Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - IX ZB 44/12

bei uns veröffentlicht am21.11.2013
vorgehend
Landgericht Leipzig, 7 O 1878/11, 09.11.2011
Oberlandesgericht Dresden, 3 W 67/12, 19.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 44/12
vom
21. November 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO Art. 38 ff
Bei der im Exequaturverfahren möglichen Auslegung und Konkretisierung eines ausländischen
Vollstreckungstitels können auch Forderungen, welche im ausländischen
Vollstreckungstitel nicht ausdrücklich erwähnt werden, im Inland für vollstreckbar erklärt
werden, sofern sie im Erststaat ohne eine solche Titulierung im Wege der
Zwangsvollstreckung beigetrieben werden können.
BGH, Beschluss vom 21. November 2013 - IX ZB 44/12 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape und Grupp und die
Richterin Möhring
am 21. November 2013

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. März 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 170.063,99 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung der französischen Cour de Cassation vom 18. Februar 2003, hilfsweise einer Entscheidung der Cour de Cassation vom 25. November 1997 in der Form der berichtigenden Entscheidung vom 18. Februar 2003. Dem Exequatur- verfahren liegt ein Schadenersatzprozess nach einem Flugzeugabsturz zugrunde.
2
Der Tribunal de Grande Instance Verdun legte den Schaden der Antragsgegnerin und ihrer Mutter auf 400.000 DM fest und verurteilte die Antragstellerin , 62.183,75 DM an die B. (heute : D. , fortan: D. ), 5.200 DM an die T. (T. ) und 332.616,25 DM nach Abzug der Leistungen der Kassen an die Antragsgegnerin und ihre Mutter zu zahlen. Die Cour d'Appel Nancy bestätigte diese Entscheidung mit Urteil vom 29. Juni 1994 und erstreckte die Zahlungsverpflichtungen der Antragstellerin auf die Witwe des Piloten als Gesamtschuldnerin.
3
Das Berufungsurteil wurde im Revisionsverfahren mit Urteil der Cour de Cassation vom 25. November 1997 - berichtigt durch Entscheidung vom 18. Februar 2003 - aufgehoben, soweit die Antragstellerin und die Witwe des Piloten verurteilt worden waren, an die Antragsgegnerin und ihre Mutter 332.616,25 DM nach Abzug der Leistungen der Kassen ("après déduction des prestations des caisses") zu zahlen und soweit der an die D. zu zahlende Betrag auf 62.183,75 DM festgesetzt worden war. In dem an das Berufungsgericht zurückverwiesenen Verfahren erging am 28. Mai 2009 eine Versäumnisentscheidung, die nach einem Einspruch mit Urteil vom 17. Juni 2013 bestätigt wurde und nach der die Antragstellerin und die Witwe des Piloten verurteilt wurden, an die D. 201.858,03 € zu zahlen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass durch den Übergang der Forderungen auf die Sozialversicherungsträger der Schadensersatzanspruch der Antragsgegnerin und ihrer Mutter in Höhe von 400.000 DM gegenstandslos geworden sei.
4
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Erstattung der Zahlung in Höhe von 332.616,25 DM (170.063,99 €), die sie nach ihrer Behauptung aufgrund des aufgehobenen Berufungsurteils geleistet hat, und betreibt zu diesem Zweck das Exequaturverfahren in Deutschland. Das Landgericht hat die Entscheidung der Cour de Cassation vom 18. Februar 2003 für vollstreckbar erklärt und die zu vollstreckende Verpflichtung dahin konkretisiert, dass die An- tragsgegnerin an die Antragstellerin einen Betrag von 170.063,99 € zu zahlen habe. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.


5
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 15 AVAG, Art. 44 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001 L 12, S. 1 ff, fortan: EuGVVO) statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
6
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass mit der von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigung nach Art. 53 Abs. 2, Art. 54 EuGVVO die widerlegliche Vermutung der Vollstreckbarkeit des Kassationsurteils vom 18. Februar 2003 in Frankreich verbunden sei. Es fehle jedoch an der notwendigen Bestimmtheit des französischen Vollstreckungstitels. Dem Bestimmtheits- erfordernis sei nur dann genügt, wenn sich der Urteilsinhalt zuverlässig aus den Gründen der Entscheidung oder aus allgemein zugänglichen Quellen ermitteln lasse. Es lasse sich jedoch weder aus dem Urteil vom 18. Februar 2003 noch aus den Urteilen der Vorinstanzen eindeutig ersehen, in welcher Höhe die Rückzahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin bestehe, nachdem die Verpflichtung zur Zahlung von 332.616,25 DM "nach Abzug der Leistungen der Kassen" aufgehoben worden sei. Diese Leistungen, die auf den Betrag von 332.616,25 DM anzurechnen seien, würden im Urteil ihrer Höhe nach nicht konkretisiert, so dass nicht sicher beurteilt werden könne, welche Zahlungen die Antragstellerin aufgrund der Urteile der Vorinstanzen an die Antragsgegnerin und ihre Mutter geleistet habe. Damit könne die weitere Unbestimmtheit des Titels im Hinblick auf die zur Rückzahlung verpflichtete Person offen bleiben.
7
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Vollstreckbarerklärung nach Art. 38 Abs. 1 EuGVVO kann nicht mit der Begründung versagt werden , das französische Kassationsurteil sei zur Höhe der Rückzahlungsverpflichtung zu unbestimmt.
8
a) Zutreffend ist, dass nach dem deutschen Vollstreckungsrecht ein Vollstreckungstitel den durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und den Inhalt sowie den Umfang der Leistungspflicht bezeichnen muss. Der Titel kann notfalls durch das Vollstreckungsorgan ausgelegt werden, soweit dieser aus sich heraus genügend bestimmt ist oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1985 - IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440). Bei Vollstreckungstiteln aus dem Ausland gelten diese Anforderungen nicht für die ausländische Entscheidung selbst, sondern vielmehr für die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarkeit , welche maßgebliche Grundlage für die Zwangsvollstreckung im Inland ist (BGH, Urteil vom 6. November 1985, aaO S. 1441; Beschluss vom 4. März 1993 - IX ZB 55/92, BGHZ 122, 16, 18).
9
aa) Sollte der ausländische Titel den deutschen Anforderungen an die Bestimmtheit nicht genügen, hat das deutsche Gericht im Interesse der Titelfreizügigkeit eine Konkretisierung oder Ergänzung des Ausspruchs durch Auslegung im Exequaturverfahren vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 1993, aaO S. 18 f; vom 30. November 2011 - III ZB 19/11, WM 2012, 179 Rn. 6). Diese ist möglich, wenn sich die Kriterien hierfür aus den ausländischen Vorschriften oder ähnlichen im Inland gleichermaßen zugänglichen und sicher feststellbaren Umständen ableiten lassen (BGH, Urteil vom 6. November 1985, aaO S. 1441; Spiecker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile, 2002, S. 156). Gegebenenfalls kann eine Beweisaufnahme zum ausländischen Recht geboten sein, um den ausländischen Titel konkretisieren zu können. Nur wenn dies nicht zuverlässig möglich ist, muss der Antrag zurückgewiesen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2011, aaO).
10
Grundsätzlich können auch Forderungen, welche im ausländischen Vollstreckungstitel nicht ausdrücklich erwähnt werden, im Inland für vollstreckbar erklärt werden, sofern diese Forderungen im Erststaat ohne eine solche Titulierung im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden können (Seidl, Ausländische Vollstreckungstitel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 2010, S. 172 f). Denn der Inhalt und der Umfang der Vollstreckbarkeit eines Titels bestimmen sich nach dem Recht des Erststaates (Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR, 2011, Art. 38 Brüssel I-VO Rn. 24; Simons/Hausmann/Althammer , Brüssel I-Verordnung, 2012, Art. 38 Rn. 27; Seidl, aaO S. 51; Mansel, IPRax 1995, 362, 363). Daher ist im Lichte der ausländischen Tenorierungsge- wohnheiten zu ermitteln, ob dem für vollstreckbar zu erklärenden Urteil ein Leistungsbefehl gegen den Antragsgegner zu entnehmen ist (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht , 3. Aufl., Art. 38 EuGVVO Rn. 2; Rauscher/Mankowski, aaO).
11
bb) Danach kann von einer Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin aufgrund des Urteils der Cour de Cassation vom 25. November 1997 in der berichtigten Fassung vom 18. Februar 2003 ausgegangen werden. Nach der Rechtsprechung der Cour de Cassation besteht keine Verpflichtung des Rechtsmittelgerichts, eine Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen anzuordnen , die auf die kassierte Entscheidung der Vorinstanz geleistet wurden. Diese Verpflichtung folgt vielmehr schon kraft Gesetzes aus der Aufhebung der angegriffenen Entscheidung (Cass., Urteil vom 20. März 1990, Bull. civ., V, Nr. 126; vom 13. Januar 2009, Nr. 08-11992). Eine weitere Konkretisierung der Rückzahlungspflicht ist nach französischem Recht für diese Konstellation nicht vorgesehen. Da das Kassationsurteil nach französischem Recht auch ohne ausdrücklichen Ausspruch die Verpflichtung enthält, die im Hinblick auf die aufgehobene Entscheidung erhaltenen Zahlungen zu erstatten, ist es einer Vollstreckbarerklärung im Inland zugänglich (Seidl, aaO S. 178; Smyrek, RIW 2005, 695, 696 mwN; vgl. auch Geimer, IZPR, 6. Aufl., Rn. 3160c; ders. in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 722 Rn. 56d; Rauscher/Mankowski, aaO; a.A. LG Stuttgart, RIW 2005, 709, 710). Dementsprechend hat die Cour d'Appel Nancy in dem im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Urteil vom 17. Juni 2013 eine Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Verurteilung der Mutter der Antragsgegnerin zur Rückerstattung der in Ausführung des kassierten Berufungsurteils geleisteten Zahlung mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich dieser Anspruch schon aus dem Urteil der Cour de Cassation vom 25. November 1997, berichtigt durch die Entscheidung vom 18. Februar 2003, ergebe.
12
cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung steht einer Vollstreckung aus dem Kassationsurteil nicht entgegen, dass der Rechtsstreit durch dieses Urteil nach Art. 625 Abs. 1 NCPC lediglich in den Stand vor Erlass der aufgehobenen Entscheidung zurückversetzt worden ist (vgl. Smyrek, aaO mwN). Der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung, es bleibe nach der Aufhebung der Berufungsentscheidung bei der in der ersten Instanz erfolgten Verurteilung der Antragstellerin zur Zahlung von 332.616,25 DM, kann nicht gefolgt werden. Die Antragstellerin hat das Verfahren nach der Zurückverweisung an das Berufungsgericht innerhalb der viermonatigen Frist des Art. 1034 Abs. 1 NCPC fortgeführt, so dass ihre Zahlungsverpflichtung aus dem erstinstanzlichen Urteil gegenüber der Antragsgegnerin und ihrer Mutter nicht schon wegen Nichtbetreibens gemäß Art. 1034 Abs. 2 NCPC in Rechtskraft erwachsen ist. Vielmehr ist die Berufungsverhandlung wiederaufgenommen worden, wie die Entscheidung der Cour d’Appel Nancy vom 28. Mai 2009 belegt. Nach der im Einspruchsverfahren ergangenen Entscheidung vom 17. Juni 2013 ist nur die Festsetzung des Schadens der Antragsgegnerin und ihrer Mutter auf 400.000 DM und die Zahlungsverpflichtung der Antragstellerin gegenüber der T. rechtskräftig geworden, während über die von der Antragstellerin an die D. sowie an die Antragsgegnerin und ihre Mutter zu leistenden Zahlungen neu zu entscheiden war.
13
b) Die Auffassung des Beschwerdegerichts, die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung sei nicht hinreichend bestimmt, weil die auf den Betrag von 332.616,25 DM anzurechnenden Leistungen der Sozialversicherungsträger unbekannt seien, trifft jedoch nicht zu. Die im Kassationsurteil aufgehobene Verpflichtung der Antragstellerin, an die Antragsgegnerin und ihre Mutter den Gegenwert von 332.616,25 DM in französischen Francs nach Abzug der Leistungen der Kassen zu zahlen, ist dahin zu verstehen, dass es sich bei dem Betrag von 332.616,25 DM um den tatsächlich zu zahlenden Betrag handelt nach bereits zuvor erfolgtem Abzug der Kassenleistungen von dem insgesamt ersatzfähigen Schadensbetrag von 400.000 DM.
14
aa) Die Auffassung des Beschwerdegerichts beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des Urteils der Cour de Cassation vom 18. Februar 2003 und des dort teilweise aufgehobenen Berufungsurteils vom 29. Juni 1994. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Auslegung - wie diejenige aller staatlichen Hoheitsakte - selbst nachprüfen (BGH, Urteil vom 16. September 1993 - IX ZR 255/92, NJW 1994, 49, 50; MünchKomm-ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 546 Rn. 6 mwN). Aus dem als Anlage zur Antragsschrift eingereichten Berufungsurteil vom 29. Juni 1994 geht hervor, dass der von der Vorinstanz bestimmte Schadenersatzanspruch der Antragsgegnerin und ihrer Mutter gegenüber der Antragstellerin bestätigt wurde. Im Urteil erster Instanz, dessen wesentlicher Inhalt im Berufungsurteil wiedergegeben wird, war der ersatzfähige Schaden der Antragsgegnerin und ihrer Mutter auf 400.000 DM festgelegt worden. Die Antragstellerin war verurteilt worden, an die Antragsgegnerin und ihre Mutter den Gegenwert des Betrags von 332.616,25 DM in französischen Francs zu zahlen mit dem ausdrücklichen Zusatz, dass die Reduzierung darauf beruhe, dass bereits Zahlungen von der D. und der T. geleistet worden seien ("déduction faite des sommes déjà versées par la B. et la T. "). Zusätzlich war die Antragstellerin verurteilt worden, an die D. 62.183,75 DM und an die T. 5.200 DM wegen der auf sie übergegangenen Ansprüche zu zahlen. Werden diese Beträge von dem insgesamt festgelegten Schadensersatzbetrag in Höhe von 400.000 DM abgezogen, errechnet sich exakt die gegenüber der Antragsgegnerin und ihrer Mutter tenorierte Zahlungsverpflichtung in Höhe von 332.616,25 DM.
15
Die Höhe der tatsächlich von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin und ihre Mutter zu leistenden Zahlungen kann somit anhand der Gründe des aufgehobenen Berufungsurteils nachvollzogen werden, das als Anlage zum Antragsschriftsatz eingereicht worden war.
16
bb) Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung sei aus dem zu vollstreckenden Urteil der Cour de Cassation nicht hinreichend bestimmbar, beruht zudem auf einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Beschwerdegericht hätte seine Entscheidung nicht auf diesen Gesichtspunkt stützen dürfen, ohne zuvor die Beteiligten darauf hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben (§ 139 Abs. 2 ZPO), denn weder die Antragstellerin noch die Antragsgegnerin noch das Landgericht hatten in Frage gestellt, dass es sich bei dem Betrag von 332.616,25 DM um den von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin und ihre Mutter zu zahlenden Betrag handelte , bei dessen Ermittlung die bis dahin erfolgten Leistungen der Sozialversicherungsträger bereits berücksichtigt waren. Auf den gebotenen Hinweis hätte die Antragstellerin die hierfür maßgeblichen Umstände darlegen und das Beschwerdegericht zur zutreffenden Auslegung veranlassen können.
17
3. Die Beschwerdeentscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, weiter aufzuklären, ob das Urteil der Cour de Cassation vom 25. November 1997 in der berichtigten Fassung der Entscheidung vom 18. Februar 2003 in Deutschland gemäß Art. 38 ff EuGVVO für vollstreckbar erklärt werden kann. Insbesondere wird es zu ermitteln haben, ob die Antragsgegnerin - wovon das Landgericht stillschweigend ausgegangen ist - gesamtschuldnerisch den vollen Betrag schuldet oder ob die Mutter der Antragsgegnerin zur anteiligen oder alleinigen Zahlung verpflichtet ist. Eine Gesamtschuld bei einer teilbaren Leistung müsste entweder von den Beteiligten vereinbart worden oder gesetzlich angeordnet sein (vgl. Art. 1202 Code civile; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, 2006, S. 79 f). Im Falle einer Gesamtschuld kann der Gläubiger nach französischem Recht unmittelbar die ganze Leistung von jedem Gesamtschuldner verlangen (Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl., S. 186).
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 09.11.2011 - 7 O 1878/11 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 19.03.2012 - 3 W 67/12 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - IX ZB 44/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - IX ZB 44/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - IX ZB 44/12 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 15 Statthaftigkeit und Frist


(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen. (3) Die Rechtsbeschwerdefri

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - IX ZB 44/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - IX ZB 44/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2011 - III ZB 19/11

bei uns veröffentlicht am 30.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 19/11 vom 30. November 2011 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 1061 Zur Zulässigkeit der Konkretisierung e
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - IX ZB 44/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2015 - IX ZB 84/13

bei uns veröffentlicht am 24.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB84/13 vom 24. September 2015 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richte

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

6
1. Nach deutschem Vollstreckungsrecht muss ein Vollstreckungstitel den durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt sowie Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Zwar hat notfalls das Vollstreckungsorgan den Titel auszulegen. Dazu muss dieser jedoch aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1985 - IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440). Diese Anforderungen beziehen sich allerdings nur auf die deutsche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit, nicht auf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung (vgl. BGH, aaO; Beschluss vom 4. März 1993 - IX ZB 55/92, BGHZ 122, 16, 18). Denn Vollstreckungstitel ist allein die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung, nicht der Schiedsspruch (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO; siehe auch BT-Drucks. 13/5274, S. 61). Daher ist es nicht geboten, ausländische Entscheidungen, die den innerstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen für Vollstreckungstitel nicht genügen, allein deshalb nicht für vollstreckbar zu erklären. Vielmehr ist in solchen Fällen - gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum ausländischen Recht - der ausländische Titel so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann (vgl. BGH, aaO S. 1441 und S. 18 ff; Beschluss vom 21. Dezember 2010 - IX ZB 28/10, juris Rn. 5). Nur wenn dies im Einzelfall nicht zuverlässig möglich ist, muss der Antrag zurückgewiesen werden, weil es dem deutschen ordre public widersprechen würde, eine zu vollstreckende Anordnung zu erlassen, die von den Vollstreckungsorganen nicht ausgeführt werden kann (BGH, Beschluss vom 4. März 1993, aaO S. 19). Allerdings darf das deutsche Gericht nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle der des Schiedsgerichts setzen oder diese inhaltlich verändern, sondern nur den in der ausländischen Entscheidung bereits - wenn auch unvollkommen und für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt - zum Ausdruck kommenden Willen verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit verhelfen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.