Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 6/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. November 2012 gegen den Betroffenen, einen georgischen Staatsangehörigen , Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 5. Februar 2013 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit der Maß- gabe zurückgewiesen, dass die Haft nicht über den 21. Dezember 2012 hinaus fortdauern darf. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene nach seiner am 21. Dezember 2012 erfolgten Abschiebung die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung ihn in seinen Rechten verletzt haben.
II.
- 2
- Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Anordnung der Sicherungshaft rechtmäßig gewesen. Insbesondere sei der Haftantrag dem Betroffenen bei der Anhörung durch die Übersetzung ausreichend bekannt gemacht worden.
III.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache analog § 62 FamFG ohne Zulassung statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Sie ist auch im Übrigen zulässig und hat in der Sache Erfolg.
- 4
- 1. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung jedenfalls deshalb in seinen Rechten verletzt worden, weil die Anhörung seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht ausreichend gewahrt hat; es ist nämlich nicht ersichtlich, dass ihm eine Ablichtung des Haftantrags ausgehändigt worden ist.
- 5
- Zwar kann der Haftantrag erst zu Beginn der Anhörung eröffnet werden, wenn er einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu welchem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9 mwN). Ihm muss aber in jedem Fall eine Ablichtung des Antrags ausgehändigt und erforderlichenfalls (mündlich) übersetzt werden; dies muss in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden. Der Betroffene ist schon auf Grund der Situation zumeist nicht in der Lage, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftantrag zu erfassen. Er muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des Haftantrags einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9).
- 6
- 2. Die Aufrechterhaltung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht hat den Betroffenen ebenfalls in seinen Rechten verletzt, jedenfalls deshalb , weil die verfahrensfehlerhafte Anhörung durch das Amtsgericht nicht - für die Zukunft - geheilt worden ist. Zwar konnte sein Verfahrensbevollmächtigter durch Akteneinsicht Kenntnis von dem vollständigen Haftantrag erlangen; weitere Voraussetzung für eine Heilung der verfahrensfehlerhaften Anhörung wäre jedoch eine erneute Anhörung durch das Beschwerdegericht gewesen, die unterblieben ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 59/12, juris Rn. 12).
IV.
- 7
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Roth Brückner
Vorinstanzen:
AG Trier, Entscheidung vom 06.11.2012 - 35 XIV 22/12 -
LG Trier, Entscheidung vom 17.12.2012 - 6 T 95/12 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.
Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.