Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2016 - II ZB 19/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:221116BIIZB19.15.0
bei uns veröffentlicht am22.11.2016
vorgehend
Amtsgericht Mettmann, 40 X 1/15, 23.04.2015
Landgericht Wuppertal, 9 T 127/15, 14.10.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 19/15
vom
22. November 2016
in dem betreuungsgerichtlichen Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Eine Gesellschaft ausländischen Rechts, die infolge der Löschung im Register
ihres Heimatstaates durch eine behördliche Anordnung ihre Rechtsfähigkeit verliert
, besteht für ihr in Deutschland belegenes Vermögen als Restgesellschaft
fort.

b) Wenn einzelne Abwicklungsmaßnahmen in Betracht kommen, ist entsprechend
§ 273 Abs. 4 Satz 1 AktG ein Nachtragsliquidator und nicht entsprechend § 1913
BGB ein Pfleger zu bestellen.
BGH, Beschluss vom 22. November 2016 - II ZB 19/15 - LG Wuppertal
AG Mettmann
ECLI:DE:BGH:2016:221116BIIZB19.15.0

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2016 durch den Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Strohn als Vorsitzenden und die Richterin Caliebe sowie die Richter Wöstmann, Prof. Dr. Drescher und Born
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 14. Oktober 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 1.533.875,64 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligten sind Eigentümer mehrerer Grundstücke, die in dem beim Amtsgericht Mettmann geführten Grundbuch von G. unter Blatt 1524 eingetragen sind. Auf diesen Grundstücken lastet eine Buchgrundschuld zugunsten der Betroffenen, einer Limited mit Sitz in Nassau/Bahamas, in Höhe von 3 Millionen DM.
2
Die Beteiligten tragen vor, dass die Betroffene im Jahr 1990 vom Vater der Beteiligten zu 1 gegründet und im Register von Nassau/Bahamas eingetra- gen worden sei. Seit 1991 habe der Vater der Beteiligten zu 1 sämtliche Anteile nicht mehr für sich, sondern als Treuhänder eines von der Beteiligten zu 1 gegründeten Treuhandvermögens namens "C. Trust No 4" gehalten. Im Dezember 1997 sei der Vater der Beteiligten zu 1 von seiner Funktion als Treuhänder zurückgetreten und habe die für die Kontrolle des Treuhandvermögens erforderlichen Dokumente der Beteiligten zu 1 übersandt. Am 31. August 2002 sei die Betroffene in den Registern der Bahamas wegen nicht beglichener Registergebühren schließlich gelöscht worden.
3
Die Beteiligten beabsichtigten, die Grundstücke zu veräußern, was aber wegen der noch für die Betroffene eingetragenen Grundschuld, die in Vergessenheit geraten sei, unmöglich sei. Da die Betroffene nach Löschung in den Registern der Bahamas nicht mehr existiere, sei zur Erteilung der Löschungsbewilligung die Anordnung einer Pflegschaft gemäß § 1913 BGB für die Betroffene notwendig.
4
Die Beteiligten haben die Anordnung einer Pflegschaft für die Betroffene angeregt. Das Amtsgericht hat die Anordnung abgelehnt. Die von den Beteiligten eingelegte Beschwerde hat das Landgericht wegen fehlender Beschwerdeberechtigung verworfen. Dagegen wenden sich die Beteiligten mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Landgericht , an die der Senat gebunden ist, nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere sind die Beteiligten beschwerdeberechtigt , weil das Landgericht ihre Erstbeschwerde verworfen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 406/13, NJW 2015, 58; Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 624/11, FamRZ 2012, 1131). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
6
1. Das Landgericht ist der Auffassung, dass die Beteiligten keine unmittelbare Beeinträchtigung in subjektiven Rechten gemäß § 59 Abs. 1 FamFG geltend machen könnten. Ein bloßes rechtliches Interesse an der Änderung der Verfügung genüge nicht. Die Beteiligten seien durch die Ablehnung der Anordnung einer Pflegschaft nur als Eigentümer der Grundstücke berührt, und beabsichtigten , mit der Anordnung einer Pflegschaft einen Rechtsstreit gegen die Betroffene zu umgehen. Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung, etwa dass diese ihnen vorenthalten oder erschwert werde, ließen sich damit nicht begründen. Nicht dargetan hätten die Beteiligten ferner, dass ihnen die Löschungsbewilligung durch die Betroffene verweigert oder das Grundbuchamt mit Verweis darauf , die Betroffene existiere nicht mehr, ein Löschungsbegehren zurückgewiesen hätte. Auch ein Fall von § 59 Abs. 2 FamFG liege nicht vor. Selbst bei Annahme eines zulässig eingelegten Rechtsmittels habe die Beschwerde in der Sache aus den vom Amtsgericht dargelegten Gründen keinen Erfolg, wonach schon die tatsächliche Löschung der Betroffenen in den Registern des Gründungsstaates nicht feststellbar sei, und es ferner am notwendigen "Fürsorgebedürfnis" fehle. Zudem sei bei Anwendung sowohl des Rechts des Gründungsstaates als auch deutschen Sachrechts nicht davon auszugehen, dass die Betroffene nach Löschung in den Registern des Staates der Bahamas nicht mehr existiere. Der Inhaber der Grundschuld sei deshalb weder unbekannt noch ungewiss , so dass der Anwendungsbereich des § 1913 BGB nicht eröffnet sei.
7
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass den Beteiligten die Beschwerdeberechtigung fehlt.
8
a) Zur Beschwerde berechtigt ist nach § 59 Abs. 1 FamFG nur, wer durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Das bloße rechtliche Interesse an der Anordnung einer Pflegschaft genügt dafür grundsätzlich nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 623/11, NJW 2012, 2039 Rn. 8). Ausnahmsweise kann die Anordnung einer Pflegschaft zur Wahrung des Rechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch im Interesse eines Dritten geboten sein, so dass der Dritte gegen den Beschluss, mit dem die Anordnung einer Pflegschaft abgelehnt wird, beschwerdeberechtigt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 623/11, NJW 2012, 2039 Rn. 10; Beschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 326/10, NJW 2011, 1739 Rn. 11 zur Anordnung einer Betreuung). Die Ausnahme setzt voraus, dass dem Dritten ohne die Bestellung eines Pflegers der effektive Rechtsschutz abgeschnitten wäre, was bereits im Rahmen der Beschwerdebefugnis darzulegen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 623/11, NJW 2012, 2039 Rn. 10). Die tatsächlichen Grundlagen einer Rechtsbeeinträchtigung, bei denen es sich um doppelrelevante Tatsachen handelt, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Beschwerde entscheidend sind, müssen schlüssig vorgetragen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2012 - II ZB 8/10, ZIP 2012, 1097 Rn. 15 mwN).
9
b) Der Vortrag der Beteiligten, mit dem sie ihr Begehren begründen, trägt nicht die Annahme, dass ihnen ohne die Anordnung einer Pflegschaft gemäß § 1913 BGB der effektive Rechtsschutz zur weiteren Klärung des Fortbestands der auf ihren Grundstücken lastenden Grundschuld abgeschnitten wäre. Die Anordnung einer Pflegschaft nach § 1913 BGB scheidet aus, wenn der rechtliche Träger des Vermögens als solcher bekannt ist und nur seine Organe verhindert oder unbekannt sind (vgl. MünchKommBGB/Schwab, 6. Aufl., § 1913 Rn. 6; Erman/Roth, BGB, 14. Aufl., § 1913 Rn. 2; Beitzke, Festschrift Ballerstedt, 1975, Seite 189, 192; aA OLG Nürnberg NZG 2008, 76, 77 f.).
10
Der rechtliche Träger der auf den Grundstücken lastenden Grundschuld ist nicht unbekannt. Wenn die Betroffene bei Anwendbarkeit des Rechts der Bahamas infolge der Löschung ihre Rechtsfähigkeit verloren hat und damit erloschen war, gilt sie für ihr in Deutschland belegenes Vermögen als fortbestehend. Wenn auf sie dagegen deutsches Recht anwendbar gewesen sein sollte, hätte die von den Beteiligten behauptete Löschung der Betroffenen in den Registern des Staates der Bahamas ebenfalls keine Auswirkung auf ihre Rechtsfähigkeit und ihren Fortbestand.
11
aa) Die Betroffene gilt für ihr in Deutschland belegenes Vermögen als Restgesellschaft als fortbestehend, wenn auf sie das Recht der Bahamas anwendbar ist und sie infolge der Löschung wegen nicht beglichener Registergebühren ihre Rechtsfähigkeit endgültig verloren hat.
12
(1) Eine Gesellschaft ausländischen Rechts, die infolge der Löschung im Register ihres Heimatstaates durch eine behördliche Anordnung ihre Rechtsfähigkeit verliert, besteht für ihr in Deutschland belegenes Vermögen als Restgesellschaft fort.
13
Ein Rechtsträger, der in seinem Heimatstaat infolge staatlicher Zwangseingriffe untergegangen ist, lebt hinsichtlich seines von Zwangsmaßnahmen nicht berührten Vermögens außerhalb seines Heimatstaates weiter, und sei es auch nur zum Zwecke der Liquidation (st.Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1957 - II ZR 318/55, BGHZ 25, 134, 143 f.; Urteil vom 6. Oktober 1960 - VII ZR 136/59, BGHZ 33, 195, 197 f.; Urteil vom 21. Januar 1965 - II ZR 120/62, BGHZ 43, 51, 55 f.; Beschluss vom 1. Juni 1970 - II ZB 4/69, WM 1970, 983, 984; Urteil vom 30. September 1991 - II ZR 47/91, ZIP 1991, 1423, 1424; Beschluss vom 5. März 2007 - II ARZ 2/05, ZIP 2007, 859). Das im Ausland belegene Vermögen wird nicht herrenlos, sondern gehört nach wie vor dem im Interesse der Gesellschafter wie auch der Gläubiger als Restgesellschaft weiterbestehenden Rechtsträger, selbst wenn dieser nach dem Recht seines Heimatstaates erloschen ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1960 - VII ZR 136/59, BGHZ 33, 195, 198; Urteil vom 21. Januar 1965 - II ZR 120/62, BGHZ 43, 51, 55; Urteil vom 5. Mai 1977 - III ZR 2/75, WM 1977, 730, 732).
14
Diese ursprünglich zu Fallgestaltungen staatlicher Enteignungen entwickelten Grundsätze der Rest- und Spaltgesellschaft sind auf im Ausland infolge einer behördlicher Anordnung gelöschte Gesellschaften übertragbar (vgl. schon OLG Stuttgart NJW 1974, 1627; OLG Jena ZIP 2007, 1709, 1710; OLG Nürnberg NZG 2008, 76; OLG Düsseldorf ZIP 2010, 1852; OLG Hamm ZIP 2014, 1426; KG, ZIP 2014, 1755, 1756; OLG Brandenburg, ZIP 2016, 1871; Borges, IPrax 2005, 134, 137; Leible/Lehmann, GmbHR 2007, 1095, 1097; Schwarz, DB 2013, 799, 800; Krömker/Otto, BB 2008, 964). Auch hier stehen einer Behandlung als herrenlose oder rechtsträgerlose Vermögensmasse die Interessen der bisherigen Vermögensinhaber, aber auch der potenziellen Gesellschaftsgläubiger entgegen.
15
(2) Für eine danach bestehende Restgesellschaft kann auch ein Vertretungsorgan bestimmt werden. Wenn einzelne Abwicklungsmaßnahmen in Betracht kommen, ist entsprechend § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG ein Nachtragsliquidator zu bestellen.
16
Eine im Inland entstandene Restgesellschaft ist grundsätzlich nach deutschem Recht zu beurteilen, insbesondere auch abzuwickeln und umzugründen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1962 - II ARZ 2/61, WM 1963, 81, 83; Beschluss vom 1. Juni 1970 - II ZB 4/69, WM 1970, 983, 984; Urteil vom 30. September 1991 - II ZR 47/91, ZIP 1991, 1423; aA OLG Jena, ZIP 2007, 1709, 1711). Zu ihrer Vertretung im Rechtsverkehr sind die Organe der im Ausland untergegangenen Gesellschaft nicht mehr befugt, wenn mit dem Erlöschen der Gesellschaft die Funktion der Organe und infolgedessen auch deren Vertretungsmacht endete (vgl. J. Schmidt, ZIP 2008, 2400, 2401).
17
Die Organe einer Restgesellschaft sind gesellschaftsrechtlich zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 1984 - II ARZ 2/83, WM 1984, 698; Beschluss vom 19. November 1984 - II ARZ 11/84, WM 1985, 126; Beschluss vom 5. März 2007 - II ARZ 2/05, ZIP 2007, 1028, 1029). Dabei ist zu beachten, dass sich der als Restgesellschaft im Inland fortbestehende Rechtsträger in einer Ausnahmesituation befindet, die es rechtfertigt, vorrangig an praktischen Bedürfnissen gemessene Lösungen als wirksam zu behandeln. Selbst wenn sie unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht in Betracht kämen, soll damit der Restgesellschaft die Möglichkeit eröffnet werden, die ihr noch verbliebenen Funktionen und Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 1970 - II ZB 4/69, WM 1970, 983, 984; Urteil vom 30. September 1991 - II ZR 47/91, ZIP 1991, 1423, 1425; Staudinger/Großfeld, BGB, 1998, IntGesR, Rn. 918).
18
Zur Bewältigung von Abwicklungsmaßnahmen bei ursprünglich körperschaftlich strukturierten Gesellschaften ist die Bestellung eines Nachtragsliquidators sachgerecht (vgl. OLG Jena, ZIP 2007, 1709, 1711; J. Schmidt, ZIP 2008, 2400, 2401; Krömker/Otto, BB 2008, 964, 965; Leible/Lehmann, GmbHR 2007, 1095, 1098). Damit lassen sich die Interessen der Beteiligten, der Gesellschaft wie auch potenzieller Gläubiger ausreichend wahren, ohne das Bedürfnis nach einer praktikablen Vorgehensweise zu vernachlässigen. In der vorliegenden Fallgestaltung, wie sie nach dem Vortrag der Beteiligten zu unterstellen ist, dient die Restgesellschaft allein dazu, die rechtliche Klärung über den Fortbestand einer zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld herbeizuführen. Der Betrieb der Gesellschaft im Übrigen war bereits langjährig eingestellt und auch organisatorisch existierte sie nicht mehr.
19
Soweit - wie hier - nur einzelne Abwicklungsmaßnahmen in Betracht kommen, ist § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1988 - II ZR 92/88, BGHZ 105, 259, 262; Beschluss vom 23. Februar 1970 - II ZB 5/69, BGHZ 53, 264; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 60 Rn. 105). Sind keine anderweitigen Anhaltspunkte vorhanden , ist für die Bestellung des Nachtragsliquidators dasjenige Amtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich das Vermögensrecht befindet (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2007 - II ARZ 2/05, ZIP 2007, 1028, 1029).
20
bb) Anders wäre dies, wenn auf die Betroffene als werbende Gesellschaft deutsches Recht anwendbar wäre. Bei einer Einordnung der Betroffenen in die gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen nach deutschem Recht käme der von den Beteiligten behaupteten Löschung der Betroffenen in den Registern des Staates der Bahamas keine Wirkung für die Rechtsfähigkeit und den Fortbestand zu. Die Vertretung im Rechtsverkehr wäre vielmehr aus der gesellschaftsrechtlichen Einordnung der Betroffenen nach deutschem Recht zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 25 - Trabrennbahn).
21
Bei einer Gesellschaft, die - wie vorliegend nach dem Vortrag der Beteiligten - in einem Drittstaat gegründet worden sein soll, der weder der Europäi- schen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum angehört noch aufgrund von Verträgen hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit gleichgestellt ist, beurteilt sich das Gesellschaftsstatut nach den allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts, denen zufolge für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 12 ff. - Trabrennbahn; Urteil vom 12. Juli 2011 - II ZR 28/10, BGHZ 190, 242 Rn. 16 f.; Urteil vom 8. September 2016 - III ZR 7/15, WM 2016, 1943 Rn. 13).
22
Sollte sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Betroffenen zuletzt in Deutschland befunden haben, wäre die Rechtsfähigkeit der Betroffenen als in einem Drittstaat gegründeter Gesellschaft und daraus folgend auch ihre Vertretung im Rechtsverkehr nach deutschem Recht zu beurteilen. Der Staat der Bahamas gehört weder zur Europäischen Union bzw. zum Europäischen Wirtschaftsraum noch bestehen völkerrechtliche Verträge, denen zufolge eine nach dem Recht des Staates der Bahamas gegründete Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland gleichwohl nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln wäre. Um als Gesellschaft mit beschränkter Haftung rechtsfähig zu sein, hätte die Betroffene im deutschen Handelsregister eingetragen sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 23 - Trabrennbahn; Beschluss vom 8. Oktober 2009 - IX ZR 227/06, ZIP 2009, 2385 Rn. 5). Je nach Ausgestaltung der gesellschaftlichen Organisationsverhältnisse kann eine in einem Drittstaat gegründete Gesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland auch ohne Eintragung im deutschen Handelsregister als rechtsfähige Personengesellschaft, im Fall des Betriebs eines Handelsgewerbes typischerweise als offene Handelsgesellschaft, oder ohne einen solchen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zu behandeln sein (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151, 204, 207; MünchKommBGB/Kindler, IntGesR, 6. Aufl. Rn. 491 ff.). Sollte es an einer gesellschafterlichen Verbundenheit mehrerer Personen fehlen, kommt ein einzelkaufmännisches Unternehmen in individueller Trägerschaft in Betracht(Münch KommBGB/Kindler, IntGesR, 6. Aufl. Rn. 486 ff.).
Strohn Caliebe Wöstmann Drescher Born
Vorinstanzen:
AG Mettmann, Entscheidung vom 23.04.2015 - 40 X 1/15 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 14.10.2015 - 9 T 127/15 -

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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

Aktiengesetz - AktG | § 273 Schluß der Abwicklung


(1) Ist die Abwicklung beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Abwickler den Schluß der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu löschen. (2) Die Bücher und Schriften der Gesellschaft sind a

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(1) Ist die Abwicklung beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Abwickler den Schluß der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu löschen.

(2) Die Bücher und Schriften der Gesellschaft sind an einem vom Gericht bestimmten sicheren Ort zur Aufbewahrung auf zehn Jahre zu hinterlegen.

(3) Das Gericht kann den Aktionären und den Gläubigern die Einsicht der Bücher und Schriften gestatten.

(4) Stellt sich nachträglich heraus, daß weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind, so hat auf Antrag eines Beteiligten das Gericht die bisherigen Abwickler neu zu bestellen oder andere Abwickler zu berufen. § 265 Abs. 4 gilt.

(5) Gegen die Entscheidungen nach den Absätzen 2, 3 und 4 Satz 1 ist die Beschwerde zulässig.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB406/13
vom
8. Oktober 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Staatsanwaltschaft steht im Verfahren über die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft
kein Beschwerderecht nach § 59 Abs. 1 FamFG zu. Ein solches
Recht ergibt sich auch nicht aus einer möglichen Beeinträchtigung des
von der Staatsanwaltschaft wahrgenommenen öffentlichen Strafverfolgungsinteresses.
BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 406/13 - OLG Frankfurt am Main
AG Michelstadt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Senats für Familiensachen in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juli 2013 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 5 (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) führt gegen die Beteiligte zu 3, die Mutter der drei betroffenen Kinder, und deren Lebensgefährten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorgeund Erziehungspflicht. Das Sorgerecht für die Betroffenen steht der Beteiligten zu 3 und dem Beteiligten zu 4 (Vater), der nicht mit der Mutter zusammenlebt, gemeinsam zu. Die Staatsanwaltschaft hat beim Amtsgericht für die betroffenen Kinder die Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Aufgabenkreis Entbindung der behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht beantragt.
2
Das Amtsgericht hat der Mutter für die drei Kinder hinsichtlich der Entscheidung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht das Sorgerecht entzogen und es auf eine Ergänzungspflegerin übertragen. Einen teilwei- sen Entzug der elterlichen Sorge des Vaters und die Bestellung eines Ergänzungspflegers insoweit hat das Amtsgericht abgelehnt.
3
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht wegen fehlender Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft verworfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
1. Die nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch sonst zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft ergibt sich im Rechtsbeschwerdeverfahren bereits daraus, dass deren (Erst-) Beschwerde verworfen worden ist (Senatsbeschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 624/11 - FamRZ 2012, 1131 Rn. 3 mwN).
6
2. Das Beschwerdegericht hat eine Beschwerdebefugnis der Staatsanwaltschaft verneint und zur Begründung seiner in FamRZ 2014, 678 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
7
Zwar sei der Staatsanwaltschaft nach dem bis zum 1. September 2009 geltenden Recht in Fällen wie dem vorliegenden nach § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG bzw. § 20 FGG ein Beschwerderecht zugebilligt worden. Nach § 59 Abs. 1 FamFG stehe die Beschwerde dagegen nur noch demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt sei. Eine bloße Beeinträchtigung von Interessen genüge hierfür nicht. Dadurch unterscheide sich die Neuregelung der Beschwerdeberechtigung von dem früheren Recht. Insbesondere habe § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG in die Neuregelung der Beschwerdebe- rechtigung keinen Eingang gefunden. Über den Fall einer Rechtsbeeinträchtigung hinaus räume § 59 Abs. 3 FamFG Behörden nur bei einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung eine Beschwerdeberechtigung ein.
8
Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des öffentlichen Strafverfolgungsinteresses als in Betracht kommendes rechtlich geschütztes Interesse seien vorliegend nicht erkennbar. Dass aus dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse nicht zwingend ein rechtlich geschütztes Interesse an einer Entscheidung des Sorgeberechtigten zugunsten der Beweiserhebung folge, bedürfe keiner weiteren Begründung. Rechtlich geschützt sei nur das Interesse an der Bestimmung eines Entscheidungsträgers für das Kind, der allein im Interesse des Kindes handele.
9
Nach der erforderlichen tatrichterlichen Gesamtabwägung vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit sei eine Beeinträchtigung der Strafverfolgungsinteressen der Staatsanwaltschaft derzeit nicht erkennbar. Es sei schon zweifelhaft, ob hier ein Interessenwiderstreit mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, denn der sorgeberechtigte Vater sei nicht Beschuldigter des Strafverfahrens und lebe mit der Mutter nicht mehr zusammen. Auch entstehe hier kein Interessenwiderstreit dadurch, dass der Vater selbst Interesse an dem erfolgreichen Ausgang des Strafverfahrens habe. Es bestehe keine hinreichend konkrete Gefahr, dass sich der Vater bei der Entscheidung über die Entbindung der die Kinder behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht nicht von den Interessen der Kinder leiten lasse.
10
3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Staatsanwaltschaft die Beschwerdeberechtigung im Verfahren der Erstbeschwerde fehlt.
11
a) Auf eine Sonderregelung für Behörden nach § 59 Abs. 3 FamFG lässt sich die Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft nicht stützen. Über den Fall einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung hinaus räumt die Vorschrift Behörden nur bei entsprechender besonderer gesetzlicher Anordnung eine Beschwerdeberechtigung ein (Senatsbeschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 624/11 - FamRZ 2012, 1131 Rn. 8). Eine solche Regelung der Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft in Verfahren zur Bestellung eines Ergänzungspflegers findet sich weder im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch in anderen Vorschriften.
12
b) Die Staatsanwaltschaft kann eine Beschwerdeberechtigung gegen die Ablehnung der Ergänzungspflegschaft auch nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG herleiten.
13
aa) Nach dieser Vorschrift, aus der sich für Behörden auch beim Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung i.S.v. § 59 Abs. 3 FamFG eine Beschwerdeberechtigung ergeben kann (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 64), steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
14
Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 326/10 - FamRZ 2011, 465 Rn. 9 mwN). Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren (BGH Beschluss vom 24. April 2013 - IV ZB 42/12 - FamRZ 2013, 1035 Rn. 15 mwN). Eine Beein- trächtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen genügt dagegen nicht (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59Rn. 6). § 59 Abs. 1 FamFG entspricht somit inhaltlich dem früheren § 20 Abs. 1 FGG. Mit der Reform des familiengerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit war im Hinblick auf die Beschwerdeberechtigung gegenüber § 20 Abs. 1 FGG keine inhaltliche Änderung verbunden (Senatsbeschluss vom 9. Januar 2013 - XII ZB 550/11 - FamRZ 2013, 612 Rn. 10; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308, S. 204).
15
Daher kann sich für eine Behörde aus § 59 Abs. 1 FamFG eine Beschwerdeberechtigung nur dann ergeben, wenn sie durch eine gerichtliche Entscheidung in gesetzlich eingeräumten eigenen Rechten unmittelbar betroffen ist (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 64). Eine bloße Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Erfüllung der einer Behörde übertragenen öffentlichen Aufgabe genügt dagegen nicht. Dies ergibt sich auch aus der Regelung des § 59 Abs. 3 FamFG. Aus dieser Vorschrift lässt sich schließen, dass eine Behörde nur dann zur Wahrung des von ihr vertretenen öffentlichen Interesses eine Beschwerdeberechtigung zustehen soll, wenn ihr eine solche spezialgesetzlich eingeräumt ist (vgl. Fischer NZFam 2014, 46).
16
bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht eine Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft zu Recht verneint.
17
Bereits für die Fälle, in denen der gesetzliche Vertreter nach § 52 Abs. 2 Satz 3 StPO von der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts eines Minderjährigen ausgeschlossen ist, ist ein ausdrückliches Recht der Staatsanwaltschaft, beim Familiengericht auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers anzutragen, gesetzlich nicht vorgesehen. Daher kann die Einleitung des familiengerichtlichen Verfahrens auch vom Gericht ausgehen (vgl. KK-Senge 7. Aufl. § 52 StPO Rn. 29). Bei der Entscheidung über die Ent- bindung der Ärzte, die ein minderjähriges Kind behandeln, von der ärztlichen Schweigepflicht sieht das Gesetz ebenfalls kein Antragsrecht der Staatsanwaltschaft auf Bestellung eines Ergänzungspflegers vor.
18
Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus einer möglichen Beeinträchtigung des von der Staatsanwaltschaft wahrgenommenen öffentlichen Strafverfolgungsinteresses. Dieses Interesse wird durch die Entscheidung des Amtsgerichts , dem Vater das Sorgerecht in diesem Bereich nicht zu entziehen und insoweit keine Ergänzungspflegschaft anzuordnen, lediglich mittelbar beeinträchtigt , weil die Entscheidung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nicht einer neutralen Person übertragen wird. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, ist dem Strafverfolgungsinteresse bereits dadurch Genüge getan, dass mit dem Vater ein gesetzlicher Vertreter der betroffenen Kinder vorhanden ist, der über die Schweigepflichtentbindung der behandelnden Ärzte entscheiden kann. Daran ändert auch die Befürchtung der Staatsanwaltschaft nichts, dass der Vater möglicherweise seine Entscheidung nicht unvoreingenommen und im Interesse der Kinder treffen wird. Deshalb könnte der Staatsanwaltschaft durch die unterbliebene Bestellung eines neutralen Ergänzungspflegers zwar die Ermittlungstätigkeit erschwert werden. Eine unmittelbare Beeinträchtigung in einem über das allgemeine öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung hinausgehenden subjektiven Recht erfährt die Staatsanwaltschaft hierdurch jedoch nicht.
19
Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, unterscheidet sich das seit 1. September 2009 geltende Recht insoweit von der früheren gesetzlichen Regelung. Diese enthielt in § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG eine weitergehende Beschwerdeberechtigung , indem gegen die Ablehnung der Anordnung einer Pflegschaft auch derjenige beschwerdeberechtigt war, der nur ein rechtliches Interesse an der Änderung der Verfügung hatte (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/ Engelhardt FGG 15. Aufl. § 57 Rn. 18 mwN). Diese Regelung, aus der in der Vergangenheit das Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft gegen Entscheidungen über die Bestellung eines Ergänzungspflegers hergeleitet worden ist (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 243, 244; OLG Düsseldorf FamRZ 1973, 547; Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt FGG 15. Aufl. § 57 Rn. 18), wurde - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - in das neue Recht nicht übernommen (Senatsbeschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 624/11 - FamRZ 2012, 1131 Rn. 8).
20
c) Die nur für Antragsverfahren geltende Regelung in § 59 Abs. 2 FamFG begründet schließlich keine eigenständige Beschwerdeberechtigung, sondern enthält lediglich die Begrenzung einer grundsätzlich bestehenden Beschwerdeberechtigung auf die Person des Antragstellers (Senatsbeschlüsse vom 26. Juni 2013 - XII ZB 31/13 - FamRZ 2013, 1380 Rn. 11 und vom 18. April 2012 - XII ZB 624/11 - FamRZ 2012, 1131 Rn. 8).
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Michelstadt, Entscheidung vom 15.05.2013 - 47 F 1/13 PF -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 02.07.2013 - 6 WF 104/13 -

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

15
Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht demjenigen die Beschwerde zu, der durch einen gerichtlichen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Es muss sich um die unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 326/10, FamRZ 2011, 465 Rn. 9 m.w.N.; Beschluss vom 3. April 1951 - V BLw 5/50, BGHZ 1, 343, 351 ff.). Die tatsächlichen Grundlagen der Rechtsbeeinträchtigung , bei denen es sich um doppelrelevante Tatsachen handelt, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Beschwerde entscheidend sind, sind schlüssig vorzutragen (vgl. RGZ 29, 371, 373 f.; BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237, 240 f.; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 59 Rn. 20).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ARZ 2/05
vom
5. März 2007
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FGG § 5 Abs. 1 Satz 2
Zur Bestimmung des zuständigen Gerichts für die Bestellung von Notorganen
für eine sog. Rest- bzw. Spaltgesellschaft einer in der ehemaligen DDR enteigneten
Aktiengesellschaft.
BGH, Beschluss vom 5. März 2007 - II ARZ 2/05 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. März 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

beschlossen:
Als zuständiges Gericht für die Bestellung eines Notvorstands und Notaufsichtsrats der M. AG, R. , wird hinsichtlich ihres dort gelegenen Vermögens das Amtsgericht R. bestimmt.

Gründe:

1
I. Der Antragsteller ist Aktionär der M. AG, deren Vermögen ausweislich einer Beschwerdeentscheidung des Landgerichts F. vom 2. Juli 1990 (3/11 T 2/90 = 10 AR 383/82 AG B. ) in der früheren DDR enteignet worden ist und die, da sie noch über im Bereich der alten Bundesrepublik gelegenes sog. "Westvermögen" verfügte , als Rest- bzw. Spaltgesellschaft (vgl. zur terminologischen Unterscheidung : BGHZ 33, 195, 199; eingehend: Drobnig, Festschrift Serick, 37, 42 ff.) fortbestanden hat. Im Hinblick hierauf wurde auf Antrag einer Aktionärin durch Beschluss des Amtsgerichts B. vom 21. September 1982 ein Notvorstand und durch weiteren Beschluss vom 31. Oktober 1984 auch ein Notaufsichtsrat bestellt, um dieser Rest- bzw. Spaltgesellschaft eine etwaige Realisierung von ursprünglich noch in Westdeutschland vorhandenen Kontenguthaben zu ermöglichen, die zwischenzeitlich aufgrund des Währungsumstel- lungsgesetzes an das Bundesausgleichsamt abgeführt worden waren. In der Folgezeit wurde nach Amtsniederlegung des Notvorstandes der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens zum Vorstand bestellt und eine außerordentliche Hauptversammlung der Rest- bzw. Spaltgesellschaft abgehalten; eine im Jahre 1990 beschlossene "Sitzverlegung" nach B. ist wegen Zurückweisung eines entsprechenden Eintragungsantrags nicht wirksam geworden. Zwischenzeitlich sind die Amtszeiten der seinerzeit bestellten Organe dieser Gesellschaft abgelaufen, ohne dass eine Neubestellung stattgefunden hätte.
2
Nunmehr beantragt der Antragsteller die erneute Bestellung von Notorganen für die Rest- bzw. Spaltgesellschaft, um sie in die Lage zu versetzen, Rechte an der ihr angeblich zustehenden, im Grundbuch von R. , Blatt , in Abt. III unter lfd.-Nr. 5 über 3.150,00 DM für die M. AG eingetragenen Grundschuld geltend machen zu können. In einem Aufgebotsverfahren des AG R. (42 C 180/03) haben - wie sich aus den beigezogenen Aufgebotsakten ergibt - die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gemäß Art. 22 Abs. 1 EinigVtr und der Antragsteller als früherer Vorstand der Restbzw. Spaltgesellschaft Ansprüche auf das Grundpfandrecht angemeldet; daraufhin ist der diesbezügliche Aufgebotsantrag zurückgenommen worden.
3
II. Der Antrag ist begründet.
4
Nach den ausweislich der beigezogenen Akten des Amtsgerichts B. (10 AR 383/82) in den oben erwähnten Entscheidungen getroffenen Feststellungen hat die in der DDR enteignete M. AG als Rest- bzw. Spaltgesellschaft außerhalb der DDR im alten Bundesgebiet fortbestanden. Diese Gesellschaft ist nach der Wiedervereinigung im gesamten Bundesgebiet - also nunmehr einschließlich der fünf Bei- trittsländer und Ostberlins - existent und kann dort geschäftlich tätig werden (vgl. dazu Drobnig aaO S. 37, 49 f.).
5
Damit sie die - nach den Angaben des Antragstellers ihr zustehenden - Rechte hinsichtlich des jedenfalls in Form der oben bezeichneten, zugunsten der M. AG im Grundbuch von R. eingetragenen Grundschuld noch vorhandenen Gesellschaftsvermögens geltend machen, insbesondere ihre Rechtsposition gegenüber der KfW klären kann, erscheint die (nochmalige ) Bestellung von Notorganen erforderlich.
6
Um dies zu ermöglichen, muss der Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 FGG ein Gericht bestimmen, das für deren Bestellung zuständig ist. Der Senat hat das Amtsgericht R. als das nach § 145 Abs. 1 FGG zuständige Gericht bestimmt, weil sich in dessen Bezirk das nach der Behauptung des Antragstellers von der Enteignung nicht erfasste Vermögensrecht der Gesellschaft in Gestalt des im Grundbuch von R. eingetragenen Grundpfandrechts befindet.
Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Caliebe

(1) Ist die Abwicklung beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Abwickler den Schluß der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu löschen.

(2) Die Bücher und Schriften der Gesellschaft sind an einem vom Gericht bestimmten sicheren Ort zur Aufbewahrung auf zehn Jahre zu hinterlegen.

(3) Das Gericht kann den Aktionären und den Gläubigern die Einsicht der Bücher und Schriften gestatten.

(4) Stellt sich nachträglich heraus, daß weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind, so hat auf Antrag eines Beteiligten das Gericht die bisherigen Abwickler neu zu bestellen oder andere Abwickler zu berufen. § 265 Abs. 4 gilt.

(5) Gegen die Entscheidungen nach den Absätzen 2, 3 und 4 Satz 1 ist die Beschwerde zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ARZ 2/05
vom
5. März 2007
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FGG § 5 Abs. 1 Satz 2
Zur Bestimmung des zuständigen Gerichts für die Bestellung von Notorganen
für eine sog. Rest- bzw. Spaltgesellschaft einer in der ehemaligen DDR enteigneten
Aktiengesellschaft.
BGH, Beschluss vom 5. März 2007 - II ARZ 2/05 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. März 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

beschlossen:
Als zuständiges Gericht für die Bestellung eines Notvorstands und Notaufsichtsrats der M. AG, R. , wird hinsichtlich ihres dort gelegenen Vermögens das Amtsgericht R. bestimmt.

Gründe:

1
I. Der Antragsteller ist Aktionär der M. AG, deren Vermögen ausweislich einer Beschwerdeentscheidung des Landgerichts F. vom 2. Juli 1990 (3/11 T 2/90 = 10 AR 383/82 AG B. ) in der früheren DDR enteignet worden ist und die, da sie noch über im Bereich der alten Bundesrepublik gelegenes sog. "Westvermögen" verfügte , als Rest- bzw. Spaltgesellschaft (vgl. zur terminologischen Unterscheidung : BGHZ 33, 195, 199; eingehend: Drobnig, Festschrift Serick, 37, 42 ff.) fortbestanden hat. Im Hinblick hierauf wurde auf Antrag einer Aktionärin durch Beschluss des Amtsgerichts B. vom 21. September 1982 ein Notvorstand und durch weiteren Beschluss vom 31. Oktober 1984 auch ein Notaufsichtsrat bestellt, um dieser Rest- bzw. Spaltgesellschaft eine etwaige Realisierung von ursprünglich noch in Westdeutschland vorhandenen Kontenguthaben zu ermöglichen, die zwischenzeitlich aufgrund des Währungsumstel- lungsgesetzes an das Bundesausgleichsamt abgeführt worden waren. In der Folgezeit wurde nach Amtsniederlegung des Notvorstandes der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens zum Vorstand bestellt und eine außerordentliche Hauptversammlung der Rest- bzw. Spaltgesellschaft abgehalten; eine im Jahre 1990 beschlossene "Sitzverlegung" nach B. ist wegen Zurückweisung eines entsprechenden Eintragungsantrags nicht wirksam geworden. Zwischenzeitlich sind die Amtszeiten der seinerzeit bestellten Organe dieser Gesellschaft abgelaufen, ohne dass eine Neubestellung stattgefunden hätte.
2
Nunmehr beantragt der Antragsteller die erneute Bestellung von Notorganen für die Rest- bzw. Spaltgesellschaft, um sie in die Lage zu versetzen, Rechte an der ihr angeblich zustehenden, im Grundbuch von R. , Blatt , in Abt. III unter lfd.-Nr. 5 über 3.150,00 DM für die M. AG eingetragenen Grundschuld geltend machen zu können. In einem Aufgebotsverfahren des AG R. (42 C 180/03) haben - wie sich aus den beigezogenen Aufgebotsakten ergibt - die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gemäß Art. 22 Abs. 1 EinigVtr und der Antragsteller als früherer Vorstand der Restbzw. Spaltgesellschaft Ansprüche auf das Grundpfandrecht angemeldet; daraufhin ist der diesbezügliche Aufgebotsantrag zurückgenommen worden.
3
II. Der Antrag ist begründet.
4
Nach den ausweislich der beigezogenen Akten des Amtsgerichts B. (10 AR 383/82) in den oben erwähnten Entscheidungen getroffenen Feststellungen hat die in der DDR enteignete M. AG als Rest- bzw. Spaltgesellschaft außerhalb der DDR im alten Bundesgebiet fortbestanden. Diese Gesellschaft ist nach der Wiedervereinigung im gesamten Bundesgebiet - also nunmehr einschließlich der fünf Bei- trittsländer und Ostberlins - existent und kann dort geschäftlich tätig werden (vgl. dazu Drobnig aaO S. 37, 49 f.).
5
Damit sie die - nach den Angaben des Antragstellers ihr zustehenden - Rechte hinsichtlich des jedenfalls in Form der oben bezeichneten, zugunsten der M. AG im Grundbuch von R. eingetragenen Grundschuld noch vorhandenen Gesellschaftsvermögens geltend machen, insbesondere ihre Rechtsposition gegenüber der KfW klären kann, erscheint die (nochmalige ) Bestellung von Notorganen erforderlich.
6
Um dies zu ermöglichen, muss der Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 FGG ein Gericht bestimmen, das für deren Bestellung zuständig ist. Der Senat hat das Amtsgericht R. als das nach § 145 Abs. 1 FGG zuständige Gericht bestimmt, weil sich in dessen Bezirk das nach der Behauptung des Antragstellers von der Enteignung nicht erfasste Vermögensrecht der Gesellschaft in Gestalt des im Grundbuch von R. eingetragenen Grundpfandrechts befindet.
Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Caliebe

(1) Ist die Abwicklung beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Abwickler den Schluß der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu löschen.

(2) Die Bücher und Schriften der Gesellschaft sind an einem vom Gericht bestimmten sicheren Ort zur Aufbewahrung auf zehn Jahre zu hinterlegen.

(3) Das Gericht kann den Aktionären und den Gläubigern die Einsicht der Bücher und Schriften gestatten.

(4) Stellt sich nachträglich heraus, daß weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind, so hat auf Antrag eines Beteiligten das Gericht die bisherigen Abwickler neu zu bestellen oder andere Abwickler zu berufen. § 265 Abs. 4 gilt.

(5) Gegen die Entscheidungen nach den Absätzen 2, 3 und 4 Satz 1 ist die Beschwerde zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ARZ 2/05
vom
5. März 2007
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FGG § 5 Abs. 1 Satz 2
Zur Bestimmung des zuständigen Gerichts für die Bestellung von Notorganen
für eine sog. Rest- bzw. Spaltgesellschaft einer in der ehemaligen DDR enteigneten
Aktiengesellschaft.
BGH, Beschluss vom 5. März 2007 - II ARZ 2/05 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. März 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

beschlossen:
Als zuständiges Gericht für die Bestellung eines Notvorstands und Notaufsichtsrats der M. AG, R. , wird hinsichtlich ihres dort gelegenen Vermögens das Amtsgericht R. bestimmt.

Gründe:

1
I. Der Antragsteller ist Aktionär der M. AG, deren Vermögen ausweislich einer Beschwerdeentscheidung des Landgerichts F. vom 2. Juli 1990 (3/11 T 2/90 = 10 AR 383/82 AG B. ) in der früheren DDR enteignet worden ist und die, da sie noch über im Bereich der alten Bundesrepublik gelegenes sog. "Westvermögen" verfügte , als Rest- bzw. Spaltgesellschaft (vgl. zur terminologischen Unterscheidung : BGHZ 33, 195, 199; eingehend: Drobnig, Festschrift Serick, 37, 42 ff.) fortbestanden hat. Im Hinblick hierauf wurde auf Antrag einer Aktionärin durch Beschluss des Amtsgerichts B. vom 21. September 1982 ein Notvorstand und durch weiteren Beschluss vom 31. Oktober 1984 auch ein Notaufsichtsrat bestellt, um dieser Rest- bzw. Spaltgesellschaft eine etwaige Realisierung von ursprünglich noch in Westdeutschland vorhandenen Kontenguthaben zu ermöglichen, die zwischenzeitlich aufgrund des Währungsumstel- lungsgesetzes an das Bundesausgleichsamt abgeführt worden waren. In der Folgezeit wurde nach Amtsniederlegung des Notvorstandes der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens zum Vorstand bestellt und eine außerordentliche Hauptversammlung der Rest- bzw. Spaltgesellschaft abgehalten; eine im Jahre 1990 beschlossene "Sitzverlegung" nach B. ist wegen Zurückweisung eines entsprechenden Eintragungsantrags nicht wirksam geworden. Zwischenzeitlich sind die Amtszeiten der seinerzeit bestellten Organe dieser Gesellschaft abgelaufen, ohne dass eine Neubestellung stattgefunden hätte.
2
Nunmehr beantragt der Antragsteller die erneute Bestellung von Notorganen für die Rest- bzw. Spaltgesellschaft, um sie in die Lage zu versetzen, Rechte an der ihr angeblich zustehenden, im Grundbuch von R. , Blatt , in Abt. III unter lfd.-Nr. 5 über 3.150,00 DM für die M. AG eingetragenen Grundschuld geltend machen zu können. In einem Aufgebotsverfahren des AG R. (42 C 180/03) haben - wie sich aus den beigezogenen Aufgebotsakten ergibt - die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gemäß Art. 22 Abs. 1 EinigVtr und der Antragsteller als früherer Vorstand der Restbzw. Spaltgesellschaft Ansprüche auf das Grundpfandrecht angemeldet; daraufhin ist der diesbezügliche Aufgebotsantrag zurückgenommen worden.
3
II. Der Antrag ist begründet.
4
Nach den ausweislich der beigezogenen Akten des Amtsgerichts B. (10 AR 383/82) in den oben erwähnten Entscheidungen getroffenen Feststellungen hat die in der DDR enteignete M. AG als Rest- bzw. Spaltgesellschaft außerhalb der DDR im alten Bundesgebiet fortbestanden. Diese Gesellschaft ist nach der Wiedervereinigung im gesamten Bundesgebiet - also nunmehr einschließlich der fünf Bei- trittsländer und Ostberlins - existent und kann dort geschäftlich tätig werden (vgl. dazu Drobnig aaO S. 37, 49 f.).
5
Damit sie die - nach den Angaben des Antragstellers ihr zustehenden - Rechte hinsichtlich des jedenfalls in Form der oben bezeichneten, zugunsten der M. AG im Grundbuch von R. eingetragenen Grundschuld noch vorhandenen Gesellschaftsvermögens geltend machen, insbesondere ihre Rechtsposition gegenüber der KfW klären kann, erscheint die (nochmalige ) Bestellung von Notorganen erforderlich.
6
Um dies zu ermöglichen, muss der Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 FGG ein Gericht bestimmen, das für deren Bestellung zuständig ist. Der Senat hat das Amtsgericht R. als das nach § 145 Abs. 1 FGG zuständige Gericht bestimmt, weil sich in dessen Bezirk das nach der Behauptung des Antragstellers von der Enteignung nicht erfasste Vermögensrecht der Gesellschaft in Gestalt des im Grundbuch von R. eingetragenen Grundpfandrechts befindet.
Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Caliebe
25
Die Vertretungsmacht bestimmt sich nach den Vorschriften über die Personengesellschaften deutschen Rechts. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin als offene Handelsgesellschaft oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu behandeln ist. In beiden Fällen ist M. zur (Allein-)Vertretung der Klägerin befugt. Das ergibt sich für die offene Handelsgesellschaft schon aus § 125 Abs. 1 HGB, wonach grundsätzlich jeder Gesellschafter zur (Allein-)Vertretung berechtigt ist (vgl. MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl. § 125 Rdn. 25). Dar- über hinaus ist die Alleinvertretungsmacht des Gesellschafters M. in der Satzung der Klägerin begründet. Darin ist bestimmt, dass M. - als alleiniger Verwaltungsrat - die Klägerin vertritt. Das gilt auch, soweit die Gesellschaft nach deutschem Recht als Personengesellschaft zu beurteilen ist.
13
aa) Das Personalstatut von Gesellschaften richtet sich nach der sogenannten Gründungstheorie, wenn die Auslandsgesellschaft in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrags in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden ist (BGH, Urteile vom 27. Oktober 2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 19 und vom 11. Januar 2011 - II ZR 157/09, NJW 2011, 844 Rn. 16 jew. mwN). Nur für Gesellschaften, die in einem Drittstaat gegründet worden sind, hält die Rechtsprechung an der sogenannten Sitztheorie fest, nach der für das Personalstatut das Recht des Sitzstaats maßgeblich ist (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 aaO mwN). Bei Übertragung dieser Grundsätze auf das Personalstatut von Stiftungen ist hiernach das österreichische Recht maßgeblich, da die Klägerin in Österreich gegründet wurde. Soweit in der Literatur ohne die vorstehende Differenzierung nach der Herkunft der ausländischen Stiftung allein die Sitztheorie für maßgeblich erklärt wird (z.B. MüKoBGB/ Kindler aaO, Rn. 676 mwN) und damit gemeint sein sollte, dass diese auch für Stiftungen aus einem EU-, EWR- oder gleichgestellten Staat gelten solle, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da die Klägerin im österreichischen E. ihren Verwaltungssitz unterhält.
25
Die Vertretungsmacht bestimmt sich nach den Vorschriften über die Personengesellschaften deutschen Rechts. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin als offene Handelsgesellschaft oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu behandeln ist. In beiden Fällen ist M. zur (Allein-)Vertretung der Klägerin befugt. Das ergibt sich für die offene Handelsgesellschaft schon aus § 125 Abs. 1 HGB, wonach grundsätzlich jeder Gesellschafter zur (Allein-)Vertretung berechtigt ist (vgl. MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl. § 125 Rdn. 25). Dar- über hinaus ist die Alleinvertretungsmacht des Gesellschafters M. in der Satzung der Klägerin begründet. Darin ist bestimmt, dass M. - als alleiniger Verwaltungsrat - die Klägerin vertritt. Das gilt auch, soweit die Gesellschaft nach deutschem Recht als Personengesellschaft zu beurteilen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 380/00 Verkündet am:
1. Juli 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Verlegt eine ausländische Gesellschaft, die entsprechend ihrem Statut nach
dem Recht des Gründungsstaates als rechtsfähige Gesellschaft ähnlich einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts zu behandeln wäre,
ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, so ist sie nach deutschem Recht jedenfalls
eine rechtsfähige Personengesellschaft und damit vor den deutschen
Gerichten aktiv und passiv parteifähig.
BGH, Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Kraemer und die Richterin
Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2000 aufgehoben.
Die Anschlußberufung des Beklagten gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 25. November 1998 wird zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaftserklärung vom 17. Juni 1993 in Anspruch. Sie hat vorgetragen, sie sei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ("Limited Company") nach dem Recht der Kanalinsel J., auf der sie am 11. Oktober 1966 ordnungsgemäß gegründet worden sei und ihren satzungsmäßigen und tatsächlichen Verwaltungssitz habe. Sie sei daher auch in Deutschland rechts- und parteifähig. Der Beklagte ist der Ansicht, der Klägerin fehle die Rechts- und Parteifähigkeit, weil sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Portugal oder Deutschland habe, ohne daß sie sich nach dem Recht dieser Staaten neu gegründet und die Eintragung ins Handelsregister veranlaßt habe.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Klägerin der Nachweis ihrer Parteifähigkeit nicht gelungen sei. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Klägerin zugleich auf die Anschlußberufung hin in Abänderung und Ergänzung des landgerichtlichen Urteils zur Leistung von Prozeßkostensicherheit in Höhe von 20.000,00 DM für den Beklagten verurteilt. Hiergegen und gegen die Klageabweisung richtet sich die Revision.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen. Im übrigen wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
I. Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Landgericht damit, der Klägerin obliege angesichts des Bestreitens des Beklagten der Beweis dafür, daß sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz auf J. befinde. Denn die Parteifähigkeit richte sich nach der Sitztheorie und damit nach dem Personalstatut der Gesellschaft. Den entsprechenden Beweis habe die Klägerin nicht zu führen vermocht. Dem Beklagten stehe nach § 110 ZPO ein Anspruch auf Prozeßkostensicherheit auch für die erste Instanz zu. Beides hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
II. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht im Hinblick auf einen möglichen Verwaltungssitz der Klägerin in Deutschland oder Portugal deren Parteifähigkeit.
1. Der Klägerin könnte das Recht, ihre Ansprüche vor deutschen Gerichten geltend zu machen, auch dann nicht versagt werden, wenn sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland hätte und nach der hier überwiegend vertretenen Sitztheorie (BGHZ 53, 181, 183; 78, 318, 334; 97, 269, 271; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1991 - XI ZR 64/90, ZIP 1991, 1582; Beschl. v. 30. März 2000 - VII ZR 370/98, DB 2000, 1114; BFH, BStBl. II 1992, 263, 720; BayObLG, NJW-RR 1993, 43; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht , 13. Aufl. Rdn. 24) nicht entsprechend ihrem Gründungsstatut als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ("Limited Company") nach dem auf der Kanalinsel J. geltenden Recht zu behandeln wäre. Denn dann wäre sie in Deutschland jedenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 Abs. 2 BGB) und damit vor deutschen Gerichten aktiv und passiv parteifähig. Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht noch nicht berücksichtigen konnte, auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Urt. v. 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, ZIP 2001, 330; Beschl. v. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, ZIP 2002, 614).

a) Eine Behandlung der ausländischen Gesellschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird in der Literatur schon seit längerem als mögliche Alternative zur Anwendung der Sitz- oder Gründungstheorie diskutiert (vgl. Rehbinder , IPrax 1985, 32; Zimmer, BB 2000, 1361, 1363 m.w.N.). Ihr wurde bisher entgegengehalten, daß sie zu erheblichen Problemen im Prozeß- und Zwangs- vollstreckungsrecht führen würde, etwa weil zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche sich nicht gegen die Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit richten würden, sondern in aller Regel gegen die ausländische Gesellschaft als - nach Gründungsrecht - juristische Person (Rehbinder aaO). Würden nach teilweiser oder gänzlicher Klageabweisung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die klagende ausländische Gesellschaft notwendig, entstünde das Problem, daß ein Titel gegen die Gesellschafter als Gesellschaft bürgerlichen Rechts existieren würde, im Zweifel aber in Vermögensgegenstände vollstreckt werden müsse, die nominell im Eigentum der ausländischen Gesellschaft als juristischer Person stehen oder in Konten, die auf deren Namen errichtet sind. Eine Titelumschreibung auf die ausländische Gesellschaft nach § 727 ZPO würde mangels Rechtsnachfolge schon begrifflich ausscheiden, aber auch deshalb, weil die Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit eingetreten sein muß (Zöller-Stöber, ZPO 21. Aufl. 1999 § 727 Rdn. 19).

b) Diese Einwände sind mit der neuen Rechtsprechung des Senats zur Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entfallen. Die ausländische Gesellschaft kann, ohne nach deutschem Recht juristische Person zu sein, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts klagen, so daß auch Gegenansprüche und Einreden oder Einwendungen unproblematisch geltend gemacht werden können und aus einem Titel gegen sie vollstreckt werden kann, ohne daß sich die Frage einer Umschreibung stellt. Ferner kann sie wirksam Verträge abschließen und Eigentum erwerben.
Damit entfallen zugleich die Bedenken, daß nach ausländischem Recht wirksam gegründete Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt haben, durch die Weigerung, ihre Rechts- und Parteifähigkeit anzuerkennen , in einem durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls nicht geforderten und damit unverhältnismäßigen Umfang ihres rechtlichen Besitzstan- des und ihrer Klagemöglichkeiten beraubt werden könnten, was angesichts der Vielzahl der von solchen Gesellschaften tatsächlich getätigten Geschäfte, des von ihnen vollzogenen Erwerbs von Immobilien- und Mobiliareigentums und der auch für sie bestehenden Notwendigkeit, im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Wahrung ihrer Rechte um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, weder durch die Notwendigkeit eines wirksamen Gläubigerschutzes noch durch das Gebot der Rechtssicherheit zur rechtfertigen wäre. Dementsprechend hat sich die Rechtsprechung auch schon vor den Grundsatzentscheidungen des Senats vom 29. Januar 2001 und 18. Februar 2002 genötigt gesehen, die passive Parteifähigkeit der ausländischen Gesellschaft anzuerkennen (OLG Nürnberg, IPrax 1985, 342; dazu Rehbinder, IPrax 1985, 324; BGHZ 97, 269, 271). Zu Recht weist die Revision aber auch auf weitere Widersprüche der Rechtspraxis hin: So werden etwa die Bankbürgschaften, die die Klägerin zur Abwehr der Vollstreckung und zur Stellung der Prozeßkostensicherheit beigebracht hat, von den Instanzgerichten wie dem Beklagten akzeptiert, obwohl die in Deutschland abgeschlossenen Bürgschaftsverträge bei fehlender Rechtsfähigkeit der Klägerin nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts eigentlich nichtig wären.
2. Das Berufungsgericht ist dem unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten , die Klägerin habe ihren Verwaltungssitz in Portugal oder in Deutschland nicht nachgegangen, sondern hat die Frage offengelassen. Diese Frage könnte jedoch nur dann offenbleiben, wenn die im Falle ihres Sitzes in Deutschland rechts- und parteifähige Klägerin dies auch im Falle ihres Sitzes in Portugal wäre. Insoweit hat das Berufungsgericht indes keinerlei Feststellungen getroffen. Seiner Entscheidung ist nicht zu entnehmen, um welche Art von Gesellschaft es sich nach portugiesischem Recht handeln könnte und welche Konsequenzen hieraus für den vorliegenden Fall gezogen werden müßten. III. Mit Erfolg greift die Revision schließlich die Verurteilung zur Zahlung von Prozeßkostensicherheit nach § 110 ZPO an.
Hat die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in Portugal oder Deutschland, scheidet die Anwendbarkeit des § 110 ZPO ohnehin aus.
Aber auch dann, wenn sie als Gesellschaft nach dem Recht der Insel J. zu behandeln wäre, kann von ihr Prozeßkostensicherheit nach § 110 ZPO nicht verlangt werden. Richtig ist zwar, daß die frühere Fassung des § 110 ZPO nur dann gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 (jetzt: Art. 12) EGV verstieß, wenn eine inländische Prozeßpartei von der Verpflichtung zur Leistung von Prozeßkostensicherheit frei war und die Klage eine der Grundfreiheiten berührte (EuGH NJW 1996, 3407; 1998, 2127), so daß angesichts der eingeschränkten Geltung der Grundfreiheiten für J. nach Art. 299 Abs. 6 lit. c EGV i.V.m. dem Protokoll Nr. 3 zu der BeitrA 1972 (BGBl. II S. 1338) der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 110 ZPO möglicherweise J. von der Befreiung für Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätte ausnehmen können. Gerade dies ist jedoch nicht erfolgt, so daß die Begründung des Berufungsgerichts , Art. 6 (jetzt Art. 12) EGV gelte im Verhältnis zu J. nicht, zwar in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH stehen mag, nicht aber mit dem klaren Wortlaut des § 110 ZPO, der ohne Einschränkung für den Bereich der Europäischen Union eine Prozeßkostensicherheit nicht vorsieht und damit weiter reicht als die Vorgaben, die der EuGH gemacht hat. Da J. als Bestandteil des Vereinigten Königreiches, wenn auch unter Beachtung seines verfassungsrechtlichen Sonderstatus zur Europäischen Union gehört, sieht auch die Kommentarliteratur eine nur teilweise Geltung der Befreiungsvorschrift des § 110 ZPO für Großbritannien nicht vor, sondern geht von einer uneingeschränkten Geltung aus (MünchKomm./Belz, ZPO 2. Aufl. § 110 Rdn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl. Anh. zu § 110 Rdn. 11; Schütze, RiW 1999, S. 10).
Die Verurteilung der Klägerin zur Leistung von Prozeßkostensicherheit erfolgte daher unabhängig davon, wo sie ihren Verwaltungssitz hat, zu Unrecht.
IV. Soweit die Klägerin auf die Anschlußberufung hin zur Leistung von Prozeßkostensicherheit verurteilt wurde, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.). Im übrigen war der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es Gelegenheit hat, die oben unter II. 2. erörterten, bisher fehlenden Feststellungen nachzuholen und sich bei Bejahung der Zulässigkeit der Klage mit deren Begründetheit - erforderlichenfalls nach weiterem Sachvortrag der Parteien - auseinanderzusetzen.
Röhricht Hesselberger Goette
Kraemer Münke