Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2016 - IX ZR 152/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:150916BIXZR152.15.0
bei uns veröffentlicht am15.09.2016
vorgehend
Landgericht Fulda, 2 O 701/13, 28.08.2014
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 14 U 154/14, 14.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 152/15
vom
15. September 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:150916BIXZR152.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer
am 15. September 2016
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 289.251,09 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8; vom 8. Januar 2015 - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 25). Ob ein bestimmter Gläubiger Kenntnis von der Zahlungseinstellung oder der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hat, hängt davon ab, welche konkreten Tatsachen dieser Gläubiger spätestens unmittelbar vor der jeweils angefochtenen Zahlung kannte. Der Insolvenzverwalter hat im jeweiligen Einzelfall darzulegen und zu beweisen, welche Tatsachen der Gläubiger kannte. Ist aus den dem Gläubiger bekannten Tatsachen zwingend auf eine Kenntnis der Zahlungseinstellung oder der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zu schließen, ist die angefochtene Zahlung selbst regelmäßig nicht geeignet, eine bereits vor der Zahlung bestehende Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wieder entfallen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - IX ZR 109/15, WM 2016, 560 Rn. 28 f mwN).
3
In diesem Rahmen verantwortet der Tatrichter die Würdigung der für und gegen eine Kenntnis der Zahlungseinstellung oder der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit sprechenden Indizien. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung der im Streitfall unstreitigen, vom Kläger bewiesenen oder konkret vorgetragenen und ausreichend unter Beweis gestellten Indizien ist weder in zulassungsrelevanter Weise rechtsfehlerhaft noch weist sie sonst einen Zulassungsgrund auf.
4
Die geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Kayser Gehrlein Grupp
Möhring Schoppmeyer

Vorinstanzen:
LG Fulda, Entscheidung vom 28.08.2014 - 2 O 701/13 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 14.07.2015 - 14 U 154/14 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

8
Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511, 1513 Rn. 25; Urt. v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189, 190 Rn. 10 m.w.N.). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urt. v. 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, ZIP 2009, 526, 527 Rn. 13 m.w.N., z.V.b. in BGHZ). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urt. v. 12. Juli 2007 - IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084, 2087 Rn. 21; vgl. Fischer NZI 2008, 588, 593; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 605; Ganter WM 2009, 1441, 1443). Soweit frühere Entscheidungen des Senats anders verstanden werden könnten, wird daran nicht festgehalten.
25
a) Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, ZInsO 2009, 1909 Rn. 8 mwN). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (dro- hende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rn. 13; vom 13. August 2009, aaO). Bewertet der Gläubiger das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat. Die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter. Erforderlich ist auch im Blick auf die Kenntnis der aufgrund der Zahlungseinstellung vermuteten Zahlungsunfähigkeit eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, sofern aus ihnen ein zwingender Schluss auf die Kenntnis folgt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZInsO 2013, 2109 Rn. 17 mwN).
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(1) Die Schlussfolgerung des Anfechtungsgegners, wonach die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zwischenzeitlich behoben ist, muss von einer ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage und nicht von einem bloßen "Gesinnungswandel" getragen sein. Als erstes dürfen die Umstände, welche die Kenntnis des Anfechtungsgegners begründen, nicht mehr gegeben sein. Der Fortfall der Umstände allein bewirkt nicht zwingend den Verlust der Kenntnis. Vielmehr ist auf der Grundlage aller von den Parteien vorgetragenen Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr bestand (BGH, Urteil vom 27. März 2008 - IX ZR 98/07, WM 2008, 840 Rn. 10 ff, 16; vom 19. Mai 2011 - IX ZR 9/10, WM 2011, 1085 Rn. 15; vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 39; vom 17. Dezember 2015 - IX ZR 61/14, WM 2016, 172 Rn. 27).