Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Der Kläger ist neben H. H. , dem früheren Beklagten zu 2, Kommanditist der HH KG. Er hegt aufgrund im Einzelnen vorge- tragener Anhaltspunkte den Verdacht, der Grundbesitz der HH KG sei zu einem Preis weit unterhalb des Verkehrswertes - vermutlich an eine von H. H. kontrollierte Gesellschaft - veräußert worden. Mit der vorliegenden Stufenklage nimmt er die Beklagte zu 1, die Komplementärin der HH KG, im Wege der actio pro socio auf Auskunftserteilung unter Vorlage etwaiger notarieller Kaufverträge und auf Schadensersatz in Anspruch.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und dies hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs damit begründet, dass der Kläger den Gesellschafterbeschluss vom 11. August 2008 nicht angegriffen habe, auf dessen Grundlage der Grundstücksverkauf erfolgt sei. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Beschwerde begehrt er die Zulassung der Revision mit dem Ziel, unter Aufhebung des Berufungsurteils die Verurteilung der Beklagten zu 1 gemäß den bisherigen Klageanträgen zu erreichen.
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- II. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den geltend gemachten Auskunftsanspruch - u.a. wegen der Möglichkeit, Einsicht in die Gesellschaftsunterlagen zu nehmen - verneint hat. Insoweit hat der Rechtsstreit der Parteien weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.
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- III. Erfolg hat die Beschwerde aber, soweit sie den Leistungsantrag betrifft. Sie führt insoweit unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Be- rufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).
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- 1. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er seine vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge gegen die Beklagte zu 1 weiterverfolgt hat, ohne Einschränkung zurückgewiesen. Damit erfasst die Entscheidung des Berufungsgerichts auch den Leistungsantrag und hätte, würde sie in Rechtskraft erwachsen, zur Folge, dass der Kläger den - seiner Ansicht nach bestehenden - Schadensersatzanspruch der HH KG wegen einer unterwertigen Veräußerung ihres Grundbesitzes auch nach einer Bezifferung dieses Anspruchs nicht mehr geltend machen könnte (vgl. zu den Rechtskraftwirkungen eines die Stufenklage insgesamt abweisenden Urteils BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 22/89, NJW-RR 1990, 390; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 322 Rn. 13).
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- 2. In der Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht zur Abweisung des Leistungsantrags - abgesehen von einer allgemeinen Bezugnahme auf das als zutreffend bezeichnete Urteil des Landgerichts - nichts ausgeführt. Das Berufungsgericht ist insbesondere nicht auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung eingegangen, mit dem er geltend gemacht hat, der ohne seine Mitwirkung gefasste Gesellschafterbeschluss vom 11. August 2008 sei wegen eines gravierenden Einladungsmangels nichtig und außerdem ergebe sich aus diesem Gesellschafterbeschluss nicht, dass der Grundbesitz der HH KG tatsächlich zu den dort genannten Konditionen veräußert worden sei.
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- a) Die fehlende Behandlung des Leistungsantrags in den Entscheidungsgründen führt nicht nur dazu, dass die Berufungsentscheidung insoweit nicht mit den erforderlichen Gründen versehen ist (§ 522 Abs. 2 Satz 3, § 547 Nr. 6 ZPO). Aus dem Begründungsmangel ergibt sich zudem, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Der Berufungsentscheidung kann nicht entnommen werden, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers, in dem er sich mit der Begründung des Landgerichts für die Abweisung des Leistungsantrags befasst hat, inhaltlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
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- Zwar ist Art. 103 Abs. 1 GG erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachgekommen ist. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Feststellbar ist ein Gehörsverstoß aber dann, wenn das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen nicht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist (BVerfGE 86, 133, 145). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Entscheidung über den Leistungsantrag hat ausschlaggebende Bedeutung für das vom Kläger verfolgte Klageziel. Das Landgericht hat die Abweisung des Leistungsantrags allein auf die Wirkungen des Gesellschafterbeschlusses vom 11. August 2008 gestützt und auf die gegen diese Begründung gerichteten Angriffe des Klägers ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
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- b) Allerdings deutet der Inhalt der Berufungsentscheidung darauf hin, ohne dies zweifelsfrei erkennen zu lassen, dass das Berufungsgericht - trotz Übernahme des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts - angenommen haben könnte, der Leistungsantrag sei schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Eine solche Annahme könnte durch die etwas unglückliche Fassung der Berufungsanträge veranlasst worden sein. Der Kläger hat nämlich den prozessualen Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils den Sachanträgen nicht übergreifend vorangestellt, sondern in den Auskunftsantrag einbezogen.
- 10
- Gleichwohl war sein Rechtsmittel nicht als eine auf den Auskunftsantrag beschränkte Berufung zu verstehen. Denn wenn der Kläger die Abweisung des Leistungsantrags durch das Landgericht hätte hinnehmen wollen, hätte er keine Veranlassung gehabt, diesen Sachantrag in die Berufungsanträge aufzunehmen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist zudem im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf das Recht auf Gehör im Zweifel das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Mai 1995 - II ZB 2/95, NJW-RR 1995, 1183, 1184; Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 9; Urteil vom 24. Juni 2010 - I ZR 166/08, GRUR 2010, 1026 Rn. 10 - Photodynamische Therapie ; Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 50/13, WM 2015, 251 Rn. 10). Im Streitfall entsprach es offensichtlich nicht der Interessenlage des Klägers, die Abweisung des Leistungsantrags rechtskräftig werden zu lassen und mit der Berufung lediglich den Auskunftsantrag weiterzuverfolgen, dessen Zweck im Rahmen einer Stufenklage gerade darin besteht, die Bezifferung des Leistungsantrags zu ermöglichen.
- 11
- 3. Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es den übergangenen Vortrag des Klägers berücksichtigt und sich mit der Frage befasst hätte, ob der Gesellschafterbeschluss vom 11. August 2008, wie vom Landgericht angenommen, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch entgegensteht.
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- IV. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass dem Kläger nach der rechtskräftigen Abweisung des Auskunftsantrags zunächst Gelegenheit zu geben ist, den Leistungsantrag zu beziffern (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1957 - I ZR 192/56, GRUR 1958, 149, 150 unten). In der Sache wird sich das Berufungsgericht auch mit den Argumenten zu befassen haben, die die Beschwerdebegründung gegen die vom Landgericht angenommene anspruchsausschließende Wirkung des Gesellschafterbeschlusses vom 11. August 2008 vorbringt. Gegebenenfalls werden Feststellungen zu der Frage zu treffen sein, ob für die HH KG das kapitalgesellschaftsrechtliche Beschlussmängelrecht übernommen ist. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass das Kaufangebot, dessen Annahme die Gesellschafterversammlung am 11. August 2008 beschlossen hat, nur einen Teil des Grundvermögens der HH KG erfasste.
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 21.11.2012 - 12 O 4144/11 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 02.05.2013 - 6 U 242/12 -
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Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, ist für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere, maßgebend.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.