vorgehend
Landgericht Köln, 24 O 215/04, 10.02.2005
Oberlandesgericht Köln, 9 U 60/05, 17.01.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 40/06
vom
12. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 12. Dezember 2007

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird seine Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Januar 2006 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 35.316,12 €

Gründe:


1
I. 1. Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für KfzHandel und -Handwerk. Am 5. Februar 2004 meldete der Kläger der Polizei den Diebstahl eines von ihm kurz zuvor erworbenen Personenkraftwagens. Nach seiner Darstellung hatte er den PKW am Abend zuvor vor seinem Privathaus abgestellt und tags darauf nicht mehr dort vorgefun- den. In der schriftlichen Schadensmeldung an die Beklagte vom 6. Februar 2004 beantwortete der Kläger die Frage nach möglichen Zeugen für das Abstellen des Fahrzeugs mit "meine Frau". Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2004 mitgeteilt hatte, ein bedingungsgemäßer Teilkaskoschadensfall werde bestritten und eine Regulierung deshalb nicht vorgenommen, erhob der Kläger Zahlungsklage vor dem Landgericht. Auf die Ausführungen der Beklagten in der Klagerwiderung reagierte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. August 2004, indem er unter anderem neben seiner Ehefrau eine Frau S. G. als Zeugin dafür benannte, dass er, der Kläger, am Abend des 4. Februar 2004 mit dem als gestohlen gemeldeten Fahrzeug nach Hause gekommen war und dieses vor seinem Haus abgestellt hatte. Daraufhin berief sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger die Zeugin G. nicht schon in der schriftlichen Schadensmeldung benannt hatte; damit habe er seine aus § 7 (I) Nr. 2 Satz 3, (V) Nr. 4 AKB folgende Obliegenheit verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein könne.
2
2. Das Landgericht hat Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Obliegenheitsverletzung angenommen und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger vorgetragen, er habe die Zeugin G. bei seiner Rückkehr mit dem als gestohlen gemeldeten PKW am Abend des 4. Februar 2004 nicht wahrgenommen. Erst nachdem die Beklagte die Entschädigung abgelehnt und sich in ihrer Klagerwiderung auf falsche Angaben in der Schadensanzeige berufen habe, sei er von seiner Ehefrau darauf hingewiesen worden, dass auch die Zeugin G. , mit der sie sich an jenem Nachmittag vor der Haustür unterhalten habe, seine Rückkehr und das Abstellen des PKW beobachtet hätte. Das Oberlandesgericht hat diesen Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO als verspätet zurückgewiesen und der Berufung des Klägers den Erfolg versagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe in erster Instanz nicht vorgetragen, die Zeugin G. nicht bemerkt und erst später von ihrer Anwesenheit und von ihren Beobachtungen erfahren zu haben, obwohl die Beklagte sich bereits mit Schriftsatz vom 24. September 2004 ausdrücklich auf eine Obliegenheitsverletzung durch Verschweigen dieser Zeugin berufen habe.
3
Das II. Berufungsgericht hat verfahrensfehlerhaft angenommen, der Kläger sei mit seinem unter Beweis gestellten Vortrag dazu, er habe erst nach Beantwortung der Fragen in dem Schadensmeldeformular der Beklagten von seiner Ehefrau davon erfahren, dass auch die Zeugin G. das Abstellen des als gestohlen gemeldeten Kraftfahrzeugs am Abend vor dem behaupteten Diebstahl beobachtet hatte, gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Damit hat es zugleich in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
4
1. Wie die Beschwerde zutreffend beanstandet, betrifft die Frage, ob der Kläger im Zeitpunkt des Ausfüllens seiner Schadensmeldung wusste, dass auch die Zeugin G. das Abstellen des Fahrzeugs am Abend des 4. Februar 2004 wahrgenommen hatte, nicht die Widerlegung der Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG, sondern das Vorliegen der Voraussetzungen einer Obliegenheitsverletzung als solcher. Nach der Rechtsprechung des Senats gehört die Kenntnis der nach Eintritt des Versicherungsfalles mitzuteilenden Umstände zum objektiven Tatbestand der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit des § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB, den der Versicherer zu beweisen hat (Senatsurteil vom 13. De- zember 2006 - IV ZR 252/05 - VersR 2007, 389 Tz. 13 f.). Diese Obliegenheit kann der Versicherungsnehmer bei Unkenntnis schon objektiv nicht verletzen, denn es gibt nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand den Versicherer aufklären könnte (Senatsurteil vom 13. Dezember 2006 aaO Tz. 14).
5
Der 2. Kläger hat erstinstanzlich lediglich vorgetragen, dass die Zeugin G. das Abstellen des Fahrzeugs beobachtet hätte und dafür durch Benennung der Zeugin Beweis angetreten. Dieser Vortrag im Prozess belegt aber für sich genommen noch nicht, dass der Kläger Kenntnis von den Beobachtungen der Zeugin schon bei Abfassung der Schadensanzeige hatte; er gab dafür nichts her. Es wäre vielmehr Sache der Beklagten gewesen, solche Kenntnis zu behaupten und gegebenenfalls zu beweisen. Auch daran fehlt es; die Beklagte hat zur Kenntnis des Klägers vielmehr überhaupt nichts vorgetragen, sich vielmehr auf die Bemerkung beschränkt, aus der Nichtangabe der Zeugin in der Schadensanzeige ergebe sich bereits eine leistungsbefreiende Obliegenheitsverletzung.
6
Das erstinstanzliche Urteil legt aber ein Verständnis dahin nahe, die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den mitzuteilenden Umständen gehöre als subjektives Element zur Schuldseite, für die die Beweislastverteilung des § 6 Abs. 3 VVG gelte. Damit hat sich das Landgericht den Blick darauf verstellt, dass es nicht Sache des Klägers, sondern der Beklagten war, zur Kenntnis des Klägers bei Abfassung der Schadensanzeige vorzutragen und Beweis anzutreten. Selbst wenn das Landgericht den Vortrag des Klägers dahin verstehen wollte, dieser habe seine Kenntnis zum maßgeblichen Zeitpunkt eingeräumt, hätte es ihn gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen. Denn aus seiner fehlerhaf- ten Sicht stand damit zugleich der subjektive Tatbestand der Obliegenheitsverletzung fest. Dass dem Kläger ein solcher Hinweis erteilt worden ist, ergibt sich aus dem insoweit maßgeblichen Sitzungsprotokoll nicht. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei rechtzeitiger Erteilung des Hinweises schon in erster Instanz vorgetragen hätte, dass er von den Wahrnehmungen der Zeugin G. erst nach Abfassung der Schadensanzeige durch seine Ehefrau in Kenntnis gesetzt worden war. Schon danach kam die Zurückweisung dieser nunmehr erst in zweiter Instanz vorgetragenen und unter Beweis gestellten Behauptungen des Klägers nicht in Betracht (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
7
III. Für den Fall, dass es das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung unter Beachtung der zutreffenden Verteilung der Darlegungsund Beweislast als erwiesen ansehen sollte, dass der Kläger seine nach dem Versicherungsvertrag bestehende Obliegenheit im Sinne von § 7 (I) Nr. 2 Satz 3 AKB objektiv verletzt hat, ist es Sache des Klägers, die nach § 6 Abs. 3 VVG bestehende Vermutung des Vorsatzes zu widerlegen. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht die Grundsätze der sogenannten Relevanzrechtsprechung herangezogen (vgl. Senatsurteile vom 7. Juli 2004 - IV ZR 265/03 - RuS 2004, 368 unter II 3 und vom 21. Januar 1998 - IV ZR 10/97 - VersR 1998, 447 unter 2 b). Die bislang dazu getroffenen Feststellungen legen die Annahme nahe, dass der Beklagten bei der Feststellung des Versicherungsfalles bzw. des Schadensumfangs noch keine Nachteile entstanden sind, eine mögliche Obliegenheitsverletzung des Klägers mithin folgenlos geblieben ist. Zur Frage des erheblichen Verschuldens verweist der Senat auf die Ausführungen in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 10.02.2005 - 24 O 215/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.01.2006 - 9 U 60/05 -

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(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

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Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27.01.2010 – 12 O 236/09 – wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckba

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 252/05 Verkündetam:
13.Dezember2006
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 6 Abs. 3; AKB §§ 7 (I) Abs. 2 Satz 3, (V) Abs. 4
Die Kenntnis der nach Eintritt des Versicherungsfalles mitzuteilenden Umstände gehört
zum objektiven Tatbestand der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, den der
Versicherer zu beweisen hat.
Steht fest, dass der Versicherungsnehmer zunächst Kenntnis von dem Versicherer
mitzuteilenden Umständen hatte, wird vorsätzliches Handeln vermutet, wenn er diese
dem Versicherer nicht vollständig mitteilt. Für seine Behauptung, die Kenntnis der
betreffenden Umstände nachträglich durch eine tief greifende Bewusstseinsstörung
verloren zu haben (hier: retrograde Amnesie), trägt der Versicherungsnehmer die
Beweislast.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2006 - IV ZR 252/05 - Kammergericht
LG Berlin
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2006

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. Oktober 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Versicherungsleistungen aus einer Kaskoversicherung für einen von ihm geleasten Pkw. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zu Grunde.
2
Fahrzeug Das kam in der Nacht zum 21. Oktober 2001 ohne Fremdeinwirkung von der Fahrbahn ab, überschlug sich und blieb stark beschädigt auf dem Dach liegen. Ein Zeuge traf kurze Zeit nach dem Unfall lediglich den Kläger im Fahrzeug an und half diesem beim Aussteigen. Der Kläger hatte neben multiplen Prellungen sowie Schürf- und Schnittwunden im Gesicht auch ein Schädelhirntrauma geringeren Grades erlitten. Eine noch in der Nacht bei ihm entnommene Blutprobe er- gab eine Blutalkoholkonzentration von 1,7 Promille. Nach der von der Beklagten bestrittenen Behauptung des Klägers war das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt von einem Mann gefahren worden, den er kurz zuvor in einer Diskothek kennen gelernt hatte. Er selbst sei unangeschnallt auf dem Beifahrersitz mitgefahren. An das Unfallgeschehen habe er wegen der Kopfverletzung keine Erinnerung. Zur Identität des Fahrers könne er deshalb ebenfalls keine Angaben machen. Entsprechende Eintragungen nahm der Kläger in seiner Schadensmeldung vom 13. Dezember 2001 vor.
3
Ein von der Beklagten beauftragter Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle stellte bei einer Untersuchung des Unfallfahrzeugs fest, dass bei dem Unfall der pyrotechnische Gurtstrammer und die Airbags auf der Fahrerseite ausgelöst worden waren, auf der Beifahrerseite jedoch nicht. Das Fahrzeug war mit einer Sitzbelegungserkennung für den Beifahrersitz ausgestattet, bei der die Auslösung der Airbags auf der Beifahrerseite nur bei einer Sitzbelegung erfolgt. Die Beklagte verweigerte daraufhin die Regulierung des Schadens und berief sich auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles sowie wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit des § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB.
4
Landgericht Das hat die Klage auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich Restwert (wirtschaftlicher Totalschaden) und Selbstbeteiligung in Höhe von insgesamt 28.964,68 € abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.
6
I. 1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Leistungspflicht der Beklagten wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne von § 61 VVG entfallen sei. Ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Unfallspuren am Fahrzeug und zu den vorhandenen Airbag- und Sitzplatzerkennungssystemen könne nicht verlässlich beurteilt werden, ob die von der Beklagten zu beweisenden Voraussetzungen dieser Norm gegeben seien, ob also der Kläger entgegen seiner Behauptung das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt - unter Alkoholeinfluss - geführt habe.
7
2. a) Jedenfalls sei die Beklagte leistungsfrei, weil der Kläger jegliche Angaben zum Unfallhergang und zum Fahrer verweigert habe und damit entgegen § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB seiner Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung aller Tatumstände nach Eintritt des Versicherungsfalles nicht nachgekommen sei. Die Vermutung vorsätzlichen Handelns nach §§ 7 (V) Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 VVG habe er nicht widerlegen können , da seine Behauptung, er habe als Folge der Kopfverletzung die Erinnerung an das Unfallgeschehen verloren, durch das Gutachten des medizinischen Sachverständigen nicht bestätigt worden sei.
8
b) Der Ansicht des Klägers, die Beweislast müsse davon abweichend verteilt werden, da er sich auf die Unkenntnis der aufklärungsbe- dürftigen Tatumstände berufen habe, ist das Berufungsgericht nicht gefolgt. Die Klausel des § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB sei so gefasst, dass die Kenntnis aufklärungspflichtiger Umstände nicht zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen zähle. Vielmehr verlange die Klausel über eine Mitteilung bekannter Umstände hinaus auch, sich die Kenntnis von unbekannten Umständen zu verschaffen, die für den Versicherer von Bedeutung sein können. Dieses Verständnis des Inhalts der Aufklärungsobliegenheit schließe eine generelle Beschränkung der Aufklärungspflicht auf bekannte Tatumstände von vornherein aus. Auch der Bundesgerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Kenntnis aufklärungsbedürftiger Umstände bei Obliegenheiten, die nach dem Versicherungsfall zu erfüllen seien, zum subjektiven Tatbestand derjenigen Klausel gehöre, aus der die Leistungsfreiheit des Versicherers folge.
9
II. Das hält nur im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
10
Der 1. Senat folgt dem Berufungsgericht nicht, soweit es die Kenntnis der Umstände, die der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles mitzuteilen hat, nicht zum objektiven Tatbestand der Aufklärungsobliegenheit (§ 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB) rechnet. Für diese Kenntnis trifft - wie für den objektiven Tatbestand insgesamt - die Beweislast den Versicherer.
11
a) Ob bei streitiger Kenntnis des Versicherungsnehmers von den mitzuteilenden Umständen der Versicherer diese Kenntnis als Bestandteil des objektiven Tatbestandes der Obliegenheitsverletzung zu bewei- sen hat oder der Versicherungsnehmer insoweit den vermuteten Vorsatz widerlegen muss, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Zur Begründung der Auffassung, die Kenntnis des Versicherungsnehmers gehöre als subjektives Element zur Schuldseite, für die generell die Beweislastverteilung des § 7 (V) AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG gelte, wird darauf hingewiesen, dass nur so entsprechende Obliegenheitsverletzungen wirkungsvoll unterbunden werden könnten (OLG Oldenburg VersR 1995, 952, 953; ähnlich OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1496, 1497; offen gelassen von OLG Düsseldorf VersR 2001, 1019 f.; im Ergebnis ebenso Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 6 Rdn. 125). Dem wird entgegengehalten, ein Versicherungsnehmer könne nur das anzeigen, was ihm auch bekannt sei, so dass zum Nachweis eines - objektiven - Verstoßes gegen die Auskunftsobliegenheit auch der Nachweis gehöre, dass der Versicherungsnehmer die Tatsachen kennt, die von der Aufklärungsobliegenheit erfasst werden (OLG Hamm NJW-RR 1990, 1310; OLG Hamm RuS 1994, 42, 43 m. Anm. Langheid; ebenso Römer in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. § 6 Rdn. 113).
12
Auch b) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, wer die Beweislast für die Kenntnis der dem Versicherer mitzuteilenden Umstände nach Eintritt des Versicherungsfalles zu tragen hat, bisher nicht eindeutig geklärt. In dem auch vom Berufungsgericht herangezogenen Senatsurteil vom 30. April 1969 (BGHZ 52, 86, 89) ist die Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Versicherungsfall als subjektives Element der Schuldseite zugeordnet worden (ebenso Senatsurteil vom 21. April 1993 - IV ZR 34/92 - VersR 1993, 828 unter 2 c, insoweit in BGHZ 122, 250 nicht abgedruckt). Einer anderen Entscheidung (BGH, Urteil vom 21. April 1966 - II ZR 239/63 - VersR 1966, 577 unter IV 2) lässt sich eine Zuordnung der Kenntnis mitteilungspflichtiger Umstände zu den objektiven Voraussetzungen einer Obliegenheitsverletzung entnehmen mit der Folge, dass die Kenntnis dieser Umstände der Versicherer darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat.
13
c) Die Kenntnis der nach Eintritt des Versicherungsfalles mitzuteilenden Umstände gehört zum objektiven Tatbestand der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, den der Versicherer zu beweisen hat.
14
§ 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB verpflichtet den Versicherungsnehmer, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Geht es - wie hier - um den Eintritt des Versicherungsfalles, obliegt es dem Versicherungsnehmer demgemäß, seinem Versicherer alle Umstände mitzuteilen, die mit dem Ereignis in Zusammenhang stehen, das den Schaden verursacht hat, um ihm so eine sachgemäße Prüfung der Voraussetzungen seiner Leistungspflicht zu ermöglichen. Dazu gehören selbst solche mit dem Schadensereignis in Zusammenhang stehende Tatsachen, aus denen sich die Leistungsfreiheit des Versicherers ergeben kann (Senatsurteil vom 1. Dezember 1999 - IV ZR 71/99 - VersR 2000, 222 unter II 2 m.w.N.). Das setzt aber stets voraus, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von den Umständen oder Tatsachen hat, die er seinem Versicherer in Erfüllung der Obliegenheit mitzuteilen hat. Fehlt ihm diese Kenntnis, läuft die Aufklärungsobliegenheit ins Leere. Schon objektiv kann er sie nicht verletzen, denn es gibt nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand seinen Versicherer aufklären könnte. Auf eine etwaige Erkundigungspflicht des Versicherungsnehmers , die allerdings die Kenntnis von Anhaltspunkten für Umstände voraussetzt, die dem Versicherer nach § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB mitzuteilen sind, kommt es hier nicht an (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. April 1993 aaO).
15
Ordnete man dagegen die Kenntnis von dem Versicherer mitzuteilenden Umständen als ein subjektives Element der Schuldseite zu, müsste sich der Versicherungsnehmer vom Vorwurf der objektiven Verletzung einer Obliegenheit entlasten, obgleich nicht feststeht, dass er überhaupt in der Lage war, sie zu erfüllen. Eine solche Einordnung ist auch Wertungsgesichtspunkten des § 6 Abs. 3 VVG nicht zu entnehmen, auf den § 7 (V) Abs. 4 AKB verweist. Diese gesetzliche Beweisregel, wonach sich der Versicherungsnehmer vom vermuteten Vorsatz entlasten muss, macht vielmehr erst und gerade vor dem Hintergrund Sinn, dass die Kenntnis des Versicherungsnehmers von einem dem Versicherer mitzuteilenden Umstand bereits feststeht, dieser die Mitteilung aber dennoch unterlässt.
16
2. Dass der Kläger zunächst Kenntnis vom Unfallgeschehen hatte, stellt das Berufungsgericht in tatrichterlicher und von der Revision nicht angegriffener Würdigung unter Berücksichtigung des Klägervortrags fest. Danach hat der Kläger die Vorgänge bis zum Unfall persönlich als Beifahrer bei ungetrübtem Bewusstsein miterlebt. Damit liegen die objektiven Voraussetzungen einer Verletzung von § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB vor.
17
3. Die Beklagte wäre deshalb nur dann leistungsfrei, wenn der Kläger die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG widerlegt hätte. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger dies nicht gelungen ist.

18
a) Der Kläger hat behauptet, die Kenntnis der anzuzeigenden Umstände durch eine retrograde Amnesie als Folge des Unfalls nachträglich wieder verloren zu haben. Diese Behauptung ist zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, grundsätzlich geeignet, den Vorwurf vorsätzlichen Handelns in Frage zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1966 - II ZR 5/64 - VersR 1966, 458 unter III). Da der Kläger als Ursache für den nachträglichen Erinnerungsverlust eine tief greifende Bewusstseinsstörung im Sinne von § 827 BGB geltend macht, trifft ihn die volle Beweislast insoweit nicht nur nach § 6 Abs. 3 VVG, sondern auch nach dem Rechtsgedanken des § 827 Satz 1 BGB, wonach derjenige die Voraussetzungen dieser Vorschrift darzulegen und zu beweisen hat, der sich auf sie beruft (BGHZ 39, 103, 108).

19
Der b) im Berufungsrechtszug gehörte Sachverständige konnte weder bestätigen noch ausschließen, dass es entsprechend der Behauptung des Klägers bei ihm durch das erlittene Schädelhirntrauma zu einer Beeinträchtigung der Bewusstseinslage bzw. des Gedächtnisses gekommen war. Die danach verbleibenden Zweifel gehen zu seinen Lasten.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 25.03.2003 - 17 O 167/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 04.10.2005 - 6 U 233/03 -

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 265/03 Verkündet am:
7. Juli 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
VVG § 6 Abs. 3; AKB § 7
Die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung finden nur dann Anwendung, wenn die
vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben
ist, d.h. dem Versicherer bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des
Schadenumfanges keine Nachteile entstanden sind. Das ist nicht notwendig schon
dann der Fall, wenn der Versicherer nicht geleistet hat.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - IV ZR 265/03 - HansOLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Bekla gte ihm wegen eines Fahrzeugdiebstahls bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren hat. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB; Stand März 1997) zugrunde.
Die Beklagte erhielt am 2. November 2000 vom Kläge r eine fernmündliche Schadensmeldung, die die Entwendung eines Fiat-Wohnmobils auf dem Parkplatz eines Supermarkts in P. zum Gegenstand hatte. Das Fahrzeug wurde zu einem späteren Zeitpunkt in Frankreich wieder aufgefunden und sichergestellt. Mit Schreiben vom 6. November

2000 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schadensanzeigeformular und einen "Ergänzungs-Fragebogen Fahrzeugdiebstahl", der eine Belehrung über die Rechtsfolgen unwahrer oder unvollständiger Angaben gegenüber dem Versicherer enthielt. Zugleich forderte die Beklagte den Kläger auf, ihr neben den Fahrzeugunterlagen "vorab postwendend" die Kfz-Schlüssel zu übersenden. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach, obwohl ihn die Versicherungsmaklerin wiederholt darauf hinwies, daß er zur Übersendung verpflichtet sei. Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, er müsse die Fahrzeugschlüssel nur Zug um Zug gegen eine Leistungszusage der Beklagten herausgeben. Die Beklagte beruft sich unter anderem deshalb auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger durch sein Verhalten gegen seine Obliegenheit aus § 7 I (2) Satz 3 und 4 AKB verstoßen habe. Danach ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann; er hat hierbei die etwaigen Weisungen des Versicherers zu befolgen.
Landgericht und Berufungsgericht haben die Festste llungsklage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Weiger ung der Beklagten , den Kläger wegen des behaupteten Diebstahls zu entschädigen, sei

nach § 7 I (2) Satz 3 und 4, V 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG rechtens. Der Kläger habe sich der mit Schreiben vom 6. November 2000 durch den Versicherer erteilten Weisung widersetzt und sich trotz mündlicher und schriftlicher Mahnung seitens der Versicherungsmaklerin geweigert, die Fahrzeugschlüssel zur Verfügung zu stellen, solange die Beklagte ihre Eintrittspflicht nicht anerkenne. Der Verlust des Versicherungsschutzes widerspreche nicht § 242 BGB. Denn die Obliegenheitsverletzung des Klägers sei generell geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Die Fahrzeugschlüssel seien für den Versicherer von erheblicher Bedeutung, weil eine sachverständige Untersuchung darüber Aufschluß geben könne, ob Nachschlüssel existierten; das Fehlen eines Schlüssels könne darauf hinweisen, daß das Fahrzeug auf andere Weise als durch Diebstahl verschwunden sei. Das Verschulden des Klägers sei schon deshalb nicht gering, weil er gegen den ausdrücklichen Rat der Versicherungsmaklerin gehandelt und auch sonst keinen Kontakt zur Beklagten gesucht habe. Die Beklagte habe den Kläger schließlich nicht nach Treu und Glauben über die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen die ihm erteilte Weisung belehren müssen. Eine Belehrung durch den Versicherer müsse nicht für alle denkbaren Obliegenheitsverstöße erfolgen, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten durch unwahre oder unvollständige Angaben im Schadensanzeigeformular. Wegen dieser Frage hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebn is stand. Allerdings kommt es auf die Frage, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zu-

lassung der Revision gegeben hat, nicht an; dennoch war der Senat an die Zulassung gebunden (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausge gangen, daß der Kläger eine nach dem Versicherungsvertrag bestehende Obliegenheit verletzt hat. Er ist nach § 7 I (2) Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Der Versicherer kann nach Eintritt des Versicherungsfalls verlangen, daß der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist. Der Versicherungsnehmer muß allerdings nicht unaufgefordert ("spontan") durch Auskunftserteilung zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen und den Versicherer von sich aus über alle für Grund und Höhe des Entschädigungsanspruchs wesentlichen Umstände in Kenntnis setzen. Er darf abwarten, bis der Versicherer an ihn herantritt und die Informationen anfordert, die er zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs seiner Leistungspflicht benötigt (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1976 - IV ZR 84/75 - VersR 1976, 821 unter III 1 zu § 13 AFB). Eine solche Aufforderung liegt in dem Schreiben der Beklagten vom 6. November 2000. Sie hat dem Kläger u.a. aufgegeben , ihr die Fahrzeugschlüssel zur Verfügung zu stellen. Darin lag eine an den Kläger gerichtete, ihrem Inhalt nach unmißverständliche Weisung im Sinne des § 7 I (2) Satz 4 AKB, durch eine bestimmte Handlung - die Übersendung der Schlüssel - an der Aufklärung des Tatbestandes mitzuwirken.
2. Das Berufungsgericht ist weiter rechtsfehlerfre i von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung ausgegangen. Dem Kläger waren die

sich aus § 7 I (2) Satz 3 und 4 AKB ergebenen Verhaltensnormen bekannt. Ihr Vorhandensein ist ihm spätestens durch die Hinweise der Versicherungsmaklerin , er sei zur Herausgabe der Schlüssel verpflichtet, klar vor Augen geführt worden; dennoch hat er sich der Aufforderung der Beklagten widersetzt.
Der Kläger, der die nach § 6 Abs. 3 VVG bestehende Vermutung des Vorsatzes zu widerlegen hat (Senatsurteile vom 21. April 1993 - IV ZR 34/92 - VersR 1993, 828 unter 2 c, in BGHZ 122, 250 insoweit nicht abgedruckt; vom 2. Juni 1993 - IV ZR 72/92 - VersR 1993, 960 unter I 2, in BGHZ 122, 388 insoweit nicht abgedruckt; vom 5. Dezember 2001 - IV ZR 225/00 - VersR 2002, 173 unter 2 a), kann sich nicht auf einen diesen ausschließenden Rechtsirrtum berufen. Sein von ihm eingenommener Rechtsstandpunkt - Herausgabe der Schlüssel nur Zug um Zug gegen die Anerkennung der Leistungspflicht durch die Beklagte - mußte sich aus seiner eigenen Sicht als unhaltbar erweisen. Denn er konnte dem zeitnah zur telefonischen Schadensmeldung vom 2. November 2000 verfaßten Schreiben der Beklagten vom 6. November 2000 unzweifelhaft entnehmen, daß die Beklagte die Fahrzeugschlüssel - und zwar "vorab postwendend" - benötigte, um Feststellungen zum Eintritt des von ihm behaupteten Versicherungsfalles zu treffen, und nicht etwa erst zur Abwicklung eines Eigentumsüberganges an dem zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wieder aufgefundenen Fahrzeug gemäß § 13 (7) Satz 2 AKB. Daß aber die Aushändigung von Beweismitteln, die erst der Feststellung des Versicherungsfalles dienen sollen, nicht von einer Leistungszusage durch den Versicherer abhängig gemacht werden kann, muß jedem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres einleuchten; das gilt um

so mehr angesichts der Hinweise der Versicherungsmaklerin, der Kläger sei zur Übersendung der Schlüssel an die Beklagte verpflichtet.
3. Nach § 7 V (4) AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG ist die Beklagte bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei. In diesem Zusammenhang kommt es auf die vom Berufungsgericht herangezogene "Relevanzrechtsprechung" des Senats nicht an. Danach kann sich der Versicherer zwar auf die vereinbarte Leistungsfreiheit dann nicht berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell ungeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden , oder den Versicherungsnehmer subjektiv kein schweres Verschulden trifft (Senatsurteil vom 21. April 1993 - IV ZR 33/92 - VersR 1993, 830 unter II 3), wobei diese Grundsätze auch auf die Fahrzeugversicherung Anwendung finden (Senatsurteile vom 20. Dezember 1972 - IV ZR 57/71 - VersR 1973, 174 unter VI 1; vom 28. Mai 1975 - IV ZR 112/73 - bei juris abrufbar, unter III; vom 21. Januar 1998 - IV ZR 10/97 - VersR 1998, 447 unter 2 b). Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß die Relevanzrechtsprechung unter der weiteren Voraussetzung steht, daß die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben ist, dem Versicherer also bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des Schadensumfanges keine Nachteile entstanden sind. Die Folgenlosigkeit ist vom Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen (Senatsurteil vom 21. April 1993 aaO). Dazu hat der Kläger weder vorgetragen noch ist eine Folgenlosigkeit sonst ersichtlich.
Durch seine Weigerung, die Schlüssel für das - spä ter wieder aufgefundene - Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, hat der Kläger die Beklagte dauerhaft gehindert, die Voraussetzungen des von ihm angezeig-

ten Versicherungsfalles zu prüfen. Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, lassen sich durch eine sachverständige Untersuchung der Schlüssel Erkenntnisse darüber gewinnen, ob Kopierspuren vorhanden sind, was auf das Fertigen von Nachschlüsseln deuten würde. Das Fehlen eines Schlüssels kann Hinweise darauf geben, daß dieser einem Dritten zur Verfügung gestellt worden ist, damit dieser das Fahrzeug - zur Vortäuschung eines Diebstahls - von seinem Standort verbringt. Gerade letzteres erklärt die Aufforderung der Beklagten, ihr die (kompletten ) Fahrzeugschlüssel "postwendend" zu übersenden, um dem Kläger keine Gelegenheit zu geben, sich die Schlüssel von einem etwaigen Dritten wiederzubeschaffen und sie anschließend der Beklagten auszuhändigen. Die der Beklagten durch das Vorenthalten der Schlüssel entstandenen Nachteile lassen sich angesichts des Zeitablaufs nicht mehr beheben. Die Parteien streiten nach wie vor über das Vorliegen eines Versicherungsfalles ; Feststellungen, ob ihre Einstandspflicht gegeben ist, kann die Beklagte aufgrund der Obliegenheitsverletzung des Klägers zuverlässig nicht mehr treffen.
Da die Obliegenheitsverletzung mithin nicht folgen los geblieben ist, hätte sich das Berufungsgericht nicht mehr damit zu befassen brauchen , ob die Leistungsfreiheit der Beklagten weiter davon abhängt, den Kläger ausdrücklich und unmißverständlich über die Rechtsfolgen seiner Obliegenheitsverletzung belehrt zu haben. Eine Klärung der Frage, inwieweit sich die Rechtsprechung zur folgenlosen Verletzung von Auskunfts - und Aufklärungsobliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles (vgl. BGHZ 48, 7, 9; Senatsurteil vom 21. Januar 1998 aaO unter 2
c) auf den hier gegebenen Verstoß gegen eine seitens des Versicherers

erteilte Weisung übertragen läßt, ist nicht erforderlich; einer Zulassung der Revision hätte es unter diesem Gesichtspunkt nicht bedurft.
4. Ebenso kann auf sich beruhen, ob dem Recht des Versicherers, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen, im allgemeinen oder im Einzelfall entgegenstehen kann, daß er wegen einer unvollständigen Auskunft oder wegen einer nicht befolgten Weisung keine Rückfrage beim Versicherungsnehmer gehalten hat (§ 242 BGB). Denn jedenfalls hier mußte die Beklagte beim Kläger nicht nachfragen, weshalb die Übersendung der "vorab postwendend" angeforderten Schlüssel unterblieb.
Der Kläger ist einer von der Beklagten klar und un mißverständlich formulierten Weisung nicht nachgekommen. Er hat die Weisung nicht etwa versehentlich nicht beachtet, sondern sich ihr bewusst und hartnäckig verweigert. Unstreitig hat die Versicherungsmaklerin bei ihm mehrfach schriftlich und fernmündlich die Herausgabe der Schlüssel angemahnt. Da sie nach seinen Behauptungen von der Beklagten mit der Abwicklung des Schadenfalles beauftragt war, hat sich der Kläger aus seiner Sicht, auf die es an dieser Stelle ankommt, von der für den Versicherer handelnden Vertreterin aufgefordert gesehen, die Schlüssel herauszugeben. Dann aber gilt nichts anderes, als wenn ein Versicherungsnehmer beharrlich an falschen Angaben in seinem Antragsformular festhält, obwohl ihn der Versicherer wiederholt auf die Bedenken gegen seine Angaben aufmerksam gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 12. März 1976 - IV ZR 79/73 - VersR 1976, 383 unter II 2). Denn nur der schutzwürdige Versicherungsnehmer soll vor den Folgen einer Obliegenheitsverletzung und einem unerwarteten Verlust seines Versicherungsanspruchs bewahrt werden. Für ein solches Schutzbedürfnis ist von vornherein kein Raum,

wenn mehrfache Aufforderungen, die erteilte Weisung zu befolgen, ihn nicht dazu veranlassen können, seiner vertraglichen Obliegenheit doch noch nachzukommen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch