB für den Überlebenden nicht gälten, da sie andernfalls auch dessen ursprünglichen, von der Anordnung der Nacherbschaft freien Anteil am Grundstückseigentum erfassten. Diese Erwägung müsse erst recht gelten, wenn Gegenstand der Vorerbschaft ein Anteil an einer Erbengemeinschaft sei, der Dritte angehörten. Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Hamm - in ausdrücklicher Abgrenzung zu dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - die Auffassung , dass ein Vermerk über die Nacherbfolge in das Grundbuch aufzunehmen sei, wenn als Grundstückseigentümer mehrere Miterben in Erbengemeinschaft eingetragen seien und einer von ihnen durch einen Vorerben beerbt werde. Diese Divergenz rechtfertigt die Vorlage.

III.

4
Die weitere Beschwerde der Antragsteller ist zulässig (§§ 78, 80 GBO) und hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die von den Antragstellern im Wege der Beschwerde verlangte Löschung des Nacherbenvermerks (§ 71 Abs. 2 Satz 2 GBO) liegen vor, da das Grundbuch durch die Eintragung des Nacherbenvermerks unrichtig geworden ist.
5
Ein Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) hat den Zweck, die Beschränkungen, denen der Vorerbe nach materiellem Recht in der Verfügung über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück unterliegt , im Grundbuch für Dritte erkennbar zu machen und dadurch den Nacherben gegenüber den sich aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs ergebenden Gefahren zu sichern (Senat, BGHZ 84, 196, 201). Er darf daher nur eingetragen werden, wenn der Vorerbe in Bezug auf das für ihn eingetragene Recht an dem Grundstück durch die angeordnete Nacherbfolge in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist diese Voraussetzung hier nicht erfüllt, da das Grundstück nicht zur Erbschaft des Beteiligten zu 3 gehört und dieser deshalb nicht den Beschränkungen des § 2113 BGB unterliegt.
6
1. Die den Vorerben in seiner Verfügungsbefugnis beschränkende Vorschrift des § 2113 BGB bezieht sich nur auf Verfügungen über Grundstücke, die zu der Erbschaft gehören, bezüglich deren eine Nacherbfolge angeordnet worden ist (BGHZ 26, 378, 382). Sie findet daher keine unmittelbare Anwendung, wenn die Vorerbschaft - wie hier - Anteile an einem Gesamthandvermögen umfasst, zu welchem ein Grundstück gehört (vgl. BGHZ 26, 378, 382; Senat, Urt. v. 12. Februar 1964, V ZR 59/62, NJW 1964, 768; Beschl. v. 10. März 1976, V ZB 7/72, WM 1976, 478, 479; Urt. v. 16. Dezember 1977, V ZR 140/76, NJW 1978, 698; MünchKomm-BGB/Grunsky, 4. Aufl., § 2113 Rdn. 3; Soergel/Harder/Wegmann, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rdn. 3; Erman/M. Schmidt, BGB, 11. Aufl., § 2113 Rdn. 10; Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB, § 2113 Rdn. 3; Damrau/Hennicke, Praxiskommentar Erbrecht, § 2113 Rdn. 4; Ludwig, Vor- und Nacherbschaft im Grundstücksrecht , 1996, S. 110 f.; K. Schmidt, FamRZ 1976, 683, 687 f.). Nachlassgegenstand ist dann nämlich nicht das Grundstück, sondern nur der Erbteil des Erblassers an dem Nachlass (vgl. RGZ 162, 397, 401).
7
2. Die Vorschrift des § 2113 BGB ist auf Verfügungen, die der Beteiligte zu 3 zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft über das im Rubrum bezeichnete Grundstück trifft, auch nicht entsprechend anzuwenden. Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 252; BGHZ 105, 140, 143, BGH, Urt. v. 13. März 2003, I ZR 290/00, NJW 2003, 1932, 1933).
8
a) Für den Fall, dass eine Gütergemeinschaft oder eine aus zwei Personen bestehende Erbengemeinschaft dadurch endet, dass einer der Gesamthänder stirbt und der andere Gesamthänder dessen alleiniger Vorerbe und damit alleiniger Eigentümer eines von der Gesamthand gehaltenen Grundstücks wird, ist der Bundesgerichtshof zu einer von der gesetzlichen Regelung in § 2113 BGB abweichenden Interessenabwägung gelangt (Urt. v. 12. Februar 1964, V ZR 59/62, NJW 1964, 768, 769; Beschl. v. 10. März 1976, V ZB 7/72, WM 1976, 478, 479; Urt. v.
16. Dezember 1977, V ZR 140/76, NJW 1978, 698). Zwar spricht das Schutzbedürfnis des Nacherben für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift. Dem steht jedoch entgegen, dass dann nicht nur der zum Nachlass, für den die Nacherbfolge angeordnet worden ist, gehörende Gesamthandanteil, sondern ein zum Gesamthandvermögen gehörendes Grundstück insgesamt den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB unterworfen wäre und damit auch der Gesamthandanteil , der dem Überlebenden schon vorher zu eigenem Recht zustand. Dieses Ergebnis hat der Senat als das größere Übel erachtet, zumal es namentlich im Recht der Personenhandelsgesellschaften dazu führen könnte, dass die Flexibilität der Geschäftsführung und der Verkehrsschutz leiden (Urt. v. 16. Dezember 1977, V ZR 140/76, NJW 1978, 698).
9
b) Der Schutz der von der Nacherbschaft nicht betroffenen Gesamthandanteile muss - wie das vorlegende Gericht zutreffend annimmt - erst recht Vorrang vor den Interessen des Nacherben haben, wenn diese Anteile nicht dem Vorerben , sondern, wie hier, Dritten zustehen. Im Fall einer aus mehreren Personen bestehenden Erbengemeinschaft unterlägen andernfalls alle Miterben - da sie über das zum Gesamthandvermögen gehörende Grundstück nur gemeinschaftlich verfügen können (§ 2040 Abs. 1 BGB) - den Verfügungsbeschränkungen des Vorerben , weil sie praktisch nur mit Zustimmung des Nacherben über das Grundstück verfügen könnten. Eine derartig weitgehende Blockierung der von der Anordnung der Nacherbschaft nicht betroffenen und daher an sich unbeschränkten Miterben entspricht nicht dem Zweck des § 2113 BGB. Die Vorschrift will im Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben Vorkehrungen zum Schutz der Nacherbschaft treffen, nicht aber in bestehende Rechte Dritter eingreifen (ebenso LG Aachen Rpfleger 1991, 301; MünchKomm-BGB/Grunsky, BGB, 4. Aufl., § 2113 Rdn. 3; Soergel /Harder/Wegmann, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rdn. 3; Erman/M. Schmidt, BGB, 11. Aufl., § 2113 Rdn. 10; AnwK-BGB/Gierl, 2. Aufl., § 2113 Rdn. 8; Demharter, GBO, 25. Aufl., § 51 Rdn. 3; Damrau/Hennicke, Praxiskommentar Erbrecht, § 2113 Rdn. 4; Ludwig, Vor- und Nacherbschaft im Grundstücksrecht, 1996, S. 108 i.V.m. S. 132; Schaub, ZEV 1998, 372, 374; Schmid, BWNotZ 1996, 144, 147 f.; wohl auch BayObLGZ 94, 177, 181, a.A. OLG Hamm Rpfleger 1985, 21; Meikel/Kraiss, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 51 GBO Rdn. 60; Edelmann, Beschränkungen des Vorerben nach § 2113 BGB beiVerfügungen über Gegenstände eines Gesamthandvermögens, 1975, S. 113 ff.).
10
c) Die in der Vergleichsentscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Rpfleger 1985, 21) und im Schrifttum für eine entsprechende Anwendung von § 2113 BGB angeführten Gründe führen zu keiner anderen Beurteilung.
11
aa) Anders als das Oberlandesgericht Hamm meint, liegt der entscheidende Grund dafür, dass der Bundesgerichtshof den Schutz des Nacherben hintanstellt, wenn Gegenstand der Vorerbschaft ein Gesamthandanteil ist, nicht darin, dass in den bisher entschiedenen Fällen sich alle Gesamthandanteile in der Hand des Vorerben vereinigt hatten und das Gesamthandvermögen damit nur noch einer Person zustand. Bestimmend war die Überlegung, dass eine entsprechende Anwendung des § 2113 BGB zwangsläufig dazu führt, dass nicht nur der zum Nachlass gehörende Gesamthandanteil den Verfügungsbeschränkungen jener Vorschrift unterworfen wäre, sondern das zum Gesamthandvermögen gehörende Grundstück insgesamt (vgl. Senat, Beschl. v. 10. März 1976, V ZB 7/72, WM 1976, 478, 479). Diese unerwünschte Folge tritt aber unabhängig davon ein, ob sich die Gesamthandanteile in der Person des Vorerben vereinigen oder ob sie - wie hier - mehreren Personen zustehen. Im ersten Fall kann der Vorerbe - ohne dass es insoweit auf die Frage ankommt, ob das Gesamthandverhältnis in seiner Person fortdauert oder durch Konsolidation erlischt (vgl. dazu K. Schmidt, FamRZ 1976, 683, 685 f. m.w.N.) - über das Grundstück schon deshalb nur insgesamt verfügen, weil ein rechtlich ungeteiltes Grundstück seinem Eigentümer zwingend als Ganzes zugeordnet ist (vgl. näher BayObLGZ 68, 104, 105 ff.). Bei einer aus mehreren Personen bestehenden Erbengemeinschaft ergibt sich dieselbe Konse- quenz aus der Vorschrift des § 2040 Abs. 1 BGB, wonach Miterben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen können. Damit bleiben die Verfügungsbeschränkungen, denen der Vorerbe unterliegt, bei einer Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück auch in diesem Fall nicht auf seinen Gesamthandanteil begrenzt, sondern erstrecken sich zwangsläufig auf die unbelasteten Anteile der übrigen Miterben.
12
bb) Ebenso wenig tragfähig ist im Fall einer MehrpersonenGesamthandgemeinschaft die Erwägung, dass es für die von der Nacherbschaft nicht belasteten Miterben - da sie infolge ihrer gesamthänderischen Bindung ohnehin nicht frei verfügen könnten - keinen erheblichen Unterschied bedeute, wenn ein Miterbe seinerseits nicht frei verfügen könne (OLG Hamm, aaO, S. 22; vgl. allerdings auch BayObLGZ 94, 177, 181 f. u. Kanzleiter, ZEV 1996, 66 für den Fall der "Einpersonen-Gesamthand"). Dabei wird verkannt, dass den Miterben ein zusätzliches Verfügungshindernis auferlegt würde, wenn sie den Beschränkungen des § 2113 BGB unterlägen, da sie für eine Verfügung über das Grundstück neben der Zustimmung aller Miterben de facto auch die Zustimmung des Nacherben benötigten.
13
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vergleich mit der Sach- und Rechtslage, die entsteht, wenn ein Erblasser mehrere Erben einsetzt und lediglich für einen von ihnen eine Nacherbfolge anordnet (vgl. OLG Hamm, aaO, S. 22). Zwar besteht dann von vornherein die Situation, dass einer der Miterben bei der gemeinschaftlichen Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück nicht frei, sondern durch die Nacherbfolge beschränkt ist. Dass sich diese Beschränkung nach herrschender Auffassung auf die - an sich unbelasteten - Vollerben erstreckt (vgl. BayObLGZ 61, 200, 205 f.), ist deshalb hinzunehmen, weil die Belastung der Miterben hier auf die Anordnung des Erblassers zurückgeht, zu dessen Nachlass das Grundstück gehört. Demgegenüber führte die Anwendung von § 2113 BGB in der vorliegenden Konstellation dazu, dass ein Miterbe durch Einsetzung eines Nacherben die übrigen Miterben - entgegen dem Willen des ursprünglichen Erblassers - den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB unterwerfen könnte (so zutreffend Schmid, BWNotZ 1996, 144, 148; Ludwig, DNotZ 2000, 67, 71).
14
cc) Für die Abwägung der Interessen der nicht nacherbschaftsbelasteten Erben einerseits und des Nacherben andererseits kann auch nicht entscheidend sein, dass sich die Miterben dem "Zuviel" an Verfügungsbeschränkungen durch die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entziehen können (so aber Meikel /Kraiss, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 51 GBO Rdn. 60; K. Schmidt, FamRZ 1976, 683, 688 f. sowie Kanzleiter, ZEV 1996, 66 für die Gütergemeinschaft). Auch wenn die Erbengemeinschaft als Auseinandersetzungsgemeinschaft konzipiert ist, darf sie nicht nur im Hinblick auf eine möglichst rasche Abwicklung gesehen werden. Das Interesse der Miterben wird, insbesondere wenn wertvolle wirtschaftliche Einheiten erhalten werden sollen, nicht selten auf eine Fortführung der Gemeinschaft und damit auf eine gemeinsame Nutzung und Verwaltung des Nachlasses gerichtet sein. Vor diesem Hintergrund ist auch das Interesse der Miterben schützenswert , den Zeitpunkt sowie Art und Weise der Auseinandersetzung zu bestimmen (vgl. Staudinger/Werner, BGB [2002], Vorbem zu §§ 2032-2057a Rdn. 3; Erman /Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 2042 Rdn. 1; Ludwig, Vor- und Nacherbschaft im Grundstücksrecht, 1996, S. 128; Schaub, ZEV 1998, 372, 374; LG Aachen Rpfleger 1991, 302).
15
dd) Die bei einer entsprechenden Anwendung von § 2113 BGB eintretende Beschränkung der Rechte der übrigen Miterben lässt sich schließlich auch nicht durch den von dem Beschwerdegericht herangezogenen Vergleich mit der Lage rechtfertigen, die bei der Verpfändung eines Erbteils durch einen Miterben entsteht. Zwar wird es in diesem Fall - obwohl das Pfandrecht im Hinblick auf § 2033 Abs. 2 BGB nicht den Anteil des Miterben an einem zum Nachlass gehörenden Grundstück, sondern nur das Anteilsrecht des Miterben an dem ungeteilten Nach- lass erfasst - zum Schutz des Pfändungsgläubigers überwiegend für zulässig erachtet , das Pfandrecht an dem Erbteil im Grundbuch des Nachlassgrundstücks einzutragen mit der Folge, dass sich die Verfügungsbeschränkung, die der Miterbe im Verhältnis zum Pfändungsgläubiger unterliegt, auf sämtliche Miterben auswirkt (vgl. BayObLGZ 59, 50; OLG Hamm OLGZ 77, 283, 286; OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 205). Dass die - für eine entsprechende Anwendung des § 2113 BGB notwendige - Abwägung zwischen den Belangen der Beteiligten in diesem Fall zu Lasten der von der Verpfändung nicht betroffenen Miterben ausfällt, präjudiziert, da jeweils unterschiedliche Aspekte zu gewichten sind, aber nicht notwendigerweise das Ergebnis der Abwägung im hier zu beurteilenden Sachverhalt. So steht dem Pfändungsgläubiger, anders als dem Nacherben, ein dingliches Recht an dem Erbteil zu, und auch das Interesse des Miterben, seinen Erbteil als Kreditgrundlage verwenden zu können, kann anders zu bewerten sein als sein Interesse , dem Nacherben dieses Erbteils einen dinglich wirkenden Schutz vor Verfügungen der übrigen Miterben zu verschaffen.

IV.

16
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 24.04.2006 - 2 T 9/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 14.09.2006 - 8 W 193/06 -

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 23/11
vom
20. September 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für den Ausschluss des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts
(§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO) an der Fristversäumung kommt es auf allgemeine
organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in
einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr an, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten
, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung
erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte.
BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - VI ZB 23/11 - OLG Stuttgart
LG Ulm
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und die
Richterin von Pentz

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. März 2011 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 19.683,02 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Honorar für eine kieferorthopädische Behandlung in Anspruch. Die Beklagte hält die Abrechnung für fehlerhaft und begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. März 2010 teilweise stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dieses Urteil ist dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 30. März 2010 zugestellt worden. Am 27. April 2010 hat die Beklagte Rechtsanwalt B. das Mandat erteilt. Dieser hat mit am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 7. Juli 2010, zugestellt am 12. Juli 2010, ist Rechtsanwalt B. darauf hingewiesen worden, dass innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keine Berufungsbegründung eingegangen sei. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2010, eingegangen am 12. Juli 2010, hat die Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung dieses Antrags hat sie ausgeführt, im Büro ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten seien die Daten des Ablaufs der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist auf der zugestellten Urteilsausfertigung vermerkt worden. Eine Kopie dieser Ausfertigung habe sie mit der Mandatierung per Fax ihrem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten übermittelt. Da diesem das Empfangsbekenntnis nicht vorgelegen habe, habe er den Ablauf der Fristen nicht überprüfen können. Deshalb seien diese entgegen der in der Kanzlei üblichen Organisation nicht sofort in den Fristenkalender eingetragen worden. Auf Anweisung von Rechtsanwalt B. habe dessen Büroleiterin sofort Berufung eingelegt und beim Landgericht Akteneinsicht beantragt. Die Gerichtsakten seien am 6. Mai 2010 eingegangen und ihm am selben Tag vorgelegt worden. Rechtsanwalt B. habe die Berechnung der Fristen überprüft und verfügt, eine Vorfrist für die Berufungsbegründung auf den 21. Mai 2010 und den Fristablauf für die Berufungsbegründung auf den 28. Mai 2010 einzutragen. Diese Verfügung habe er in die Rubrik "Fristen" des Pultordners des Sekretariats gelegt und der Büroleiterin, die ausschließlich für die Führung des Fristenkalenders zuständig sei, auf diese Weise zur sofortigen Bearbeitung überlassen. Die Büroleiterin, Frau N., sei seit 2000 in der Kanzlei beschäftigt und sehr zuverlässig. Rechts- anwalt B. habe die Führung des Fristenkalenders bis zum Jahr 2004 ständig und seitdem stichprobenartig überwacht. Während dieser Zeit habe es keine Beanstandung gegeben. Im vorliegenden Fall habe Frau N. jedoch weder die Fristen notiert noch einen Erledigungsvermerk auf der Verfügung angebracht. Diese Versehen habe er aufgrund einer am 27. Juni 2010 eingegangenen Stellungnahme der Beklagten in einem anderen Verfahren bemerkt. Die Richtigkeit dieses Vorbringens ist von Rechtsanwalt B. anwaltlich versichert und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung von Frau N. glaubhaft gemacht worden.
2
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte müsse sich die von ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldete Fristversäumung zurechnen lassen. Der Ablauf der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist eines mit der Vertretung im Berufungsverfahren neu beauftragten Prozessbevollmächtigten sei bei Auftragserteilung durch den Mandanten, spätestens bei Fertigung der Berufungsschrift zu notieren. Könne sich der Prozessbevollmächtigte wegen eines Anwaltswechsels zu diesem Zeitpunkt nicht selbst anhand des Empfangsbekenntnisses oder der Gerichtsakten vom Zustellungsdatum überzeugen, sei der mutmaßliche Fristablauf zunächst vorläufig einzutragen. Dem Vorbringen der Beklagten sei nicht zu entnehmen, dass dies in der Kanzlei ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gewährleistet sei. Die eingetretene Fristversäumung beruhe auf diesem Organisationsverschulden, denn wenn die Fristen am 27. April 2010 (als vorläufige Fristen) eingetragen worden wären, wäre die Handakte Rechtsanwalt B. rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden. Die unzureichende allgemeine Organisation werde im vorliegenden Fall auch nicht durch die am 6. Mai 2010 erteilte Einzelanweisung ausgeglichen, denn die nachträgliche Erteilung einer Einzel- anweisung berühre nicht den in einer fehlerhaften Handhabung der Fristenüberwachung liegenden Pflichtenverstoß. Bei dieser Sachlage könne offen bleiben , ob ein weiterer Pflichtenverstoß deshalb gegeben sei, weil Rechtsanwalt B. den Ablauf der Fristen am 21. Mai 2010 nicht überprüft habe, als ihm die Akten mit einer Verfügung des Landgerichts, die sich allerdings nicht an ihn, sondern an den Klägervertreter gerichtet habe, vorgelegt worden seien.
3
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig , denn eine Entscheidung des Senats ist jedenfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf ihren rechtzeitigen Antrag ist ihr jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
6
a) Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004).
7
b) Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein Organisationsverschulden treffe, weil nach ihrem Vorbringen in seiner Kanzlei nicht gewährleistet sei, dass der Ablauf der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist schon bei Auftragserteilung durch den Mandanten, spätestens aber bei Fertigung der Berufungsschrift - gegebenenfalls unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit - notiert werde.
8
c) Sie beanstandet jedoch mit Recht, dass das Berufungsgericht die Bedeutung der Einzelanweisung verkannt hat. Das Berufungsgericht übersieht nämlich, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Ausschluss des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07, juris, Rn. 7 und vom 13. April 2010 - VI ZB 65/08, NJW 2010, 2287, Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95, VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96, NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (BGH, Beschluss vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930). Er ist deshalb im Allgemeinen auch nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, VersR 2003, 1462 und vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03, VersR 2005, 138; BGH, Beschluss vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97, aaO).
9
d) So liegt der Fall hier, denn nach dem anwaltlich versicherten und durch eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten N. glaubhaft gemachten Vortrag der Beklagten hat ihr Prozessbevollmächtigter seiner Büroleiterin Frau N. konkret mittels einer in die Rubrik "Fristen" des Pultordners des Sekretariats gelegten schriftlichen Verfügung aufgetragen, die Frist zur Begründung der Berufung mit der dazugehörenden Vorfrist im Fristenkalender zu notieren. Hätte Frau N. diese Einzelanweisung befolgt, wäre ihm die Akte rechtzeitig vorgelegt und die Berufungsbegründungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, dass sich Mängel bei der allgemeinen Organisation des Anwaltsbüros in einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, VersR 2003, 1459 und BGH, Beschluss vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00, NJW-RR 2001, 782, 783). Zwar gilt der Grundsatz, dass ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet ist, die Ausführung einer Einzelanweisung zu kontrollieren , nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z. B. einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, aaO; vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, VersR 2005, 383 f.; vom 12. Juni 2007 - VI ZB 76/06, juris, Rn. 8 und vom 28. Oktober 2008 - VI ZB 43/08, juris, Rn. 6 und 12; v. Pentz, NJW 2003, 858, 863 f.). Vorliegend hat Rechtsanwalt B. die Anweisung jedoch nicht mündlich, sondern in schriftlicher Form erteilt. Da in einem solchen Fall die Ge- fahr, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist deshalb unterbleibt, wesentlich niedriger ist als bei einer nur mündlich erteilten Anweisung, ist eine Kontrolle hinsichtlich der Ausführung einer auf diese Weise erteilten Einzelanweisung im Regelfall nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07, aaO, Rn. 8). Das die Büroleiterin N. treffende Verschulden an der Nichtausführung der Anweisung von Rechtsanwalt B. ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 24.03.2010 - 6 O 203/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 02.03.2011 - 1 U 63/10 -