vorgehend
Landgericht Münster, 25 O 25/02, 29.01.2008
Oberlandesgericht Hamm, 4 U 55/08, 11.09.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 166/08 Verkündet am:
24. Juni 2010
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Photodynamische Therapie
RL 2001/83/EG Art. 1 Nr. 2 Buchst. b, Art. 2 Abs. 2; RL 93/42/EWG Art. 1
Abs. 2 Buchst. a; AMG § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 7; MPG § 3 Nr. 1 Buchst. a
und Nr. 1 aE
Bei der im jeweiligen Einzelfall zu treffenden Entscheidung, ob ein Erzeugnis
ein (Funktions-)Arzneimittel oder ein Medizinprodukt ist, sind neben seinen unmittelbaren
Wirkungen auch seine Neben- und Folgewirkungen zu berücksichtigen
und führen diese, soweit sie auf immunologischem, metabolischem oder
pharmakologischem Gebiet liegen, zu seiner Einordnung als Arzneimittel.
BGH, Urteil vom 24. Juni 2010 - I ZR 166/08 - OLG Hamm
LG Münster
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juni 2010 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. September 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte zu 1, deren Alleingesellschafter der Beklagte zu 2 ist, stellt das insbesondere in der Krebstherapie eingesetzte Mittel P. her und vertreibt es als Medizinprodukt im Rahmen der photodynamischen Therapie zur Bekämpfung von bestimmten Tumoren. Das Mittel wird dazu zunächst in einer Salzlösung gelöst und sodann intravenös in den Körper des Patienten eingeführt. Durch Ausbreitung im Körper gelangt es auch in das Tumorgewebe. Dort wird es angereichert und überträgt bei der Rückkehr von einem durch Laserlicht bewirkten angeregten Zustand in seinen Grundzustand Energie von dem Laserlicht auf den in den Zellen gelösten Sauerstoff. Der sogenannte Singulettsauerstoff , der aus den infolge der Energieerhöhung veränderten Sauerstoffmolekülen gebildet wird, führt dann zu einer Schädigung der Mitochondrien in den Zellen. Dies bewirkt letztlich deren Absterben, wobei der genaue Ablauf im Einzelnen nicht geklärt ist. Das Mittel der Beklagten verändert sich im Verlauf der Behandlung dagegen nicht und wird deshalb vom Körper unverändert ausgeschieden oder abgebaut.
2
Am 31. Juli 2001 bot der dabei namens der Beklagten zu 1 handelnde Beklagte zu 2 das Mittel P. mit einem Schreiben, das im nachfolgend wiedergegebenen Tenor des landgerichtlichen Urteils abgebildet ist, dem Krankenhausapotheker G. an.
3
Die Klägerin zu 1 vertreibt das von ihr bei der Klägerin zu 2 bezogene und in Deutschland als Arzneimittel zur Behandlung von bestimmten Tumoren zugelassene Mittel Ph. , das mit derselben Therapie arbeitet wie das Mittel P. .

4
Die von den Klägerinnen, die das Mittel der Beklagten für ein nicht zugelassenes Arzneimittel halten, deswegen erhobene Klage auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunftserteilung hat im ersten Rechtszug im vollen Umfang und im Berufungsverfahren, in dem die Klägerinnen das erstinstanzliche Urteil zum Teil nicht verteidigt haben, insoweit Erfolg gehabt, als die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt worden sind, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
a) nicht zugelassene Arzneimittel, insbesondere das Arzneimittel P. , zu Zwecken interner Studien, zu Zwecken von Therapieversuchen und/oder als Chemikalie zum Verkauf vorrätig zu halten, anzubieten, feilzuhalten und/oder
b) in der Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, aa) dem Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel für interne Studien und/oder Therapieversuche stehe nichts im Wege und/oder arzneimittelrechtlich nichts im Wege, und/oder bb) dem Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel als Chemikalie stehe nichts im Wege und/oder arzneimittelrechtlich nichts im Wege; und/oder cc) zum anderen gebe es für Apotheken die Möglichkeit, das Präparat P. als Chemikalie zu beziehen und an die Kliniker weiterzugeben ; insbesondere, wenn dies in folgender Form geschieht:
5
Die Beklagten sind weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt worden, den Klägerinnen sämtlichen aus den vorbezeichneten Handlungen entstandenen und/oder künftig entstehenden Schaden zu ersetzen sowie nach Kalendervierteljahren und Adressaten aufgeschlüsselte Auskunft über diese Handlungen zu erteilen.
6
Die Beklagten haben gegen das Berufungsurteil ein als Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Nach ihnen - nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision - erteiltem Hinweis, dass das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, haben sie geltend gemacht, dass das von ihnen eingelegte Rechtsmittel als Revision anzusehen sei, und diese innerhalb der verlängerten Frist begründet. Die Klägerinnen beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen, das sie im Übrigen auch schon für unzulässig halten.

Entscheidungsgründe:


7
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist das Mittel P. ein Arzneimittel , das ohne entsprechende Zulassung nicht verkehrsfähig ist und dessen Vertrieb und Bewerbung durch die Beklagten daher rechts- und wettbewerbswidrig ist. Das Mittel habe bei seiner Verwendung im Rahmen der photodynamischen Therapie eine pharmakologische Wirkung, weil es im Rahmen einer vom gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. so bezeichneten untrennbaren Wirkkaskade dazu bestimmt sei, im menschlichen Körper zur Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden. Es weise aber auch eine Dosis-Wirkungsbeziehung auf, die nach der eu- ropäischen Leitlinie zur Einstufung und Abgrenzung von Arzneimitteln und Medizinprodukten stark dafür spreche, dass es sich um ein Arzneimittel handele. Selbst wenn im Hinblick auf seine nur mittelbare pharmakologische Wirkung noch Zweifel an der Einordnung des Mittels verblieben, wäre P. zumindest nach der Zweifelsfallregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel als Arzneimittel anzusehen. Das Vertrauen, das durch die nach Abmahnung und Klageerhebung am 6. Februar 2002 im Haus des Landesamtes für Gesundheit und Arbeitssicherung Schleswig-Holstein (LAGA; im Folgenden: Landesamt) durchgeführte Besprechung bei den Beklagten möglicherweise entstanden sei, sei jedenfalls nach Kenntnis der Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM; im Folgenden: Bundesinstitut) vom 28. April 2003 nicht mehr gegeben gewesen.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist zwar zulässig, aber unbegründet.
9
1. Der von den Beklagten innerhalb der Frist zur Einlegung der Revision eingereichte, als Nichtzulassungsbeschwerdeschrift bezeichnete Schriftsatz vom 29. Oktober 2008 ist bei einer die beteiligten Interessen angemessen berücksichtigenden Auslegung als Revisionsschrift zu verstehen, die auch die insoweit bestehenden weiteren formellen Erfordernisse erfüllt.
10
a) Prozesshandlungen sind zwar keine rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen , aber grundsätzlich entsprechend den für diese geltenden Regeln auslegungsfähig. Die Auslegung darf daher auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern muss den wirklichen Willen der Parteien erforschen. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf das Recht auf Gehör ist im Zweifel als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Tz. 9; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn. 248, jeweils m.w.N.). Das Verständnis der abgegebenen Erklärung wird dabei allerdings nur insoweit durch die tatsächlichen Interessen der erklärenden Partei bestimmt, als sich diese aus den äußerlich in Erscheinung tretenden Umständen ersehen lassen. Maßgebend ist daher unter Berücksichtigung der durch die gewollte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdruck gebrachte Wille des Erklärenden (BGH NJW-RR 2010, 275 Tz. 9 m.w.N.). Dabei sind alle Nebenumstände mit zu würdigen, die den Empfängern - im zweiseitigen Verfahren also sowohl dem Gericht als auch dem Prozessgegner - bekannt waren oder sein mussten. Bei fristgebundenen Prozesserklärungen, wie sie insbesondere bei der Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln abzugeben sind, können allerdings nur diejenigen Umstände berücksichtigt werden, die für die Empfänger innerhalb der Frist erkennbar waren (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2006 - XI ZB 14/06, NJW-RR 2007, 413 Tz. 8; Beschl. v. 12.1.2010 - VIII ZB 64/09, juris Tz. 5; Stein/Jonas/Leipold aaO vor § 128 Rdn. 247, jeweils m.w.N.).
11
b) Nach diesen Grundsätzen ist bei der Auslegung des Schriftsatzes vom 29. Oktober 2008, mit dem die Beklagten innerhalb der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt haben , das dem Revisionsgericht zusammen mit diesem Schriftsatz vorgelegte und den Klägerinnen bereits zuvor durch das Berufungsgericht zugestellte Berufungsurteil mit zu berücksichtigen. Der Umstand, dass die Beklagten den mit dem Schriftsatz vom 29. Oktober 2008 eingelegten Rechtsbehelf als "Nichtzulassungsbeschwerde" bezeichnet haben, ließ sich danach nur damit erklären, dass ihre Prozessbevollmächtigten die - allerdings bereits im Tenor des Berufungsurteils ausgesprochene und in den Gründen der Entscheidung auch begründete - Zulassung der Revision entweder gänzlich übersehen oder - was näher liegt - beim Abfassen des Schriftsatzes aus dem Blick verloren hatten. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ließ zudem hinreichend deutlich erkennen, dass die Beklagten die Entscheidung des Berufungsgerichts zum einen nicht hinnehmen wollten und zum anderen als aus rechtlichen Gründen mit der Nichtzulassungsbeschwerde - und damit auch und erst recht mit der Revision - anfechtbar ansahen.
12
2. Die danach zulässige Revision der Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene und für die weitere Beurteilung der Sache entscheidende Einordnung des Mittels P. als (Funktions-)Arzneimittel schon deshalb richtig ist, weil das Bundesinstitut dieses Mittel in seinem Schreiben vom 28. April 2003 entsprechend eingeordnet hat. Sie erweist sich jedenfalls deshalb als rechtsfehlerfrei , weil das Berufungsgericht mit Recht nicht die bei der Anwendung des Mittels der Beklagten allerdings auf physikalischem Gebiet liegende primäre Wirkung , sondern die dadurch ausgelöste, auf pharmakologischem Gebiet liegende weitere Wirkung des Mittels als dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung angesehen hat (dazu unten unter II 2 a). Damit sind sowohl die mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsansprüche (dazu unten unter II 2 b und c) als auch die Folgeansprüche auf Schadensersatz und Auskunftserteilung begründet (dazu unten unter II 2 d).
13
a) Das Berufungsgericht hat die Frage, ob das Präparat der Beklagten ein mangels Zulassung verkehrsunfähiges (Funktions-)Arzneimittel ist, mit Recht bejaht.

14
aa) Stoffe sowie Stoffzubereitungen sind dann Funktionsarzneimittel, wenn sie im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder aber eine medizinische Diagnose zu erstellen (vgl. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel; § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG). Medizinprodukte und damit keine Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke der Erkennung , Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird (Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte; § 3 Nr. 1 Buchst. a MPG; § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG). Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen sind daher Medizinprodukte, wenn ihre bestimmungsgemäße Hauptwirkung nicht auf pharmakologischem, sondern auf physikalischem Gebiet liegt. Dies gilt auch dann, wenn ihre Wirkungsweise durch pharmakologisch oder immunologisch oder metabolisch wirkende Mittel unterstützt wird (§ 3 Nr. 1 a.E. MPG).
15
bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht nicht die bei der Anwendung des Mittels der Beklagten auf physikalischem Gebiet liegende primäre Wirkung, sondern die dadurch ausgelöste, auf pharmakologischem Gebiet liegende weitere Wirkung des Mittels als dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung angesehen.
16
(1) Dafür, dass es sich bei der nach dieser Bestimmung für die Abgrenzung zwischen Medizinprodukten und Arzneimitteln maßgeblichen Wirkungsweise nicht allein um die unmittelbare Wirkung des Mittels entweder auf pharmakologischem , immunologischem oder metabolischem Gebiet oder aber auf anderen Gebieten handeln kann, spricht zunächst einmal, dass nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/42/EWG und § 3 Nr. 1 a.E. MPG, mit dem diese Richtlinienbestimmung in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, ein Medizinprodukt auch dann vorliegt, wenn die bestimmungsgemäße Hauptwirkung mit Unterstützung von Mitteln erreicht wird, die pharmakologisch und/oder immunologisch und/oder metabolisch wirken und als solche daher keine Medizinprodukte sind. Denn diese Regelung setzt voraus, dass die bestimmungsgemäße Hauptwirkung nicht notwendigerweise allein und/oder unmittelbar durch das Medizinprodukt erreicht werden muss.
17
(2) Die so genannte MEDDEV-Borderline-Leitlinie, die eine europäische Expertengruppe aus Behörden- und Industrievertretern unter Federführung der Kommission der Europäischen Union zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Medizinprodukten entwickelt hat und die deshalb auch zur Konkretisierung des Begriffs der pharmakologischen Wirkung mit heranzuziehen ist, versteht hierunter eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem zellulären Bestandteil (Rezeptor), die entweder in einer direkten Reaktion (Antwort) resultiert oder die Reaktion (Antwort) eines anderen Agens blockiert. Die Leitlinie setzt daher keine unmittelbare Wechselwirkung mit "zellulären Bestandteilen des Anwenders" voraus, sondern lässt jegliche Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und "einem zellulären Bestandteil" genügen (vgl. Dettling/Koppe-Zagouras, PharmR 2010, 152, 158).
18
(3) Dass eine Sichtweise, die allein die unmittelbare Wirkung des Erzeugnisses berücksichtigt, zu kurz greift, wird zudem durch die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung bestätigt. Danach gilt diese Richtlinie in Zweifelsfällen , in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist. Diese Regelung führt zwar nicht dazu, dass die Anforderungen für eine Einordnung des Produkts als Arzneimittel abgesenkt werden. Die Vorrangregelung für das Arzneimittelrecht kommt vielmehr nur dann zur Anwendung, wenn die Arzneimitteleigenschaft des Produkts festgestellt ist; denn andernfalls würden die strengeren Vorschriften des Arzneimittelregimes auf Sachverhalte erstreckt und der freie Warenverkehr damit behindert, ohne dass hierfür eine ausreichende Rechtfertigung aus Gründen des Gesundheitsschutzes vorliegen würde (vgl. EuGH, Urt. v. 15.1.2009 - C-140/07, Slg. 2009, I-41 = GRUR 2009, 511 Tz. 23 ff. - Hecht-Pharma/Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg; Urt. v. 5.3.2009 - C-88/07, Slg. 2009, I-1353 = ZLR 2009, 321 Tz. 79 - Kommission/Königreich Spanien). Die Regelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG stellt aber klar, dass bei der im jeweiligen Einzelfall zu treffenden Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, alle seine Eigenschaften zu berücksichtigen sind. Aus diesem Grund sind in Grenzfällen insbesondere auch seine Neben- und Folgewirkungen in Rechnung zu stellen und führen diese, soweit sie auf immunologischem oder metabolischem oder - wie hier - pharmakologischem Gebiet liegen, zu seiner Einordnung als Funktionsarzneimittel (vgl. Gröning, Heilmittelwerberecht, 2. Ergänzungslieferung Oktober 2005, RL 2001/83/EG Art. 2 Rdn. 6).
19
b) Da es sich bei dem Mittel der Beklagten P. danach um ein Arzneimittel handelt, war allein das Bundesinstitut für Entscheidungen und Auskünfte hinsichtlich seiner Zulassungspflicht zuständig (BGH, Urt. v. 2.10.2002 - I ZR 177/00, GRUR 2003, 162 f. = WRP 2003, 72 - Progona). Die Beklagten handelten deshalb auch insoweit wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 i.V. mit § 21 Abs. 1 AMG, als sie auf die Richtigkeit der ihnen vom Landesamt erteilten günstigen Auskünfte vertrauten (vgl. BGHZ 163, 265, 270 - Atemtest; BGH, Urt. v. 20.10.2005 - I ZR 10/03, GRUR 2006, 82 Tz. 21 = WRP 2006, 79 - Betonstahl; Köhler in Köhler/ Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rdn. 11.18 und 11.54; MünchKomm.UWG/ Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 39). Dasselbe gilt, soweit die M. GmbH als Benannte Stelle i.S. von § 3 Nr. 20 AMG am 5. Juli 2002 bescheinigt hat, dass das Produkt P. die Anforderungen des Anhangs III und mit bestimmten Herstell-LosNummern auch die Anforderungen des Anhangs IV der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte erfüllte (a.A. Deutsch in Deutsch/Lippert/Ratzel, MPG, § 3 Rdn. 13).
20
c) Der danach gemäß § 1 UWG a.F., § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG 2004 begründete Unterlassungsanspruch ist auch nicht durch die UWG-Novelle 2008 in Fortfall gekommen, mit der die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche Recht umgesetzt worden ist. Diese Richtlinie hat nach ihrem Art. 3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt gelassen (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2009 - I ZR 141/06, GRUR 2009, 881 Tz. 16 = WRP 2009, 1089 - Überregionaler Krankentransport; BGHZ 180, 355 Tz. 34 - Festbetragsfestsetzung).
21
d) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung der Folgeansprüche der Klägerinnen auf Schadensersatz und Auskunftserteilung wird als solche von der Revision nicht angegriffen und lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Da das Landesamt für die abschließende Beurteilung der Frage, ob das Mittel der Beklagten ein Arzneimittel ist oder nicht, nicht zuständig war, durften diese auf die Richtigkeit der ihnen vom Landesamt insoweit erteilten Auskünfte nicht vertrauen und handelten daher fahrlässig, soweit sie ihr Mittel im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Auskünfte in den Verkehr brachten (vgl. BGHZ 163, 265, 271 - Atemtest).
22
III. Nach allem ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bergmann Pokrant Büscher
Schaffert Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 29.01.2008 - 25 O 25/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 11.09.2008 - I-4 U 55/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 8 Beseitigung und Unterlassung


(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwider

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen


(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 4 Mitbewerberschutz


Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. (2) Vorschri

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 2 Arzneimittelbegriff


(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, 1. die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenscha

Gesetz über Medizinprodukte


Medizinproduktegesetz - MPG

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 21 Zulassungspflicht


(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehm

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 3 Stoffbegriff


Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind 1. chemische Elemente und chemische Verbindungen sowie deren natürlich vorkommende Gemische und Lösungen,2. Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem oder unbearbeite

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(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder
2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder
a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.

(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes,
2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist,
3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist,
4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,
5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist,
6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b,
8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.

(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.

(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 15/09
vom
10. November 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, enthält nicht zugleich einen
Antrag auf Verlängerung einer laufenden Berufungsbegründungsfrist.

b) Ist die Berufung unzulässig, weil die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt ist,
so darf im Berufungsverfahren ein Anerkenntnisurteil jedenfalls dann nicht ergehen
, wenn das Anerkenntnis nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
erklärt worden ist.
BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Wiechers und die Richter Dr. Joeres, Dr. Ellenberger, Maihold und Dr. Matthias
am 10. November 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. März 2009 wird als unzulässig verworfen. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 20.135,96 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um die von den Klägern begehrte Rückabwicklung eines zur Finanzierung einer Fondsbeteiligung gewährten Darlehens.
2
Gegen das Urteil des Landgerichts, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, haben die Kläger, denen dieses Urteil am 29. August 2007 zugestellt worden ist, am 26. September 2007 Berufung eingelegt. Auf Antrag der Kläger und mit Zustimmung der Beklagten hat das Berufungsgericht am 10. Oktober 2007 nach § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens angeordnet. In dem Beschluss ist ausdrücklich auf "§ 251 Satz 2 ZPO" hingewiesen worden.
3
Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 haben die Kläger die Berufung begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 Teilanerkenntnis erklärt und im Übrigen die Zurückweisung der Berufung beantragt. In Höhe des nicht anerkannten Teils haben die Kläger unter dem 27. Januar 2009 die Klage zurückgenommen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Februar 2009 das Teilanerkenntnis widerrufen, die Ansicht vertreten, das Anerkenntnis sei wirkungslos, und die Verwerfung der Berufung beantragt.
4
Nach entsprechendem Hinweis hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 12. März 2009 die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei von den Klägern nicht innerhalb der bis zum 29. Oktober 2007 laufenden Frist begründet worden. Nach § 251 Satz 2, § 233 ZPO habe die Anordnung des Ruhens des Verfahrens den Lauf der Begründungsfrist nicht beeinflusst. Entgegen der Auffassung der Kläger enthalte deren Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens vom 9. Oktober 2007 keinen stillschweigenden Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Dafür liefere der Wortlaut des Antrags keinen Anhalt. Zudem sei nicht erkennbar, dass der wirkliche Wille der Kläger damals dahin gegangen sei, auch eine Verlängerung der Begründungsfrist zu beantragen. Die Unzulässigkeit der Berufung schließe den Erlass eines Anerkenntnisurteils aus. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zwingend die Prüfung der Rechtsmittelvoraussetzungen vorauszugehen habe.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) noch zur Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erforderlich.
6
1. Der Beschluss des Berufungsgerichts geht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Frist zur Begründung der Berufung nicht eingehalten und deswegen die Berufung der Beklagten unzulässig ist. Das Berufungsgericht hat dabei entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht weder die für die Auslegung von Prozesserklärungen geltenden Regeln missachtet, noch das Recht der Kläger auf effektiven Rechtsschutz oder auf rechtliches Gehör (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281) verletzt.
7
a) Die Berufung der Kläger ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der in § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmten Frist begründet worden ist. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens hat den Lauf dieser Frist nach § 251 Satz 2, § 233 ZPO nicht beeinflusst.
8
b) Der Verwerfung der Berufung steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht nicht über eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entschieden hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Februar 1988 - IVb ZB 19/88, NJWRR 1988, 581 und vom 5. April 2001 - VII ZB 37/00, NJW-RR 2001, 931). Das Berufungsgericht ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger keinen solchen Antrag gestellt haben. Insbesondere ist deren Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung auszulegen.
9
aa) Bei Auslegung einer Prozesserklärung darf eine Partei nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden, sondern es ist davon auszugehen, dass sie mit ihrer Prozesshandlung das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1999 - XII ZR 94/98, NJW-RR 2000, 1446, vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 210/99, WM 2000, 1512, 1514 und vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07, NJW 2009, 751, Tz. 11; Beschlüsse vom 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388, vom 2. Juli 2004 - V ZR 290/03, NJW-RR 2005, 371, 372 und vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08, MDR 2009, 760). Dabei bestimmen allerdings, was die Rechtsbeschwerde übersieht, nicht allein die tatsächlichen Interessen der erklärenden Partei das Verständnis der abgegebenen Erklärung. Vielmehr müssen sich diese aus den im Zeitpunkt der Erklärung äußerlich in Erscheinung tretenden Umständen ersehen lassen. Maßgebend ist unter Beachtung der durch die gewählte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdruck kommende Wille des Erklärenden (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05, NJW-RR 2006, 862, Tz. 13, vom 30. Mai 2007 - XII ZB 82/06, NJW 2007, 3640, Tz. 26 und vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08, MDR 2009, 760).
10
bb) Nach diesen Grundsätzen eröffnet, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits der Wortlaut des Antrags der Kläger keinen Raum für eine Auslegung als doppelte Prozesserklärung, die sowohl auf die Anordnung des Ruhens des Verfahrens als auch auf die Verlängerung der Be- rufungsbegründungsfrist gerichtet ist. Weder der Antrag noch die Mitteilung der Zustimmung der Klägerseite weisen irgendeinen Bezug auf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf.
11
Zudem war auch aus den sonstigen Umständen weder für das Berufungsgericht noch für die Beklagte erkennbar, dass die Kläger mit ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2007 nicht nur das Ruhen des Verfahrens, sondern zudem eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begehrten. Zu diesem Zeitpunkt konnte nämlich die am 29. Oktober 2007 ablaufende Frist für die Berufungsbegründung , worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist, ohne Schwierigkeiten noch eingehalten werden. Es mag zwar damals ein Interesse der Kläger bestanden haben, aus Kostengründen zunächst von einer Begründung der Berufung abzusehen. Dies hat jedoch weder in dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 9. Oktober 2007 noch in sonstigen Äußerungen einen Niederschlag gefunden.
12
cc) Das Berufungsgericht befindet sich damit - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung ebenfalls zutreffend hinweist - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so dass auch aus diesem Grund die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens für sich genommen nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist für eine Berufung aufgefasst (vgl. Beschluss vom 28. September 2000 - V ZB 35/00, NJW-RR 2001, 572; zustimmend MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 251 Rn. 16; Musielak/ Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 251 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 251 Rn. 9). Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht, das bei seiner Würdigung auch die Umstände des vorliegenden Falles bedacht hat, seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
13
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts , trotz eines Teilanerkenntnisses durch die Beklagte die Berufung der Kläger insgesamt als unzulässig zu verwerfen, eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft.
14
Das Berufungsgericht ist vielmehr der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefolgt, nach der im Rechtsmittelverfahren ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen darf, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 51/93, WM 1994, 608, 609). Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage ist jedenfalls für den hier entscheidungserheblichen Fall eines Anerkenntnisses nach Eintritt der Unzulässigkeit des Rechtsmittels geklärt.
15
Mit einem Anerkenntnis kann der Beklagte zwar über den sachlichrechtlichen Anspruch disponieren, so dass es dem Gericht verwehrt ist, den ihm ursprünglich vorgelegten Streitstoff zu überprüfen (vgl. BGHZ 10, 333, 335; BGH, Urteil vom 20. März 2001 - VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414). Die Parteien können jedoch grundsätzlich nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, so dass diese auch im Falle eines Anerkenntnisses vom Gericht zu prüfen sind (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 1993 - IX ZR 51/93, WM 1994, 608, 609 und vom 30. März 2001 - VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414). Die Literatur teilt ganz überwiegend diesen Standpunkt der Rechtsprechung (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 307 Rn. 48; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 307 Rn. 4; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 307 Rn. 10; Wieczorek/Schütze/Rensen, ZPO, 3. Aufl., § 307 Rn. 19; aA Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 131 Rn. 55).
16
Das Reichsgericht äußert sich - anders als die Rechtsbeschwerde meint - in einer älteren Entscheidung (RGZ 165, 85 ff.), die ein Verzichtsurteil betrifft, nicht zu dessen Erlass trotz Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Vielmehr war in dem vom Reichsgericht zu beurteilenden Sachverhalt die Berufung bei Erklärung eines teilweisen Verzichts zulässig, so dass sich das Reichsgericht (RGZ 165, 85, 86 ff.) mit der - für die vorliegende Rechtsbeschwerde bedeutungslosen - Frage zu befassen hatte, ob die Berufung nachträglich unzulässig wird, wenn der nach Erklärung eines Teilverzichts verbleibende Streitwert die Berufungssumme nicht mehr erreicht.
17
Das Teilanerkenntnis der Beklagten enthob damit das Berufungsgericht nicht der Notwendigkeit, alle prozessualen Urteilsvoraussetzungen zu prüfen. Die im Zeitpunkt der Erklärung des Anerkenntnisses bereits beistehende Unzulässigkeit der Berufung stand dem Erlass eines Anerkenntnisurteils entgegen.
18
3. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist ist zum einen im Berufungsverfahren nicht beantragt worden und kommt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nach § 233 ZPO zudem sachlich nicht in Betracht, da die Versäumung der Begründungsfrist auf einem schuldhaften Versehen der Prozessbevollmächtigten der Kläger beruht (§ 85 Abs. 2 ZPO). Diese haben ersichtlich die Regelung des § 251 Satz 2 ZPO übersehen, obwohl das Berufungsgericht darauf in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2007 ausdrücklich hingewiesen hat.
Wiechers Joeres Ellenberger Maihold Matthias
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 21.08.2007 - 9 O 429/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 12.03.2009 - 17 U 169/07 (08) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 14/06
vom
10. Oktober 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Auslegung der Berufungsschrift bei falscher Bezeichnung des Berufungsklägers.
BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06 - OLG München
LG München I
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger,
Prof. Dr. Schmitt und Dr. Grüneberg
am 10. Oktober 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerden des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) und der Beklagten wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten und über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 228.353,03 €

Gründe:


I.


1
Landgericht Das hat mit Urteil vom 12. Oktober 2005, zugestellt am 25. November 2005, der Zahlungsklage der Klägerin gegen die beklagte Aktiengesellschaft, deren Vorstand der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) ist, in vollem Umfang von 228.353,03 € zuzüglich Zinsen stattgegeben. Am 20. Dezember 2005 ist eine Berufungsschrift des seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten beim Berufungsgericht eingegangen ; eine Ablichtung des vollständigen Urteils des Landgerichts soll beigefügt gewesen sein. Der Text der Berufungsschrift lautet auszugsweise : "In Sachen U. E. , …, KlägerundBerufungskläger,…, gegen M. eG, …, BeklagteundBe rufungsbeklagte, …, wegen Forderung, Aktenzeichen erstinstanzlich Landgericht München I, Geschäftszeichen: 29 O 1037/05 Beschwerdewert: 228.353,03€ lege ich hiermit namens des Klägers und Berufungsklägers gegen das am 12.10.2005 verkündete und am 25.11.2005 zugestellte Endurteil des Landgerichts München I, Az.: 29 O 1037/05 Berufung ein."
2
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2005 beantragte der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte der Beklagten "in Sachen E. U. gegen M. eG" die Verlängerung der Berufungsbegründungfrist. Am 18. Januar 2006 bat er um Berichtigung des Rubrums dahin, dass bei der Beklagtenpartei die Parteibezeichnung "D. AG, vertreten durch den Vorstand U. E. " laute. Zugleich legte er für diese vorsorglich nochmals Berufung ein, verbunden mit dem Antrag, gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
3
Beschluss Mit vom 21. März 2006 hat das Berufungsgericht die Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) als unzulässig verworfen sowie den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Die Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) könne nicht als Berufung der Beklagten ausgelegt werden. Zwar sei zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass der Berufungsschrift eine Abschrift des angefochtenen Urteils beigelegen habe. Im Hinblick auf eine beim Berufungsgericht am 3. November 2005 eingelegte Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1), mit der er sich in einem Parallelverfahren gegen die Abweisung seiner gegen die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits gerichteten Vollstreckungsgegenklage durch ein Urteil des Landgerichts T. vom 6. Oktober 2005 wendete , verblieben aber Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers, weil eine irrtümliche Wiederholung der Berufungseinlegung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) gegen dieses Urteil nicht ausgeschlossen werden könne. Aufgrund dessen seien die Berufung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1) mangels Beschwer und die Berufung der Beklagten infolge Fristversäumung unzulässig. Gegen diesen Beschluss wenden sich die beiden Rechtsbeschwerdeführer.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
5
1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Klägers ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227).
6
Indem das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unter 2.) davon ausgegangen ist, dass nicht die im Verfahren vor dem Landgericht unterlegene Beklagte, sondern der durch das Urteil erster Instanz nicht beschwerte und bis dahin an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Rechtsbeschwerdeführer zu 1) Berufungskläger sei, hat es der Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
8
Zutreffend a) geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge An- forderungen zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO (früher: § 518 Abs. 2 ZPO a.F.) nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (Senat, Beschluss vom 22. November 2005 - XI ZB 43/04, NJW-RR 2006, 284 m.w.Nachw.). Da mit der Berufung ein neuer Verfahrensabschnitt vor einem anderen Gericht eröffnet wird, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrenablaufs die Parteien des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Berufungsfrist für das Berufungsgericht und den Gegner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 74/99, BGHReport 2002, 655 m.w.Nachw.). Dabei ist die erforderliche Klarheit über den Rechtsmittelführer nicht allein aus dessen ausdrücklicher Bezeichnung zu erzielen. Sie kann vielmehr - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (Senat, Beschluss vom 22. November 2005, aaO).
9
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die fristgerecht eingegangene Berufung nicht von der Beklagten eingelegt worden ist.
10
Berufungsgericht Das hat rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass der am 20. Dezember 2005 eingegangenen Berufungsschrift eine Ab- schrift des angefochtenen Urteils beigefügt war. Dann bestand aber kein Anlass zu Zweifeln, dass die Beklagte Berufungsklägerin sein sollte. Dem steht nicht entgegen, dass als solche in der Berufungsschrift der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) bezeichnet war und zusätzlich die Parteirollen in erster Instanz vertauscht waren. Unter Berücksichtigung dessen , dass die Berufungsschrift das erstinstanzliche Urteil mit den zutreffenden Angaben des Aktenzeichens, des Verkündungsdatums und des Beschwerdewertes sowie mit derselben Kurzbezeichnung "wegen Forderung" anführte und im beigefügten Urteil des Landgerichts die D. AG als einzige und voll verurteilte Beklagte ausgewiesen war, während der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) - bis auf seine Stellung als Vorstand der Beklagten - an dem Rechtsstreit nicht beteiligt war, konnten für das Berufungsgericht und die Klägerin aus damaliger Sicht keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) bei der Berufungseinlegung versehentlich anstelle der Beklagten als Berufungskläger benannt worden war. Dass auch der innerhalb der Berufungsfrist eingegangene Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 22. Dezember 2005 die falsche Rubrumsbezeichnung enthielt, ist unschädlich , weil es sich hierbei - wie sich auch an der Beifügung der Berufungsschrift zeigt - um einen offensichtlichen Folgefehler handelt.
11
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergeben sich auch keine vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers daraus, dass vor demselben Senat ein Rechtsmittelverfahren zwischen dem Rechtsbeschwerdeführer zu 1) als Kläger und Berufungskläger und der Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits als Beklagter und Berufungsbeklagter anhängig war. Bis auf die - allerdings einen gewichtigen, aber eben nicht ausschlaggebenden Umstand darstellende - Parteibezeichnung wies die Berufungsschrift keinen Bezug zu diesem Verfahren auf; die dortige Berufung richtete sich gegen das Urteil eines anderen Landgerichts mit einem anderen Aktenzeichen, einem anderen Beschwerdewert und einer anderen Kurzbezeichnung des Streitgegenstands ("wegen Vollstreckungsgegenklage" statt "wegen Forderung"). Zudem waren die Berufung bereits am 3. November 2005 eingelegt worden und anhand der Aktenlage - eigene Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen - keine Gründe ersichtlich, weshalb der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) seine Berufung ca. 6 Wochen später, d.h. deutlich nach Ablauf der Berufungsfrist, wiederholen sollte.
12
c) Deshalb musste die Auslegung der am 20. Dezember 2005 fristgerecht eingegangenen Berufungsschrift zum Ergebnis führen, dass die Beklagte als Berufungsklägerin anzusehen war. Das Berufungsgericht durfte die mit Schriftsatz vom 18. Januar 2006 vorsorglich eingelegte nochmalige Berufung deshalb nicht als unzulässig verwerfen, sondern musste sie als gegenstandslos ansehen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2000 - VI ZB 12/00, NJW-RR 2000, 1661, 1662). Daraus folgt zugleich, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) keine Berufung eingelegt hat, so dass eine solche auch nicht auf seine Kosten als unzulässig verworfen werden durfte.
Nobbe Müller Ellenberger
Schmitt Grüneberg
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 12.10.2005 - 29 O 1037/05 -
OLG München, Entscheidung vom 21.03.2006 - 19 U 5776/05 + 19 U 2459/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 64/09
vom
12. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger
und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 13. August 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.385 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Kläger begehren von dem Beklagten nach Beendigung des Mietvertrages die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Mietkaution. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger Berufung eingelegt. Die mit dem Briefkopf der Rechtsanwaltssozietät des Klägervertreters versehene Berufungsschrift, der eine Ablichtung des erstinstanzlichen Urteils anlag, hat folgenden Wortlaut: "Geschäftszeichen: 9 C 669/08 In Sachen S. R. und Herrn K. Bevollmächtigte RAe: K. und Kollegen gegen J. P. Bevollmächtigte RAe: B. & H.
legen wir hiermit gegen das Urteil vom 10.02.2009 Berufung ein. Eine Ablichtung des erstinstanzlichen Urteils haben wir in der Anlage mit beigefügt."
2
Das Landgericht hat die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen, weil die Berufungsschrift nicht erkennen lasse, für wen - für die Klägerin zu 1, den Kläger zu 2 oder beide - das Rechtsmittel eingelegt werde. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Gesetzes statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der angefochtene Beschluss verletzt das Verfahrensgrundrecht der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu BVerfGE 77, 275, 284; 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2005, 814, 815; BVerfG, NJW 2003, 281; BVerfG NJW 1991, 3140; Senatsbeschluss vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775, unter II 1; BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, unter II 1 bb; BGH, Beschluss vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02, NJW 2003, 437, unter II 3 b). Indem das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unter 2) davon ausgegangen ist, dass die Berufungsschrift auch durch Auslegung nicht erkennen lasse, für wen das Rechtsmittel eingelegt werde, hat es den Klägern den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt verwehrt.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
5
a) Das Berufungsgericht ist allerdings in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend davon ausgegangen, dass zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gemäß § 519 Abs. 2 ZPO auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Aus der Berufungsschrift muss entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll. Dabei sind vor allem an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen; bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklä- gers ausgeschlossen sein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre; sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden. Dabei sind, wie auch sonst bei der Ausdeutung von Prozesserklärungen , alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die zur Kennzeichnung der Rechtsmittelparteien nötigen Angaben richten sich nach dem prozessualen Zweck dieses Erfordernisses, also danach, dass im Falle einer Berufung, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, zur Erzielung eines auch weiterhin geordneten Verfahrensablaufs aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteien des Rechtsmittelverfahrens, insbesondere die Person des Rechtsmittelführers, zweifelsfrei erkennbar sein müssen (Senatsbeschlüsse vom 9. April 2008 - VIII ZB 58/06, NJW-RR 2008, 1161, Tz. 5, und vom 6. Dezember 2005 - VIII ZB 30/05, juris, Tz. 4; BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 14/06, NJW-RR 2007, 413, Tz. 8; BGH, Beschluss vom 13. März 2007 - XI ZB 13/06, FamRZ 2007, 903, Tz. 7; jeweils m.w.N.).
6
b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, es sei innerhalb der Berufungsfrist nicht erkennbar gewesen , für wen mit dem Schriftsatz vom 19. März 2009 Berufung eingelegt worden sei.
7
aa) Die Auslegung von Prozesshandlungen und damit auch der Berufungsschrift unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der freien revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senatsbeschluss vom 24. Juni 1992 - VIII ZR 203/91, NJW 1992, 2413, unter I 2 a; BGH, Beschluss vom 20. Januar 2004 - VI ZB 68/03, NJW-RR 2004, 862, unter II 3 a; jeweils m.w.N.). Sie orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige ge- wollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht. Lediglich theoretisch mögliche Zweifel, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht festgestellt sind, können bei der Auslegung der Berufungsschrift nicht ausschlaggebend sein (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2004, aaO).
8
bb) In der hier zu beurteilenden Berufungsschrift werden zwar die Parteirollen nicht genannt. Der Berufungsschrift war jedoch eine Abschrift der angefochtenen Entscheidung beigefügt. Diesem vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Umstand kommt entscheidende Bedeutung zu. Denn die in der Sollvorschrift des § 519 Abs. 3 ZPO vorgesehene Vorlage einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils ist zwar nicht der einzige Umstand , aufgrund dessen sich eine fehlende Angabe in der Berufungsschrift als unschädlich erweisen kann; sie stellt indessen ein geeignetes Mittel und letztlich den sichersten Weg dar, um Zweifelsfälle zu vermeiden (vgl. BGHZ 165, 371, 373; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - IV ZB 20/06, NJW-RR 2007, 935, Tz. 8). Im vorliegenden Fall lässt sich durch einen Abgleich der Berufungsschrift mit der beigefügten Abschrift des erstinstanzlichen Urteils jeder vernünftige Zweifel hinsichtlich der Frage, ob für beide oder nur für einen Kläger Berufung eingelegt werden soll, ausräumen.
9
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht kein Zweifel, dass mit der Berufungsschrift das Rechtsmittel für beide Kläger eingelegt worden ist. Im Eingang des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts wird als Prozessbevollmächtigter beider Kläger die Rechtsanwaltssozietät genannt, zu der der Klägervertreter gehört und unter deren - auch seinen Namen aufweisenden - Briefkopf er die Berufungsschrift gefertigt hat. Hinzu kommt, dass die genannte Rechtsanwaltssozietät auch im Rubrum der Berufungsschrift als Prozessbevollmächtigte der Kläger aufgeführt wird. Ferner ergibt sich aus der Ur- teilsformel des Amtsgerichts, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden ist. Vernünftige Zweifel, dass das Rechtsmittel für beide Kläger eingelegt worden ist, können bei dieser Sachlage - zumal beide Kläger in der Berufungsschrift aufgeführt sind und sich der Berufungsschrift auch ansonsten keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Rechtsmitteleinlegung auf einen der Kläger entnehmen lassen - nicht aufkommen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - V ZB 42/04, BGHReport 2005, 1216, unter III 2 b).
10
3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Er ist daher aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Syke, Entscheidung vom 10.02.2009 - 9 C 669/08 -
LG Verden, Entscheidung vom 13.08.2009 - 2 S 101/09 -

(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder
2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder
a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder
b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.

(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht

1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes,
2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist,
3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist,
4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,
5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist,
6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b,
8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.

(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.

(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 177/00 Verkündet am:
2. Oktober 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Progona
Die Mitteilung einer unzuständigen Landesbehörde zur "Verkehrsfähigkeit" eines
Arzneimittels befreit einen pharmazeutischen Unternehmer nicht von dem Vorwurf,
ein zulassungspflichtiges, aber vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
nicht zugelassenes Arzneimittel in den Verkehr gebracht zu haben.
BGH, Urt. v. 2. Oktober 2002 - I ZR 177/00 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 2. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Starck, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Juni 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. Juni 1999 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden den Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln. Sie streiten im Revisionsverfahren nach Nichtannahme der Revision der Beklagten nur noch darum, ab welchem Zeitpunkt die Klägerin wegen des seit dem 15. August 1997 erfolgten Vertriebs des Arzneimittels "Progona", der den Beklagten mit dem insoweit rechtskräftig gewordenen Urteil des Berufungsgerichts untersagt worden ist, Schadensersatz und dementsprechende Auskunft verlangen kann.
Das Landgericht hat den Beklagten entsprechend dem Antrag der Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, das Fertigarzneimittel "Progona" mit dem Wirkstoff D-Glucosaminsulfat zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe vorrätig zu halten, feilzuhalten, feilzubieten und/oder an andere abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen, solange für dieses keine Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (im weiteren : BfArM) nach §§ 21 ff. AMG oder eine Nachzulassung (Verlängerung der fiktiven Zulassung) des BfArM nach § 105 AMG vorliegt. Den von der Klägerin weiterhin gestellten Anträgen auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung wegen der Vornahme entsprechender Handlungen durch die Beklagten hat es für die Zeit ab dem 12. November 1997 stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt haben, hatte nur insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht auf die Zeit ab dem 25. November 1998 beschränkt
hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagten zu 1 der Bescheid des BfArM vom 20. November 1998 zugestellt worden, der die Feststellung enthielt, daß für das Arzneimittel "Progona" eine Neuzulassungspflicht bestehe.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie beantragt, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die teilweise Abweisung der Klage mit dem Auskunfts- und dem Schadensersatzfeststellungsanspruch damit begründet, daß auf seiten der Beklagten erstmals mit dem Zugang des Bescheids des BfArM vom 20. November 1998 eine Unsicherheit in Bezug auf die Rechtslage habe entstehen können. Zuvor hätten die Beklagten angesichts des Schreibens des S. Gesundheitsministeriums vom 22. Dezember 1997 (im weiteren: Schreiben des Landesministeriums) auf die Verkehrsfähigkeit ihres Arzneimittels auch ohne eine derartige Zulassung bzw. darauf vertrauen dürfen , daß sie nach der Bestimmung des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG die fiktive Zulassung des geänderten Alt-Arzneimittels "C. " in Anspruch nehmen könnten. Das Landesministerium sei die zuständige Überwachungsbehörde gewesen, die über die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels zu entscheiden und nach entsprechender Unterrichtung und Mitteilung an das BfArM Maßnahmen nach § 69 Abs. 1 AMG zu treffen gehabt habe. Ohne Erfolg wende die Klägerin ein, das Schreiben des Landesministeriums beruhe auf der Grundlage
eines unvollständigen Sachverhalts und lasse zudem eine unzureichende inhaltliche Prüfung erkennen. Denn dem Landesministerium seien, wie auch aus seinem weiteren Schreiben vom 15. Juli 1998 hervorgehe, der Inhalt der Änderungsanzeige und die daraus ersichtlichen Anwendungsgebiete von "C. " und "Progona" bekannt gewesen. Außerdem hätten sich die Beklagten darauf verlassen dürfen, daß die zuständige Behörde die erforderliche Prüfung ordnungsgemäß , sachkundig und erschöpfend durchgeführt habe.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Beklagten beim Vertrieb des Arzneimittels "Progona" in der Zeit bis zum 25. November 1998 nicht schuldhaft gehandelt haben.
Das Berufungsgericht hat für den Zeitraum bis zum Eingang des Schreibens des Landesministeriums bei den Beklagten (12. November bis 22. Dezember 1997) schon nicht berücksichtigt, daß den Beklagten zu jener Zeit dieses Schreiben, im Hinblick auf das sich ihr Verhalten nach der Auffassung des Berufungsgerichts bis zum Zugang des Schreibens des BfArM vom 20. November 1998 als nicht schuldhaft darstellte, noch nicht vorlag. Die Revision der Klägerin weist zudem mit Recht darauf hin, daß die Beklagten ausweislich der zum Gegenstand der Verhandlung vor dem Berufungsgericht gemachten Akten des dem Klageverfahren vorangegangenen Verfahrens der einstweiligen Verfügung (31 O 991/97 LG Köln = 6 U 52/98 OLG Köln) zeitlich vor der Aufnahme des Vertriebs des Arzneimittels "Progona" am 15. August 1997 - bei der Angabe "15.07.1997" auf der Seite 3 des angefochtenen Urteils handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen - am 4. August 1997 bei dem Landgericht Köln eine Schutzschrift hinterlegt hatten. Dieser Umstand
weist nämlich aus, daß die Beklagten beim Inverkehrbringen des Arzneimittels "Progona" durchaus in rechtlicher Hinsicht Zweifel hatten. Mit Änderungsanzeige vom 12. August 1994 hatte die Beklagte zu 1 selbst im übrigen dem BfArM unter anderem den Austausch des bisherigen Wirkstoffs Oxyphenbutazon gegen D-Glucosaminsulfat angezeigt.
Das Schreiben des Landesministeriums, das bei den Beklagten am 22. Dezember 1997 eingegangen ist, konnte diese auch für die nachfolgende Zeit bis zum 25. November 1998 nicht entlasten. Zwar wäre es grundsätzlich eine Überspannung der Pflicht zu lauterem Wettbewerbshandeln und ein unzulässiger Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit, von einem Gewerbetreibenden zu verlangen, sich vorsichtshalber auch dann nach der strengsten Gesetzesauslegung und Einzelfallbeurteilung zu richten, wenn die zuständigen Behörden und Gerichte sein Verhalten ausdrücklich als rechtlich zulässig bewerten (BGH, Urt. v. 11.10.2001 - I ZR 172/99, GRUR 2002, 269, 270 = WRP 2002, 323 - Sportwetten-Genehmigung, m.w.N.). Das Landesministerium war für die von ihm gegebene Auskunft über die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels "Progona" indes sachlich nicht zuständig, sondern übte lediglich die Funktion einer Überwachungsbehörde aus. Denn nach den Bestimmungen des Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (vom 24.8.1976 [BGBl. I S. 2445], zuletzt geändert durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9.8.1994 [BGBl. I S. 2071, 2082] - AMNG) bzw. des § 105 AMG steht die Verlängerung der Zulassung ebenso wie diese selbst unter dem Vorbehalt der materiellen Prüfung, die aber wie nach § 29 Abs. 3 Satz 2, § 77 AMG auch die Entscheidung über die arzneimittelrechtliche Zulassungspflicht in die alleinige Zuständigkeit des BfArM fällt. Die Beklagten als pharmazeutische Unternehmer i.S. des § 4 Abs. 18 AMG mußten diese Gegebenheiten so-
wie die Rechtsunwirksamkeit der Änderungsanzeige im Falle des Nichteinhaltens der gesetzlichen Voraussetzungen aufgrund der Sechsten Bekanntmachung des Bundesgesundheitsamtes über die Verlängerung der Zulassungen nach Art. 3 § 7 AMNG vom 23. Oktober 1990 (BAnz. S. 5827) kennen. Ihre insoweit etwa gegebene Rechtsunkenntnis wäre daher jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeit als schuldhaft anzusehen.
III. Danach war auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Starck Pokrant
Büscher Schaffert

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.

(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die

1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind,
1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4,
1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln
a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder
b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder
c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt,
1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen,
1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind,
1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden,
1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden,
2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder
3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.

(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 10/03 Verkündet am:
20. Oktober 2005
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Betonstahl
Die Vorschriften der Landesbauordnungen, nach denen Bauprodukte, für die
eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erteilt ist, nur verwendet werden
dürfen, wenn sie mit der Zulassung übereinstimmen und einen Übereinstimmungsnachweis
durch Kennzeichnung mit einem Übereinstimmungszeichen
tragen, regeln das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer.
BGH, Urt. v. 20. Oktober 2005 - I ZR 10/03 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien stellen Betonstahl her und vertreiben diesen. Der Beklagten ist für den von ihr hergestellten "kaltverformten, gerippten Betonstahl in Ringen BSt 500 KR" mit Bescheid des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 10. März 1998 (Anlage B 4) eine bis zum 31. März 2003 geltende "allgemeine bauauf- sichtliche Zulassung" erteilt worden. Das Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen hat der Beklagten mit "Übereinstimmungszertifikat" vom 31. März 1998 (Anlage B 5) für die Geltungsdauer bis zum 31. März 2003 gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Bauordnung vom 15. Juni 1995 (NBauO) bestätigt, dass der Betonstahl den Anforderungen der Zulassung vom 10. März 1998 entspricht. Die Zulassung sowie das Übereinstimmungszertifikat sind mittlerweile bis zum 31. März 2008 verlängert worden.
2
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der von der Beklagten in Verkehr gebrachte Betonstahl BSt 500 KR entspreche, wie Untersuchungen und Testlieferungen ergeben hätten, tatsächlich nicht den Bestimmungen des bauaufsichtlichen Zulassungsbescheids. Die Beklagte verschaffe sich dadurch in unlauterer Weise durch Rechtsbruch und Täuschung der Abnehmer Wettbewerbsvorteile. Sie haben die Beklagte mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom 10. Februar 1999 (Anlage K 10) zur Abgabe einer mit einem Vertragsstrafeversprechen gesicherten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 17. Februar 1999 (Anlage K 11) eine mit einem Vertragsstrafeversprechen verbundene "vorläufige Unterlassungserklärung" in Bezug auf die Herstellung und den Vertrieb von Betonstahl abgegeben, welcher nicht den Anforderungen der hierfür geltenden bauaufsichtlichen Zulassungsbescheide entspricht.
3
Die Klägerinnen haben beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken kaltverformten Betonstahl in Ringen BSt 500 KR anzubieten, abzugeben, zur Abgabe bereitzuhalten oder sonstwie in den Verkehr zu bringen, welcher nicht den Anforderungen des gültigen bauaufsichtlichen Zulassungsbescheids des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt, Berlin) entspricht.
4
Außerdem haben sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sowie deren Verurteilung zur Auskunftserteilung und zur Bezahlung einer Vertragsstrafe i. H. von 25.000 DM nebst Zinsen begehrt.
5
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich auf die "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" und das "Übereinstimmungszertifikat" berufen , in dem - ungeachtet der Nichteinhaltung bestimmter Werte bei der Fremdüberwachung - die Übereinstimmung ihrer Produkte mit den Anforderungen des Zulassungsbescheids bescheinigt sei. Wie sich aus dem Zulassungsbescheid ergebe, reiche es für die Frage, ob ihre Produkte den Anforderungen der erteilten Zulassung genügten, aus, wenn langfristig bestimmte Mindestwerte sowie sog. Quantilewerte eingehalten würden.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
7
Die Berufung der Klägerinnen hatte keinen Erfolg.
8
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Klägerinnen ihre Klageansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat die Klage sowohl unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch (§ 1 UWG a.F.) als auch unter dem der Täuschung der Abnehmer (§ 3 UWG a.F.) für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
10
Es könne zugunsten der Klägerinnen unterstellt werden, dass die Beklagte auch Erzeugnisse in den Verkehr bringe, die materiell-rechtlich betrachtet nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO entsprächen, weil sie wesentlich von den vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemachten technischen Regeln für Betonstahl in Ringen BSt 500 KR abwichen. Ein etwaiger Verstoß wäre aber nicht wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG (a.F.), weil die zuständigen Behörden den Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten ausdrücklich als gesetzeskonform beurteilten. Den Bescheiden des Deutschen Instituts für Bautechnik und des Materialprüfungsamts NordrheinWestfalen liege eine Beurteilung der Konformität von Betonstahl nach statistischen Grundsätzen zugrunde. Wesentlich sei vor allem ein langfristig hinreichendes Qualitätsniveau. Dazu würden die Ergebnisse von Eigen- und Fremdüberwachung unter mathematischen Gesichtspunkten ausgewertet. Definierte Mengen (Quantile) dürften das Anforderungsniveau unterschreiten. Die Unterschreitung des Mindestwerts in Einzelstücken werde nicht beanstandet, weil dies für die Bewertung des in Serie hergestellten Produkts nicht genügend aussagekräftig sei. Auch Produkte, die bei einzelnen Werten die festgesetzten Anforderungen unterschritten, dürften nach Auffassung der zuständigen Behörden mit dem Übereinstimmungs-Zeichen gekennzeichnet werden, wenn die Werte langfristig unter Berücksichtigung statistischer Methoden eingehalten würden.
11
Dies schließe es aus, das Verhalten der Beklagten als wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG (a.F.) anzusehen. Denn es stellte eine Überforderung des Gewerbetreibenden dar, sich vorsichtshalber auch dann nach der strengsten Gesetzesauslegung zu richten, wenn die zuständigen Behörden sein Verhalten ausdrücklich als zulässig bewerteten. Außerdem könne es nicht Aufgabe der Zivilgerichte sein, in derartigen Fällen letztlich eine Überprüfung der Tätigkeit der zuständigen Fachbehörden in Konkurrenz zu den vorrangig dazu berufenen Aufsichtsbehörden und Verwaltungsgerichten vorzunehmen.
12
Eine Täuschung der Abnehmer über die Eigenschaften der Erzeugnisse liege nicht vor, weil die Produkte der Beklagten im Hinblick auf die Haltung der zuständigen Behörden für den vorgesehenen Zweck voll verwendungsfähig seien. Ein Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe bestehe nicht, weil die Beklagte das Vertragsstrafeversprechen ersichtlich von dem Ausgang eines Hauptsacheverfahrens habe abhängig machen wollen.
13
II. Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, auf Auskunftserteilung und Zahlung der Vertragsstrafe verneint hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der bisherigen Tatsachengrundlage können diese Ansprüche nicht als unbegründet abgewiesen werden.
14
1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 anzuwenden. Der im Streitfall auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war. Auf die- sen Zeitpunkt kommt es auch für den auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten und den diesen vorbereitenden Anspruch auf Auskunftserteilung sowie für den auf das Vertragsstrafeversprechen gestützten Anspruch an (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk).
15
2. Das sich aus dem Unterlassungsantrag und dem Vortrag zu seiner Begründung ergebende Unterlassungsbegehren der Klägerinnen umschreibt die Verletzungshandlung, deren Wiederholung der Beklagten verboten werden soll, dahin, dass die Beklagte zwar über einen gültigen bauaufsichtlichen Zulassungsbescheid des Deutschen Instituts für Bautechnik für den von ihr hergestellten kaltverformten Betonstahl verfüge, aber im geschäftlichen Verkehr Betonstahl in den Verkehr bringe, der den in dem Zulassungsbescheid vorgegebenen Werten nicht entspreche, und damit gegen die bauaufsichtlichen Zulassungsbestimmungen verstoße. Die Klägerinnen sehen darin ein unlauteres Wettbewerbsverhalten unter den Gesichtspunkten des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG; § 1 UWG a.F.) sowie der Irreführung (§ 5 UWG; § 3 UWG a.F.).
16
Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerinnen unterstellt, dass die Beklagte auch Erzeugnisse in den Verkehr bringe, die rein materiell-rechtlich betrachtet den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO (bzw. den entsprechenden Vorschriften der anderen Landesbauordnungen) nicht entsprächen , weil sie von den vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemachten technischen Regeln für Betonstahl in Ringen BSt 500 KR abwichen. Es hat einen darin liegenden Gesetzesverstoß jedoch deshalb nicht als wettbewerbswidrig angesehen, weil der Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten von den zuständigen Behörden ausdrücklich als gesetzeskonform beurteilt werde. Dies beanstandet die Revision im Ergebnis zu Recht.
17
a) Es ist zumindest missverständlich, wenn das Berufungsgericht den von ihm gemäß dem Vorbringen der Klägerinnen unterstellten Rechtsverstoß der Beklagten gegen bauaufsichtliche Zulassungsbestimmungen dahin umschreibt , von der Beklagten in den Verkehr gebrachter Betonstahl entspreche deshalb nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO, weil er wesentlich von technischen Regeln für Betonstahl abweiche, die vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemacht worden seien. Die vom Berufungsgericht angeführte wesentliche Abweichung von Bauprodukten von technischen Regeln, die gemäß § 24 Abs. 2 NBauO (sowohl in der Fassung vom 13.7.1995, Nds. GVBl. S. 200 als auch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.2.2003, Nds. GVBl. S. 89; beide Fassungen stimmen in den im vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften überein) vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemacht worden sind, betrifft geregelte Bauprodukte i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 NBauO. Die Klägerinnen haben aber nicht geltend gemacht, dass der von der Beklagten vertriebene Betonstahl von gemäß § 24 Abs. 2 NBauO bekannt gemachten technischen Regeln abweiche. Sie haben vielmehr als rechts- und wettbewerbswidrig beanstandet, dass der Betonstahl der Beklagten nicht der dieser erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entspreche. Nach dem - insoweit unstreitigen - Vortrag der Parteien handelt es sich bei dem von der Beklagten vertriebenen Betonstahl nicht um ein geregeltes Bauprodukt i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 NBauO, sondern um ein nicht geregeltes Bauprodukt i. S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, Abs. 3 NBauO.
18
aa) Der Beklagten ist für den von ihr hergestellten kaltverformten Betonstahl vom Deutschen Institut für Bautechnik eine "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" erteilt worden, mit der die Verwendbarkeit des Zulassungsgegenstands i.S. der Landesbauordnungen (vgl. § 25 Abs. 1 i. V. mit § 1 Abs. 4 NBauO) nachgewiesen ist (Nr. I 1 des Bescheids vom 10.3.1998, Anlage B 4).
Nach den Landesbauordnungen, die hinsichtlich der im vorliegenden Fall maßgeblichen Zulassungsbestimmungen für Bauprodukte übereinstimmen, ist eine "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" als Anwendbarkeitsnachweis für nicht geregelte Bauprodukte erforderlich. Das sind Bauprodukte, die von technischen Regeln und Baubestimmungen, die vom Deutschen Institut für Bautechnik bekannt gemacht werden, wesentlich abweichen oder für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht gibt (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 1, § 25 NBauO). Die "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" wird erteilt, wenn die Verwendbarkeit des nicht geregelten Bauprodukts im Sinne der Landesbauordnungen nachgewiesen ist (vgl. § 25 Abs. 1 NBauO). Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen nach dem Recht eines Bundeslands gelten auch in den anderen Ländern (vgl. § 25 Abs. 7 NBauO). Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung wird für ein seiner Art nach abstrakt umschriebenes Bauprodukt erteilt. Für den Nachweis, dass das im konkreten Fall tatsächlich in den Verkehr gebrachte Produkt den Zulassungsanforderungen genügt und deshalb unbedenklich für Baumaßnahmen verwendet werden kann, bedürfen ihrer Art nach allgemein zugelassene Bauprodukte des Weiteren eines Übereinstimmungsnachweises im Einzelfall. Dieser Nachweis ist durch eine Übereinstimmungserklärung des Herstellers oder durch ein Übereinstimmungszertifikat einer Zertifizierungsstelle zu führen (vgl. § 28 Abs. 1 und 2 NBauO). Bei nicht geregelten Bauprodukten, für die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erteilt worden ist, ist die Übereinstimmung mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nachzuweisen.
19
Als Übereinstimmung gilt dabei auch eine Abweichung, die nicht wesentlich ist (§ 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO). In der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung wird festgelegt, ob der Übereinstimmungsnachweis in der Form der Herstellererklärung oder des Zertifikats zu führen ist; in dem der Beklagten erteilten Zulassungsbescheid vom 10. März 1998 wird insoweit ein Übereinstimmungszertifikat gefordert (vgl. Nr. II 2.3.1 des Bescheids - Anlage B 4). Das Übereinstimmungszertifikat ist zu erteilen, wenn das Bauprodukt der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entspricht und einer werkseigenen Produktionskontrolle sowie einer Fremdüberwachung unterliegt. Bei der Fremdüberwachung ist regelmäßig zu überprüfen, ob das Bauprodukt der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung entspricht (vgl. § 28b NBauO). Der Beklagten ist für den von ihr hergestellten Betonstahl vom Materialprüfungsamt NordrheinWestfalen mit dem Bescheid vom 31. März 1998 ein solches Übereinstimmungszertifikat erteilt worden. Die Übereinstimmungserklärung und die Erklärung , dass ein Übereinstimmungszertifikat erteilt ist, hat der Hersteller durch Kennzeichnung der einzelnen Bauprodukte mit einem Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) unter Hinweis auf den Verwendungszweck abzugeben (§ 28 Abs. 4 NBauO). Sowohl geregelte als auch nicht geregelte Bauprodukte der hier vorliegenden Art dürfen für die Errichtung, Ände rung und Instandsetzung baulicher Anlagen nur verwendet werden, wenn sie das Ü-Zeichen tragen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NBauO). Gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 12 NBauO handelt ordnungswidrig , wer Bauprodukte mit dem Ü-Zeichen kennzeichnet, ohne dass dafür die Voraussetzungen nach § 28 Abs. 4 NBauO vorliegen.
20
bb) Vor diesem Hintergrund geht der Vortrag der Klägerinnen, die Beklagte verstoße gegen die bauaufsichtlichen Zulassungsbestimmungen, weil sie den Anforderungen der ihr erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht genügenden Betonstahl in Verkehr bringe, folglich nicht dahin, die Beklagte bringe Produkte in den Verkehr, für die überhaupt keine bauaufsichtliche Zulassung erteilt worden sei. Die Klägerinnen sehen den Rechtsverstoß der Beklagten vielmehr darin begründet, dass bei dem von dieser vertriebenen Betonstahl die gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 NBauO geforderte Übereinstimmung des konkret vertriebenen Produkts mit der erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nicht in jedem Fall gegeben sei. Bei dem auf ihre Testbestellungen gelieferten Betonstahl der Beklagten seien Unterschreitungen in dem Zulassungsbescheid festgesetzter Mindestwerte festzustellen. Soweit die Klägerinnen diese Unterschreitungen als erhebliche Abweichungen von dem Zulassungsbescheid bezeichnet haben, zielt ihr Vorbringen nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, auf die Darlegung einer wesentlichen Abweichung i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 NBauO. Es ist vielmehr dahin zu verstehen, dass es sich um Abweichungen handele, die nicht lediglich unwesentlich i.S. von § 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO seien und die daher der geforderten Übereinstimmung mit der Zulassung entgegenstünden.
21
b) Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob in den von den Klägerinnen dargelegten Fällen die behaupteten Abweichungen von den Werten des Zulassungsbescheids die durch § 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO gezogene Grenze überschreiten, nicht befaßt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts erübrigen sich Feststellungen hierzu nicht. Unterlassungsansprüche der Klägerinnen können nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden, wegen der ständigen Praxis der zuständigen Behörden bei der Durchführung und beim Widerruf der Zulassung sowie bei der Überwachung der Produktion der Beklagten sei trotz eines zu unterstellenden Gesetzesverstoßes das Verhalten der Beklagten nicht unlauter. Die Klägerinnen haben vielmehr die Voraussetzungen eines auf einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gestützten Unterlassungsanspruchs schlüssig vorgetragen. Die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten beurteilt sich allein danach, ob der Vertrieb des Betonstahls nach Maßgabe der § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 NBauO objektiv in Übereinstimmung mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung erfolgt. Die Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörden ist für die Beurteilung, ob das Verhalten der Beklagten objektiv rechtswidrig und damit unlauter ist, nicht maßgeblich (vgl. BGH, Urt. v. 23. 6. 2005 - I ZR 194/02, GRUR 2005, 778, 779 = WRP 2005, 1161 - Atemtest, m.w.N. - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
22
aa) Bei den in Rede stehenden Vorschriften der §§ 24, 28 NBauO, nach denen die Verwendung nicht geregelter Bauprodukte die Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung sowie den Nachweis der Übereinstimmung des konkreten Produkts mit der Zulassung voraussetzt, handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG bzw. um wettbewerbsbezogene Regelungen i.S. der Senatsrechtsprechung zu § 1 UWG a.F. Ohne Zulassung und Übereinstimmungsnachweis sind solche Bauprodukte nicht verkehrsfähig. Die Kennzeichnung durch Anbringung des Ü-Zeichens darf nur erfolgen , wenn die Übereinstimmung gemäß § 28 NBauO nachgewiesen ist. Diese Zulassungsvorschriften betreffen das Verhalten auf dem Markt beim Absatz der Waren. Sie dienen dem Schutz der Marktteilnehmer, denen durch die Zulassung und durch den Übereinstimmungsnachweis Gewißheit darüber verschafft werden soll, dass das konkret gelieferte Bauprodukt unbedenklich seinem Zweck entsprechend verwendet werden kann (vgl. Wiechert in: GroßeSuchsdorf /Lindorf/Schmaltz/Wiechert, Niedersächsische Bauordnung 7. Aufl. § 28 Rdn. 1). Das Inverkehrbringen nicht geregelter Bauprodukte ohne Zulassung und Übereinstimmungsnachweis oder unter Anbringung eines ÜZeichens , ohne dass die Voraussetzungen für diese Kennzeichnung vorliegen, stellt daher ein nach § 4 Nr. 11 UWG unlauteres Marktverhalten dar (vgl. zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Zulassung BGH GRUR 2005, 778, 780 - Atemtest; vgl. ferner Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht 23. Aufl. § 4 UWG Rdn. 11.118). Bringt die Beklagte Betonstahl in den Verkehr, der nicht mit der ihr erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung übereinstimmt , kann sie sich auch nicht darauf berufen, die Herstellung der beanstandeten Produkte sei ihr durch den Zulassungsbescheid ausdrücklich erlaubt worden (zur Auswirkung einer ausdrücklichen behördlichen Erlaubnis eines Marktverhaltens vgl. BGH GRUR 2005, 778, 779 - Atemtest, m.w.N.). Die allgemeine Zulassung zur Herstellung eines Produkts und die Bescheinigung der Behörde, nach diesem Verfahren hergestellte Produkte entsprächen der Zulassung , schließen nicht die (behördliche) Erlaubnis ein, Produkte, die aus welchen Gründen auch immer die Zulassungskriterien nicht erfüllen (Ausreißer), in Verkehr zu bringen. Die Beklagte steht damit in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht anders da als der Hersteller eines pharmazeutischen Produkts, dessen stoffliche Zusammensetzung den Vorgaben für die Zulassung als Arzneimittel nicht entspricht.
23
bb) Die Klägerinnen haben schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte Betonstahl vertreibt, bei dem eine Übereinstimmung mit dem erteilten Zulassungsbescheid i.S. von § 28 NBauO nicht gegeben ist, und sie daher objektiv gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 Abs. 1 und 4 NBauO verstößt.
24
(1) Allerdings ergibt sich ein solcher Verstoß, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht bereits aus jeder Unterschreitung von Anforderungen des Zulassungsbescheids unabhängig davon, welches Ausmaß die behaupteten Abweichungen erreichen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht es der ständigen Praxis des Deutschen Instituts für Bautechnik, bei der Prüfung, ob für Betonstahl dessen Verwendbarkeit im Sinne der Landesbauordnungen nachgewiesen ist, die Konformität "nach statistischen Grundsätzen" zu beurteilen. Danach sollen bestimmte Mengen (Quantilen) das festgelegte "Anforderungsniveau" unterschreiten dürfen. Auch die Unterschreitung des Mindestwerts in Einzelstücken werde nicht beanstandet, weil dies für die Bewertung des in Serie hergestellten Produkts nicht genügend aussagekräftig sei. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen u.a. auf den im vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahmen des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 21. Februar 2002 und vom 27. Juni 2002. Dort ist weiter ausgeführt, dass die in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für den vorliegenden Betonstahl festgelegten Anforderungen an die Eigenschaften sog. Quantilewerte seien, wie sie für eine industrielle Massenfertigung üblich und sinnvoll seien. Dementsprechend sei eine Produktion auch dann zulassungskonform , wenn eine definierte Menge (Quantile) das festgelegte Anforderungsniveau geringfügig unterschreite. Nach der der Beklagten erteilten Zulassung dürften dies je nach Materialeigenschaft 5 bis 10 % der geprüften Werkstoffkennwerte sein. Die dem Deutschen Institut für Bautechnik vorliegende statistische Auswertung der Ergebnisse der werkseigenen Produktionskontrolle (Eigenüberwachung ) und der Fremdüberwachung der Herstellung von BSt 500 KR im Werk der Beklagten belege, dass seit Produktionsbeginn im Jahre 1993 die Anforderungen an die Eigenschaften stets erfüllt worden seien. Aufgrund der bei einer Probenentnahme festgestellten Prüfergebnisse allein könne nicht darauf geschlossen werden, ob das Qualitätsniveau der gesamten Produktion zulassungskonform gewesen sei oder nicht (Schreiben vom 21.2.2002). Nach dem öffentlich-rechtlichen Übereinstimmungsnachweissystem sei es entgegen der von den Klägerinnen geäußerten Auffassung so, dass auch die Produkte, bei denen einzelne festgestellte Werte nach unten abwichen, als zulassungskonform mit dem Übereinstimmungs-Zeichen gekennzeichnet werden dürften, sofern eine repräsentative Probennahme eine statistische Aussagewahrscheinlichkeit von 90 % ermögliche und nicht mehr als 5 bis 10 % der festgestellten Werte den geforderten Mindestwert unterschritten.
25
(2) Für die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte gegen die Anforderungen der ihr erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung verstoßen hat, kommt es auf den durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Zulassungsbescheids vom 10. März 1998 an. Dort sind für die hier in Rede stehenden Materialeigenschaften "Mittelwerte" angegeben sowie niedrigere Werte für jeweils eine "5 %-Quantile" und für eine "1 %-Quantile". Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Mittelwerte nicht so zu verstehen, dass sie bei jedem einzelnen Teil der Produktion eingehalten sein müssen. Vielmehr reicht es aus, wenn über einen längeren Zeitraum betrachtet lediglich ein durch Prozentsätze umschriebener Teil der Produktion die genannten Mittelwerte erreicht; der übrige Teil, der durch die angegebenen Quantilemengen bestimmt wird, kann sie verfehlen. Abweichungen von den Mittelwerten, die sich im Rahmen der festgesetzten Quantilen halten, entsprechen daher noch den Zulassungsanforderungen. Bei weitergehenden Abweichungen ist eine Übereinstimmung des Produkts mit der Zulassung jedenfalls dann zu verneinen, wenn diese Abweichungen wesentlich i. S. von § 28 Abs. 1 Halbs. 2 NBauO sind.
26
(3) Das Vorbringen der Klägerinnen geht jedoch nicht nur dahin, einzelne Erzeugnisse der Beklagten verfehlten die festgesetzten Mittelwerte. Nach ihrem Vortrag weisen Produkte der Beklagten sogar Werte auf, die noch unterhalb der in dem Zulassungsbescheid vom 10. März 1998 für die Quantilemengen angegebenen Anforderungen liegen. Außerdem haben sie geltend gemacht, die Abweichungen in den von ihnen genannten Fällen seien so erheblich im Sinne der gesetzlichen Zulassungsbestimmungen, dass die betreffenden Produkte trotz der erteilten Zulassung nicht in den Verkehr gebracht werden durften. Darin liegt die Behauptung, die Beklagte kennzeichne Produkte mit dem Ü-Zeichen und bringe sie so gekennzeichnet in den Verkehr, obwohl wegen wesentlicher Abweichungen von der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung eine Übereinstimmung i.S. von § 28 Abs. 1 und 4 NBauO nicht gegeben sei. Dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Denn weder die baurechtlichen Bestimmungen noch der der Beklagten erteilte Zulassungsbescheid können dahin verstanden werden, es dürften im Einzelfall auch Produkte vertrieben werden, die von den geforderten Werten nicht nur geringfügig, sondern wesentlich abweichen. Die Zulassungsbestimmungen der §§ 24 ff. NBauO sollen gewährleisten, dass das tatsächlich in den Verkehr gebrachte Bauprodukt bei seiner konkreten Verwendung im Einzelfall seinem Zweck entsprechend unbedenklich eingesetzt werden kann (vgl. § 1 Abs. 4 NBauO). Daraus folgt, dass Abweichungen, die bei in Serie hergestellten Produkten aufgrund der von den zuständigen Überwachungsbehörden angewandten Überprüfung der Produktion nach "statistischen" Aussagewahrscheinlichkeiten in bestimmtem Umfang zugelassen werden , jedenfalls die Grenze der Unwesentlichkeit i.S. von § 28 Abs. 1 NBauO nicht überschreiten dürfen. Denn bei wesentlichen Abweichungen ist nicht gewährleistet , dass die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gebotenen grundsätzlichen Anforderungen an bauliche Anlagen (vgl. § 1 Abs. 1 und 4 NBauO) erfüllt sind. Auch dem Zulassungsbescheid vom 10. März 1998 ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Soweit dort für einzelne Anforderungen an die Qualität des zugelassenen Betonstahls neben Mittelwerten auch sog. Quantilen angegeben sind, werden für diese nicht nur Prozentgrenzen der Produktmenge, sondern ebenso wie bei den Mittelwerten auch auf Materialeigenschaften bezogene Mindestwerte (Vorhaltewerte) vorgeschrieben (vgl. Zulassungsbescheid v. 10.3. 1998 S. 4 unter Nr. 2.1.3). Die Stellungnahme des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 21. Februar 2002 geht gleichfalls nicht davon aus, dass im Rahmen der (quantitativ bestimmten) Quantilemengen jedwede qualitative Abweichung erlaubt sei. Vielmehr ist dort davon die Rede, die Festlegung sog. Quantilewerte in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung bedeute, dass eine Produktion auch dann zulassungskonform sei, wenn eine definierte Menge (Quantile) das festgelegte Anforderungsniveau geringfügig unterschreite. Ferner ist dort ausgeführt, an dem Umstand, dass die Beklagte nach der vorliegenden statistischen Auswertung seit Produktionsbeginn die Anforderungen erfülle, ändere sich nichts, wenn bei Probenentnahmen eine geringfügige Unterschreitung von Anforderungen festgestellt worden sei. Hieraus ist nicht zu entnehmen , die baurechtlichen Zulassungsbestimmungen oder der Zulassungsbescheid seien dahin auszulegen, dass auch Bauprodukte mit nicht bloß geringfügigen , sondern erheblichen, d.h. i.S. von § 28 Abs. 1 NBauO nicht unwesentli- chen Abweichungen von den im Zulassungsbescheid festgesetzten Anforderungen mit dem Ü-Zeichen gekennzeichnet und so gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürften.
27
(4) Im vorliegenden Fall, in dem der Übereinstimmungsnachweis durch ein Übereinstimmungszertifikat einer Zertifizierungsstelle zu führen ist, wird zur Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen nach dem Wortlaut von § 28 Abs. 4 NBauO zwar nur die Erklärung vorausgesetzt, dass ein solches Übereinstimmungszertifikat erteilt sei. Über ein solches Zertifikat, das allerdings nicht für das in den Verkehr gebrachte einzelne Erzeugnis, sondern nur für das seiner Art nach abstrakt umschriebene Bauprodukt erteilt wird (vgl. §§ 28b, 28c NBauO), verfügt die Beklagte. Das besagt aber nichts über dessen konkrete Beschaffenheit. Aus dem Zusammenhang des § 28 Abs. 4 NBauO mit der Regelung des § 28b Abs. 1 Nr. 2 NBauO, wonach Voraussetzung für die Erteilung des Übereinstimmungszertifikats ist, dass das Bauprodukt einer werkseigenen Produktionskontrolle unterliegt, sowie dem Sinn und Zweck der Kennzeichnung mit dem ÜZeichen folgt zudem, dass dieses trotz eines erteilten Übereinstimmungszertifikats dann nicht auf einem Bauprodukt angebracht werden darf, wenn die werkseigene Kontrolle ergibt, dass das betreffende Einzelprodukt den Anforderungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung i.S. von § 28 Abs. 1 NBauO nicht entspricht. Dies haben die Klägerinnen geltend gemacht, da sie behauptet haben, die von ihnen als wesentlich bezeichneten Abweichungen ergäben sich bereits aus den von der Beklagten den einzelnen Produkten beigefügten Werkprüfzeugnissen.
28
c) Die Klägerinnen haben somit die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1 i. V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG schlüssig vorgetragen. Da nach ihrem Vorbringen die Beklagte Bauprodukte mit dem ÜZeichen kennzeichnet, die mit den Anforderungen der allgemeinen bauaufsicht- lichen Zulassung nicht übereinstimmen und daher für die vorgesehenen baulichen Zwecke nicht unbedenklich verwendet werden können, liegt darin auch die Darlegung eines wegen Irreführung unlauteren Wettbewerbsverhaltens der Beklagten (§§ 3, 5 UWG; § 3 UWG a.F.). Das Inverkehrbringen nicht der Zulassung entsprechender Bauprodukte ist, da es Leben und Gesundheit der mit baulichen Anlagen in Berührung kommenden Personen gefährdet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 NBauO), auch gemäß § 3 UWG erheblich (vgl. BGH GRUR 2005, 778, 780 - Atemtest).
29
3. Aus den vorstehend genannten Gründen kann auch die Abweisung der auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten, auf Auskunftserteilung und auf das Vertragsstrafeversprechen gestützten Klageanträge keinen Bestand haben.
30
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob die Beklagte mit dem Ü-Zeichen gekennzeichnete Bauprodukte in den Verkehr gebracht hat, die wegen nicht lediglich unwesentlicher Abweichungen von den Anforderungen der erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung mit dieser nicht i.S. von § 28 Abs. 1 und 4 NBauO übereingestimmt haben. Bei einer gegebenenfalls gebotenen Prüfung des Verschuldens werden auch das Verhalten der Behörde sowie der Grad der Erheblichkeit der Abweichung und ihre Erkennbarkeit zu berücksichtigen sein.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.02.2001 - 38 O 31/99 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.12.2002 - 20 U 46/01 -

Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
chemische Elemente und chemische Verbindungen sowie deren natürlich vorkommende Gemische und Lösungen,
2.
Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand,
3.
Tierkörper, auch lebender Tiere, sowie Körperteile, -bestandteile und Stoffwechselprodukte von Mensch oder Tier in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand,
4.
Mikroorganismen einschließlich Viren sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 141/06 Verkündet am:
15. Januar 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Überregionaler Krankentransport
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11; NRW RettG § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 2 Abs. 2,
§§ 18 ff., Bay RDG Art. 13 Abs. 2 Satz 1

a) Die Durchführung eines Krankentransports i.S. von § 2 Abs. 2 Rettungsgesetz
Nordrhein-Westfalen (RettG NRW) durch einen privaten Unternehmer
stellt sowohl eine Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004
als auch eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008 dar.

b) In dem sich aus §§ 18 ff. RettG NRW ergebenden Verbot, Notfallrettung
oder Krankentransporte ohne Genehmigung zu betreiben, liegt eine Marktverhaltensregelung
zum Schutz der im Rahmen von Krankentransporten zu
befördernden Personen.

c) Der Umstand, dass ein Unternehmer nach einer landesrechtlichen Vorschrift
Krankentransporte auch dann durchführen darf, wenn allein der Zielort
im Einsatzbereich seines Krankenwagens liegt, ändert nichts daran,
dass der Unternehmer bei einem in einem anderen Bundesland beginnenden
Krankentransport (auch) die dort geltenden Genehmigungserfordernisse
beachten muss. Die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit des Verhaltens
kann aber die Annahme eines Bagatellverstoßes i.S. von § 3 UWG
2004, § 3 Abs. 1 UWG 2008 rechtfertigen.
BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 141/06 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Juli 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger, ein in Köln ansässiger Krankentransportunternehmer, verfügt über eine Genehmigung zum Krankentransport nach dem nordrheinwestfälischen Gesetz über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (Rettungsgesetz NRW - RettG NRW). Die in München ansässige Beklagte ist ein Krankentransportunternehmen, dem eine entsprechende behördliche Genehmigung nach dem bayerischen Gesetz zur Regelung von Notfallrettung, Krankentransport und Rettungsdienst (BayRDG) erteilt worden ist.

2
Am 20. März 2005 transportierte die Beklagte eine Patientin mit einem Krankentransportwagen von Köln nach München. Der Transport war zunächst von einem Angehörigen der Patientin beim Kläger bestellt worden, der deswegen bei der Krankenkasse der Patientin eine Kostenübernahmeerklärung beantragt hatte. Das von der Krankenkasse daraufhin bei der Leitstelle der Beklagten in München eingeholte Kostenangebot lag unter dem vom Kläger geforderten Betrag. Die Krankenkasse erteilte den Auftrag zum Krankentransport deshalb der Beklagten.
3
Der Kläger hält das Verhalten der Beklagten für wettbewerbswidrig, weil diese nicht über die nach §§ 18, 22 RettG NRW für die Durchführung von Krankentransporten in Nordrhein-Westfalen erforderliche behördliche Genehmigung verfügt habe. Er verlangt von der Beklagten Unterlassung entsprechender Krankentransporte , Ersatz des ihm entgangenen Gewinns in Höhe von 400 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 278,05 €.
4
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte 1. unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Patienten im Stadtbereich von Köln mit Krankentransportwagen aufzunehmen , sofern und solange für diesen Betriebsbereich und für das eingesetzte Fahrzeug keine Genehmigung nach dem Rettungsgesetz NRW erteilt worden ist; 2. zu verurteilen, an den Kläger 678,05 € nebst Zinsen zu zahlen.
5
Nach Auffassung der Beklagten regeln die §§ 18, 22 RettG NRW allein den Marktzutritt.

6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Köln, Urt. v. 12.1.2006 - 84 O 74/05, juris). Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, Urt. v. 7.7.2006 - 6 U 35/06, juris). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten, aufgrund dessen dem Kläger wettbewerbsrechtliche Ansprüche zustehen könnten , verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
8
Die Vorschriften der §§ 18, 22 RettG NRW seien keine Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG. Die Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransports oblägen den Kreisen und kreisfreien Städten als Trägern des Rettungsdienstes i.S. des § 6 Abs. 1 RettG NRW. Private Unternehmer bedürften hierfür einer behördlichen Genehmigung i.S. der §§ 18 ff. RettG NRW. Die Genehmigungsvorschriften dienten allein dem öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen, flächendeckenden und bedarfsgerechten Rettungsdienst. Der öffentliche Rettungsdienst sei bei der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben nicht Marktteilnehmer i.S. der § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Nr. 11 UWG, in dessen Interesse das Marktverhalten zu regeln sei. Soweit die öffentliche Hand Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransports wahrnehme, handele sie ausschließlich hoheitlich. Die Bestimmungen der §§ 18, 22, 23 RettG NRW seien nicht dazu bestimmt, das Wettbewerbsverhalten der zum Krankentransport zugelassenen privaten Unternehmer zu regeln.

9
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zwar zu Unrecht angenommen , die Vorschrift des § 18 RettG NRW sei nicht (auch) dazu bestimmt, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln; nach dieser Vorschrift bedarf ein privater Unternehmer, der Aufgaben der Notfallrettung oder des Krankentransports wahrnehmen will, der Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde , in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich er tätig sein will (dazu 1 und 2). Die Abweisung der Klage erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend, weil die Interessen der Marktteilnehmer, die durch das Genehmigungserfordernis ebenfalls geschützt werden, durch den von der Beklagten begangenen Rechtsverstoß (dazu 3 und 4) nicht spürbar beeinträchtigt werden (dazu 5).
10
1. Die Beklagte hat bei dem vom Kläger beanstandeten Krankentransport mit dem Ziel gehandelt, zugunsten ihres Unternehmens die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern, und damit eine Wettbewerbshandlung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung vorgenommen, in der dieses Gesetz bis zum 29. Dezember 2008 gegolten hat (UWG 2004). Der Streitfall ist insoweit nicht mit dem der Senatsentscheidung "Abschleppkosten-Inkasso" zugrunde liegenden Fall vergleichbar, in dem der Senat bei einem Unternehmer, der im Auftrag der Polizei ein Fahrzeug abgeschleppt und dafür Kostenansprüche geltend gemacht hatte, ein Handeln im geschäftlichen Verkehr i.S. des § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung, in der dieses Gesetz bis zum 7. Juli 2004 gegolten hat, sowie eine Wettbewerbshandlung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 verneint hat (BGH, Urt. v. 26.1.2006 - I ZR 83/03, GRUR 2006, 428 Tz. 12 ff. = WRP 2006, 741). Für die dort vorgenommene Beurteilung war insbesondere maßgebend , dass ein Abschleppunternehmer, auch wenn ihn die Polizeibehörde durch einen privatrechtlichen Vertrag mit dem Abschleppen von Fahrzeugen beauftragt hat, bei der Durchführung einer polizeilich angeordneten Abschleppmaßnahme in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes handelt. Seine Stellung ist derjenigen eines Verwaltungshelfers angenähert. Er wird ohne eigene Entscheidungsmacht als verlängerter Arm der Verwaltungsbehörde tätig. Der Abschleppvorgang stellt sich materiell-rechtlich als polizeiliche Vollstreckungsmaßnahme dar (BGH GRUR 2006, 428 Tz. 14 - AbschleppkostenInkasso , m.w.N.) und ist damit dem Bereich der Eingriffsverwaltung zuzuordnen (vgl. BGHZ 166, 268 Tz. 14). Im Gegensatz dazu sollte mit der in den §§ 18 ff. RettG NRW geregelten Möglichkeit, dass private Unternehmer aufgrund einer entsprechenden Genehmigung Aufgaben der Notfallrettung und/oder des Krankentransports wahrnehmen, für private Unternehmer ein beschränkter Wettbewerb zugelassen werden (Prütting, Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., Vorbem. vor § 18). Damit wäre es grundsätzlich unvereinbar, die in diesem Bereich tätigen Unternehmer ebenfalls als verlängerten Arm der für den Rettungsdienst zuständigen Behörden anzusehen. Dies hat insbesondere für den Bereich der Krankentransporte i.S. des § 2 Abs. 2 RettG NRW zu gelten; denn bei ihnen handelt es sich, da hier keine konkrete Gefahr für Leib oder Leben der beförderten Personen besteht, um im Rahmen der Daseinsvorsorge erfolgende Maßnahmen der Leistungsverwaltung.
11
Die Durchführung des streitgegenständlichen Krankentransports stellte weiterhin auch eine geschäftliche Handlung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung dar, in der dieses Gesetz seit dem 30. Dezember 2008 gilt (UWG 2008). Die Neufassung des Gesetzes , die im Hinblick auf die Zukunftsgerichtetheit des vom Kläger gestellten Unterlassungsantrags hier ebenfalls zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 61/05, GRUR 2008, 830 Tz. 12 = WRP 2008, 1213 - L-Carnitin II; Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 112/05, GRUR 2008, 834 Tz. 10 = WRP 2008, 1209 - HMB-Kapseln, jeweils m.w.N.), ist in dieser Hinsicht nicht enger als der der Wettbewerbshandlung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 (vgl. Köhler, GRUR 2005, 793, 794 f.).
12
2. Bei der Bestimmung des § 18 RettG NRW, die Krankentransporte durch private Unternehmen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt, handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S. von § 4 Nr. 11 UWG.
13
a) Der in § 18 RettG NRW bestimmte und in den §§ 18a ff. RettG NRW konkretisierte Genehmigungsvorbehalt dient allerdings in erster Linie dem öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen, flächendeckenden und bedarfsgerechten Rettungsdienst. Insoweit stellt er - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - keine Marktverhaltensregelung im Interesse der privaten Mitbewerber dar (vgl. zur vergleichbaren Bestimmung des § 13 Abs. 1 PBefG Schaffert, Festschrift für Ullmann, 2006, S. 853 ff.; a.A. OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2005 - 4 U 105/05, juris Tz. 5; Prütting aaO § 18 Rdn. 37 mit Hinweis auf die zu §§ 2, 40 PBefG ergangene Entscheidung OLG Hamm WRP 1972, 390). Soweit gemäß § 19 Abs. 4 RettG NRW die Genehmigung insbesondere dann zu versagen ist, wenn zu erwarten ist, dass durch ihren Gebrauch das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst beeinträchtigt wird (dazu eingehend Prütting aaO § 19 Rdn. 58 ff.), liegt eine objektive Zulassungsschranke und damit schon keine Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG, sondern eine dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht unterfallende Marktzutrittsregelung vor (vgl. zur entsprechenden Regelung für das Taxigewerbe in § 13 Abs. 4 PBefG MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 71 a.E. und Rdn. 134).

14
b) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung jedoch nicht berücksichtigt , dass der Genehmigungsvorbehalt in § 18 RettG NRW auch dem Schutz der im Wege des Krankentransports zu befördernden Kranken, Verletzten und sonstigen hilfsbedürftigen Personen dient (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2005 - 4 U 105/05, juris Tz. 5; Elskamp, Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht , 2008, S. 163 f.; ebenso zur Genehmigungspflicht gemäß § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 1 PBefG KG GRUR 2007, 515, 516; MünchKomm.UWG/ Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 137; Harte/Henning/v. Jagow aaO § 4 Nr. 11 Rdn. 107). Dies folgt insbesondere aus § 2 Abs. 2 RettG NRW; denn danach hat der Krankentransport die Aufgabe, den genannten Personen fachgerechte Hilfe zu leisten und sie unter Betreuung durch qualifiziertes Personal zu befördern.
15
3. Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Krankentransport gegen das nach dem Rettungsgesetz NRW beim Fehlen einer entsprechenden Genehmigung bestehende Verbot der Durchführung von Krankentransporten verstoßen. Wie sich aus dem Gegenschluss zu § 1 Abs. 2 Nr. 5 RettG NRW ("Das Gesetz gilt nicht für … Beförderungen, die außerhalb von NordrheinWestfalen begonnen haben …") sowie aus § 23 Abs. 3 RettG NRW ergibt, gilt das Genehmigungserfordernis grundsätzlich für alle Krankentransporte, die - wie der hier beanstandete Transport - in Nordrhein-Westfalen beginnen. Zwar durfte die Beklagte aufgrund der ihr erteilten Genehmigung gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayRDG Krankentransporte auch dann durchführen, wenn - wie im Streitfall - allein der Zielort im Einsatzbereich ihres Krankenwagens lag. Auch sind die Anforderungen des bayerischen Gesetzes an die Qualität des Unternehmens nicht geringer als diejenigen, die nach dem Rettungsgesetz NRW zu erfüllen sind. Da es sich aber jeweils nur um landesrechtliche Regelungen handelt, unterliegt die beanstandete Beförderung, soweit sie im Land Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde, nach den Grundsätzen des interlokalen Verwaltungsrechts (vgl. BVerfGE 11, 6, 19 = NJW 1960, 907, 908) allein den Vorschriften des Rettungsgesetzes NRW (Fehn/Kupfer in Steegmann, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., 18. Ergänzungslieferung Dezember 2003, § 1 Rdn. 26).
16
4. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht im Streitfall nicht entgegen , dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die gemäß ihrem Artikel 4 die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, und mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2949) nunmehr auch ins deutsche Recht umgesetzt worden ist, keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2005/29/EG gemäß ihrem Artikel 3 Absatz 3 sowie ihrem Erwägungsgrund 9 die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte unberührt lässt. Die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht daher mit der Richtlinie im Einklang, soweit Marktverhaltensregelungen - wie hier - dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern dienen (Köhler in Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 Rdn. 11.6a).
17
5. Das danach als unlauter i.S. des § 4 Nr. 11 UWG zu beurteilende Handeln der Beklagten stellt jedoch, da es die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen der Verbraucher nicht spürbar, sondern allenfalls unerheblich zu beeinträchtigen vermag, kein nach § 3 UWG 2004 bzw. § 3 Abs. 1 UWG 2008 unzulässiges Verhalten im Wettbewerb dar. Für die Belange der beförderten Person macht es nur dann einen praktischen Unterschied, ob der Beförderer für den Transport neben der Genehmigung, die nach dem am Zielort geltenden Recht erforderlich ist (hier: Bayern), auch über die Genehmigung verfügt, die das am Ausgangsort des Transports geltende Recht voraussetzt (hier: Nordrhein -Westfalen), wenn die Erteilung der Genehmigung nach dem Recht des Ausgangsorts von weitergehenden, im Interesse der beförderten Personen bestehenden Voraussetzungen abhängt als die Erteilung der Genehmigung nach dem Recht des Zielorts (vgl. KG GRUR 2007, 515, 516 f.). Dies aber ist nach den oben unter II 3 gemachten Ausführungen vorliegend nicht der Fall.
18
III. Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Büscher Schaffert
Bergmann Koch
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 12.01.2006 - 84 O 74/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 07.07.2006 - 6 U 35/06 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)