Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - IV ZR 374/14

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:170216BIVZR374.14.0
published on 17/02/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - IV ZR 374/14
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Landgericht Augsburg, 85 O 3975/12, 17/03/2014
Oberlandesgericht München, 27 U 1430/14, 27/08/2014

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 374/14
vom
17. Februar 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:170216BIVZR374.14.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann
am 17. Februar 2016

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 27. Zivilsenat - vom 27. August 2014 zugelassen.
Gemäß § 544 Abs. 7 ZPO wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 320.000 €

Gründe:


1
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, einem englischen Lebensversicherer , Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages. Diese Versicherung war Bestandteil eines von der S. Service GmbH & Co. KG konzipierten und als "SicherheitsKompakt -Rente (SKR)" bezeichneten kreditfinanzierten Anlagemodells.

2
Im Anschluss an ein Beratungsgespräch mit dem Vermittler W . beantragte der Kläger den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages vom Typ W. N. über 330.291 € mit der Beklagten über eine Laufzeit von 14 Jahren. Die Ablaufleistung dieses Vertrages war im Rahmen des Anlagemodells als sogenanntes Tilgungsinstrument zur Tilgung von zwei endfälligen Darlehen vorgesehen, die der Kläger am 30. Oktober 2001 zur Finanzierung der Anlage aufnahm.
3
Weiterer Bestandteil des Anlagemodells war der Abschluss einer Rentenversicherung, aus der zunächst die Zinsen für das Bankdarlehen bedient werden und deren Leistungen nach Tilgung des Darlehens dem Kläger zufließen sollten.
4
Im Jahre 2012 kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag; der Rückgabewert von 342.266,02 € wurde seinem Konto bei der finanzierenden Bank gutgebracht.
5
Der Kläger wirft der Beklagten unzutreffende Angaben über die zu erwartende Rendite aus der Lebensversicherung vor. Er verlangt, so gestellt zu werden, als hätte er sich an dem Anlagemodell nicht beteiligt. Den ihm durch den Abschluss des Lebensversicherungsvertrages entstandenen Schaden beziffert er insoweit auf 297.609,73 €.
6
Zur Verfolgung seines Schadensersatzanspruchs reichte er über seinen Anwalt bei der staatlich anerkannten Gütestelle eines Rechtsanwalts und Mediators in F. einen auf den 22. Dezember 2009 datierten Güteantrag ein, von dem die Beklagte durch Schreiben der Gütestelle vom 17. März 2010 unterrichtet wurde. Mit Schreiben vom 23. März 2010, bei der Gütestelle eingegangen am 26. März 2010, teilte die Beklagte mit, dass sie am Güteverfahren nicht teilnehmen werde. Daraufhin stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. April 2010, das Scheitern des Verfahrens fest.
7
Am 18. Oktober 2012 hat der Kläger beim Landgericht Klage eingereicht , die der Beklagten am 21. November 2012 zugestellt worden ist.
8
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 297.603,73 € nebst Zinsen , Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehenden Schadens gerichtete Klage wegen Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr größtenteils stattgegeben. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
9
II. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Revision zuzulassen , das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
10
Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht Teile des Beklagtenvorbringens vollständig übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hat.
11
1. Das Berufungsgericht hat die Kausalität der von ihm angenommenen Aufklärungspflichtverletzung für die Zeichnung der Anlage allein aufgrund der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bejaht, die nicht widerlegt sei. Hierbei hat es nicht beachtet, dass die Beklagte bereits in ihrer Klageerwiderung (dort Seite 33/34) zur Widerlegung dieser Vermutung unter Beweisantritt (u.a. Parteivernehmung des Klägers) behauptet hatte, dass der Kläger sich auch bei einer vollständigen Aufklärung für das von ihm gewählte Anlagemodell entschieden hätte - so sei gerade das von der Beklagten durchgeführte Smoothing ein Aspekt gewesen, der ihn zur Antragsunterzeichnung bewegt hätte. Hierüber hat sich das Berufungsgericht hinweggesetzt, ohne den angebotenen Beweis zu erheben oder sich mit diesem Vorbringen auch nur auseinanderzusetzen.
12
2. Des Weiteren hat sich das Berufungsgericht, soweit es eine Verjährung verneint hat, mit den Einwänden der Beklagten gegen die Hemmungswirkung des eingereichten Güteantrags in keiner Weise befasst. Auf dieser Gehörsverletzung beruht das angefochtene Urteil jedenfalls insoweit, als das Berufungsgericht dem Vorbringen der Beklagten zu einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Güteverfahrens nicht nachgegangen ist. Zwar stellt es noch keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Güteverfahrens dar, dass die Prozessbevollmächtigen des Klägers insgesamt 904 gegen die Beklagte gerichtete Güteanträge gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht haben und ist es auch grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 32 f.). Hiervon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen , und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 aaO Rn. 34).
13
Dies hatte die Beklagte hier in ihrem Schriftsatz vom 14. November 2013 (dort Seite 43) unter Beweisantritt vorgetragen und diesen Vortrag unter B.IV. ihrer Berufungserwiderung ausdrücklich wiederholt. Auch dem ist das Berufungsgericht nicht nachgegangen. Dies wird es nachzuholen haben, da nach den Grundsätzen des Senatsurteils IV ZR 405/14 vom 28. Oktober 2015 (VersR 2015, 1545 Rn. 13 ff.) von einer zur Verjährungshemmung ausreichenden Individualisierung des Streitgegenstands durch den Güteantrag in Verbindung mit dem beigefügten Anspruchsschreiben auszugehen ist. Letzteres enthielt die Policennummer und die Versicherungssumme und ließ Art und Umfang des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erkennen. So sind der Umfang der begehrten Freistellung bezüglich der Darlehen und das investierte Eigenkapital unter der Überschrift "Schaden" aufgeführt. Auch die Einbettung des Versicherungsvertrags in ein Anlagemodell und die erfolgte Fremdfinanzierung sind aufgezeigt.
14
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht, sofern es nach der ergänzenden Beweisaufnahme weiterhin von einem Anspruch des Klägers sowie einer durch den Güteantrag eingetretenen Hemmung der Verjährung ausgehen sollte, für die Dauer der Hemmung durch das Güteverfahren auch den Zeitpunkt festzustellen haben wird, in dem die Bekanntgabe des Schreibens der Beklagten vom 23. März 2010 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers durch die Gütestelle veranlasst worden ist (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 Rn. 30 und 37).
Mayen Felsch Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 17.03.2014- 85 O 3975/12 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 27.08.2014- 27 U 1430/14 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR405/14 Verkündet am: 28. Oktober 2015 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR526/14 Verkündet am: 28. Oktober 2015 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja
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Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.08.2016, Az.: 34 O 21775/15, wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist vor
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Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 09.06.2016, Az. 32 O 12071/15, aufgehoben. 2. Die Klage wird abgewiesen. 3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.03.2016, Az. 29 O 12585/15, wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist vorlä
published on 19/07/2017 00:00

Tenor I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 18. August 2016, Az. 29 O 6142/16, wie folgt abgeändert: II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 25.780,76 nebst Z
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.