Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2019 - StB 29/19

published on 18/12/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2019 - StB 29/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 29/19
vom
18. Dezember 2019
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Herstellung einer biologischen Waffe gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1
Var. 2 KrWaffKG u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:181219BSTB29.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie der Angeklagten und ihrer Verteidiger am 18. Dezember 2019 gemäß § 304 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Auf die Beschwerde der Angeklagten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2018 (1 BGs 302/18) in Verbindung mit der Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. November 2019 betreffend Fall 3 dahin geändert, dass die Angeklagte dringend verdächtig ist, von September 2017 bis Juni 2018 gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten S. H. vorsätzlich eine biologische Waffe gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 KrWaffKG hergestellt und tateinheitlich hierzu eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben, nämlich eine Straftat gegen das Leben gemäß §§ 211, 212 StGB, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, indem sich beide ab September 2017 auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans u.a. durch zwei bisher nicht identifizierte Chat-Partner in der Herstellung von Brand- und Sprengvorrichtungen und von Stoffen, die Gift enthalten, unterweisen ließen, sich die hierzu nötigen Gegenstände und Stoffe sowie Rizinussamen verschafften und verwahrten, arbeitsteilig eine unkonventionelle Brand- und Sprengvorrichtung nebst Fernzünder bauten und ab April 2018 Rizin-Pulver sowie eine Rizin- Paste herstellten, um mittels einer mit Rizin präparierten Splitterladung einen jihadistisch motivierten Anschlag zu begehen, bei dem an einem belebten Ort möglichst viele "Ungläubige" getötet oder verletzt werden, strafbar gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 KrWaffKG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KrWaffKG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG Teil A Il 3. Buchst. b) 3.1 Buchst. d) Ziff. 4., § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 bis 3, § 25 Abs. 2, § 52 StGB. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


1
Die Angeklagte wurde am 24. Juli 2018 vorläufig festgenommen und befindet sich seither aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs von diesem Tage (1 BGs 302/18) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeklagte habe durch drei rechtlich selbständige Handlungen ihrem Ehemann, dem Mitangeklagten S. H. , Hilfe geleistet,
2
in zwei Fällen (Fälle 1 und 2) eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten, indem er es unternahm, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und um sich unterweisen zu lassen in der Herstellung von und im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Sprengund Brandvorrichtungen und sonstigen Fertigkeiten, aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB durchgeführt werden; die Angeklagte habe ihn durch Flug- und Hotelbuchungen sowie durch eine Geldüberweisung bei zwei geplanten Reisen in das Herrschaftsgebiet des "Islamischen Staats" unterstützt, wo er nach entsprechender Kampfausbildung am bewaffneten "Jihad" gegen die "Ungläubigen" teilnehmen wollte und sich zu diesem Zweck vom 26. August bis zum 5. September 2017 und vom 15. bis 22. September 2017 von Deutschland aus in die Türkei begab, strafbar jeweils gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 89a Abs. 2a StGB, § 27 StGB;
3
in einem weiteren Fall (Fall 3) vorsätzlich biologische Waffen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 KrWaffKG herzustellen und tateinheitlich eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten, indem er sich in der Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen unterweisen ließ und Gegenstände sowie Stoffe sich verschaffte und verwahrte, die für die Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen, Sprengstoffen und der zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen wesentlich sind, indem die Angeklagte ihn in Kenntnis seiner Pläne, mit diesen Stoffen eine biologische Waffe zu bauen und einen Anschlag zu begehen, u.a. bei der Beschaffung explosiver Stoffe in Polen und bei der Bestellung von Rizinus-Samen über das Internet, beim Kauf eines Hamsters als Versuchstier und von Kältekompressen, die vermeintlich Ammoniumnitrat enthielten, unterstützte, strafbar gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 KrWaffKG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KrWaffKG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG Teil A Il 3. Buchst. b) 3.1 Buchst. d) Ziff. 4., § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 bis 3, §§ 27, 52 StGB.
4
Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Februar 2019 (AK 53 und 54/18) die Haftfortdauer über sechs Monate hinaus angeordnet.
5
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 15. Februar 2019 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben und dabei abweichend von dem genannten Haftbefehl die Tathandlungen der Angeklagten in Fall 3 als in Mittäterschaft begangen gewertet. Gegenstand der Anklage ist danach weiterhin der Vorwurf, die Angeklagte habe dem Mitangeklagten S. H. in zwei Fällen (Fälle 1 und 2) Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat geleistet, indem sie ihn durch Flug- und Hotelbuchungen sowie durch eine Geldüberweisung bei zwei seiner geplanten Reisen in das Herrschaftsgebiet des "Islamischen Staats" unterstützte; darüber hinaus hat er der Angeklagten nunmehr zur Last gelegt (Fall 3), sie habe gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet und tateinheitlich hierzu vorsätzlich eine biologische Waffe gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 KrWaffKG hergestellt, indem sich beide ab September 2017 auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans u.a. durch zwei bisher nicht identifizierte Chat-Partner in der Herstellung von Brand- und Sprengvorrichtungen und von Stoffen, die Gift enthalten, unterweisen ließen, sich die hierzu nötigen Gegenstände und Stoffe sowie Rizinussamen verschafften und verwahrten, arbeitsteilig eine unkonventionelle Brand- und Sprengvorrichtung nebst Fernzünder bauten und ab April 2018 Rizin-Pulver sowie eine Rizin-Paste herstellten, um mittels einer mit Rizin präparierten Splitterladung einen jihadistisch motivierten Anschlag zu begehen, bei dem an einem belebten Ort möglichst viele "Ungläubige" getötet oder verletzt werden, strafbar gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 KrWaffKG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KrWaffKG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG Teil A Il 3. Buchst. b) 3.1 Buchst. d) Ziff. 4., § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 bis 3, § 25 Abs. 2, § 52 StGB.
6
Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 5. Mai 2019 die Anklage unverändert zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 17. Mai 2019 hat es die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus für erforderlich gehalten und einen dringenden Tatverdacht im Sinne des Anklagevorwurfs bejaht.
7
Am 7. Juni 2019 hat die Hauptverhandlung vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf begonnen. Sie ist bisher an insgesamt 29 Tagen durchgeführt worden. Weitere Fortsetzungstermine sind für Januar und Februar 2020 vorgesehen.
8
Im Hauptverhandlungstermin vom 5. November 2019 hat die Angeklagte durch ihre Verteidiger beantragt, den Haftbefehl in Form der letzten Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Mai 2019 aufzuheben , hilfsweise ihn gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Antrag mit Beschluss vom 21. November 2019 abgelehnt und erneut Haftfortdauer angeordnet. In seinem Beschluss hat es ausführlich die aktuelle Sach- und Beweislage dargestellt und insbesondere ausgeführt, dass und warum sich in Fall 3 der dringende Tatverdacht der (mit-) täterschaftlichen vorsätzlichen Herstellung einer biologischen Waffe in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gegen die Angeklagte erhärtet habe. Das Oberlandesgericht hat dies u.a. mit der teilgeständigen Einlassung des Mitangeklagten, Auswertungen des Email-Accounts der Angeklagten und ihres Mobiltelefons einschließlich WhatsApp-Kommuni- kation, der Aussage des Lieferanten der Rizinussamen, der Sicherstellung zahlreicher inkriminierter Stoffe und handschriftlicher Notizen sowie DNA-Spuren der Angeklagten begründet, die an den Innenseiten mehrerer Haushaltshandschuhe sowie an einem sichergestellten Mundschutz festgestellt worden sind. Das erkennende Gericht hat in dem Beschluss ausgeführt, es gehe nach vorläufiger Würdigung der Beweislage angesichts der Vielzahl der DNA-Spuren von einer Primärübertragung durch die Angeklagte aus, und daraus geschlossen , dass sie die Handschuhe und den Mundschutz beim persönlichen Umgang mit den Rizinussamen zum Schutz vor einer Kontamination trug. Zur subjektiven Tatseite hat das Oberlandesgericht substantiiert dargestellt, dass und warum die Angeklagte eine radikal-islamistische Einstellung hegte, mit der terroristischen Vereinigung "IS" sympathisierte und mithilfe der Sprengvorrichtung und des Rizins einen terroristischen Anschlag begehen wollte.
9
Mit Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 22. November 2019 hat die Angeklagte gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie wendet sich insbesondere unter Verweis auf die Einlassung des Mitangeklagten gegen die Annahme eines Tatverdachts in Fall 3 sowie unter Hinweis auf ihre persönlichen Verhältnisse gegen den dem Haftbefehl zugrundeliegenden Haftgrund der Fluchtgefahr. Schließlich macht sie geltend, dass ihre Inhaftierung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil die Verhandlungsdichte nicht dem Beschleunigungsgebot entspreche. In diesem Zusammenhang bemängelt sie, dass das Oberlandesgericht den Prozess jeweils in Etappen und nicht ausreichend weiträumig terminiert habe.
10
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am 25. November 2019 die Nichtabhilfe und die Vorlage an den Bundesgerichtshof beschlossen.
11
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.


12
Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
13
1. Gegen die Angeklagte besteht der dringende Tatverdacht, die in der Anklageschrift der Generalbundesanwaltschaft vom 15. Februar 2019 näher bezeichneten drei Straftaten begangen zu haben. Der Senat hat deshalb den Haftbefehl in Fall 3 so geändert, dass er nunmehr den aktuellen Verfahrensstand widerspiegelt. Das Beschwerdevorbringen der Angeklagten ist nicht geeignet , ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Im Einzelnen:
14
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. Beschlüsse vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217; vom 5. Februar 2015 - StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3; vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247 Rn. 6; vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet , ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen, unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss es in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel der Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, um den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind, ausreichend Rechnung tragen zu können. Daraus folgt indes nicht, dass das erkennende Gericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Haftprüfung und Haftbeschwerde führen nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das erkennende Gericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (BGH, Beschlüsse vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217; vom 29. Oktober 2015 - StB 14/15, juris Rn. 7 mwN).
15
b) Nach diesen Maßstäben ist die im Beschluss vom 21. November 2019 ausführlich begründete Bewertung des Oberlandesgerichts, der dringende Tatverdacht bestehe weiterhin in allen drei Anklagefällen, nicht zu beanstanden. Auf die dortigen Ausführungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug und macht sie sich zu eigen. Wie sich aus diesen im Einzelnen ergibt, stellen die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme den dringenden Tatverdacht nach vorläufiger Bewertung nicht in Frage; vielmehr untermauern sie ihn. Es besteht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kein Anlass, von der plausiblen Würdigung des Oberlandesgerichts abzuweichen. Das gilt insbesondere für den Sachverhalt, der Fall 3 der Anklage zugrunde liegt. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu den bisher erhobenen Beweisen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen und ihrer Eignung zur Widerlegung der Einwände der Angeklagten sind nachvollziehbar und über- zeugend. In diesem Zusammenhang wird das Oberlandesgericht im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung allerdings die konkrete Eignung der nach der Anklageschrift extrahierten Rizinmenge von 84,3 Milligramm für die Kriegsführung im Sinne des § 1 Abs. 1 KrWaffKG im Blick zu behalten haben (zur Voraussetzung der Gebrauchsfähigkeit für die Kriegswaffeneigenschaft vgl. Steindorf /Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl., § 1 KrWaffKG Rn. 1b).
16
Soweit die Angeklagte über ihre Verteidiger eine abweichende Bewertung der Beweislage vortragen lässt, die dahin geht, dass sie weder Kenntnis von den wahren Absichten ihres Ehemannes besessen noch selbst konkrete Anschlagspläne gehegt habe, findet dies auf der Grundlage der bisherigen Beweislage , wie sie sich nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. November 2019 darstellt, keine Stütze.
17
2. Zutreffend geht das Oberlandesgericht überdies davon aus, dass weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vorliegt. Die Angeklagte ist zwar Mutter von insgesamt sieben Kindern, von welchen das jüngste im Juni 2018 geboren wurde. Zwei ihrer Kinder leben in Pflegefamilien, drei weitere im Kinderheim. Nach dem derzeitigen Beweisergebnis beabsichtigte sie allerdings trotz dieses Umstands vor ihrer Inhaftierung, Deutschland zu verlassen, um "Hijrah zu machen", mithin als Jihadistin auszuwandern und den "IS" zu unterstützen, sowie dabei ihre Kinder oder jedenfalls ihre Söhne gegebenenfalls zurückzulassen. Der Senat verweist bezüglich der Einzelheiten auch insoweit auf den genannten Beschluss des Oberlandesgerichts und seine eigene Haftfortdauerentscheidung vom 20. Februar 2019. Die Angeklagte verfügt zudem weder über einen festen Wohnsitz noch über eine Erwerbstätigkeit. Eine mit Auflagen nach § 116 StPO verbundene Außervollzugsetzung des Haft- befehls ist unter diesen Umständen nicht geeignet, den Zweck der Untersuchungshaft in gleicher Weise zu erfüllen.
18
3. Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch der Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens - auch angesichts der bald eineinhalb Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens - hat die Haft anzudauern. Das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist gewahrt. Insoweit gilt:
19
a) Der Entzug des in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Rechts der Freiheit eines einer Straftat lediglich Verdächtigen ist aufgrund der Unschuldsvermutung nur ausnahmsweise zulässig. Der vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkung muss - unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt in diesem Zusammenhang auch, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und setzt ihr unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen, aber auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zunehmen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 8. August 2019 - StB 19/19, juris Rn. 35; vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217 f.).
20
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen erfordert, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn deren Fortdauer auf vermeidbarer Verfahrensverzögerung beruht. Bei absehbar umfangreichen Verfahren ist eine Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs durchzuführen. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, juris Rn. 39 ff. mwN; BGH, Beschluss vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217, 218).
21
b) An diesen Anforderungen gemessen ist der Prozess bislang mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Hinsichtlich der Förderung des Verfahrens bis zur Anklageerhebung, der Komplexität der Sache, der Vielzahl und der besonderen Schwierigkeit der erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen und des Auslandbezugs verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 20. Februar 2019. Auch seither ist dem Verfahren weiterhin mit der gebotenen Beschleunigung Fortgang gegeben worden. Im Zwischenverfahren mussten zunächst die 138 Seiten umfassende Anklageschrift für den Mitan- geklagten übersetzt und dann der Ablauf von Einlassungsfristen abgewartet werden. Hier sind Versäumnisse, die zu einer Verlängerung des Verfahrens geführt haben, nicht zu erkennen, zumal nach Eröffnung des Hauptverfahrens am 5. Mai 2019 die Hauptverhandlung bereits am 7. Juni 2019 begonnen hat.
22
Die Angeklagte macht allerdings im Ansatz zu Recht geltend, dass das Beschleunigungsgebot in umfangreichen Haftsachen wie der vorliegenden eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Verhandlungsplanung erfordert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, juris Rn. 52). Vor diesem Hintergrund erschließt es sich nicht ohne Weiteres, dass das Oberlandesgericht die Verhandlungstermine bisher in Etappen bestimmt hat, anstatt von vornherein eine ausreichende Anzahl an Terminen anzuberaumen. Ungeachtet dieses Umstands haben jedoch nach Aufhebung des Termins am 17. Dezember 2019 bisher insgesamt 29 - fast ausnahmslos ganztägige - Verhandlungstage stattgefunden. Zieht man die zwei maßvollen Urlaubspausen während der nordrhein-westfälischen Sommer- und Herbstferien ab (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - BvR 2652/07, juris Rn. 53; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2018 - StB 45/18, juris Rn. 11), die sich im Rahmen der Strafprozessordnung halten und zusammen nur fünfeinhalb Wochen umfassen, errechnet sich für die verbleibenden 22,5 Wochen seit Verhandlungsbeginn eine durchschnittliche Verhandlungsdichte von knapp 1,3 Tagen pro Woche. Diese Frequenz ist angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falles, etwa der inhaltlichen Komplexität des Verfahrens - u.a. wurden zuletzt auf Antrag der Verteidigung der Angeklagten Daten in einem Umfang von 32 Gigabyte beigezogen - und der Anzahl der Verfahrensbeteiligten nicht zu beanstanden.
23
Anhaltspunkte dafür, dass das Oberlandesgericht den Prozess bisher nicht stringent und effizient geführt hat, liegen nicht vor. Allein bis zum ein- schließlich 24. Hauptverhandlungstag hat das Oberlandesgericht 29 Zeugen und sechs Sachverständige vernommen. Es kommt hinzu, dass hinsichtlich eines Urkundenkonvoluts, welches über 1000 Seiten umfasst, das Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 StPO angeordnet ist. Die Schriftstücke stehen den Verfahrensbeteiligten seit Juli 2019 zur Verfügung, ein Dolmetscher für den Mitangeklagten ist bereitgestellt. Dadurch hat das Oberlandesgericht eine der Verfahrensbeschleunigung dienende zusätzliche Konzentration des Prozessstoffs bewirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2019 - StB 18/19, juris Rn. 12).
24
Bedeutsame Verzögerungen oder Versäumnisse, welche die Fortdauer der Untersuchungshaft mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindern würden, sind auch mit Blick auf das Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich. Auf den Umstand, dass vom Oberlandesgericht zusätzlich vorgeschlagene Verhandlungstermine an Verhinderungen der Verteidiger gescheitert sind und ein bereits terminierter Hauptverhandlungstag deshalb sogar vollständig entfallen musste (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, juris Rn. 55), kommt es danach nicht maßgebend an.
25
Nach alledem ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft angesichts der Bedeutung der Sache und der konkreten Straferwartung immer noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Allein für den Tatvorwurf in Fall 3 sieht § 20 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 KrWaffKG eine gesetzliche Strafandrohung von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe vor. Die im Fall der Verurteilung der Angeklagten zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe wird - auch unter Berücksichtigung einer möglichen Strafaussetzung nach zwei Dritteln der Strafe (§ 57 Abs. 1 StGB) - jedenfalls die aktuelle Dauer der Untersuchungshaft wesentlich übersteigen.
26
4. Das Oberlandesgericht wird der Angeklagten den mit diesem Beschluss geänderten Haftbefehl zu eröffnen haben.
Schäfer Gericke Erbguth
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Annotations

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,
2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder
3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.

(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.

(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.

(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.