Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2019 - V ZB 145/16

bei uns veröffentlicht am16.05.2019
vorgehend
Amtsgericht Landshut, XIV 6/16, 07.03.2016
Landgericht Landshut, 64 T 695/16, 22.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 145/16
vom
16. Mai 2019
in der Abschiebungshaftsache
ECLI:DE:BGH:2019:160519BVZB145.16.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und die Richter Dr. Kazele und Dr. Hamdorf

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Landshut - 6. Zivilkammer - vom 22. September 2016 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Landshut den Betroffenen für die Zeit vom 7. bis 30. März 2016 in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Dem Betroffenen, einem tunesischen Staatsangehörigen, wurde nach einem erfolglosen Asylverfahren im Jahr 2015 die Abschiebung angedroht. Bei seiner erneuten Einreise am 7. Januar 2016 wurde er festgenommen. Ihm wur- de erneut die Abschiebung angedroht. Nachdem er sich zunächst in Abschiebungshaft befunden hatte, verbüßte er vom 21. Januar bis 7. März 2016 eine Ersatzfreiheitsstrafe. Am 1. März 2016 bestätigten die tunesischen Behörden die Staatsangehörigkeit und erklärten sich bereit, ein Passersatzpapier auszustellen.
2
Am 7. März 2016 hat das Amtsgericht Abschiebungshaft im Anschluss an die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe bis spätestens 7. April 2016 angeordnet. Ein Abschiebungsversuch am 18. März 2016 scheiterte am Widerstand des Betroffenen. Nach der am 7. April 2016 erfolgten Abschiebung nach Tunesien hat das Landgericht die nunmehr auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtete Beschwerde am 22. September 2016 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene weiterhin die Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung feststellen lassen. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
4
1. Der Vollzug der Haft bis zum 30. März 2017 hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
5
a) Allerdings ist der Haftantrag - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - zulässig. Ausführungen dazu, ob das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliegt, muss der Haftantrag nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann enthalten, wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 145/17, juris Rn. 15). Daran gemessen ist der Haftantrag nicht zu beanstanden. Wie die Rechtsbeschwerde selbst erkennt, geht weder aus dem Haftantrag noch aus den beigefügten Unterlagen hervor, dass Ermittlungsverfahren anhängig waren.
6
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Würzburg und Düsseldorf habe das Einvernehmen gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gefehlt.
7
aa) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - von den Ausnahmen gemäß § 72 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 AufenthG abgesehen - nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlt dieses Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus. Dabei ist es für die - im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigende - Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, aus welchen Gründen das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft fehlt. Da es eine Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an. Sind mehrere Ermittlungsverfahren anhängig, müssen alle beteiligten Staatsanwaltschaften zustimmen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juli 2018 - V ZB 179/15, InfAuslR 2018, 415 Rn. 7 mwN).
8
bb) Daran gemessen kann das Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte die Haftanordnung vom 7. März 2016 nicht rechtswidrig werden lassen; denn es bezieht sich auf den zeitlich späteren erfolglosen Abschiebungsversuch am 18. März 2016. Auch im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen Körperverletzung bedurfte es des Einvernehmens nicht. Dieses Verfahren ist nämlich vor Erlass der Haftanordnung durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 29. Oktober 2015 abgeschlossen worden; nach rechtskräftigem Abschluss eines Strafverfahrens bedarf es des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht mehr (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 197/14, FGPrax 2015, 181).
9
c) Erfolg hat jedoch die Rüge der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf das von dem Amtsgericht Borna geführte Strafverfahren wegen Diebstahls habe das Einvernehmen bei Erlass der Haftanordnung noch nicht vorgelegen. Insoweit stellt das Beschwerdegericht fest, dass die Staatsanwaltschaft Leipzig, Zweigstelle Grimma, der Abschiebung erst am 30. März 2016 zugestimmt hat. Dieser Verfahrensfehler ist hierdurch - allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft - geheilt worden. Dasselbe gilt für die Anklage der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 17. November 2015 wegen zweier Diebstähle. Das am 30. März 2016 erteilte Einvernehmen erfasst auch dieses Verfahren, weil die Anklage von der Staatsanwältin verfasst worden ist, die das Einvernehmen mit der Abschiebung erklärt hat. Insoweit ist dem Betroffenen über seinen Verfahrensbevollmächtigten rechtliches Gehör gewährt worden; einer persönlichen Anhörung bedurfte es nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 231/17, FGPrax 2019, 41 Rn. 6 mwN).
10
2. Für die Zeit ab dem 31. März 2016 kann die angefochtene Entscheidung deshalb keinen Bestand haben, weil der Haftrichter und das Beschwerdegericht in der Sache nicht - wie nach § 26 FamFG geboten - anhand der Ausländerakte geprüft haben, ob § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG einer Abschiebung des Betroffenen deshalb entgegenstand, weil noch weitere Ermittlungsverfah- ren anhängig waren (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 231/17, FGPrax 2019, 41 Rn. 5 mwN). Diese Prüfung hätte - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - ergeben, dass am 23. August 2015 ein weiterer Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (60 Js 5328/15, vgl. Ausländerakte Bl. 162) wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gestellt worden war. Bislang ist nicht geprüft worden, ob insoweit das (ggf. generelle) Einvernehmen vorlag bzw. ob das Strafverfahren bei der Haftanordnung bereits abgeschlossen war.
11
3. Im Übrigen ist der Beschluss aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

III.


12
Für die Zeit bis zum 30. März 2016 kann der Senat selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Im Übrigen ist der angefochtene Beschluss aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist insoweit an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Dieses wird aufzuklären haben , ob das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit der Abschiebung des Betroffenen im Hinblick auf das Verfahren 60 Js 5328/15 vorlag. Die gebotene Gewährung des rechtlichen Gehörs zu den von dem Beschwerdegericht zu treffenden Feststellungen kann dadurch erfolgen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird (Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 231/17, FGPrax 2019, 41 Rn. 6 mwN).
Stresemann Brückner Weinland
Kazele Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 07.03.2016 - ERi XIV 6/16 (B) -
LG Landshut, Entscheidung vom 22.09.2016 - 64 T 695/16 -

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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 26 Ermittlung von Amts wegen


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 72 Beteiligungserfordernisse


(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Rege

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(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

15
aa) Der Haftantrag muss nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Ausführungen dazu enthalten, ob das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliegt, wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist. Ohne dieses darf Sicherungshaft nicht angeordnet werden; dass das Einvernehmen später hergestellt werden könnte, ist unerheblich. Das Fehlen entsprechender Ausführungen führt zur Unzulässigkeit des Antrags (vgl. nur Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 7; Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9; Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 61/11, juris Rn. 5; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 70/13, juris Rn. 6). Die Angabe zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft soll den Betroffenen darüber informieren, woraus die antragstellende Behörde die Zustimmung der Staatsanwaltschaft entnimmt. Wenn sich aus dem Haftantrag oder den beigefügten Unterlagen ergibt, dass gegen den Betroffenen nicht offensichtlich zustimmungsfreie Strafverfahren anhängig sind, muss daher mitgeteilt werden, welche Staatsanwaltschaft für welches Verfahren das - ggf. auch generelle - Einvernehmen erteilt hat bzw. aufgrund welcher Überlegungen ein Einvernehmen entbehrlich ist. Andernfalls kann der Betroffene nicht überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 72 Abs. 4 AufenthG vorliegen. Ob die Behörde die hiernach erforderlichen Angaben in dem Text des Haftantrags aufführt oder aber auf dem Antrag beigefügte, aussagekräftige Anlagen verweist, bleibt ihr überlassen (zum Ganzen Senat, Beschluss vom 9. Februar 2017 - V ZB 129/16, juris Rn. 6).

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

7
1. Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - von den Ausnahmen gemäß § 72 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 AufenthG abgesehen - nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlt dieses Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus. Dabei ist es für die - im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entsprechende Rüge zu berücksichtigende - Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, aus welchen Gründen das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft fehlt. Da es eine Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574 Rn. 8, vom 10. Februar 2011 - V ZB 49/10, juris Rn. 7, vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10, FGPrax 2011, 202 Rn. 5 und vom 27. September 2017 - V ZB 26/17, juris Rn. 4). Wenn mehrere Ermittlungsverfahren anhängig sind, müssen alle beteiligten Staatsanwaltschaften zustimmen (Senat, Beschlüsse vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 25, vom 29. September 2011 - V ZB 173/11, NVwZ 2012, 62 Rn. 5 und vom 6. Oktober 2011 - V ZB 188/11, juris Rn. 12 a.E.). Diese Grundsätze gelten auch für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückschiebung (Senat, Beschlüsse vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146 Rn. 13 ff. und vom 11. Oktober 2017 - V ZB 41/17, FGPrax 2018, 41 Rn. 9), an deren Stelle in ihrem Anwendungsbereich die Haft zur Sicherung der Rücküberstellung nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung getreten ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB197/14
vom
12. März 2015
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach dem rechtskräftigen Abschluss eines gegen den Ausländer gerichteten
Strafverfahrens bedarf es für die Abschiebung nicht mehr des Einvernehmens der
Staatsanwaltschaft im Sinne von § 72 Abs. 4 AufenthG; aus § 456a StPO ergibt
sich nichts anderes.
BGH, Beschluss vom 12. März 2015 - V ZB 197/14 - LG Stuttgart
AG Nürtingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2014 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde im Jahr 2010 unter Androhung der Abschiebung abgelehnt. Ab dem 31. Oktober 2012 befand er sich in Untersuchungshaft und wurde am 9. Januar 2013 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Diese wurde bis zum 7. Mai 2013 vollstreckt und der Strafrest sodann zur Bewährung ausgesetzt. Der für den 23. August 2013 geplanten Abschiebung entzog sich der Betroffene durch Flucht. Am 6. März 2014 wurde er aus Schweden an die Bundesrepublik Deutschland rücküberstellt.

2
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 6. März 2014 Sicherungshaft bis zum 15. April 2014 angeordnet. Die Beschwerde, die nach der am 9. April 2014 erfolgten Abschiebung auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung gerichtet ist, hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.


3
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
4
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war der Haftantrag zulässig. Insbesondere bedurfte es keiner Ausführungen zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft (§ 72 Abs. 4 AufenthG).
5
a) Das gegen den Betroffenen gerichtete Strafverfahren war bereits vor der Anordnung der Abschiebungshaft mit der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe beendet worden. Da § 72 Abs. 4 AufenthG auf die Erhebung der öffentlichen Klage und die Einleitung des Ermittlungsverfahrens Bezug nimmt, ist das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nur bis zu dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens erforderlich. Dies soll gewährleisten, dass Strafverfahren abgeschlossen werden können, bei denen das öffentliche Strafverfolgungsinteresse das Interesse an der sofortigen Aboder Zurückschiebung überwiegt (vgl. Senat, Beschluss vom 24.Februar 2011 - V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146 Rn. 22).

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b) Nach diesem Zeitpunkt bedarf es des Einvernehmens nicht mehr. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO - nunmehr allerdings als Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO) - von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung unter anderem dann absehen, wenn der Verurteilte aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wird. Dies ist jedoch von dem in § 72 Abs. 4 AufenthG geregelten Einvernehmen zu unterscheiden. Während einer laufenden Vollstreckung setzt die Abschiebung notwendigerweise voraus, dass die Vollstreckungsbehörde beteiligt wird und von der weiteren Vollstreckung absieht. Ungeachtet dessen kann Abschiebungshaft parallel zu der Strafhaft angeordnet werden, wenn deren formelle und materielle Voraussetzungen vorliegen (Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 77/14 Rn. 7 f., juris, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Dass die Vollstreckungsbehörde erklärt, von der weiteren Vollstreckung nicht abzusehen, kann der Anordnung von Abschiebungshaft nur unter dem Gesichtspunkt der Undurchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate entgegenstehen (vgl. § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG).
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c) Wird - wie hier - die Strafhaft im Zeitpunkt der Anordnung der Abschiebungshaft nicht (mehr) vollstreckt, weil der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt worden ist, oder wird von vornherein eine Bewährungsstrafe verhängt, muss die Vollstreckungsbehörde ohnehin nicht beteiligt werden, und zwar auch dann nicht, wenn Gründe für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vorliegen. Die gegenteilige Auffassung der Rechtsbeschwerde findet keine Grundlage im Gesetz.

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2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Stresemann Roth Brückner
Weinland Kazele

Vorinstanzen:
AG Nürtingen, Entscheidung vom 06.03.2014 - 511 XIV 229/14 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 20.10.2014 - 19 T 114/14 -

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

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2. Ob § 72 Abs. 4 Satz 1 FamFG einer Abschiebung des Betroffenen entgegenstand, haben der Haftrichter und das Beschwerdegericht nur unzureichend geprüft. Die Haftanordnung verhält sich zur Frage des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft oder dessen Entbehrlichkeit nicht. Das Beschwerdegericht führt lediglich aus, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Notwendigkeit des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft vorliegen. Ob es sich tatsächlich so verhielt, hätten der Haftrichter und das Beschwerdegericht anhand der über den Betroffenen geführten Ausländerakte prüfen müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 8/15, juris Rn. 15). Die Prüfung hätte ergeben, dass sich - worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist - in der Ausländerakte ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 24. April 2017 befindet, in dem diese mitteilt, dass sie ein gegen den Betroffenen wegen Diebstahls geführtes Ermittlungsverfahren nach § 154f StPO eingestellt habe. Auch ein nach dieser Vorschrift eingestelltes Verfahren ist von dem Zustimmungserfordernis nach § 172 Abs. 4 FamFG erfasst. Bei der Einstellung nach § 154f StPO handelt es sich um eine nur vorläufige Einstellung des Verfahrens vor Erhebung der öffentlichen Klage wegen längerer Abwesenheit des Beschuldigten oder eines anderen in seiner Person liegenden Hindernisses. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind lediglich unterbrochen und werden bei Wegfall des Hindernisses fortgesetzt (vgl. KK-StPO/Diemer, StPO, 7. Aufl., § 154f Rn. 1). Angesichts des nur vorläufigen Charakters bedarf es daher auch bei einem nach § 154f StPO eingestellten Verfahren für eine Abschiebung des Betroffenen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft (vgl. NK-AuslR/R. Hofmann, AufenthG, 2. Aufl., § 72 Rn. 34), es sei denn, es liegt eine Ausnahme gemäß § 72 Abs. 4 Satz 3 bis 5 AufenthG vor.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

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2. Ob § 72 Abs. 4 Satz 1 FamFG einer Abschiebung des Betroffenen entgegenstand, haben der Haftrichter und das Beschwerdegericht nur unzureichend geprüft. Die Haftanordnung verhält sich zur Frage des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft oder dessen Entbehrlichkeit nicht. Das Beschwerdegericht führt lediglich aus, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Notwendigkeit des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft vorliegen. Ob es sich tatsächlich so verhielt, hätten der Haftrichter und das Beschwerdegericht anhand der über den Betroffenen geführten Ausländerakte prüfen müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 8/15, juris Rn. 15). Die Prüfung hätte ergeben, dass sich - worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist - in der Ausländerakte ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 24. April 2017 befindet, in dem diese mitteilt, dass sie ein gegen den Betroffenen wegen Diebstahls geführtes Ermittlungsverfahren nach § 154f StPO eingestellt habe. Auch ein nach dieser Vorschrift eingestelltes Verfahren ist von dem Zustimmungserfordernis nach § 172 Abs. 4 FamFG erfasst. Bei der Einstellung nach § 154f StPO handelt es sich um eine nur vorläufige Einstellung des Verfahrens vor Erhebung der öffentlichen Klage wegen längerer Abwesenheit des Beschuldigten oder eines anderen in seiner Person liegenden Hindernisses. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind lediglich unterbrochen und werden bei Wegfall des Hindernisses fortgesetzt (vgl. KK-StPO/Diemer, StPO, 7. Aufl., § 154f Rn. 1). Angesichts des nur vorläufigen Charakters bedarf es daher auch bei einem nach § 154f StPO eingestellten Verfahren für eine Abschiebung des Betroffenen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft (vgl. NK-AuslR/R. Hofmann, AufenthG, 2. Aufl., § 72 Rn. 34), es sei denn, es liegt eine Ausnahme gemäß § 72 Abs. 4 Satz 3 bis 5 AufenthG vor.