Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Aug. 2015 - III ZR 170/14

bei uns veröffentlicht am26.08.2015
vorgehend
Landgericht Hannover, 11 O 8/13, 04.12.2013
Oberlandesgericht Celle, 11 U 5/14, 19.05.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 170/14
vom
26. August 2015
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. August 2015 durch die
Richter Wöstmann, Hucke, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

beschlossen:
Die Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters Dr. H. ist unbegründet.

Gründe

I.

1
Der Vorsitzende Richter Dr. H. hat gemäß § 48 ZPO angezeigt, dass der Vorsitzende Richter des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts C. , der bei der mit der Revision angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, der Vater seines Schwiegersohnes ist. Die hierzu angehörten Parteien haben von einer Stellungnahme abgesehen beziehungsweise mitgeteilt, dass der erkennende Senat von Amts wegen entscheiden möge.

II.

2
Die Selbstablehnung ist unbegründet.
3
Aus dem Umstand, dass der Vater des Schwiegersohnes des Rechtsmittelrichters bei der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ergibt sich weder ein Ausschlussgrund gemäß § 41 Nr. 6 ZPO noch ein Grund, der im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO geeignet ist, eine Besorgnis der Befangenheit des Rechtsmittelrichters zu rechtfertigen. Insoweit gilt nichts anderes als in dem Fall, dass der Ehegatte des Rechtsmittelrichters an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat (s. dazu BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f und vom 17. März 2008 - II ZR 313/06, NJW 2008, 1672). Zu der Vorstellung, dass der Rechtsmittelrichter der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüberstehe, kann eine objektiv und vernünftig denkende Partei nicht allein deswegen gelangen, weil dieser mit einem bei dem angefochtenen Urteil mitwirkenden Richter verheiratet, verwandt oder verschwägert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 aaO S. 164). Umstände, aus denen sich hier etwas anderes ergeben könnte, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Wöstmann Hucke Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 04.12.2013 - 11 O 8/13 -
OLG Celle, Entscheidung vom 19.05.2014 - 11 U 5/14 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 42 Ablehnung eines Richters


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 41 Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;2.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 48 Selbstablehnung; Ablehnung von Amts wegen


Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2008 - II ZR 313/06

bei uns veröffentlicht am 17.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 313/06 vom 17. März 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 41 Nr. 6, 42; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2 a) Eine Partei wird nicht in ihrem Rech
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Bundesgerichtshof Beschluss, 9. Feb. 2023 - I ZR 142/22

bei uns veröffentlicht am 20.03.2023

Der Bundesgerichtshof (BGH) äußert sich zur Befangenheit eines Richters bei Vorbefassung der Ehefrau im selben Fall. Zwar sei eine generallisierende Annahme eines Ausschlussgrundes bei Richter:innen die miteinander verheiratet sind nicht g

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Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 313/06
vom
17. März 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine Partei wird nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, wenn das Berufungsgericht in Anwendung des
§ 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine eigene Sachentscheidung trifft,
ohne darüber zu befinden, ob das Landgericht einen Ablehnungsantrag
- unter Mitwirkung der abgelehnten Richter - zu Recht als unzulässig verworfen
hat; vielmehr ist im Zivilprozess in dieser Lage das Berufungsgericht “der
gesetzliche Richter“.

b) Eine Rechtsmittelrichterin ist nicht deshalb entsprechend § 41 Nr. 6 ZPO von
der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, weil ihr Ehegatte an der
angefochtenen Entscheidung des 1. Rechtszugs mitgewirkt hat. Ebenso wenig
ist dieser Umstand allein geeignet, die Ablehnung der Richterin gemäß
§ 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen (vgl. Sen.Beschl. v. 20. Oktober 2003
- II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f.).
BGH, Beschluss vom 17. März 2008 - II ZR 313/06 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. März 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn, Caliebe,
Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Juli 2006 wird zurückgewiesen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Die Klägerin ist durch das angefochtene Urteil auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht deshalb vor, weil das Berufungsgericht in Anwendung des § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine eigene Sachentscheidung getroffen hat, ohne darüber zu befinden, ob das Landgericht die in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Ablehnungsanträge zu Recht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen hat. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der 1. Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers - hierzu zählt auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. § 538 Rdn. 14; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 538 Rdn. 11) - eine Zurückverweisung grundsätzlich nur dann zu, wenn auf Grund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Soweit einzelnen Äußerungen im Schrifttum (vgl. Zöller/Gummer/Heßler aaO § 538 Rdn. 15 für den Fall der fehlerhaften Bescheidung eines Ablehnungsantrags in den Urteilsgründen ) zu entnehmen sein sollte, dass eine fehlerhafte erstinstanzliche Entscheidung über eine Befangenheitsablehnung das Berufungsgericht - entgegen dem klaren Wortlaut und dem Sinn des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO - stets zur Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs verpflichtet, folgt der Senat dem nicht. Denn die in § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, wonach das Berufungsgericht auch in einem derartigen Fall grundsätzlich selbst in der Sache zu entscheiden hat, wird durch die - in den von der Klägerin herangezogenen, das Strafverfahren betreffenden Entscheidungen nicht zutreffende - Erwägung gerechtfertigt, dass den Parteien im Zivilprozess mit dem Berufungsverfahren eine zweite Tatsacheninstanz eröffnet ist. Ein in der ersten Instanz unterlaufener Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 ZPO zwingt allerdings - ungeachtet der weiteren in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen - dann zur Zurückverweisung, wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt keine Grundlage für das Berufungsverfahren darstellen kann. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall und wird von der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht geltend gemacht. Abgesehen davon hat das Landgericht die Ablehnungsanträge ohne Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu Recht als un- zulässig verworfen. Denn die in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellten Ablehnungsanträge sind jedenfalls deshalb als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen, weil sie erneut auf einen Sachverhalt gestützt wurden, über den bereits - rechtskräftig - entschieden worden war, dass er die Befangenheit der abgelehnten Richter nicht begründete. Ebenso wenig ist die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde berechtigt , das Berufungsgericht sei wegen der Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht S. nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Die Richterin war wegen der Beteiligung ihres Ehemanns an der angefochtenen Entscheidung des 1. Rechtszugs weder gemäß § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen noch war dieser Umstand allein geeignet, die Ablehnung der Richterin gemäß § 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen (Sen.Beschl. v. 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f.). Abgesehen davon wäre der letztgenannte Verfahrensfehler auch nach §§ 43, 295 ZPO geheilt; denn die Klägerin hat in Kenntnis dieses - nach ihrer nunmehrigen Auffassung die Befangenheit der Richterin S. begründenden - Sachverhalts Anträge gestellt und hat sich in die weitere Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingelassen (BGHZ 165, 223, 226 f.; Zöller/Vollkommer aaO vor § 41 Rdn. 2; § 43 Rdn. 1; Thomas/ Putzo, ZPO 28. Aufl. § 43 Rdn. 1). Das Berufungsurteil ist auch materiellrechtlich richtig. Insbesondere hat das Berufungsgericht den Abschluss des konkreten mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrags revisionsrechtlich einwandfrei als wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Gegen- standes i.S. von § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB beurteilt, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedurft hätte. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 ZPO). Streitwert: 2.500.000,00 € Goette Strohn Caliebe Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 30.06.2004 - 29 O 12083/94 -
OLG München, Entscheidung vom 12.07.2006 - 15 U 4749/04 -