vorgehend
Amtsgericht Cottbus, 39 C 311/02, 29.03.2007
Landgericht Cottbus, 5 S 33/07, 23.04.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 110/08
vom
18. Dezember 2008
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Dezember 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 23. April 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Beseitigung von Bauwerken oder Bauwerksteilen innerhalb der Abstandsflächen nach § 6 BbgBauO verurteilt worden sind. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. Insoweit wirft die Rechtssache keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 15.580,98 €. Davon entfallen 13.080 € auf den erfolglosen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde.

Gründe:


I.


1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in D. (Brandenburg). Ihre Grundstücke sind durch die Teilung eines Grundstücks nach einer 1984 notariell beurkundeten Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft entstanden. Für das nicht mit einem öffentlichen Weg verbundene Trennstück, das die Beklagten 1992 von einem der Miterben erworben haben, wurde in der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ein Wege- und Durchgangsrecht vereinbart und in das Grundbuch des Grundstücks der Klägerin eingetragen.
2
Beide Grundstücke wurden damals zu Erholungszwecken genutzt. In der Nähe der jeweiligen Grundstücksgrenze wurden auf beiden Grundstücken Bungalows errichtet, die sich teilweise in den nach der Bauordnung des Landes einzuhaltenden Abstandsflächen befinden. Die Kläger nutzen ihren aus- und umgebauten Bungalow mittlerweile zu Wohnzwecken. Die behördliche Genehmigung zur Nutzungsänderung ist ihnen jedoch versagt worden; ihre dagegen erhobene Klage wurde von dem Verwaltungsgericht auch wegen der fehlenden Sicherung der Erschließung abgewiesen.
3
Die Klägerin hat von den Beklagten die Beseitigung der Baulichkeiten in dem Grenzbereich, ein jährliches Entgelt für ein von ihr zu bewilligendes Notleitungsrecht sowie das Unterlassen des Befahrens des Weges mit Personenkraftwagen verlangt. Die Beklagten haben im Wege der Widerklage von der Klägerin die Beseitigung des von ihr errichteten Bungalows verlangt, soweit sich dieser im Bauwich befindet.
4
Das Amtsgericht hat mit einem Teilurteil der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen dem Unterlassungsantrag nur teilweise stattgeben, indem es den Beklagten das Befahren des Weges mit motorisierten Fahrzeugen insoweit verboten hat, als es über den Umfang hinausgeht, der zur Nutzung eines kleingärtnerisch oder zu Erholungszwecken genutzten Wochenendgrundstücks erforderlich ist.
5
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wollen die Beklagten ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiter verfolgen.

II.

6
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft. Der Wert der in einem Revisionsverfahren geltend zu machenden Beschwer der Beklagten übersteigt die in § 26 Nr. 8 EGZPO bestimmte Wertgrenze von 20.000 €.
7
Diese Grenze wird schon durch den Angriff gegen die Verurteilung zur Beseitigung des Bungalows überschritten, soweit sich dieser in dem Bauwich zum Grundstück der Klägerin befindet. Der Wert der Beschwer der Beklagten aus der Verurteilung zur Beseitigung eines Bauwerks bestimmt sich nach dem Kostenaufwand, der ihnen aus der Befolgungdes Urteils entsteht (Senat, BGHZ 124, 313, 319; BGH, Beschl. v. 29. April 2004, III ZB 72/03, WuM 2004, 352). Diese Beschwer ist unter Berücksichtigung des Verlusts der Gebrauchsfähigkeit der Bauwerkssubstanz durch einen Teilabriss zu bestimmen und schließt daher - entgegen der Ansicht der Erwiderung - auch die Kosten für die Wiederherstellung der Nutzbarkeit des Bauwerks ein. Diese Kosten haben die Beklagten unter Vorlage eines Gutachtens mit 22.750 € glaubhaft dargelegt.
8
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist in Bezug auf diese Verurteilung begründet. Das angefochtene Berufungsurteil ist insoweit nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
9
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht dem in der Berufungsbegründung unter Beweis gestellten neuen Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin dem Ausbau des Bungalows im Grenzbereich zugestimmt habe, hätte nachgehen müssen und nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen durfte.
10
aa) Die Zurückweisung neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO verletzt das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn der Umstand, dass der Vortrag erst in der Berufungsinstanz erfolgt, auf unzulänglicher Verfahrensleitung oder Verletzung richterlicher Fürsorgepflicht durch Unterlassen eines nach der Prozesslage gebotenen richterlichen Hinweises zurückzuführen ist (Senat, Beschl. v. 9. Juni 2005, V ZR 271/04, NJW 2005, 2624). Ein solcher Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts liegt dann vor, wenn dieses in seinem Urteil den Rechtsstreit anders als nach seinen vorherigen Hinweisen entschieden hat und die davon betroffene Partei auch bei gewissenhafter Vorbereitung der mündlichen Verhandlung mit einer solchen Wendung des Prozesses nicht rechnen konnte (vgl. Senat, Beschl. v. 1. Juli 2007, V ZR 200/06, NJW-RR 2007, 1221, 1222). Ein Gericht, dass den Parteien seine Rechtsansicht kundgetan hat, dann aber zu einer anderen Ansicht gelangt, muss die Parteien darauf hinweisen und ihnen vor seiner Endentscheidung durch Urteil Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einem der geänderten Rechtsauffassung des Gerichts Rechnung tragenden Sachvortrag geben (Senat, Beschl. v.
9. November 2006, V ZR 16/06, BeckRS 2006 14709; Beschl. v. 1. Juli 2007, V ZR 200/06, aaO).
11
Weist das Berufungsgericht nach einem solchen Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts das neue Vorbringen einer Partei nach § 531 Abs. 2 ZPO zurück, so perpetuiert es dadurch die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG.
12
bb) So liegt es hier.
13
(1) Die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör durch das erstinstanzliche Gerichts hat das Berufungsgericht selbst zutreffend festgestellt. Hatte das Amtsgericht in seinem Hinweisbeschluss den Parteien mitgeteilt, dass die Klage auf Beseitigung des Baus im Grenzbereich nur begründet sei, wenn die Klägerin zu einem rechtzeitigen Widerspruch weiter vortrage, durften die Beklagten das so verstehen, dass das Amtsgericht von einer Duldungspflicht der Klägerin unter entsprechender Anwendung der Regeln über einen entschuldigten Überbau analog § 912 Abs. 1 BGB ausging. Die Wendung in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, dass der Bau im Grenzbereich grob fahrlässig gewesen sei und es daher auf einen rechtzeitigen Widerspruch der Klägerin nach dem Beginn der Bebauung an der Grundstücksgrenze nicht ankomme, war für die Beklagten überraschend. Erst daraus ergab sich für sie das Erfordernis, zu den Umständen dieser Bebauung weiter vorzutragen.
14
(2) Die Verletzung des Verfahrensgrundrechts durch das Amtsgericht führte dazu, dass das Berufungsgericht neuen Vortrag der Beklagten nicht nur zum fehlenden Verschulden, sondern auch zur behaupteten Einwilligung der Klägerin hätte zulassen müssen. Die Notwendigkeit, andere Tatsachen für eine den Beseitigungsanspruch ausschließende Duldungspflicht der Klägerin vorzutragen , ergab sich für die Beklagten erst nach dem erstinstanzlichen Urteil.
15
b) Dieser Verfahrensfehler betrifft einen entscheidungserheblichen Punkt. Der Beseitigungsanspruch des Nachbarn ist ausgeschlossen, soweit er zur Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB). Ein Bau im Grenzbereich ist von dem Nachbarn zu dulden, wenn der Eigentümer mangels Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit entschuldigt ist und der Nachbar nicht sofort nach Baubeginn im Grenzbereich Widerspruch erhoben hat (analog § 912 Abs. 1 BGB - sog. entschuldigter Überbau) oder aber wenn der Nachbar sein Einverständnis mit dieser Bebauung erklärt hat (vgl. Senat BGHZ 62, 141, 145 - sog. rechtmäßiger Überbau).
16
Da - wovon auch das Berufungsgericht - ausgeht, die Klägerin dem Ausbau des Bungalows im Grenzbereich konkludent zugestimmt haben könnte, wenn sie diesen durch ihr Einverständnis mit einer Beseitigung der Grenzanlagen zur Durchführung der grenznahen Bebauung gefördert hätte, war dem Vortrag und den Beweisangebot durch die benannten Zeugen nachzugehen.
17
3. Ohne Erfolg bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen wegen der Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung einer übermäßigen Nutzung des als Wege- und Durchgangsrecht eingetragenen Mitbenutzungsrechts sowie zur Zahlung einer Entschädigung für ein nach dem Landesrecht von der Klägerin zu gewährendes Notleitungsrecht. Von einer weiteren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

III.

18
Der Beschwerdewert beträgt 15.580,98 €.
19
1. Bei der Beseitigungsklage ist der Gebührenstreitwert - abweichend von dem Wert der Beschwer der verurteilten Beklagten - gemäß § 3 ZPO nach den Anträgen der Klägerin und dem mit diesem verfolgten Interesse (vgl. Senat , BGHZ 124, 313, 317) zu bestimmen, die von dem Berufungsgericht nach den Angaben der Klägerin über die Wertminderung ihres Grundstücks durch die grenznahe Bebauung auf 2.500,98 € bestimmt worden ist.
20
2. Der Gegenstandswert für den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für das Notleitungsrecht von 8 €/mtl. ist nach § 8 ZPO nach dem 3,5 fachen Jahresbetrag auf 336 € zu bemessen.
21
3. Der Wert des Streits um den Inhalt des eingetragenen Mitbenutzungsrechts ist entsprechend § 7 ZPO nach dem höheren Wert der Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten für den von ihnen behaupteten Verlust der Bebaubarkeit des Grundstücks mit einem Wohnhaus auf 12.744 € festzusetzen. Krüger Klein Stresemann Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Cottbus, Entscheidung vom 29.03.2007 - 39 C 311/02 -
LG Cottbus, Entscheidung vom 23.04.2008 - 5 S 33/07 -

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 72/03
vom
29. April 2004
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2004 durch den Vorsitzenden
Richter Schlick und die Richter Streck, Dörr, Galke und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin vom 23. September 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 8 Abs. 1 GKG).

Gründe:


I.


Der Kläger pachtete 1990 zusammen mit seiner damaligen Ehefrau von dem Beklagten einen Kleingarten. Auf der Parzelle befinden sich ein Schuppen und eine Garage.
2001 kündigten der Kläger und seine Ehefrau den Pacht vertrag. Die Parteien streiten, ob der Kläger nach der Beendigung des Pachtverhältnisses zum 30. September 2001 verpflichtet ist, die auf der Parzelle befindlichen Aufbauten zu beseitigen. Die Kosten für den Abbruch der Garage wurden auf 3.528,70 DM (1.804,20 €) geschätzt.
Der Kläger hat Klage auf Feststellung erhoben, daß e r nicht verpflichtet ist, die Garage und den Schuppen zu beseitigen.
Das Amtsgericht hat dem Klageantrag durch Urteil vom 22 . Juli 2003 hinsichtlich des Schuppens stattgegeben. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingeleg t. Das Landgericht hat das Rechtsmittel durch den angefochtenen Beschluß verworfen, ohne die Berufungsbegründung abzuwarten. Es hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige nicht 600 €. Der Streitwert für den zweiten Rechtszug betrage 146,54 €. Das Landgericht hat dies wie folgt begründet: Garage und Schuppen nähmen 7,33 v.H. der Gesamtfläche der Parzelle in Anspruch. Ein entsprechender Prozentsatz von 42 Monatsmieten ergebe den Streitwert.
Gegen diesen Beschluß hat der Kläger Rechtsbeschwerde erh oben.
Er hat es zunächst unterlassen, die Berufung zu begründen. Mit am 3. März 2004 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat er hinsichtlich
der versäumten Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufungsbegründung nachgeholt.

II.


1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies ist unter anderem der Fall, wenn einer Partei der Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (BGH, Beschluß vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 368 m.w.N.; vgl. auch BGHZ 151, 221, 226), da dies den Anspruch der Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt (BGH, Beschluß vom 23. Oktober 2003 aaO). Dies ist hier der Fall. Der Verwerfungsbeschluß beruht darauf, daß das Berufungsgericht die Beschwer des Klägers anhand von Kriterien bewertet hat, für die es im Gesetz keine Grundlage gibt. Aufgrunddessen hat es unzutreffend angenommen, die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 600 € sei nicht erreicht.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Sie ist nicht deshalb unbegründet, weil der Kläger die Frist zur Begründung der Berufung versäumt hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B .: Beschlüsse vom 13. Januar 1998 - VIII ZB 48/97 - NJW 1998, 1155; vom 7. Juni 1978 - IV ZB 13/78 - VersR 1978, 841; vom 16. März 1977 - IV ZB 5/77 - VersR 1977, 573; vom 18. Dezember 1974 - VIII ZB 35/74 - VersR 1975, 421), die auf
die in RGZ 158, 195, 196 f veröffentlichten eingehenden Ausführungen des Reichsgerichts zurückgeht, wird zwar der Lauf der Berufungsbegründungsfrist nicht durch einen Beschluß auf Verwerfung der Berufung unterbrochen. Hat das Berufungsgericht, wie hier, die Berufung aus anderen Gründen als des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist verworfen und wird diese Entscheidung angefochten, so wirkt sich die zwischenzeitlich eingetretene Versäumung der Berufungsbegründungsfrist in der Weise aus, daß das Rechtsmittel gegen die Verwerfungsentscheidung grundsätzlich zurückzuweisen ist. In diesen Fällen ergibt die erforderliche Berücksichtigung aller Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegen den Verwerfungsbeschluß, daß er im Ergebnis zu Recht besteht, selbst wenn die Voraussetzungen für seinen Erlaß zunächst nicht vorgelegen haben sollten (BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 1998 und 18. Dezember 1974 jeweils aaO).
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn, wie im hier zu beur teilenden Fall, ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist gestellt ist (BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 1978 und 16. März 1977, vgl. auch Beschluß vom 13. Januar 1998 jeweils aaO). Die Notwendigkeit für eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über die ursprüngliche Rechtmäßigkeit des Verwerfungsbeschlusses bleibt dann bestehen, weil bei dieser Konstellation nicht gewiß ist, daß die Berufung unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen für den Verwerfungsbeschluß zum Zeitpunkt seines Erlasses unzulässig ist.
Das Rechtsbeschwerdegericht braucht die Entscheidung des Ber ufungsgerichts über den Wiedereinsetzungsantrag nicht abzuwarten. Sofern die Bemerkung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in den nicht tragenden
Gründen am Ende des Beschlusses vom 7. Juni 1978 (aaO; anders: Beschlüsse vom 13. Januar 1998 und 16. März 1977 jeweils aaO) dahin zu verstehen sein sollte, daß das Berufungsgericht zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hat, wäre dem nicht zu folgen. Diese Entscheidung ist nicht vorrangig vor der des Rechtsbeschwerdegerichts über das bei ihm angefallene Rechtsmittel.

b) Die Zulässigkeit der Berufung des Klägers scheitert ni cht an der gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Mindestbeschwer von mehr als 600 €, so daß der angefochtene Beschluß aufzuheben ist.
aa) Da die Berufung noch nicht begründet ist, muß die Beschwer nach dem ungeschmälerten Wert des Antrags bemessen werden, mit dem der Kläger in der ersten Instanz unterlegen war. Dies war der Antrag auf Feststellung, daß er nicht verpflichtet ist, die auf der Parzelle befindliche Garage zu beseitigen.
bb) Der Wert dieses Antrags ist gemäß § 3 ZPO nach den Kosten zu bemessen, die der Kläger aufbringen müßte, um die Garage von der Kleingartenparzelle zu entfernen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1993 - V ZR 168/92 - NJW 1994, 735 f). Der Aufwand für die Beseitigung der Garage beträgt nach dem Vorbringen beider Parteien rund 1.800 €. Da es sich um einen negativen Feststellungsantrag handelt, ist hiervon kein Abschlag vorzunehmen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort Feststellungsklagen).
Entgegen der anscheinend vom Berufungsgericht vertretene n Auffassung , dessen Wertberechnung auf dreieinhalb Einjahrespachten basiert, ist § 9
ZPO für die Bemessung der Beschwer des Klägers nicht heranzuziehen. Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen, für die diese Vorschrift den Streitwert regelt, sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Auch § 8 ZPO, auf dessen Grundlage sich unter Berücksichtig ung der Berechnungsmethode des Berufungsgerichts möglicherweise eine geringere Beschwer als 600 € ergeben könnte, ist für die Wertberechnung nicht maßgebend. Diese Bestimmung ist als Sondervorschrift für Räumungsklagen einschlägig. Der Aufwand, der zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks in vertragsgemäßem Zustand erforderlich ist, ist bei diesen Klagen grundsätzlich ohne Bedeutung; für eine Anwendung des § 3 ZPO neben § 8 ZPO ist kein Raum. Ob dies nur dann gilt, wenn kein besonderer Klageantrag auf Abbruch oder Beseitigung eines Bauwerks gestellt worden ist (Schneider/Herget, Streitwert -Kommentar für den Zivilprozeß, 11. Aufl., Rn. 2979 ff, insbesondere 2982; anders wohl BGH, Beschluß vom 10. Mai 2000 - XII ZR 335/99 - NJW-RR 2000, 1739 f; offen gelassen im Senatsbeschluß vom 4. Juli 1996 - III ZR 34/96 - BGHR ZPO § 8 Räumungsklage 7), kann hier auf sich beruhen.
Die Parteien streiten nämlich nicht über das Bestehen o der die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses, wie es § 8 ZPO voraussetzt. Vielmehr bestand bei Geltendmachung des Beseitigungsbegehrens unstreitig ein Pachtverhältnis zwischen den Parteien nicht mehr. In diesen Fällen ist für die Bemes -
sung des Streitwerts allein § 3 ZPO maßgebend, weil es an der streitigen Zeit im Sinne des § 8 ZPO fehlt (BGH, Beschluß vom 8. März 1995 - XII ZR 240/94 - NJW-RR 1995, 781 m.w.N.).
Schlick Wurm Streck Dörr Herrmann

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 271/04
vom
9. Juni 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, rechtliches Gehör zu gewähren, ist jedenfalls
dann verletzt, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen unter offensichtlich fehlerhafter
Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zur Verhandlung zuläßt (vgl.
BVerfG, NJW 2000, 945, 946 - zur Präklusion).

b) Ein solcher Fehler liegt vor, wenn im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu
einem entscheidungserheblichen Punkt mangels hinreichender Substantiierung zurückgewiesen
worden ist, ohne daß der Partei durch einen unmißverständlichen
Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung gegeben war, und das Berufungsgericht auch
das neue, nunmehr substantiierte Vorbringen unter Hinweis auf § 531 Abs. 2 ZPO
zurückweist.

c) Wird ein solcher Verfahrensfehler in einer Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, kann
das Berufungsgericht im Beschlußwege nach § 544 Abs. 7 ZPO das Berufungsurteil
aufheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
BGH, Beschl. v. 9. Juni 2005 - V ZR 271/04 - LG Schweinfurt
AG Bad Neustadt/Saale
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 9. Juni 2005 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Schweinfurt vom 8. September 2004 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 65.344,29 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer Geldrente und von Krankenkassenbeiträgen aus einem Vertrag über die Überlassung landwirtschaftlichen Grundbesitzes unter Übernahme von Leistungen zum vollständigen Unterhalt durch den Übernehmer.
Die Klägerin ist seit dem 20. April 2001 in einem Seniorenheim untergebracht. Sie hat nach ihrer Aufnahme in das Heim von dem Beklagten die Zahlung einer Geldrente für ersparte Leistungen aus dem Leibgedingsvertrag sowie die Zahlung der Beiträge zur Krankenversicherung einschließlich des Beitrags zur Pflegeversicherung verlangt, was der Beklagte ablehnte. Die Klage hat vor dem Amtsgericht Erfolg gehabt, die Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, mit der er auch die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör wegen der Nichtzulassung seines Vortrages zur unzureichenden Leistungsfähigkeit des Betriebes gerügt hat.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. 1. Das Landgericht ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Klägerin aus Art. 18 Satz 1 BayAGBGB von dem Beklagten eine Geldrente für dessen Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienstleistungen verlangen kann. Die Erforderlichkeit der Unterbringung der Klägerin in einem Pflegeheim ist in den Vorinstanzen festgestellt worden. Für derartige Fälle hat der Senat bereits entscheiden, daß der Übernehmer des landwirtschaftlichen Anwesens, der seine Verpflichtungen zur Gewährung von Unterkunft und Pflege auf dem Grundstück wegen einer medizinisch notwendigen Unterbringung des Berechtigten in einem Pflegeheim nicht mehr erfüllen kann, sich in Höhe der ersparten Aufwendungen an den Kosten des Pflegeheimes beteiligen muß (vgl. Senatsurt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, DNotZ 2002, 702, 705 und Senatsbeschl. v. 23. Januar 2003, V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578).
2. Die Entscheidung kann aber nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den Einwendungen des Beklagten über die unzureichende Leistungsfähigkeit des übernommenen Hofes für eine Rente in der festgesetzten Höhe nicht nachgegangen ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist wegen des gerügten Verfahrensfehlers begründet.
a) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht den Vortrag und die Beweisantritte in den Schriftsätzen vom 25. Mai 2004 und vom 16. Juli 2004 dazu, daß die Leistungsfähigkeit des übernommenen landwirtschaftlichen Anwesens zur Zahlung der zuerkannten Geldrente nicht ausreiche, unter Hinweis auf § 531 ZPO nicht zur Verhandlung und Entscheidung zugelassen. Es hätte dem Vortrag nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nachgehen müssen, weil das Vorbringen aufgrund eines Verfahrensmangels des Erstgerichts nicht geltend gemacht worden war. Nach dieser Vorschrift ist neues Vorbringen dann zuzulassen, wenn das Eingangsgericht die nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO gebotenen Hinweise unterlassen hat, damit sich die Parteien rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, ungenügende Angaben ergänzen und die anzubietenden Beweismittel bezeichnen können (Senat, BGHZ 158, 295, 305, unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/4722, S. 101). Diese Hinweise waren in erster Instanz nicht erteilt worden. Der Beschluß des Amtsgerichts vom 8. März 2002, auf den das Landgericht verwiesen hat, vermag die Nichtzulassung des neuen Vortrags und der dazu angebotenen Beweise nicht zu tragen. Jener Beschluß enthielt zwar umfängliche Hinweise zu den für die Entscheidung zu beachtenden rechtlichen Gesichtspunkten und forderte die Parteien zu einer Stellungnahme auf. Es fehlte aber jeder Hinweis darauf, daß der Vortrag des Beklagten zu der nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit nicht den Anforderungen genügte, um im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens durch das Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Geldrente
nach Art. 18 Satz 1 BayAGBGB berücksichtigt werden zu können. Das Gericht erfüllt seine Hinweispflicht nicht dadurch, daß es allgemeine und pauschale Hinweise erteilt; es muß vielmehr die Parteien auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmißverständlich hinweisen und ihnen damit die Möglichkeit eröffnen, dieses Vorbringen zu ergänzen (BGH, Urt. v. 25. Juni 2002, X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3320).
b) Die Zurückweisung des unter Beweis gestellten Vortrags des Beklagten verletzt dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar führt nicht jeder Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht in erster Instanz und jede fehlerhafte Zurückweisung neuen Vorbringens im Berufungsrechtszug auch zu einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts. Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Berufungsgericht jedoch dazu, neues Vorbringen dann zuzulassen, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht das Ausbleiben des Vorbringens in der Eingangsinstanz mitverursacht hat (vgl. BVerfG, NJW 2000, 945, 946). Ist im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu einem entscheidungserheblichen Punkt mangels hinreichender Substantiierung zurückgewiesen worden, ohne daß der Partei durch einen unmißverständlichen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung gegeben war, stellt sich die Zurückweisung des neuen, nunmehr substantiierten Vortrags im Berufungsrechtszug als eine offenkundig unrichtige Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dar. Ein solches Vorgehen des Gerichts kommt einer Verhinderung des Vortrages zu entscheidungserheblichen Punkten gleich (vgl. BVerfGE 84, 188, 190). c). Das Ausgangsurteil beruht auch auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies ist bereits dann so, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens an-
ders entschieden hätte (Senatsurt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 f. unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Insoweit gilt für die Bemessung einer Geldrente anstelle von Unterbringung und der Erbringung von Pflegeleistungen auf dem Grundstück aus Art. 18 Satz 1 BayAGBGB der allgemeine Grundsatz, daß durch einen Altenteilsvertrag dem Verpflichteten nicht höhere Leistungen auferlegt werden sollen, als er aus der Hofstelle bewirken kann (BGHZ 25, 293, 298). Ist eine Rente nach Art. 18 Satz 1 BayAGBGB festzusetzen, so ist es geboten, den rechnerischen Wert der Einzelleistungen auch dahin zu überprüfen, ob die sich daraus ergebende monatliche Geldleistung vom Verpflichteten aus den Erträgnissen des Hofes billigerweise in voller Höhe gewährt werden kann (BayObLGZ 1974, 386, 395 f.). 3. Der Senat hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung durch Beschluß nach § 544 Abs. 7 ZPO Gebrauch gemacht. Das gibt dem Landgericht Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen zur Ertragskraft der überlassenen Hofstelle nachzuholen und im Anschluß daran das Ermessen zur Bestimmung der Höhe der Rente neu auszuüben.

III.

Die Entscheidung über den Streitwert der Beschwerde folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO. Wenzel Krüger Klein Stresemann Czub

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.

Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, den sie für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt.