Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZB 23/13

bei uns veröffentlicht am27.01.2015
vorgehend
Landgericht Hamburg, 316 O 53/12, 30.05.2013
Hanseatisches Oberlandesgericht, 11 U 184/13, 08.11.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I I Z B 2 3 / 1 3
vom
27. Januar 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fc, Fd
Ist der Zugriff auf einen ausschließlich elektronisch geführten Fristenkalender wegen
eines technischen Defekts einen ganzen Arbeitstag lang nicht möglich, kann es die
Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangen, dass die dem
Rechtsanwalt vorliegenden Handakten auf etwaige Fristabläufe hin kontrolliert werden.
BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - II ZB 23/13 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe sowie die
Richter Dr. Drescher, Born und Sunder

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 8. November 2013 wird auf ihre Kosten verworfen. Beschwerdewert: bis zu 19.000 €

Gründe:

1
I. Die Klägerin verfolgt Ansprüche wegen behaupteter Prospektfehler und angeblich fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Beklagten als atypische stille Gesellschafterin. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wurde ihr am 5. Juni 2013 zugestellt. Am 2. Juli 2013 legte sie Berufung ein. Mit Telefax vom 7. August 2013 beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und begründete die Berufung. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs führte sie aus, aufgrund eines Totalausfalls des Computersystems im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten am Montag, dem 5. August 2013 sei es nicht möglich gewesen, den Fristenkalender und die Fristabläufe einzusehen und zu bearbeiten. Der Hauptserver, an dem sämtliche Computer der Kanzlei hingen, sei bei dem Unwetter am Wochenende vom 2. August bis 4. August 2013 so schwer beschädigt worden, dass die Festplatte habe ausgetauscht werden müssen. Das Computersystem habe erst am Vormittag des 6. August 2013 durch den zuständigen Computertechniker soweit hergestellt werden können, dass ein Arbeiten wieder möglich geworden sei. Ein physischer Fristenkalender habe nicht bestanden. In der Kanzlei werde ausschließlich mit elektronischem Kalender gearbeitet.
2
Nachdem das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass es die Angaben in dem Wiedereinsetzungsgesuch für unzureichend halte, hat die Klägerin ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 20. August 2013 vertieft: Die Kanzlei ihrer in M. ansässigen Prozessbevollmächtigten arbeite mit dem Anwaltsprogramm WinMacs. Alle Akten der Kanzlei würden elektronisch innerhalb dieses Anwaltsprogramms geführt. Auch der Fristenkalender werde ausschließlich elektronisch in diesem Programm geführt. Das Programm sei zentral auf dem Terminalserver in den Kanzleiräumen in R. gespeichert. Erst wenn man sich über den Terminalserver bei WinMacs anmelde, habe man Zugriff auf die Akten und den Fristenkalender. Der Server habe sich aufgrund des am Wochenende eingetretenen Schadens am Morgen des 5. August 2013 nicht hochfahren lassen. Der unverzüglich beauftragte Computertechniker habe den ganzen Tag versucht, das Problem zu beheben. Da es sich aber um ein größeres Problem gehandelt habe, welches bis zum heutigen Tag nicht endgültig habe behoben werden können, sei es erst am 6. August 2013 gelungen, den Serverzugang soweit herzustellen, dass auf WinMacs habe zugegriffen werden können.
3
In einem Parallelverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag - II ZB 21/13) habe deshalb am 5. August 2013 handschriftlich ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden können, weil der Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser Fristablauf aus dem Gedächtnis bekannt gewesen sei. Im vorliegenden Verfahren sei ihrer Prozessbevollmächtigten aufgrund der Vielzahl von Fristabläufen nicht aus dem Gedächtnis bekannt gewesen, dass diese Frist ebenfalls am 5. August 2013 ablaufen werde. Da im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts bekanntlich eine große Masse an Fällen parallel bearbeitet würde, sei es auch bei größtmöglicher Sorgfalt nicht möglich, alle Fristabläufe auswendig im Kopf zu haben. Auf weitere Nachfrage des Gerichts hat die Klägerin ihr Vorbringen weiter dahin ergänzt, dass der Server zum Datum der Vorfrist am 29. Juli 2013 noch funktioniert habe.
4
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
5
II. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig , weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss auch nicht den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 6 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.
6
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Es sei auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin davon auszugehen, dass der sachbearbeitenden Rechtsanwältin die Handakte des vorliegenden Berufungsverfahrens aufgrund der auf den 29. Juli 2013 notierten Vorfrist an diesem Tag zur Bearbeitung vorgelegt worden sei. Dass die Handakte von der sachbearbeitenden Rechtsanwältin nachfolgend wieder zur erneuten Wiedervorlage erst auf den 5. August 2013, den Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist , wegverfügt worden wäre, sei weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Bei dieser Sachlage sei es der sachbearbeitenden Rechtsanwältin in Kenntnis des Serverausfalls aber noch am 5. August 2013 unschwer möglich gewesen, zumindest die ihr vorliegenden Handakten händisch auf etwaige bevorstehende Fristabläufe zu kontrollieren. Dass mit derartigen Fristabläufen zu rechnen gewesen sei, sei der sachbearbeitenden Rechtsanwältin aufgrund des ihr in dem Parallelverfahren erinnerlichen Fristablaufs ebenfalls am 5. August 2013 bekannt gewesen und habe sich auch bereits daraus ergeben, dass die ihr in den Vortagen zur Bearbeitung vorgelegten Handakten naturgemäß zumindest zum Teil ebenfalls aufgrund entsprechend notierter Vorfristen vorgelegt worden seien. Dass es der sachbearbeitenden Rechtsanwältin gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Mitarbeiter in der Zeit vom Morgen des 5. August 2013 bis zum Ende dieses Tages nicht möglich gewesen wäre, auch nur die ihr vorliegenden Handakten auf entsprechende Fristabläufe hin zu prüfen, sei trotz der mit richterlicher Verfügung vom 29. August 2013 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergangenen Aufforderung zur ergänzenden Darlegung nicht ausreichend dargetan worden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen, es seien in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten an jedem Tag „extrem viele“ Fristabläufe zu beachten und zu bearbeiten, ersetze entsprechende Darlegungen und deren Glaubhaftmachung nicht.
7
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 Satz 1 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil nicht auszuschließen ist, dass an der Fristversäumung ursächlich eine schuldhafte Pflichtenverletzung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgewirkt hat; diese muss sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Die Klägerin hat nicht dargetan , dass ihre Prozessbevollmächtigte das ihr Mögliche und Zumutbare zur Fristwahrung getan hat, als am 5. August 2013 der Zugriff auf den Fristenkalender aufgrund eines Computerdefekts nicht möglich war.
8
a) Nach gefestigter Rechtsprechung verlangt die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6). Ein bestimmtes Verfahren ist inso- weit zwar weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Auf welche Weise der Anwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6 mwN). Sämtliche organisatorischen Maßnahmen müssen aber so beschaffen sein, dass auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs, etwa durch Überlastung oder Erkrankung der zuständigen Angestellten, Verzögerungen der anwaltlichen Bearbeitung oder ähnliche Umstände, bei Anlegung eines äußersten Sorgfaltsmaßstabs die Einhaltung der anstehenden Frist gewährleistet ist (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2010 - VIII ZB 12/10, NJW 2010, 3305 Rn. 12; Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6).
9
Führt der Anwalt einen elektronischen Kalender, darf diese Organisation keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583; Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957; Beschluss vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und XI ZB 2XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12; Beschluss vom 21. Dezember 2010 - IX ZB 115/10, HFR 2011, 706 Rn. 9; Beschluss vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745 Rn. 7; Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; Beschluss vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 10). Das Gleiche gilt für die Handakte; wird diese allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102 Rn. 13).
10
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen , dass der sachbearbeitenden Rechtsanwältin die Handakte des vorliegenden Berufungsverfahrens aufgrund der auf den 29. Juli 2013 notierten Vorfrist an diesem Tag zur Bearbeitung vorgelegt wurde und es weder dargelegt noch glaubhaft gemacht ist, dass die Handakte von der sachbearbeitenden Rechtsanwältin nachfolgend wieder zur erneuten Wiedervorlage erst auf den 5. August 2013 wegverfügt wurde. Für die rechtliche Beurteilung im Rechtsbeschwerdeverfahren ist von diesen von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen auszugehen.
11
Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht überspannt, wenn es von der sachbearbeitenden Rechtsanwältin erwartet, dass die ihr vorliegenden - nicht alle, wie die Rechtsbeschwerde unterstellt - Handakten händisch auf etwaige Fristabläufe hin kontrolliert werden. Treten Störungen in der Organisation des Büros auf, die dazu führen können, dass die Pflichten des Anwalts bei der Fristenkontrolle nicht erfüllt werden, erhöhen sich seine Sorgfaltspflichten. Er muss sicherstellen , dass seine Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn das zur Fristenkontrolle eingerichtete System aufgrund eines Computerdefekts vorübergehend nicht zuverlässig funktioniert (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 1965 - II ZB 11/64, VersR 1965, 596 f.; Beschluss vom 26. August 1999 - VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783; Beschluss vom 15. September 2014 - II ZB 12/13, juris Rn. 13; BFH, Beschluss vom 23. Dezember 2005 - VI R 79/04, BFH/NV 2006, 787 Rn. 12; Beschluss vom 17. Juli 2006 - VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876 Rn. 7). Die Durchsicht der vorgelegten Handakten drängt sich insbesondere deshalb auf, weil die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen ist (statt anderer Nachweise BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 9), so dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin damit rechnen musste, dass sich unter den ihr vorliegenden Handakten solche befinden, die ihr aufgrund der Vorfrist im Hinblick auf den bevorstehenden Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden sind. Dies gilt vorliegend erst recht, weil nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen der Klägerin mit solchen Fristabläufen konkret zu rechnen gewesen ist.
12
Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargelegt, dass ihrer Prozessbevollmächtigten die händische Durchsicht der ihr vorliegenden Handakten auf Fristabläufe tatsächlich nicht möglich gewesen wäre, sondern sie hat nur ohne die eine Beurteilung ermöglichende Substanz behauptet, es seien in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten an jedem Tag „extrem viele“ Fristabläufe zu beachten und zu bearbeiten gewesen.
13
c) Danach kommt es nicht darauf an, ob das von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Wiedereinsetzungsvorbringen den Anforderungen genügt , die im Falle eines auf einen vorübergehenden Computerabsturz gestützten Wiedereinsetzungsantrags an die substantiierter Darlegung der Art des Defekts und seiner Behebung zu stellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 Rn. 8; BFH, Beschluss vom 23. Dezember 2005 - VI R 79/04, BFH/NV 2006, 787 Rn. 14; Beschluss vom 17. Juli 2006 - VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876 Rn. 5). Denn das der Klägerin zuzurechnende Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten liegt nicht in dem Ver- such der Beseitigung der Überspannungsschäden an dem Kanzleiserver.
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 30.05.2013 - 316 O 53/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.11.2013 - 11 U 184/13 -

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I I Z B 2 1 / 1 3
vom
27. Januar 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fc, Fd
Ist der Zugriff auf einen ausschließlich elektronisch geführten Fristenkalender wegen
eines technischen Defekts vorübergehend nicht störungsfrei gewährleistet, kann die
Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen die Umstellung auf eine manuelle
Fristenkontrolle gebieten.
BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - II ZB 21/13 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe sowie die
Richter Dr. Drescher, Born und Sunder

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 15. Oktober 2013 wird auf seine Kosten verworfen. Beschwerdewert: bis zu 30.000 €

Gründe:

1
I. Der Kläger verfolgt Ansprüche wegen behaupteter Prospektfehler und angeblich fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Beklagten als atypischer stiller Gesellschafter. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wurde ihm am 5. Juni 2013 zugestellt. Am 2. Juli 2013 legte er Berufung ein. Mit handschriftlichem Telefax vom 5. August 2013 beantragte der Kläger, die Berufungsbegründungsfrist „um 2 Wochen, bis einschließlich 19.08.13 zu verlängern.“ ZurBegründung führten seine Prozessbevollmächtigten aus, aufgrund eines Totalausfalls des Servers könne die Berufungsbegründung nicht fristgemäß bearbeitet und eingereicht werden. Sobald die Computer wieder funktionstüchtig seien, würden sie den Fristverlängerungsantrag per Computerschrift nochmals einreichen. Mit weiterem Telefax vom 6. August 2013 wurde der Fristverlängerungsantrag wiederholt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde durch Verfügung des Vorsitzenden vom 6. August 2013 antragsgemäß bis zum 19. August 2013 verlängert. Die Verfügung wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. August 2013 zugestellt.
2
Mit Telefax vom 20. August 2013 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung führte er aus: Wie dem Berufungsgericht bereits bekannt sei, sei der Terminalserver seiner in M. ansässigen Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines Unwetters am Wochenende vom 2. August 2013 bis 4. August 2013 beschädigt worden. In der Folgezeit sei es an einigen Tagen zu einem Totalausfall des Servers und damit verbunden zu einem kompletten Ausschluss des Zugriffs auf die Anwaltssoftware der Kanzlei gekommen. Alle Akten der Kanzlei würden elektronisch innerhalb des Anwaltsprogramms WinMacs geführt. Auch der Fristenkalender werde ausschließlich elektronisch in diesem Programm geführt. Das Programm sei zentral auf dem Terminalserver in den Kanzleiräumen in R. gespeichert. Erst wenn man sich über den Terminalserver bei WinMacs anmelde, habe man Zugriff auf die Akten und den Fristenkalender. Der Server habe sich aufgrund des am Wochenende eingetretenen Schadens am Morgen des 5. August 2013 nicht hochfahren lassen. Der unverzüglich beauftragte Computertechniker habe den ganzen Tag versucht, das Problem zu lösen. Zwischenzeitlich sei es gelungen, den Zugriff zu ermöglichen, so dass ab dem 6. August 2013 wieder, wenn auch mit erheblichen Einschränkungen, habe gearbeitet werden können. Das Problem habe aber bis zum heutigen Tag nicht abschließend gelöst werden können. Die komplette letzte Woche sei es nur eingeschränkt möglich gewesen, sich auf dem Server anzumelden und auf den Fristenkalender zuzugreifen. Am 16. August 2013 sei es trotz ständigen Arbei- tens des Technikers an dem Problem des Servers wieder zu einem Totalausfall gekommen. Erst am Nachmittag des 20. August 2013 habe der Zugang soweit hergestellt werden können, dass auf den Fristenkalender eingeschränkt, aber auch nur von Computern am Standort in R. wieder habe zugegriffen werden können. Somit habe auch erst an diesem Nachmittag der Fristablauf in dieser Sache am gestrigen Tag festgestellt werden können.
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Mit Schriftsatz vom 25. August 2013, bei Gericht eingegangen am 28. August 2013, wurde die Berufung des Klägers begründet. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
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II. Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig , weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss auch nicht den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 6 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.
5
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers und der zur Glaubhaftmachung eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Inhabers des mit der Betreuung der Computeranlage beauftragten Serviceunternehmens habe die Funktionsfähigkeit der Computeranlage der Prozessbevollmächtigten des Klägers nach dem am ersten Augustwochenende eingetretenen Totalausfall des Servers am 6. August 2013 nur eingeschränkt wiederhergestellt werden können. Bei dieser Sachlage habe es nicht der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entsprochen und sich deshalb als mindestens fahrlässig schuldhaft dargestellt, dass der Ablauf der antragsgemäß bis zum 19. August 2013 verlängerten Frist zur Berufungsbegründung wiederum ausschließlich in dem EDV-gestützten Fristenkalender der Prozessbevollmächtigten des Klägers notiert worden sei. In Anbetracht der nach dem 5. August 2013 ersichtlich zu keinem Zeitpunkt uneingeschränkt wiederhergestellten Funktionsfähigkeit der Computeranlage hätte demgegenüber vielmehr Veranlassung bestanden, die Wahrung der bis zum 19. August 2013 verlängerten Berufungsbegründungsfrist unabhängig von der erkannt nur eingeschränkt wiederhergestellten Funktionsfähigkeit der in Rede stehenden Computeranlage sicherzustellen.
6
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 Satz 1 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil nicht auszuschließen ist, dass an der Fristversäumung ursächlich ein Organisationsverschulden der Pro- zessbevollmächtigten des Klägers mitgewirkt hat; dieses muss sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Der Kläger hat nicht dargetan, dass im Büro seiner Prozessbevollmächtigten ausreichende Vorkehrungen zur Fristenkontrolle für den Fall getroffen sind, dass der uneingeschränkte Zugriff auf den elektronischen Fristenkalender wegen eines Computerdefekts über einen längeren Zeitraum nicht gewährleistet ist.
7
a) Nach gefestigter Rechtsprechung verlangt die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6). Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit zwar weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Auf welche Weise der Anwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6 mwN). Sämtliche organisatorischen Maßnahmen müssen aber so beschaffen sein, dass auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs, etwa durch Überlastung oder Erkrankung der zuständigen Angestellten, Verzögerungen der anwaltlichen Bearbeitung oder ähnliche Umstände, bei Anlegung eines äußersten Sorgfaltsmaßstabs die Einhaltung der anstehenden Frist gewährleistet ist (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2010 - VIII ZB 12/10, NJW 2010, 3305 Rn. 12; Beschluss vom 13. Juli 2010 – VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6).
8
Führt der Anwalt einen elektronischen Kalender, darf diese Organisation keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583; Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957; Beschluss vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und XI ZB 2XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12; Beschluss vom 21. Dezember 2010 - IX ZB 115/10, HFR 2011, 706 Rn. 9; Beschluss vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745 Rn. 7; Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; Beschluss vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 10). Das Gleiche gilt für die Handakte; wird diese allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102 Rn. 13).
9
b) Der Kläger hat, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, nicht dargelegt, dass seine Prozessbevollmächtigten diese Sorgfaltsanforderungen erfüllt haben.
10
aa) Nach der eidesstattlichen Versicherung des Inhabers des mit der Installation , Überwachung und Reparatur des Servers betrauten Computerunternehmens gelang es diesem trotz erheblichen Aufwands nicht, den Server am 5. August 2013, dem Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, zu reparieren. Erst gegen Mittag des 6. August 2013 konnte durch den Austausch defekter Teile die Funktionsfähigkeit des Servers soweit hergestellt werden, dass er wieder hochgefahren werden konnte. Allerdings war ein Arbeiten auf dem Server nach wie vor nur mit erheblichen Einschränkungen möglich, da nicht alle Defekte beseitigt werden konnten. Vom Kanzleistandort der Prozessbevollmächtigten des Klägers in M. aus war nur ein eingeschränkter Zugriff auf den Server in R. möglich. Spätestens bei diesem Sachstand war eine zusätzliche Fristensicherung zwingend erforderlich. Die Prozessbevollmächtigten wären verpflichtet gewesen, durch geeignete Maßnahmen, namentlich der Umstellung auf eine manuelle Fristenkontrolle, sicherzustellen, dass die antragsgemäß verlängerte Frist gewahrt wird. Da es den Prozessbevollmächtigten des Klägers möglich war, trotz des Totalausfalls des Servers am Montag dem 5. August 2013 einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu stellen, war ihnen auch die manuelle Überwachung der verlängerten Frist möglich.
11
Eine solche zusätzliche Sicherung wurde auch in der Folge nicht entbehrlich , sondern vielmehr noch dringlicher, weil das Computerproblem bis zum Tag des Ablaufs der verlängerten Frist zwei Wochen nach Auftreten der ersten Störung nicht vollständig beseitigt werden konnte, insbesondere am M. Standort erhebliche Probleme auftraten und die Verbindung des Servers vom Kanzleistandort in R. zum Kanzleistandort in M. immer wieder abriss. Da also im vorliegend relevanten Zeitraum von M. aus kein ungestörter Zugriff auf den zur Fristenkontrolle notwendigen Server möglich gewesen ist, war es fahrlässig, sich weiterhin allein auf dieses Kontrollsystem zu verlassen. Nachdem es dann am 16. August 2013 erneut zum Totalausfall des Servers gekommen war, konnte dieser am 20. August 2013 wiederum nur eingeschränkt repariert werden, und zwar soweit, dass lediglich am R. Standort eingeschränkt auf den Server zugegriffen werden konnte und vom M. Standort aus gar nicht.
12
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde überspannt die Forderung nach der Einführung einer temporären parallelen manuellen Fristenkontrolle vorliegend nicht die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern diese stellt eine zumutbare Maßnahme dar. Treten Störungen in der Organisation des Büros auf, die dazu führen können, dass die Pflichten des Anwalts bei der Fristenkontrolle nicht erfüllt werden, erhöhen sich seine Sorgfaltspflichten (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 1965 - II ZB 11/64, VersR 1965, 596 f.; Beschluss vom 26. August 1999 - VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783; Beschluss vom 15. September 2014 - II ZB 12/13, juris Rn. 13; BFH, Beschluss vom 23. Dezember 2005 - VI R 79/04, BFH/NV 2006, 787 Rn. 12). Der Prozessbevollmächtigte muss sicherstellen, dass seine Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn das zur Fristenkontrolle eingerichtete System aufgrund eines Computerdefekts vorübergehend nicht zuverlässig funktioniert.
13
c) Danach kommt es nicht darauf an, ob das von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Wiedereinsetzungsvorbringen den Anforderungen genügt , die im Falle eines auf einen vorübergehenden Computerabsturz gestützten Wiedereinsetzungsantrags an die substantiierte Darlegung der Art des Defekts und seiner Behebung zu stellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 Rn. 8; BFH, Beschluss vom 23. Dezember 2005 - VI R 79/04, BFH/NV 2006, 787 Rn. 14; Beschluss vom 17. Juli 2006 - VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876 Rn. 5). Denn das dem Kläger zuzurechnende Verschulden seines Prozessbevollmächtigten liegt nicht in dem über geraume Zeit untauglichen Versuch der nachhaltigen Beseitigung der Überspannungsschäden an dem Kanzleiserver, sondern in dem vollständigen Unterlassen paralleler manueller Sicherungsmaßnahmen bei schadensbedingt unzu- verlässiger elektronischer Fristenkontrolle.
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.05.2013 - 322 O 67/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 15.10.2013 - 11 U 183/13 -

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

6
1. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 6 mwN). Auch beruht die angefochtene Entscheidung - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht auf einem grundlegenden Fehlverständnis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 12/10
vom
11. August 2010
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. August 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter
Dr. Achilles und die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Die Gehörsrüge des Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 22. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat in dem Beschluss vom 22. Juni 2010 das von der Gehörsrüge als übergangen gerügte Vorbringen geprüft, aber aus rechtlichen Gründen nicht für maßgeblich erachtet.
2
Das Gebot des rechtlichen Gehörs schützt regelmäßig nicht davor, dass das Gericht einen tatsächlichen Umstand aus Rechtsgründen unberücksichtigt lässt oder ihm in materiell-rechtlicher Hinsicht eine andere Bedeutung als die Partei beimisst (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. März 2008 - VI ZR 57/07, GesR 2008, 361 m.w.N.; BVerfG, DVBl 2007, 253 ff.). Der Senat hat auch nicht den Kern des Vorbringens des Beklagten verkannt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist seinem Vortrag, die zuständige Kanzleikraft habe anstelle des auf der Zustellungsurkunde vermerkten Zustelldatums versehentlich und fehlerhaft den 5. Februar 2009 - das Datum des Eingangsstempels - notiert, nicht (implizit) zu entnehmen, dass der Beklagtenvertreter die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um das Auftreten eines solchen Feh- lers bei der Fristenerfassung von vornherein zu verhindern. Sein weiteres Vorbringen , die fehlerhafte Notierung wäre auch bei einer ordnungsgemäßen Organisation des Fristenwesens eingetreten, ist bereits deswegen ohne Substanz, weil der Beklagte keine näheren Angaben zu den Gründen des Fehlverhaltens der Kanzleikraft seines Prozessbevollmächtigten gemacht hat.
3
Der Senat war auch nicht gehalten, den Beklagten darauf hinzuweisen, dass sein - im Beschwerdeverfahren ergänztes - Vorbringen den Anforderungen an die Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes nach wie vor nicht genügte. Zum einen hat der Senat keine überraschenden Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts gestellt, sondern nur die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen. Zum anderen hat die Klägerseite von vornherein die unzureichende Darlegung der Büroorganisation gerügt. Ohnehin verkennt der Beklagte, dass unterlassene Hinweise nur unter der - hier nicht einschlägigen - Voraussetzung mit einer Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gleichzusetzen sind, dass das Gericht auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt oder Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. etwa BVerfGE 108, 314, 345 f.; BVerfG, NJW 2003, 2524; BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03, juris, Rdnr. 11).
Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Fetzer

Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 29.09.2009 - 35 C 669/09 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 23.12.2009 - 13 S 220/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 1/00
vom
2. März 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Wenn bei einer elektronischen Kalenderführung die versehentliche Kennzeichnung
einer Frist als erledigt dazu führt, daß die Sache am Tage des Fristablaufs im Fristenkalender
gar nicht mehr auftaucht, so daß bei einer Endkontrolle die versehentliche
Löschung nicht erkannt werden kann, so genügt die Kalenderführung nicht den
Anforderungen einer ordnungsgemäßen Büroorganisation.
BGH, Beschl. v. 2. März 2000 - V ZB 1/00 - OLG Koblenz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. März 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Schneider,
Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. November 1999 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 7.700 DM

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts vom 6. Juli 1999 ist die auf Beseitigung verschiedener Gebäude und Anlagen gerichtete Klage teilweise abgewiesen worden. Gegen dieses dem Kläger am 8. Juli 1999 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 9. August 1999, am selben Tage , einem Montag, bei Gericht eingegangen, Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet. Hierauf am 10. September 1999 vom Oberlandesgericht aufmerksam gemacht, hat er mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 23. September 1999, am selben Tage bei Gericht eingegangen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet.
Zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht: Die Berufungsbegründungsfrist vom 9. September 1999 und die Vorfrist zum 2. September 1999 seien ordnungsgemäß in einem EDV-Fristenkalender notiert worden. Die mit der Überwachung der Fristen betraute Sekretärin des sachbearbeitenden Rechtsanwalts habe am 2. September 1999 festgestellt, daß die Handakte in Bearbeitung gewesen sei, da die Gerichtsakten eingegangen und zu kopieren gewesen seien. Sie habe dies auf der Fristenliste notiert. Die Akte habe sodann dem Anwalt vorgelegt werden sollen. In der Fristenliste vom 9. September 1999 sei die Frist dann nicht mehr verzeichnet gewesen, weil sie in der Datenverarbeitung mit einem Erledigungsvermerk versehen gewesen sei. Wie es hierzu gekommen sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Nach der für die Behandlung von Fristen getroffenen schriftlich niedergelegten Verfahrensanweisung durften Fristen mit einem Erledigungsvermerk nur dann versehen werden, wenn das Belegexemplar des fristwahrenden Schriftstücks von der Empfangsstelle quittiert, der Handakte zugeordnet worden sei oder der Empfänger am Tage des Fristablaufs den Zugang telefonisch bestätigt habe. Bei durch Telefax übermittelten Schreiben müsse das Übertragungsprotokoll auf vollständige und ordnungsgemäße Übertragung überprüft werden, bevor der Erledigungsvermerk in der Datenverarbeitung angebracht werden dürfe. Im konkreten Fall müsse die Sekretärin gegen diese Grundsätze verstoßen haben.
Durch Beschluß vom 24. November 1999 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 28. Dezember 1999 zugestellten Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nach § 233 ZPO setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus , daß die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Fristversäumung beruht auf einem Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.
Dem Kläger ist zuzugeben, daß die schriftlichen Anweisungen, nach denen die Sekretärin im Büro seines Prozeßbevollmächtigten bei der Behandlung von Fristensachen zu verfahren hatte, geeignet sind sicherzustellen, daß die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist. Damit genügt der Anwalt aber noch nicht seiner Organisationspflicht. Er muß vielmehr auch Vorkehrungen dagegen treffen, daß durch versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender Fristen versäumt werden (BGH, Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, BGHR ZPO § 233, Ausgangskontrolle 5; Beschl. v. 10. Juli 1997, IX ZB 57/97, NJW 1997, 3177, 3178, jew. m.w.N.). Dazu gehört eine Anordnung , durch die gewährleistet wird, daß am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH, Beschl. v. 2. Dezember 1996, II ZB 19/96, NJW-RR 1997, 562). Nur so kann festgestellt werden, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht.
Eine solche Kontrolle sehen die Büroanweisungen nicht vor. Sie wäre nach der von der Sekretärin in ihrer eidesstattlichen Versicherung geschilderten Verfahrensweise auch erfolglos, da die Fristen, wenn sie in der Datenverarbeitung als erledigt eingetragen worden sind, in der entsprechenden Fristenliste des Tages des Fristablaufs nicht mehr auftauchen. Damit kann eine versehentlich als erledigt vermerkte Frist als solche später nicht mehr erkannt werden. Anders als bei einem manuell geführten Fristenkalender, aus dem die Frist, auch wenn sie gestrichen ist, noch ersichtlich und bei der Endkontrolle überprüfbar ist, besteht bei der elektronischen Kalenderführung, wie sie hier ausgestaltet ist, eine vermeidbare Unsicherheit. Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf aber keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1998, II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein
9
Den Klägervertreter trifft an der Nichteinhaltung der Berufungsfrist ein eigenes Organisationsverschulden, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Kläger zuzurechnen ist. Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht zu entnehmen, wo- durch sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor der irrtümlichen Löschung aller Fristen, wie sie hier nach der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten E. vom 25. Februar 2010 erfolgt ist, geschützt hat. Der elektronische Fristenkalender muss so geführt werden, dass er dieselbe Überprüfungssicherheit bietet, wie ein herkömmlicher Kalender (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1998, II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583). Es muss sichergestellt sein, dass keine versehentlichen Eintragungen oder Löschungen erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 1996, III ZB 13/96, BGHR ZPO § 233, Ausgangskontrolle 5; vom 10. Juli 1997, IX ZB 57/97, NJW 1997, 3177, 3178; vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957, jew. m.w.N.). Der Klägervertreter hat nicht dargelegt, welche Sicherungen es vorliegend gegen ein unbeabsichtigtes Löschen von Fristen gab. Entsprechender Vortrag, der zum Kern der Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes gehört hätte, kann im Ver- fahren der Rechtsbeschwerde nicht mehr nachgeholt werden. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Berufungsbegründung kommt deshalb nicht in Betracht.
8
Die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten darf nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert , ist darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Denn bei der Eingabe der Datensätze bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. März 1995 - VII ZB 3/95, NJW 1995, 1756, 1757; vom 20. Februar 1997 - IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583; vom 12. Dezember 2005 - II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500 Rn. 4; vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl., § 233 Rn. 126 "EDV", "Elektronischer Kalender"; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 16d, 44; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 64; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 21; Zöller /Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Fristenbehandlung"; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 37 "Fristeneinhaltung" unter g bb).
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1. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 6 mwN). Auch beruht die angefochtene Entscheidung - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht auf einem grundlegenden Fehlverständnis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
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bb) Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Handakte des Rechtsanwalts in herkömmlicher Form als Papierakte oder aber als elektronische Akte geführt wird. Wie die Vorschrift des § 50 Abs. 5 BRAO zeigt, kann sich ein Rechtsanwalt zum Führen der Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bedienen. Entscheidet er sich hierfür, muss die elektronische Handakte jedoch ihrem Inhalt nach der herkömmlichen entsprechen und insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können. Wie die elektronische Fristenkalenderführung gegenüber dem herkömmlichen Fristenkalender darf auch die elektronische Handakte grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant (vgl. BGH Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11 - FamRZ 2012, 1133 Rn. 8; Jungk AnwBl 2014, 84).
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aa) Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, MDR 2010, 533 Rn. 7; Beschluss vom 22. März 2011 - II ZB 19/09, NJW 2011, 1598 Rn. 12, beide m.w.N.). Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist deswegen - im Gegensatz zur Berufungsfrist - nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen (BGH, Beschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 82/07, NJW-RR 2008, 76 Rn. 14 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 22/03
vom
17. Mai 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf die unerwartet lange Dauer einer Telefaxübermittlung
gestützt, hat das Gericht die zum Vergleich vorgelegten
Sendeberichte zu würdigen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Februar 2001 - V ZB
33/00, NJW-RR 2001, 916).

b) Ein auf einen vorübergehenden "Computer-Defekt" oder "Computer-Absturz"
gestützter Wiedereinsetzungsantrag bedarf näherer Darlegungen zur Art des
Defekts und seiner Behebung.
BGH, Beschluß vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Mai 2004 durch
die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Münke, Dr. Strohn und Caliebe

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I. Die von dem Kläger einzuhaltende Berufungsbegründungsfrist lief am 3. März 2003 ab. Die letzte, u.a. die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Klägers enthaltende Seite der per Fax an das Oberlandesgericht übermittelten Berufungsbegründung wurde nach den automatischen Aufzeichnungen des Empfangsgerätes, das über eine funkgesteuerte Zeitmessung verfügt, am 4. März 2003 00.01 Uhr empfangen und elektronisch abgespeichert. Die Übertragungszeit für 34 Seiten betrug nach dem Sendebericht des Klägers 17,51 Min., nach den Aufzeichnungen des Empfangsgeräts 17,55 Min., bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 9.600 Baud. Kurz darauf wurden 2 von bisher fehlenden 5 Seiten der insgesamt 39 seitigen Berufungsbegründung
nachübermittelt und von dem Empfangsgerät um 00.05 Uhr abgespeichert. Der Kläger meint, der Text der nur knapp halbseitig beschriebenen S. 39 mit der Unterschrift müsse von dem Empfangsgerät vor 00.00 Uhr empfangen worden sein. Hilfsweise hat der Kläger, der Rechtsanwalt ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu vorgetragen, er habe die Berufungsbegründung am 3. März vor 24.00 Uhr in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten selbst "(fertig-)geschrieben". Dieser habe sie nach Prüfung unterzeichnet. Sie habe wegen eines "nicht nachvollziehbaren Computerdefektes (Abstürzen der Anlage)" erst um 23.40 Uhr mit ca. 1,5 Std. Verspätung ausgedruckt werden können. Der Defekt der seit mindestens 1,5 Jahren störungsfrei arbeitenden Computeranlage sei nicht vorhersehbar gewesen. Im übrigen hätten der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter aufgrund ihrer bisherigen, durch vorgelegte Sendeberichte belegten Erfahrungen darauf vertraut, daß nicht nur ca. 2, sondern knapp 4 Seiten/Min. "durchgefaxt" werden könnten. Mit der ungewöhnlich langen Übertragungsdauer hätten sie nicht rechnen müssen. Die Richtigkeit dieses Vortrags haben beide anwaltlich versichert.
Das Berufungsgericht hat die Berufungsbegründung für verspätet erachtet und die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
1. Soweit das Berufungsgericht den Eingang der Berufungsbegründung für verspätet erachtet hat, wird dies von dem Beschwerdeführer nicht gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2, 3 ZPO gerügt. Eine Prüfung von Amts wegen findet insoweit in vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht statt, weil dessen Gegenstand allein die gegen den Verwerfungsbeschluß des Berufungsgerichts erhobenen Rügen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 40/03, Umdr. S. 6, 7). Im übrigen ist die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt auch nicht zu beanstanden, weil der Kläger den von ihm zu führenden Nachweis des rechtzeitigen Eingangs seiner Berufungsbegründung mit der die Unterschrift seines Prozeßbevollmächtigten enthaltenden letzten Seite nicht geführt hat und eine Störung des Empfangsgerätes oder eine im technischen Verantwortungsbereich der Empfangsstelle liegende Ungenauigkeit der Zeitmessung nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, WM 1994, 1349). Daß gemäß der vorliegenden Praxis des Oberlandesgerichts München der Zeitpunkt des nächtlichen Eingangs von Faxsendungen wegen der Verwendung eines mit Faxkarte ausgestatteten PC nicht nach demjenigen ihres Ausdrucks, sondern ihrer elektronischen Speicherung bestimmt wird und der Ausdruck regelmäßig erst am nächsten Morgen erfolgt, gereicht dem Kläger jedenfalls nicht zum Nachteil.
2. Das Berufungsgericht meint, die für die Faxübermittlung benötigte Zeit von 17,55 Min. sei für den Kläger oder dessen Prozeßbevollmächtigten vorhersehbar gewesen und ergebe daher keinen Wiedereinsetzungsgrund i.S. von § 233 ZPO. Die Sendezeit hänge von der Zahl der übermittelten Signale, d.h. der Schriftzeichen, ab. Die vorgetragene Differenz von 2 gegenüber 3 Seiten /Min. (= Minimaldifferenz) halte sich im erwartbaren Variationsbereich und sei als Sicherheitskarenz zu berücksichtigen gewesen.
Diese Begründung steht mit den im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2001 (V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916) aufgestellten Grundsätzen nicht in Einklang und verkürzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG), was die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eröffnet (vgl. BGHZ 151, 221; BGH, Beschl. v. 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Abgesehen davon, daß der Kläger eine Differenz von mehr als 1 Seite/Min. geltend gemacht hat, hätte das Berufungsgericht nach dem Beschluß vom 1. Februar 2001 aaO prüfen müssen , ob die mit dem Wiedereinsetzungsantrag und später zur Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO) vorgelegten Sendeberichte nach Art und Empfänger der Sendungen mit der hier maßgeblichen Sendung vergleichbar sind. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, worauf sich seine Annahme stützt, die vorgetragene Differenz von 2 zu ca. 3,5 Seiten/Min. (75 %) halte sich im vorhersehbaren Variationsbereich (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99, NJW 2001, 1566 f.). Dies hängt, wie bei dem erkennenden Senat gerichtsbekannt ist, nicht nur von der Anzahl der übermittelten (mit den Schriftzeichen nicht identischen) Signale, sondern auch von der zu erwartenden Übertragungsgeschwindigkeit ab. Andererseits schließt das nicht aus, daß bei der Faxübermittlung eine gewisse Zeitreserve einzukalkulieren ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. November 1999 - 2 BvR 565/98, NJW 2000, 574).
Eine eigene Sachentscheidung hierüber ist dem Senat verwehrt, weil es dazu noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf (§ 577 Abs. 4 ZPO).
3. Zugunsten des Klägers zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO) ist die Sache nicht schon im Hinblick auf den von ihm zusätzlich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund des "plötzlichen Abstürzens der Computeranlage".
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers hierzu im Ergebnis zu Recht für nicht hinreichend erachtet, um eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO zu rechtfertigen. Darin liegt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keine Divergenz gegenüber dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 1994 (XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 f. zu 4). Denn dort konnte offenbleiben , ob ein entsprechender Sachvortrag ausreicht, weil er zum einen verspätet vorgebracht (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) und zum anderen nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO) war. Das Berufungsgericht vermißt zu Recht den Vortrag der näheren Umstände des angeblichen Computerdefekts. Insbesondere fehlt jeglicher Vortrag dazu, wann, wie oder bei welcher Verrichtung sich der "nicht nachvollziehbare" Computerdefekt bemerkbar machte und wie es dennoch gelang, ihn nach 1,5 Std. bis 23.40 Uhr wieder zu beheben. Unklar ist weiter, ob mit dem "Abstürzen" ein (teilweiser) Verlust des bisher geschriebenen Textes verbunden war oder z.B. schlicht die Druckerfunktion nicht in Gang gesetzt werden konnte. In diesem Zusammenhang wäre gerade auch Vortrag dazu erforderlich gewesen, ob der Kläger und/oder sein Prozeßbevollmächtigter in die Bedienung des Computers und des Druckers so eingeübt waren , daß sie diese bei ihrer nächtlichen Arbeit ohne Schreibkraft sicher bedienen konnten.
4. Nach allem hängt die Entscheidung der Sache davon ob, ob der Kläger unter den gegebenen Umständen noch mit einer fristgerechten Faxübermittlung rechnen durfte (vgl. oben 2). Zu weiterer Aufklärung dieser Frage ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Goette Kraemer Münke Strohn Caliebe