Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2016 - IV ZR 548/15

bei uns veröffentlicht am07.09.2016
vorgehend
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 7 U 110/14, 13.11.2015
Landgericht Wiesbaden, 2 O 29/14, 03.07.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 548/15
vom
7. September 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:070916BIVZR548.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Dr. Karczewski und die Richterin Dr. Bußmann
am 7. September 2016

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. November 2015 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 9.181,90 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Pensionskasse für die Jahre ab 2009 auf neben einer bedingungsgemäßen Altersrente zu leistende Sonderzahlungen in Höhe von jährlich 2.018 € in Anspruch. Sie hat mit ihrer Klage zunächst Nachzahlungen für die Jahre 2009 bis 2011 in Höhe der Differenz zwischen den Leistungen des Beklagten und einer Sonderzahlung in der von ihr beanspruchten Höhe sowie daneben Feststellung begehrt, ab dem Jahre 2012 hinsichtlich der Sonderzahlungen mit solchen Arbeitnehmern gleichgestellt zu werden, die zu einem früheren Zeitpunkt aus den Diensten ihrer früheren Arbeitgeberin ausgeschiedenen sind; diese erhalten eine Sonderzahlung in Höhe von 40% einer Jahresgrundrente , was für die Klägerin einem jährlichen Betrag von 2.018 € entspricht. Während des Rechtsstreits hat die Klägerin ihren Zahlungsantrag um Rückstände bis einschließlich 2013 erweitert und ihr Feststellungsbegehren entsprechend angepasst.
2
Das Landgericht, das den Streitwert auf 22.955,80 € festgesetzt hat, hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt die Klägerin die Zulassung der Revision, mit der sie ihre Berufungsanträge weiterverfolgen möchte.
3
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht ist.
4
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richten sich Streitwert und Beschwer von Klagen, mit denen der Versicherte Rentenzahlungen begehrt, die von einer sich nach der Berechnung des Versicherers tatsächlich ergebenden Rente abweichen, nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag (§§ 3, 9 Satz 1 ZPO) der Differenz (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2012 - IV ZR 161/10, juris Rn. 7; vom 30. November 2011 - IV ZR 167/10, juris Rn. 4; vom 10. März 2010 - IV ZR 333/07, juris Rn. 17; jeweils zur Berechnung von Zusatzrenten einer Zusatzversorgungskasse ). Ist die Klage eines Versicherten - wie hier bezüglich des Antrags zu 2 der Fall - nicht auf Leistung, sondern auf Feststellung gerichtet, dass der beklagte Versicherer bei Errechnung der Rente bestimmte Vorgaben zu beachten habe, nimmt der Senat bei der Wertberechnung mit Blick auf die fehlende Vollstreckbarkeit eines Feststellungsausspruchs einen Abschlag von 20% vor (vgl. Senatsbeschlüs- se vom 25. Oktober 2012 aaO; vom 30. November 2011 aaO Rn. 9 m.w.N.).
5
2. Auf dieser Grundlage berechnet sich der Streitwert wie folgt:
6
Die Klägerin hat mit dem Zahlungsantrag zu 1 für die Jahre 2009 bis 2011 zunächst Rückstände in Höhe von 3.531,50 € geltend gemacht (vgl. Seite 6 der Klageschrift). Die mit der späteren Klagerweiterung eingeklagten Rückstände für 2012 von 1.513,50 € und 2013 von 2.018 € sind nicht in Rechnung zu stellen, weil sich bei einer Klage auf wiederkehrende Leistungen die erst nach Klagerhebung fällig gewordenen Beträge , gleich ob sie beziffert oder zum Gegenstand eines besonderen Antrages gemacht worden sind, in keiner Instanz streitwert- oder beschwerdewerterhöhend auswirken (Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2007 - IV ZR 232/03, juris; vom 25. November 1998 - IV ZR 199/98, NVersZ 1999, 239).
7
Hinzu kommt der Wert des Feststellungsantrags zu 2, der mit 5.650,40 € zu beziffern ist (3,5 x 2.018 € x 0,8), woraus sich ein Ge- samtwert von 9.181,90 € ergibt. Die aus der Abweisung der Klageanträge folgende Beschwer übersteigt den in § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO festgelegten Mindestbetrag von mehr als 20.000 € nicht.
8
III. Im Übrigen wäre die Beschwerde auch unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 03.07.2014- 2 O 29/14 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 13.11.2015- 7 U 110/14 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen


Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - IV ZR 161/10

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 161/10 vom 25. Oktober 2012 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2007 - IV ZR 232/03

bei uns veröffentlicht am 07.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 232/03 Verkündetam: 7.Februar2007 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _________________

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2011 - IV ZR 167/10

bei uns veröffentlicht am 30.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 167/10 vom 30. November 2011 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2016 - IV ZR 548/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2018 - VI ZR 422/16

bei uns veröffentlicht am 10.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 422/16 vom 10. Juli 2018 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2018:100718BVIZR422.16.0 Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Rich

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2017 - XI ZR 88/16

bei uns veröffentlicht am 21.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZR 88/16 vom 21. Februar 2017 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2017:210217BXIZR88.16.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich die Beschwer des Versicherten in einem solchen Fall nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag (§§ 3, 9 Satz 1 ZPO) der Differenz der mit der Klage angestrebten monatlichen Rente zu der sich aus der angegriffenen Berechnung der Zusatzversorgungskasse tatsächlich ergebenden Rente (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2011 - IV ZR 167/10, juris Rn. 4; vom 10. März 2010 - IV ZR 333/07, juris Rn. 17). Ist die Klage eines Versicherten - wie hier - nicht auf Leistung, sondern lediglich auf Feststellung gerichtet, dass die beklagte Zusatzversorgungskasse bei Errechnung der Zusatzrente bestimmte Vorgaben zu beachten habe, nimmt der Senat bei der Wertberechnung mit Blick auf die fehlende Vollstreckbarkeit eines Feststellungsausspruchs einen Abschlag von 20% vor (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2011 aaO Rn. 9 m.w.N.).
4
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich die Beschwer des Versicherten in einem solchen Fall zunächst nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag (§§ 3, 9 ZPO) der Differenz der mit der Klage angestrebten monatlichen Rente zu der sich aus der angegriffenen Berechnung der Zusatzversorgungskasse tatsächlich ergebenden Rente (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2010 - IV ZR 333/07, juris Rn. 17).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 232/03 Verkündetam:
7.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Berufsunfähigkeits-Zusatzvers. (BB-BUZ) § 2
Bei einem Versicherten, der im Zeitpunkt der behaupteten Berufsunfähigkeit zur
Ausübung der bisherigen Tätigkeit nicht in der Lage, aber auf einen Vergleichsberuf
verweisbar ist, tritt bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht allein dadurch
ein, dass ihm bei unverändertem Gesundheitszustand die zur Ausübung des Vergleichsberufs
erforderlichen Fähigkeiten abhanden kommen oder diese hinter der
Entwicklung zurückbleiben; ob er den Vergleichsberuf ausgeübt hat, ist unerheblich.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 232/03 - OLG Bamberg
LG Aschaffenburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. September 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung. Anspruch darauf besteht nach § 1 Abs. 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden Besonderen Bedingungen (BB-BUZ), wenn der Versicherte zu mindestens 50% berufsunfähig wird. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt nach § 2 Abs. 1 BB-BUZ vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
2
Der 1962 geborene Kläger legte 1986 die Meisterprüfung im Straßenbauhandwerk ab und war bis 1992 im elterlichen Familienunternehmen tätig. Anschließend studierte er an der Fachhochschule Bauingenieurwesen und ist seit 1996 Diplom-Ingenieur (FH). Nach dem Tod des Vaters Mitte 1996 führte er den Betrieb weiter, seit Anfang 1997 allein unter gelegentlichem Einsatz von Aushilfskräften. Er beschäftigt sich im Wesentlichen mit Pflasterarbeiten.
3
Am 2. März 1998 erlitt er bei einem Skiunfall unter anderem eine Brustwirbelknochenfraktur und eine Tibiafraktur links. Der Kläger behauptet er sei seit dem 2. September 1998 aufgrund seiner Verletzungen auf Dauer nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als selbstständiger Straßenbaumeister auszuüben. Trotz erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen habe er den Betrieb in eingeschränktem Umfang fortgeführt , um die wirtschaftliche Existenz seiner Familie zu sichern. Auf die Tätigkeit als angestellter Bauleiter könne er nicht verwiesen werden, weil er auch dazu wegen der körperlichen Beeinträchtigungen und zudem wegen fehlender Kenntnisse und mangels Erfahrung in diesem Beruf nicht in der Lage sei. Nach einer operativ und strahlentherapeutisch behandelten Krebserkrankung im Jahre 1999 leide er an zunehmenden psychischen Beschwerden, die sich zu einer im Frühjahr 2002 festgestellten Depression verstärkt hätten. Auch deshalb sei er dem Beruf eines Bauleiters gesundheitlich nicht gewachsen. Mit der im März 1999 eingereichten Klage verlangt er die vereinbarte Rente (bis dahin aufgelaufene Rückstände in Höhe von 5.796,55 € und Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der laufenden Rente von jährlich etwa 10.500 €) sowie Befreiung von der Pflicht zur Beitragszahlung (Rückzahlung von 5.149,90 € und Freistellung für die Zukunft).
4
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht deren Leistungspflicht ab dem 1. Januar 2003 festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte erstrebt mit der Revision die vollständige Klagabweisung, der Kläger mit der Anschlussrevision die Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe:


5
Die Rechtsmittel der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Oberlandesgericht nimmt an, die Beklagte sei erst ab dem 1. Januar 2003 zur Leistung verpflichtet. Der Kläger sei aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zwar bereits seit 2. September 1998 zu mindestens 50% außerstande, seinen Beruf als selbstständiger Straßenbaumeister auszuüben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei er jedoch trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen vom 2. September 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in der Lage gewesen, den von der Beklagten aufgezeigten Vergleichsberuf eines Bauleiters auszuüben, den er aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung habe ausüben können und der seiner bisherigen Lebensstellung entsprochen habe.
7
Straßenbaumeister Als und Bauingenieur habe er im September 1998 die von Arbeitgebern an Bauleiter gestellten fachlichen Anforderungen uneingeschränkt erfüllt. Erst mit zunehmendem Abstand zum Studienende und den wachsenden Anforderungen der Arbeitgeber aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation habe der Kläger den Anschluss an die neue Entwicklung verloren. Ihm fehlten insbesondere Kenntnisse in EDV und CAD. Die Trendwende sei zwischen 2002 und 2003 erfolgt. Von September 1998 bis zum 31. Dezember 2002 habe er über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, danach nicht mehr. Für die Verweisbarkeit sei auf die zum Zeitpunkt der Geltendmachung bzw. der Annahme der Berufsunfähigkeit tatsächlich vorhandenen Kenntnisse abzustellen. Die Berufsfähigkeit könne jedoch aufgrund bestimmter Umstände , wie z.B. durch den Wegfall der Verweisungsmöglichkeit auf einen anderen Beruf, nachträglich entfallen mit der Folge der Leistungspflicht des Versicherers.
8
gesundheitlichen Die Beeinträchtigungen des Klägers hätten der Tätigkeit als Bauleiter nicht entgegengestanden. Nach den Ausführungen des vom Landgericht hinzugezogenen medizinischen Sachverständigen Prof. T. habe der Kläger leichte Arbeiten im Wechselrhythmus von Sitzen und Stehen und ohne ausgesprochene Wirbelsäulenzwangshaltung und ohne ständiges Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig, mittelschwere Arbeiten mit den genannten Einschränkungen halbschichtig bis zu vier Stunden und schwere Arbeiten nicht ausführen können. Die psychische Beeinträchtigung habe der Sachverständige als gering eingeschätzt. Aufgrund dieser Feststellungen sei die in zweiter Instanz gehörte berufskundliche Sachverständige L. davon ausgegangen, der Kläger könne den Beruf eines Bauleiters gesundheitsbedingt ausüben. Soweit der Kläger geltend mache, seine gesundheitliche Beeinträchtigung im psychischen Bereich habe sich verstärkt, insbesondere lägen seit 1. April 2002 Leistungseinschränkungen aufgrund einer Depression vor, sei dieser Vortrag wegen Verspätung und im Übrigen als nicht sachdienliche Klageänderung nicht zu berücksichtigen.
9
Das II. Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagte sei ab dem 1. Januar 2003 zur Leistung verpflichtet , weil die im September 1998 gegebene Verweisbarkeit des Klägers auf die Tätigkeit als Bauleiter nachträglich entfallen sei. Die Bedenken der Revision gegen die Zulässigkeit der Feststellungsanträge sind dagegen nicht begründet.
11
a) Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, stehen bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 BB-BUZ und damit der Eintritt des Versicherungsfalls noch nicht fest. Der Versicherte muss weiter aus gesundheitlichen Gründen außerstande sein, eine andere Tätigkeit auszuüben , die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats der (behauptete) Eintritt der Berufsunfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf (Urteile vom 12. Januar 2000 - IV ZR 85/99 - VersR 2000, 349 unter 2 a und 3; vom 23. Juni 1999 - IV ZR 211/98 - VersR 1999, 1134 unter 2 b; vom 30. November 1994 - IV ZR 300/93 - VersR 1995, 159 unter 3 a und vom 13. Mai 1987 - IVa ZR 8/86 - VersR 1987, 753 unter I 3 c; ebenso Versicherungsrechts-Handbuch/Rixecker, § 46 Rdn. 121, 123; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 2 BUZ Rdn. 28).
12
der Ist Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt imstande, einen Vergleichsberuf auszuüben, so ist er nicht bedingungsgemäß berufsunfähig und der Versicherungsfall damit nicht eingetreten. Der Versicherungsfall kann allerdings später eintreten, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherte den Vergleichsberuf ausübt oder - aus welchen Gründen auch immer - nicht ausübt. Das ist bedingungsgemäß aber nur dann der Fall, wenn er zur Ausübung des Vergleichsberufs (und auch eines anderen Vergleichsberufs) ausschließlich gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 1993 - IV ZR 47/92 - VersR 1993, 1220 unter 2). Der Wegfall der erforderlichen beruflichen Kenntnisse oder deren Zurückbleiben hinter der Entwicklung und die allein dadurch verursachte Unfähigkeit zu beruflicher Tätigkeit begründet weder im ursprünglich ausgeübten noch im (ausgeübten oder nicht ausgeübten ) Vergleichsberuf bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit. Der Versicherte, der im maßgeblichen Zeitpunkt verweisbar ist, eine Tätigkeit im Vergleichsberuf aber nicht aufnimmt, hätte es dann in der Hand, die Berufsunfähigkeit durch Zeitablauf herbeizuführen. Auch wenn er wegen der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt keine Stelle findet, führt dies nicht zu einer vom Leistungsversprechen des Versicherers gedeckten Berufsunfähigkeit (vgl. Senatsurteile vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98 - VersR 2000, 171 unter I 3 b und vom 23. Juni 1999 aaO unter 3 b; Rixecker, aaO Rdn. 159 f.; a.A. Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung Rdn. 406).
13
b) Danach ist der Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht seit dem 1. Januar 2003 bedingungsgemäß berufsunfähig geworden, weil er den Anschluss an die berufliche Entwicklung verloren hatte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte der Kläger im September 1998 aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung die fachlichen Anforderungen an den Beruf eines Bauleiters uneingeschränkt, war gesundheitlich in der Lage, diese Tätigkeit auszuüben und auf dem Arbeitsmarkt nicht chancenlos. Um eine Stelle als Bauleiter hatte er sich allerdings gar nicht erst bemüht, weil er seine bisherige Tätigkeit fortsetzen wollte.
14
2. Die Anschlussrevision wendet sich zu Recht, insbesondere mit Verfahrensrügen, gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe überhaupt auf die Tätigkeit als Bauleiter verwiesen werden können.
15
a) Insoweit ist das Berufungsurteil einschließlich des Verfahrens schon deshalb nach § 562 ZPO aufzuheben, weil wesentliche Ausführungen der Sachverständigen L. unter Verstoß gegen §§ 160 Abs. 3 Nr. 4, 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht in das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 aufgenommen worden sind. Ausweislich des Protokolls hat die Sachverständige im Termin drei schriftliche, als Protokollanlagen bezeichnete Stellungnahmen zu möglichen Verweisungsberufen übergeben, unter anderem zum Beruf des Bauleiters. Alle drei Anlagen sind weder dem Protokoll beigefügt noch sonst in den Akten auffindbar. Der Inhalt der schriftlichen Stellungnahme ist auch weder im Tatbestand noch - getrennt von der Beweiswürdigung - in den Entscheidungsgründen wiedergegeben. Eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Beweiswürdigung ist daher nicht möglich. Ein solcher Verfahrensfehler nötigt zur Aufhebung des Berufungsurteils (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - VI ZR 309/02 - NJW 2003, 3057 unter 2 und Urteile vom 11. Juli 2001 - VIII ZR 215/00 - NJW 2001, 3269 unter II 1 b; vom 21. April 1993 - XII ZR 126/91 - NJW-RR 1993, 1034 unter 2 bis 4; vom 24. Februar 1987 - VI ZR 295/85 - NJW-RR 1987, 1197 unter II 2 und vom 18. September 1986 - I ZR 179/84 - NJW 1987, 1200 unter 2; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 161 Rdn. 5).
16
Unbegründet ist dagegen die Rüge, der Sachverständigen sei der Schriftsatz des Klägers vom 26. Juni 2003 nicht vorgelegt worden. Auf dem Schriftsatz ist vermerkt, dass am 1. Juli 2003 eine Kopie an sie abgesandt worden ist.
17
Davon b) abgesehen beruht die Feststellung des Berufungsgerichts , der Kläger sei von September 1998 bis Ende 2002 gesundheitlich in der Lage gewesen, die Tätigkeit eines Bauleiters auszuüben, auf einem weiteren gerügten Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht stützt sich ebenso wie die berufskundliche Sachverständige L. , eine Sachbearbeiterin des Landesarbeitsamts, auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Prof. T. in erster Instanz. Dessen gutachtliche Äußerungen befassen sich aber nicht mit der Frage, ob der Kläger gesundheitsbedingt als Bauleiter arbeiten kann und naturgemäß erst recht nicht mit der erst im Berufungsverfahren durch Parteivortrag und das berufskundliche Gutachten dargelegten konkreten Ausgestaltung dieses Berufs. Das Gutachten von Prof. T. bietet deshalb keine tragfähige Grundlage für die Annahme, der Kläger sei dem Beruf des Bauleiters gesundheitlich gewachsen gewesen. Das Berufungsgericht hätte deshalb unter Vorgabe des konkreten außermedizinischen Sachverhalts ein ergänzendes Gutachten dazu einholen müssen (vgl. Senatsurteile vom 12. Juni 1996 - IV ZR 118/95 - VersR 1996, 1090 unter II 2 und - IV ZR 116/95 - VersR 1996, 959 unter II sowie BGHZ 119, 263, 266 f.). Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass dies wegen eigener Sachkun- de des Berufungsgerichts und der berufskundlichen Sachverständigen entbehrlich war.
18
c) Durchgreifend ist ferner die Rüge, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO das unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen, auch aufgrund einer seit April 2002 bestehenden Depression habe er dem Beruf eines Bauleiters nicht nachgehen können.
19
Zurückweisung Die wegen Verspätung nach §§ 523, 528 Abs. 2, 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO a.F. ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie nicht nachvollziehbar begründet ist. § 528 Abs. 2 ZPO a.F. betrifft verspätetes Vorbringen im ersten Rechtszug, kann also den Vortrag des Klägers zu der erst während des Berufungsverfahrens festgestellten Depression nicht betreffen. Zu welchem erheblich früheren Zeitpunkt der Kläger dies im Berufungsverfahren hätte geltend machen müssen und weshalb ihn der Vorwurf grober Nachlässigkeit trifft, legt das Berufungsgericht nicht dar.
20
Auch eine - nicht sachdienliche - Klageänderung liegt nicht vor. Der Kläger hatte bereits in erster Instanz behauptet, seine Berufsfähigkeit sei auch aufgrund psychischer Beschwerden beeinträchtigt.
21
3. Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat nicht in der Lage, weil es hierzu an ausreichenden Feststellungen fehlt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 28.07.2000 - 1 O 152/99 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 04.09.2003 - 1 U 131/00 -

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.